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Wohnungsdurchsuchung, oder: Wenn mehrere das Hausrecht inne haben

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Heute eröffne ich dann mit einem weiteren Beschluss des OLG Köln. Dazu vorab (noch einmal). In dem gestrigen Posting: Vermögensabschöpfung neu, oder: Rechtsmittelbeschränkung und Rückwirkung hatte ich ja das OLG Köln, Urt. v. 23.01.2018 – 1 RVs 274/17 – vorgestellt und im Ursprungspost zwei – m.E. vorhandene – Zitatfehler angesprochen. Die hatte ich am Dienstagabend beim OLG Köln – 1. Strafsenat – „hinterfragt“, wobei der eine klar auf der Hand lag. Da hatte man sich mit OLG Celle und Und OLG Stuttgart vertan. Der zweite war nicht so leicht aufzulösen. Das OLG Köln hat es dann aber in Turbogeschwindigkeit getan, so dass der Beschluss jetzt „passt“. Besten Dank nach Köln

Und hier dann der weitere Beschluss des OLG Köln. Es ist der OLG Köln, Beschl. v. 26.01.2018 – 1 RVs 3/18. Er behandelt eine Durchsuchungsproblematik in einem BtM-Verfahren. Das AG hatte den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln  verurteilt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts wurde ein Teil der Betäubungsmittel bei einer im Anschluss an eine Verkehrskontrolle durchgeführten Durchsuchung der Wohnung sichergestellt, mit der sich der Angeklagte zuvor gegenüber dem Polizeibeamten pp. einverstanden erklärt hatte. Der Verteidiger legt Revision ein. Mit der Verfahrensrüge beanstandet er, das AG habe sich bei seiner Überzeugungsbildung auf Beweise gestützt, die es nicht hätte verwerten dürfen, da sie bei einer unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt, § 105 StPO, erfolgten Durchsuchung gewonnen worden seien. Das AG sei insofern zu Unrecht von einer „freiwilligen Zustimmung“ zur Wohnungsdurchsuchung ausgegangen als nicht alle Grundrechtsträger in die Maßnahme eingewilligt hätten, namentlich allein eine entsprechende Erklärung des Angeklagten, indes nicht der Mieterin der Wohnung vorgelegen habe. Dass die Freundin des Angeklagten Mieterin der verfahrensgegenständlichen Wohnung sei, habe sich für den Zeugen pp. auch eindeutig „aus dem Klingelschild“ ergeben. Die Rüge hatte keinen Erfolg. Das OLG meint: Nicht ausreichend im Sinn des § 344 Abs. 2 StPO begründet:

„Träger des Grundrechts nach Art. 13 Abs. 1 GG ist jeder Inhaber oder Bewohner eines Wohnraums, unabhängig davon, auf welchen Rechtsverhältnissen die Nutzung des Wohnraums beruht. Insoweit steht bei mehreren Bewohnern einer Wohnung das Grundrecht auch jedem Einzelnen zu (BVerfG NJW 2004, 999, 1005). Auch ist im Ausgangspunkt zutreffend, dass eine Disposition des Einzelnen nur dann in Betracht kommt, wenn er alleiniger Träger des Grundrechts ist; andernfalls ist grundsätzlich ein Konsens mit den anderen Grundrechtsträgern – etwa den weiteren Hausrechtsinhabern – erforderlich. Diese Grundsätze bestehen indes nicht vollständig losgelöst von der Eingriffsintensität und der Frage, inwieweit der Kernbereich des geschützten Rechtsguts überhaupt berührt ist. Insoweit ist nicht ausgeschlossen, dass Familien- oder Wohngemeinschaftsangehörige nach Maßgabe einfachen Rechts eine gegen einen anderen gerichtete, anhand der Schranken des Art. 13 GG zu rechtfertigende Maßnahme gegen sich wirken lassen müssen (von Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage, Rn. 21). Die im Spannungsfeld zwischen dem Grundrecht aus Art. 13 GG und einer funktionierenden Strafrechtspflege erforderliche Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers liegt den §§ 102f. StPO zugrunde, welche festschreiben, unter welchen Voraussetzungen ein Eingriff bei verdächtigen, aber auch unverdächtigen Personen in Betracht kommt. Die Frage, wessen freiwillige Unterwerfung in eine Wohnungsdurchsuchung erforderlich ist, damit eine andernfalls nach § 105 StPO erforderliche richterliche bzw. in Eilkompetenz ergangene Anordnung entbehrlich wird, ist insoweit im Kontext mit der nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles einschlägigen Ermächtigungsgrundlage zu beantworten.

Hinsichtlich der Anforderungen, die an die Durchsuchung einer Wohnung, die neben dem Verdächtigen von einer oder mehreren weiteren Personen bewohnt wird, zu stellen sind – namentlich, ob diese allein nach § 102 StPO oder auch nach § 103 StPO zu beurteilen ist – bedarf es der Differenzierung. Im Ausgangspunkt ist dabei festzuhalten, dass Wohnungen und Räume im Sinne des § 102 StPO alle Räumlichkeiten sind, die der Verdächtige tatsächlich innehat, gleichgültig  ob er Allein-  oder Mitinhaber ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Auflage, § 102 Rdn. 7). § 102 StPO verliert deshalb nicht seine Bedeutung als Eingriffsgrundlage, wenn weitere Personen Mitinhaber der tatsächlichen Herrschaft über Räumlichkeiten sind, die der Verdächtige bewohnt (so  BGH, Beschluss vom 15.10.1985 – 5 StR 338/85 -, juris; zugrunde lag die Konstellation, dass das Zimmer des Verdächtigen in der elterlichen Wohnung durchsucht wurde). Dagegen sind jedenfalls dann, wenn allein einer unbeteiligten Person zuzuordnende Räumlichkeiten (ebenfalls) Gegenstand der Durchsuchung sind, die engeren Anforderungen des § 103 StPO maßgeblich (s. auch LG Heilbronn, Urteil v. 16.12.2004 – 5 Ns 41 Js 26937/02 – juris).  

Ausgehend von diesem Maßstab ist schon im Sinne des § 344 Abs. 2 StPO nicht ausreichend dargetan, dass die vorliegende Maßnahme (auch) nach § 103 StPO zu beurteilen ist und insoweit – in Ermangelung einer richterlichen Anordnung sowie einer vorliegenden Eilkompetenz – der „Einwilligung“ der Zeugin bedurfte. Hierzu hätte die Revisionsbegründung jenseits des Umstandes, wo konkret die Betäubungsmittel aufgefunden wurden, zumindest konkret vortragen müssen, dass die Durchsuchung überhaupt Räume umfasste, die der Zeugin im dargestellten Sinne zuzuordnen sind.

Lediglich der Vollständigkeit halber ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass auch solche Umstände, die einen schweren, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstoß – als Voraussetzung eines aus einem Beweiserhebungsverbot folgenden Beweisverwertungsverbots (s. dazu BVerfG NStZ 2011, 103; BVerfG NJW 2006, 2684) – zu begründen geeignet wären, nicht hinreichend dargetan sind. Soweit die Revisionsbegründung hinsichtlich einer positiven Kenntnis des Zeugen pp. von den Besitzverhältnissen allein auf den Inhalt des Klingelschildes verweist, trägt dies die Annahme einer tatsächlichen Kenntnisnahme des Zeugen nicht. Vielmehr ist – soweit nach den Urteilsgründen die Durchsuchung der Wohnung „anschließend“ an die am Mülheimer Ring durchgeführte Kontrolle des Angeklagten erfolgte – nicht dargetan, dass eine Notwendigkeit, die Klingel zu nutzen und sie in diesem Zusammenhang näher zu beachten, überhaupt bestand. Insoweit sind auch die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Beweisverwertungsverbot nicht hinreichend vorgetragen. 

Soweit die Einziehungsentscheidung des Amtsgerichts rechtlichen Bedenken unterliegt, weil sie die einzuziehenden Gegenstände entgegen den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen (vgl. (BGHSt 8, 295, 211; BGH NJW 1994, 1421;  BGH NStZ 2007, 713) nicht so konkret bezeichnet hat, dass für die Beteiligten und die Vollstreckungsorgange Klarheit über Gegenstand und Umfang besteht, kann der Senat diese in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO der Konkretisierung zuführen, da die Urteilsgründe die erforderlichen Angaben enthalten.“

2 Strafsenat als Spezialsenat für „legendierte Durchsuchungen“, oder: Janusköpfige Maßnahme

entnommen openclipart.org

Der 2. Strafsenat des BGH scheint sich zum Spezialsenat für „besondere Durchsuchungen“ zu entwickeln. Nach dem BGH, Urt. v. 26.04.2017 – 2 StR 247/16 – (dazu Durchsuchung I: Die vorgetäuschte Polizeikontrolle, oder: Zulässig ja, Beweisverwertungsverbot nein, aber Pflicht zur Offenlegung) und dem BGH, Urt. v. 15.11.2017 – 2 StR 128/17 (dazu  Nochmals die “legendierte Kontrolle” – durch den Zoll, oder: Erlaubt, kein Beweisverwertungsverbot) nun das BGH, Urt. v. 17.01.2018 – 2 StR 180/17 – mit folgendem Sachverhalt:

Ergangen ist das Urteil in einem Verfahren u.a. wegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Nach den Feststellungen des LG „stand der Angeklagte im Verdacht, der Drogenlieferant des gesondert verfolgten D.  zu sein. Am 4. August 2016 wurde den Ermittlungsbehörden bekannt, dass D. ein größeres Drogengeschäft plante. Gegen 14.45 Uhr rief dieser den Angeklagten an und zitierte ihn zu seinem Garten in M. bei O., wo der Angeklagte um 15.35 Uhr eintraf. Das Treffen wurde polizeilich observiert. Nach Verlassen des Gartens gegen 16.26 Uhr verstaute der Angeklagte im hinteren rechten Bereich seines Fahrzeugs einen Gegenstand. In diesem Moment kam bei den Polizeieinsatzkräften, die bislang davon ausgegangen waren, es handle sich bei dem Angeklagten um den Drogenlieferanten des D. , der Verdacht auf, D. habe dem Angeklagten in seinem Garten Rauschgift übergeben. Die Einsatzleiterin, Kriminaloberkommissarin Dö. , ordnete daraufhin wegen Gefahr im Verzug an, das Fahrzeug des Angeklagten zu verfolgen und zu durchsuchen, bevor die vermeintlichen Drogen in Umlauf gelangen könnten. Um das aus ihrer Sicht höherrangige Verfahren gegen D. nicht zu gefährden, erteilte sie die Weisung, dem Angeklagten vorzuhalten, er werde aufgrund einer Personen- und Fahrzeugbeschreibung im Rahmen eines Raubdelikts angehalten. Nachdem es dem Angeklagten zunächst gelungen war, sich durch verkehrswidriges Fahrverhalten kurzzeitig der polizeilichen Verfolgung zu entziehen, wurde sein PKW gegen 17.00 Uhr auf dem Parkplatz eines Schnellrestaurants festgestellt. Der Angeklagte befand sich zu diesem Zeitpunkt in dem Restaurant. Unter dem Vorwand, es handele sich um eine Routineüberprüfung betreffend ein kürzlich begangenes Raubdelikt, wurde der Angeklagte durch die Polizeibeamten Z. und M. kontrolliert und sein Kraftfahrzeug durchsucht. Dabei wurden im hinteren rechten Fondbereich 86,82 Gramm Kokain mit einem Anteil an Kokainhydrochlorid von 67,5 % (58,47 Gramm) aufgefunden. Der Angeklagte hatte dieses am Nachmitttag desselben Tages von dem gesondert verfolgten D. auf Kommission zu einem Preis von 40 € pro Gramm erhalten und beabsichtigte, es für 60 € pro Gramm weiterzuverkaufen. Eine Dokumentation der Gründe für das Vorliegen von Gefahr im Verzug erfolgte nicht.

2. Aufgrund dieses Rauschgiftfunds beantragte Kriminaloberkommissarin Dö.   unter Einbindung des zuständigen Staatsanwalts bei dem Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Offenbach am Main den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses für die Wohnung des Angeklagten in F. . Gegen 17.42 Uhr ordnete der Ermittlungsrichter die Durchsuchung mündlich an. Eine vorherige Anhörung des Angeklagten unterblieb, um das polizeiliche Vorgehen nicht zu gefährden.“

Die Durchsuchung wird durchgeführt und es wird Rauschgilft gefunden. Der Angeklagte hat der Verwertung von Beweismitteln, die mit der Durchsuchung seines Kraftfahrzeuges und seiner Wohnung im Zusammenhang stehen, in der Hauptverhandlung widersprochen. Der BGh hat gegen deren Verwendung zur Feststellung des Wirkstoffgehalts jedoch keine Bedenken:

„Die durch die Einsatzleiterin Dö.  angeordnete Durchsuchung des PKW war rechtmäßig. Sie hat ihre Kollegen angewiesen, „die Verfolgung des Angeklagten aufzunehmen und aufgrund von Gefahr im Verzug, bevor die vermeintlichen Drogen in Umlauf gelangten, den Angeklagten anzuhalten und ihn zu durchsuchen.“ Während die Intention, das Inverkehrbringen der Drogen zu verhindern, für eine präventive Maßnahme spricht, deutet die Annahme von Gefahr im Verzug auf repressives Handeln hin.

Wenn eine Maßnahme – wie hier – sowohl der Gewinnung von Beweismitteln als auch der Gefahrenabwehr dient, besteht grundsätzlich kein Vorrang strafprozessualer Eingriffsbefugnisse. Polizeibehörden dürfen daher auch während eines bereits laufenden Ermittlungsverfahrens aufgrund präventiver Ermächtigungsgrundlagen zum Zwecke der Gefahrenabwehr tätig werden. Die Rechtmäßigkeit der Maßnahme ist dann ausschließlich nach den gefahrenabwehrrechtlichen Voraussetzungen zu beurteilen. Die Verwertbarkeit der dabei gewonnenen Beweismittel im Strafverfahren bestimmt sich nach § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO (Senat, Urteil vom 26. April 2017 – 2 StR 247/16, NJW 2017, 3173 Rn. 37 ff.). Letztlich kann die rechtliche Einordnung der Maßnahme hier dahingestellt bleiben, da sowohl die gefahrenabwehrrechtlichen als auch die strafprozessualen Voraussetzungen für die Durchsuchung des PKWs gegeben waren.

aa) Die Voraussetzungen der gefahrenabwehrrechtlichen Eingriffsgrundlage des § 37 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 HSOG (i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 1 HSOG bzw. § 40 Nr. 1 und 4 HSOG) lagen zum Zeitpunkt der Durchsuchung vor. Aus den Telefonüberwachungsmaßnahmen und der Observation des Treffens des Angeklagten mit dem gesondert Verfolgten D.   waren aus Sicht der handelnden Polizeibeamten tatsächliche Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Angeklagte in seinem Fahrzeug Drogen, mithin (verbotene) Gegenstände im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 HSOG (i.V.m. § 40 Nrn. 1 und 4 HSOG) mit sich führte, von denen eine erhebliche Gefahr für die Volksgesundheit ausging. Einer vorherigen richterlichen Anordnung bedurfte es nach dem Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht. Da die Erkenntnisse aus der Fahrzeugdurchsuchung der Aufklärung einer „schweren Straftat“ im Sinne des § 100a Abs. 2 Nr. 7 StPO dienten, aufgrund derer eine Durchsuchung nach der Strafprozessordnung ohne weiteres hätte angeordnet werden dürfen, liegen auch die Voraussetzungen des § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO vor.

bb) Die Durchsuchung des Kraftfahrzeuges des Angeklagten war auch als repressive Maßnahme zulässig. Ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt ist nicht zu besorgen. Die Annahme von Gefahr im Verzug hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

Gefahr im Verzug liegt dann vor, wenn die vorherige Einholung der richterlichen Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. Februar 2001 – 2 BvR 1444/00, BVerfGE 103, 142, 154; Senat, Urteil vom 6. Oktober 2016 – 2 StR 46/15, BGHSt 61, 266, 273; BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 – 3 StR 140/14, NStZ-RR 2014, 318, 319; Beschluss vom 30. August 2011 – 3 StR 210/11, NStZ 2012, 104 jeweils mwN). Für die Frage, ob die Ermittlungsbehörden eine richterliche Entscheidung rechtzeitig erreichen können, kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem die Staatsanwaltschaft oder ihre Hilfsbeamten die Durchsuchung für erforderlich hielten (BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 288 f.).

Dieser Zeitpunkt war vorliegend gegeben, als der Angeklagte den Garten des anderweitig Verfolgten D. überraschend mit einem Päckchen verließ. Erst zu diesem Zeitpunkt war bei den observierenden Beamten, die bislang davon ausgingen, bei dem Angeklagten handele es sich um einen Drogenlieferanten des D. , der Verdacht aufgekommen, D. seinerseits habe dem Angeklagten Drogen übergeben (vgl. zur nicht vorhersehbaren Aufgreifsituation: Löwe-Rosenberg/Tsambikakis, StPO, 26. Aufl., § 105 Rn. 87). Da eine unverzügliche Weitergabe der vermeintlichen Drogen durch den Angeklagten zu befürchten war, ist die Annahme von Gefahr im Verzug rechtlich nicht zu beanstanden. Die mangelnde Dokumentation der Dringlichkeit der Maßnahme ist hier unbeachtlich, da die Beschreibung der tatsächlichen Umstände das Vorliegen von Gefahr im Verzug als evident erscheinen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2005 – 2 BvR 308/04, NJW 2005, 1637, 1639; Senat, Beschluss vom 15. März 2017 – 2 StR 23/16, NStZ 2017, 713). Die kurzzeitige Flucht des Angeklagten führte zu keiner Zäsur der kurz zuvor rechtmäßig angeordneten Maßnahme (vgl. Senat, Beschluss vom 15. März 2017 – 2 StR 23/16, aaO).

b) Soweit der Angeklagte beanstandet, die Staatsanwaltschaft habe gegen die Grundsätze der Aktenwahrheit und -klarheit verstoßen, weil zum Zeitpunkt der Anklageerhebung der Akteninhalt suggeriert habe, bei der Durchsuchung des Kraftfahrzeuges habe es sich um eine zufällige Maßnahme gehandelt und die wesentlichen Unterlagen, aus denen sich der tatsächliche Hintergrund der Durchsuchung ergebe, seien erst drei Tage nach Anklageerhebung durch die Polizei übersandt worden, handelt es sich der Sache nach um die Rüge des fairen Verfahrens (vgl. Senat, Urteil vom 26. April 2017 – 2 StR 247/16, NJW 2017, 3173, 3178 f.). Unschädlich ist, dass der Beschwerdeführer den verletzten Verfahrensgrundsatz nicht explizit benennt. Denn die Angriffsrichtung – hier die Beeinträchtigung der Verteidigung durch die Zurückhaltung von für das Ermittlungsverfahren wesentlichen Informationen – ergibt sich noch ausreichend aus dem Revisionsvorbringen (vgl. Senat, Urteil vom 29. November 1989 – 2 StR 264/89, NJW 1990, 584, 585; KK-StPO/Gericke, 7. Aufl., § 344 Rn. 34). Jedoch führt hier bereits widersprüchlicher Tatsachenvortrag zur Unzulässigkeit der Rüge (BGH, Beschluss vom 28. August 1997 – 1 StR 291/97, NStZ 1998, 52; Urteil vom 19. Oktober 2005 – 1 StR 117/05, NStZ-RR 2006, 181, 182 mwN). So macht die Revision geltend, die Verfahrensakte sei, nachdem der staatsanwaltschaftliche Sachbearbeiter auf Blatt 172 ff. der Akte den Abschluss der Ermittlungen vermerkt habe, dem Gericht ohne Hinweis auf das Hintergrundverfahren und den tatsächlich der Durchsuchung des Kraftfahrzeugs zugrundeliegenden Sachverhalt vorgelegt worden. An späterer Stelle teilt sie hingegen mit, auf Blatt 112 der Verfahrensakten finde sich eine Dokumentation des durch die Kriminalpolizei kontaktierten Bereitschaftsrichters vom 4. August 2016 folgenden Inhalts:

„Am 4.8. um ca. 18 h rief K 34 an und teilte folgenden Sachverhalt mit: Der Beschuldigte K. , geb. , wh S. str. in F. wurde bereits abgehört, er sei bei einem BtM-Geschäft beobachtet, danach kontrolliert worden, in seinem Fzg. sei 89 gr. Kokain gefunden worden, der StA von der StA DA hat Durchsuchung seiner Wohnräume in F. beantragt.“

Aus diesem Vermerk ergibt sich eindeutig, dass der Durchsuchung des Kraftfahrzeuges strafprozessuale Maßnahmen gegen den Angeklagten vorangegangen waren, was auch der Verteidigung aufgrund entsprechender Akteneinsicht bekannt gewesen sein muss.“

Unverhältnismäßige Durchsuchung, oder: Man sollte erst mal ein wenig ermitteln

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Zum Mittag dann eine Entscheidung des BVerfG, und zwar den BVerfG, Beschl. v. 10.01.2018 – 2 BvR 2993/14. Mal wieder einer zu einer Durchsuchungsproblematik. Ergangen ist er in einem Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzverschleppung. Der Beschwerdeführer ist alleiniger Geschäftsführer einer K. GmbH mit Sitz in N., die seit 1998 ein international tätiges Unternehmen für Krantechnik betreibt. Sie stand in langjähriger Geschäftsbeziehung mit der Firma B. mit Sitz in B, von „wegen aller in Betracht kommender Delikte insbesondere gemäß §§ 264, 263, 266 StGB“. Auf der Grundlage wird u.a. ein Verfahren wegen Insolvenzverschleppung eingeleitet und es ergeht Durchsuchungsbeschluss. Das Verfahren wird dann später nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Nun stand der Durchsuchungsbeschluss auf dem Prüfstand beim BVerfG und hat die Prüfung nicht bestanden.

Im Grunde enthält der Beschluss nichts Neues, sondern nur das Übliche vom BVerfG zum Anfnagsverdacht und zur Verhältnismäßigkeit, was man – leider – immer wieder/häufig lesen muss. Das BVerfG referiert seine  Rechtsprechung und führt dann aus:

b) Die angegriffenen Entscheidungen tragen diesen Maßstäben nicht Rechnung. Letztlich kann dahingestellt bleiben, ob zum Zeitpunkt des Erlasses der Durchsuchungsanordnung plausible Gründe für einen gegen den Beschwerdeführer gerichteten Anfangsverdacht der Insolvenzverschleppung gemäß § 15a Abs. 4 InsO vorlagen. Jedenfalls war der Verdachtsgrad so schwach, dass sich die Anordnung einer Durchsuchung als unverhältnismäßig darstellt.

aa) Für eine Zahlungsunfähigkeit der K… GmbH sprach, dass ausweislich der Strafanzeige des B… eine langjährige Geschäftsbeziehung zwischen beiden Unternehmen bestand und die K… GmbH die Kranmieten bis August 2013 offenbar regelmäßig wie vereinbart gezahlt hatte. Seitdem aber blieben jegliche Zahlungen aus und der Beschwerdeführer begründete dies nach den Angaben des B… in einem Telefonat im Dezember 2013 mit einer finanziellen Notlage. Danach, so die Strafanzeige weiter, ließ sich der Beschwerdeführer gegenüber Anrufern verleugnen und gab keine Auskunft über die Standorte der vermieteten Krane. Den von B… vorgelegten vorprozessualen Anwaltsschreiben der K… GmbH ließ sich zudem nicht entnehmen, dass in der Sache Einwendungen gegen die Forderungen erhoben werden sollten oder die Aufrechnung mit Gegenforderungen erklärt werden sollte. Sie beschränkten sich auf die Aufforderung, B… möge die fraglichen Mietverträge vorlegen. Da die K… GmbH gleichzeitig jedoch nicht bestritt, im Besitz von Kranen des B… zu sein, erschien es wenig verständlich, dass sie die Mietverträge nicht kennen wollte. Es sprachen daher manche Gründe dafür, ihr vorprozessuales Agieren als bloßes Hinhalten aufzufassen.

Allerdings ging aus dem mit der Strafanzeige vorgelegten Aufforderungsschreiben des Anzeigeerstatters vom 6. Dezember 2013 und insbesondere der beigefügten Forderungsaufstellung hervor, dass B… selbst Gegenforderungen der K… GmbH verrechnete, wobei er sie nur in deutlich geringerer Höhe als von dieser in Rechnung gestellt anerkannte. Angesichts der ganz offensichtlich bestehenden Gegenansprüche erschien die Zahlungsverweigerung der K… GmbH mit einem gewöhnlichen Geschäftsgebaren unter Geschäftspartnern somit nicht von vornherein unvereinbar.

Vor allem aber fehlten nähere Erkenntnisse zu den finanziellen Verhältnissen der K… GmbH bei Erlass der Durchsuchungsanordnung vollständig. Es waren keine Informationen darüber vorhanden, welche Umsätze sie erzielte, in welcher Höhe und gegenüber wie vielen Gläubigern fällige Verbindlichkeiten bestanden und inwiefern den Verbindlichkeiten Kapital und eigene realisierbare Forderungen gegenüberstanden. Unbekannt war insbesondere, ob die K… GmbH auch Forderungen anderer Gläubiger trotz Mahnungen nicht bediente. Der Ermittlungsakte lässt sich noch nicht einmal entnehmen, dass vor Erlass des Durchsuchungsbeschlusses ermittelt worden war, ob der Beschwerdeführer einen Insolvenzantrag gestellt hatte. Das in der Akte befindliche Auskunftsersuchen der Polizei an das Insolvenzgericht datiert jedenfalls erst vom 4. Juni 2014.

Wenn in dem Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts die Auffassung vertreten wird, der mit einer Durchsuchung verbundene schwerwiegende Grundrechtseingriff könne auch mit der möglichen Entlastung des Beschwerdeführers gerechtfertigt werden, legt dies – wie der Generalbundesanwalt zu Recht anmerkt – im Übrigen nahe, dass die Durchsuchung erst der Begründung des Anfangsverdachts dienen sollte.

bb) Bei dieser Sachlage waren die Ermittlungsbehörden zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit gehalten, alle in Betracht kommenden, nahe liegenden und grundrechtsschonenderen Ermittlungsmaßnahmen auszuschöpfen, bevor sie eine Durchsuchung in Betracht ziehen durften. Solche grundrechtsschonenderen Ermittlungsmaßnahmen standen zahlreich zur Verfügung und waren ohne großen Aufwand zu bewerkstelligen.

Die Staatsanwaltschaft hätte etwa bei dem zentralen Vollstreckungsgericht des Landes Brandenburg Einsicht in das Schuldnerverzeichnis nehmen (vgl. § 882f Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 ZPO) und auf diese Weise in Erfahrung bringen können, ob in der Vergangenheit Zwangsvollstreckungsverfahren gegen die K… GmbH betrieben worden waren, die zu einer Eintragungsanordnung geführt hatten. Auf einfache Weise hätte so ermittelt werden können, ob der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der K… GmbH in der Vergangenheit die Vermögensauskunft abgegeben hatte oder dieser Pflicht unentschuldigt nicht nachgekommen war und ob etwaige Vollstreckungsverfahren nicht zur Befriedigung der beitreibenden Gläubiger geführt hatten. In ein eventuell für die K… GmbH abgegebenes Vermögensverzeichnis hätte nach § 802k Abs. 1 Satz 2 ZPO Einsicht genommen werden können. Da die K… GmbH als Kapitalgesellschaft gemäß § 325 HGB zur Offenlegung ihrer Jahresabschlüsse verpflichtet ist, waren ihre Jahresabschlüsse für die vergangenen Jahre zudem über die Internetseite des Bundesanzeigers ohne weiteres zugänglich. Ergänzend hätte die Staatsanwaltschaft die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gemäß § 24c Abs. 3 Nr. 2 KWG um Auskünfte aus der Kontenabrufdatei ersuchen und auf dieser Grundlage gemäß § 161 Abs. 1 StPO die einzelnen Kreditinstitute um Informationen über die Kontoumsätze der K… GmbH bitten können. Die genannten Informationsquellen hätten bereits eine recht zuverlässige Einschätzung über die Finanzlage der K… GmbH ermöglicht, die gegebenenfalls noch durch eine Bonitätsauskunft einer privaten Wirtschaftsauskunftei hätte erhärtet werden können.

Daneben hätte die Staatsanwaltschaft Einsicht in die zivilgerichtlichen Akten nehmen oder auch den Anzeigeerstatter zu dem Fortgang des Zivilprozesses vernehmen lassen können. Aus dem dort zu Tage tretenden prozessualen Verhalten der K… GmbH hätten sich gegebenenfalls Anhaltspunkte für oder gegen eine Zahlungsunfähigkeit gewinnen lassen können.“

Durchsuchung I: Durchsuchung ohne Anfangsverdacht führt zu einem Beweisverwertungsverbot

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Am  ersten Arbeitstag des Jahres 2018 zunächst noch einmal allen Lesern/Leserinnen, Followern usw. ein frohes und glückliches Neues Jahr, in dem wenn nicht alle, so aber doch zumindest viele Wünsche in Erfüllung gehen. Hier geht es dann „normal“ weiter, mit – wie gehabt – drei Beiträgen/Tag.

Und der erste Arbeitstag des Jahres ist dann – vor der Auflösung des letzten Gebührenrätsels 2017 – ein „Durchsuchungstag, und zwar zunächst mit dem LG Ansbach, Beschl. v. 19.10.2017 – 3 Qs 95/17. Nichts Besonderes, nur mal erst zum warm werden. 🙂 Das LG hat noch einmal zu den Anforderungen zum Anfangsverdacht als Grundlage einer Durchschungsmaßnahme und zum Beweisverwertungsverbot:

„Voraussetzung für jede Durchsuchung ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Straftat begangen wurde, wofür hinreichende Anhaltspunkte vorliegen müssen und vage Anhaltspunkte oder reine Vermutungen nicht genügen (Meyer-Goßner, 60. Aufl., 2017, § 102 StPO, Rn. 2).

Vorliegend sind die vorgenannten Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt, da sich allein aus den An­gaben der Belastungszeugin keine entsprechende Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass es durch die Beschuldigte zu einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz gekommen ist. Es hätte zunächst der Vernehmung des pp. bedurft. Denn aus der Aussage der Zeugin pp. ergibt sich nicht einmal, ob es bei der durch sie geschilderten Gelegenheit tat­sächlich zu einem Kontakt zwischer pp. und der Beschuldigten gekommen ist, nach­dem die Zeugin pp. lediglich zur Wohnung der Beschuldigten gefahren hat und ihn dann in einer gewissen Entfernung zum Wohnhaus aus dem Fahrzeug hat aussteigen lassen. Weiter vermochte die Zeugin pp. kein konkretes Betäubungsmittel oder eine bestimmte Menge, nicht einmal eine Mindestmenge zu benennen. Aufgrund dessen steht nicht fest, ob es sich überhaupt um Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes und den dazuge­hörigen Anlagen oder aber um sog. „legal highs“ gehandelt haben soll.

Mangels Kenntnis von Art, Menge und Qualität der Betäubungsmittel, mit denen die Beschuldigte Handel getrieben haben soll, ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht möglich.

Darüber hinaus fehlt es bei dem Durchsuchungsbeschluss an der Angabe der Tatsachen, auf denen der Anfangsverdacht beruht, da der reine Verweis auf die bisherigen Ermittlungen hierfür nicht ausreichend ist. Vielmehr bedarf es der Nennung der wesentlichen Verdachtsmomente ein­schließlich der Indiztatsachen gem. § 34 StPO, da dem Beschuldigten nur dann eine sachge­rechte und umfassende Prüfung, ob der Beschluss rechtmäßig ergangen ist, möglich ist. Es ist vorliegend nichts dafür ersichtlich, dass eine Bekanntgabe der wesentlichen Verdachtsmomente den Untersuchungszweck gefährdet hätte und die Bekanntgabe deswegen unterbleiben durfte (BGH, Beschl. vom 18.12.2008 – NStZ-RR 2009, 142).

Aus der Rechtswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung folgt noch nicht per se die Rechtswidrig­keit der auf ihr beruhenden Beschlagnahme. Die Beschlagnahme aufgrund einer rechtswidrigen Durchsuchung aufgefundener Beweisgegenstände ist nur dann rechtswidrig und führt zu einem Beweisverwertungsverbot, wenn schwerwiegende Verfahrensverstöße vorliegen oder Verfah­rensverstöße willkürlich oder bewusst begangen wurden (Meyer/Goßner, aaO, § 94 StPO, Rn. 21; LG Wiesbaden, Besch. v. 04.10.2016 – 2 Os 74/16).

Liegen jedoch die Voraussetzungen für eine Durchsuchung gern. §§ 102 ff StPO nicht vor und wurde der Beschuldigte auch nicht über die Freiwilligkeit der Durchsuchung belehrt, sind die auf­gefundenen Beweismittel nicht verwertbar (LG Berlin, Beschl. v. 27.06.2008 – StV 2011, 89). Nachdem es vorliegend aufgrund der vagen Angaben der Zeugin bereits an einem für eine Durchsuchungsanordnung erforderlichen auf Tatsachen gestützten Anfangsverdacht für das Vorliegen einer durch die Beschuldigte begangenen Straftat fehlt, hätte die Durchsuchungsanord­nung nicht ergehen dürfen. Nachdem die Beschuldigte auch nicht über die Freiwilligkeit der Durchsuchung belehrt worden ist, ist die Beschlagnahme der aufgefundenen Gegenstände vorliegend ebenfalls rechtswidrig. Ein Anderes ergibt sich auch nicht aus einer Abwägung der Interes­sen der Beschuldigten, insbesondere, ihrem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gern. Art. 13 Abs. 1 GG und dem Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen Strafverfolgung, zu­mal es sich bei dem Vorwurf des vorsätzlich unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln bzw. dem unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln nicht um einen schwerwiegenden Vorwurf handelt.

Durchsuchung I: Die vorgetäuschte Polizeikontrolle, oder: Zulässig ja, Beweisverwertungsverbot nein, aber Pflicht zur Offenlegung

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Heute dann mal ein Tag mit drei Entscheidungen  zu Durchsuchungsfragen. Zunächst dazu das BGH, Urt. v. 26.04.2017 – 2 StR 247/16 -, schon etwas älter, aber erst vor kurzem auf der Homepage des BGH veröffentlicht. Es geht um sog. legendierte Polizeikontrollen auf der Grundlage folgenden Sachverhalts:

Es handelt sich um ein BtM-Verfahren. Der Angeklagte hatte in den Niederlanden Kokain übernommen und beabsichtigte, dieses nach Deutschland einzuführen. Als die Kriminalpolizei Frankfurt am Main über einen am Fahrzeug des Angeklagten angebrachten Peilsender feststellte, dass sich der Angeklagte wieder auf der Autobahn in Deutschland befand, entschloss sie sich, das Fahrzeug von der Verkehrspolizei Wiesbaden im Rahmen einer Verkehrskontrolle anhalten und durchsuchen zu lassen, um die mitgeführten Betäubungsmittel sicherzustellen. Dabei wurden im Inneren des Fahrzeugs mehrere Päckchen Kokain aufgefunden. Ein richterlicher Beschluss für die Durchsuchung des Fahrzeugs, der die Offenbarung der im Hintergrund geführten verdeckten Ermittlungen zur Folge gehabt hätte, wurde nicht eingeholt, um den Hintermann nicht zu warnen. Der Ermittlungsrichter in Limburg erließ gegen den Beschuldigten Haftbefehl in Unkenntnis der im Hintergrund laufenden Ermittlungen in Frankfurt am Main. Erst nach Festnahme des Hintermanns, aber noch vor Anklageerhebung gegen den Beschuldigten, wurden die Erkenntnisse aus dem in Frankfurt am Main geführten Ermittlungsverfahren offengelegt.

Der Angeklagte hat im Verfahren ein Beweisverwertungsverbotr geltend gemacht. Ohne Erfolg. Hier zunächst die Leitsätze der für BGHSt bestimmten Entscheidung:

  1. Zur Rechtmäßigkeit sogenannter legendierter Kontrollen.
  2. Es gibt weder einen allgemeinen Vorrang der Strafprozessordnung gegenüber dem Gefahrenabwehrrecht noch umgekehrt. Die Polizei kann auch während eines bereits laufenden Ermittlungsverfahrens aufgrund präventiver Ermächtigungs­grundlagen zum Zwecke der Gefahrenabwehr tätig werden.
  3. Ob auf präventiv-polizeilicher Grundlage gewonnene Beweise im Strafverfahren verwendet werden dürfen, bestimmt sich nach § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO.

Der BGH sieht in seiner Entscheidung die polizeirechtliche Durchsuchung als zulässig an. Die Fahrzeugdurchsuchung sei zwar nicht nach § 36 Abs. 5 StVO, wohl aber nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 HSOG ge­rechtfertigt. Einer vorherigen richterlichen Anordnung habe es nach die­sen Vorschriften nicht bedurft. Die gefahrenabwehrrechtlichen Vorschriften gestatteten insbesondere auch die Suche nach illegalen Betäubungsmitteln (BGH NStZ-RR 2016, 176). Die wegen Art. 13 GG strengeren Voraussetzungen für die Durchsu­chung von Wohnungen (vgl. §§ 38, 39 HSOG) würden für eine Fahrzeugdurch­suchung nicht gelten.

Der Auffassung stehe Rechtsprechung anderer Senate des Bun­desgerichtshofs nicht entgegen, etwa zum Lockspitzeleinsatz (BGHSt 45, 321, 337 f.) oder einer durch die Polizei vorgetäuschten „allgemei­nen“ Verkehrskontrolle, nachdem die Polizei zuvor Luft aus dem Reifen des Täterfahrzeugs gelassen hatte (BGH NStZ 2010, 294, wobei wohl auch dort davon ausgegangen werde, dass bei einer legendierten Kontrolle sichergestellte Betäubungsmittel grundsätzlich zu Be­weiszwecken verwertbar sind; vgl. auch BGH NStZ-RR 2016, 176).

Der BGH verneint dann ein Verwertungsverbot: Die aufgrund der gefahrenabwehrrechtlich zulässigen Fahrzeugdurch­suchung gewonnenen Erkenntnisse könnten nach § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO gegen den Angeklagten im Strafverfahren verwendet wer­den. Die Vorschrift regele die Verwendung von Daten im Strafverfahren, die durch andere – nichtstrafprozessuale – hoheitliche Maßnahmen erlangt wurden. Gedanklicher Anknüpfungspunkt sei die Idee des hypothetischen Ersatzeingriffs als genereller Maßstab für die Verwendung von personenbezogenen Informationen zu Zwecken des Strafverfahrens, die nicht auf strafpro­zessualer Grundlage erlangt worden. Damit komme es bei der „Umwidmung“ von auf präventiv-polizeilicher Rechtsgrundlage erlangter Daten nach § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO gerade nicht darauf an, ob die formellen Anordnungsvo­raussetzungen nach der StPO, wie hier etwa das Vorliegen ei­ner richterlichen Durchsuchungsanordnung, gewahrt worden sind. Diese Voraussetzungen des § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO seien vorlie­gend gegeben. Die Erkenntnisse aus der Fahrzeugdurchsuchung dienten zur Aufklärung einer „schweren Straftat“ im Sinne des § 100a Abs. 2 Nr. 7 StPO, aufgrund derer eine Durchsuchung nach der StPO ohne Weite­res hätte angeordnet werden dürfen. Dem stehe nicht entgegen, dass die gefahrenabwehrrechtliche Durchsu­chung des Kraftfahrzeugs grundsätzlich auch ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss zulässig ist. Entscheidend ist, dass ein Ermittlungs­richter bei hypothetischer Betrachtung einen entsprechenden richterlichen Durchsuchungsbeschluss auf strafprozessualer Grundlage zweifelsfrei erlassen hätte.

Allerdings: Der BGH sieht das Verhalten der Ermittlungsbehörde, die in Frankfurt geführten Hin­tergrundermittlungen gegen den Angeklagten zunächst nicht aktenkundig zu machen und damit dem Ermittlungsrichter in Limburg einen unvollständigen Sachverhalt zu unterbreiten, im Hinblick auf den Fair-Trial-Grundsatz und das Gebot der Aktenwahrheit und der Aktenvollständigkeit nicht unbedenklich. Das im Vorverfahren tätige Gericht müsse den Gang des Verfahrens ohne Abstriche nachvollziehen können, denn es müsse in einem rechtsstaatlichen Verfahren schon der bloße Anschein ver­mieden werden, die Ermittlungsbehörden wollten etwas verbergen (BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 2016 – 2 BvR 2474/14, StV 2017, 361, 362 f.).

Also, Ja, aber…..