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Durchsuchung II: Durchsuchung bei einem Rechtsanwalt, oder: Auffindeverdacht

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Die zweite Entscheidung kommt mit dem VerfGH Sachsen, Beschl. v. 01.08.2019 – Vf. 39-IV-19 – aus Sachsen. Er verhält sich zum sog. Auffindeverdacht.

Hintergrund des Verfassungsbeschwerdeverfahrens ist ein bei der Staatsanwaltschaft Leipzig gegen die als Rechtsanwältin tätige Beschwerdeführerin geführtes Ermittlungsverfahren (603 Js 6823/18) wegen des Verdachts des Diebstahls bzw. der Unterschlagung. Ausgangspunkt der Ermittlungen war eine Strafanzeige des ehemaligen Kanzleipartners Z. der Beschwerdeführerin vom 14.12.2017. Dieser gab an, im Zuge der Auseinandersetzung der Partnerschaftsgesellschaft bemühten sich sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Partner W. und Z., die ihrerseits weiter zusammenarbeiten wollten, bei bestehenden Mandanten um Folgebeauftragung, wozu entsprechende Vollmachten erteilt würden. Am Morgen des 14.12.2017 sei das Verschwinden verschiedener Unterlagen von Mandanten, die bereits neue Vollmachten für W. und Z erteilt hätten, aus dem gemeinsamen Büro festgestellt worden. Diese Unterlagen seien am Vortag noch vollständig vorhanden gewesen. Einbruchsspuren seien nicht erkennbar gewesen.

Aus der beigezogenen Ermittlungsakte ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin per E-Mail vom 03.01.2018 mitteilte, ihr sei ein entsprechender Vorfall nicht bekannt. Der zum Sachverhalt vernommene Zeuge L. erklärte, er schließe aus, dass kanzleifremde Personen das Büro unbeobachtet betreten könnten. Laut Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 01.02.2018 bestand zwar ein Anfangsverdacht gegen die Beschwerdeführerin, sollten aber vor Beantragung eines Durchsuchungsbeschlusses zunächst die Details der Auseinandersetzung der Partnerschaftsgesellschaft weiter aufgeklärt werden. Eine Verzögerung der Durchsuchung wurde als unproblematisch angesehen, weil die Beschwerdeführerin ohnehin bereits von der Anzeige gewusst habe. Im weiteren Verlauf der Ermittlungen wurden u.a. der Mitarbeiter R. der Kanzlei sowie die ehemalige Partnerin W. zum Sachverhalt befragt und eine Auflistung fehlender Unterlagen sowie vorhandener Vollmachten eingeholt.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das AG dann am 03.05.2018 einen Durchsuchungsbeschluss betreffend u.a. die Wohnung und Geschäftsräume der Beschwerdeführerin. Gesucht werden sollte nach Jahresabschluss- und Arbeitsordnern sowie weiteren Unterlagen für verschiedene namentlich genannte Mandanten. Die Durchsuchung fand am 24.05.2018 statt.

Die beschuldigte Rechtsanwältin hat sich jetzt noch beim VerfGH Sachsen gegen die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung gewendet, nachdem ihre Rechtsmittel beim LG Leipzig keinen Erfolg hatten. Der VerfGH hat die Verfassungsbeschwerde teilweise als unzulässig und im Übrigen als unbegründet angesehen. Hier die Ausführungen zur Begründetheit – zur Zulässigkeit bitte im VT selbst nachlesen:

„3. Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie offensichtlich unbegründet.

Die angefochtenen Beschlüsse des Amtsgerichts Leipzig vom 3. Mai 2018 und des Landgerichts Leipzig vom 8. April 2019 verletzen die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 30 Abs. 1 SächsVerf.

a) Art. 30 Abs. 1 SächsVerf schützt die Unverletzlichkeit der Wohnung, wozu auch Arbeits- und Geschäftsräume wie Anwaltskanzleien gehören können (SächsVerfGH, Beschluss vom 25. Oktober 2007 – Vf. 90-IV-06; Beschluss vom 31. Januar 2008 – Vf. 93-IV-07; Beschluss vom 25. Juni 2009 – Vf. 137-IV-08). Eine Durchsuchung, die in diese grundrechtlich geschützte Sphäre eingreift, ist nur unter den Voraussetzungen des Art. 30 Abs. 2 SächsVerf und – wie alle Maßnahmen im Strafverfahren – unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig. Erforderlich zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung ist jedenfalls der Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde. Das Gewicht des Eingriffs verlangt dabei Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen (SächsVerfGH, Beschluss vom 27. Juni 2019 – Vf. 121-IV-18 m.w.N.).

Um den verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen, muss ein auf § 102 StPO gestützter schriftlicher Durchsuchungsbeschluss den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen in gegenständlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Er hat grundsätzlich auch die zu durchsuchenden Objekte und die Art und den vorgestellten Inhalt derjenigen Beweismittel, nach denen gesucht werden soll, so zu bezeichnen, wie es nach Lage der Dinge geschehen kann; dabei sind die Beweismittel, nach denen gesucht werden soll, ausgehend vom jeweiligen Kenntnisstand lediglich so zu umschreiben, dass sie von anderen Gegenständen unterschieden werden können (SächsVerfGH, Beschluss vom 25. Oktober 2007 – Vf. 90-IV-06; st. Rspr.).

Neben diesem formellen Erfordernis unterliegt ein Durchsuchungsbeschluss in materieller Hinsicht dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Zwangsmaßnahme muss zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat geeignet und erforderlich sein. Dies ist nicht der Fall, wenn die Durchsuchung nicht den Erfolg verspricht, geeignete Beweismittel zu erbringen, oder andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Ferner muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des bestehenden Tatverdachts stehen (SächsVerfGH, Beschluss vom 25. Juni 2009 – Vf. 137-IV-08; st. Rspr.). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es grundsätzlich Sache der ermittelnden Behörden ist, über die Zweckmäßigkeit und die Reihenfolge vorzunehmender Ermittlungshandlungen zu befinden. Ein Grundrechtseingriff ist aber jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn naheliegende grundrechtsschonende Ermittlungsmaßnahmen ohne greifbare Gründe unterbleiben oder zurückgestellt werden und die vorgenommene Maßnahme außer Verhältnis zur Stärke des in diesem Verfahrensabschnitt vorliegenden Tatverdachts steht (SächsVerfGH, Beschluss vom 27. Juni 2019 – Vf. 121-IV-18; vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. November 2005 – 2 BvR 728/05 – juris Rn. 24; Beschluss vom 10. November 2017 – 2 BvR 1775/16 – juris Rn. 27). Im Einzelfall können die Geringfügigkeit der zu ermittelnden Straftat, eine geringe Beweisbedeutung der zu beschlagnahmenden Gegenstände sowie die Vagheit des Auffindeverdachts der Durchsuchung entgegenstehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 2006, BVerfGE 115, 166 [198]; Beschluss vom 31. August 2010 – 2 BvR 223/10 – juris Rn. 25). In die vorzunehmende Abwägung sind neben dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung auch weitere von der Durchsuchung betroffene Grundrechte, auch solche Dritter, sowie die Schwere des Eingriffs in den jeweiligen Schutzbereich einzustellen. So stellt eine Durchsuchung bei einem Rechtsanwalt wegen des Vertrauens, das ihm seine Mandanten entgegenbringen, regelmäßig einen besonders gewichtigen Eingriff nicht nur in seine Privatsphäre, sondern auch in sein Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 28 Abs. 1 SächsVerf) und in das Persönlichkeitsrecht seiner Mandanten dar (SächsVerfGH, Beschluss vom 18. Oktober 2001 – Vf. 82-IV-99; vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. August 1994 – 2 BvR 983/94 und 1258/94 – juris Rn. 14).

b) Diesen Anforderungen genügt der angegriffene Durchsuchungsbeschluss. Er ist in formeller Hinsicht verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (hierzu aa) und hält auch einer Prüfung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes stand (hierzu bb).

aa) Der Durchsuchungsbeschluss begegnet in formeller Hinsicht keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Er beschreibt den der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Tatvorwurf hinreichend (hierzu 1) und bezeichnet die zu durchsuchenden Objekte und die Art und den vorgestellten Inhalt derjenigen Beweismittel, nach denen gesucht werden soll, so, wie es nach Lage der Dinge geschehen konnte (hierzu 2).

(1) Vom Ermittlungsrichter ist zu verlangen, dass im Durchsuchungsbeschluss ein dem Beschuldigten angelastetes Verhalten geschildert wird, das – wenn es wirklich begangen worden sein sollte – den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt (Sächs-VerfGH, Beschluss vom 25. Juni 2009 – Vf. 137-IV-08; vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. September 2006 – 2 BvR 1219/05 – juris Rn. 16).

Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Bewertung des Landgerichts, der Durchsuchungsbeschluss genüge im Hinblick auf die Darstellung des Tatvorwurfs nach dem Stand der Ermittlungen diesen rechtsstaatlichen Anforderungen, indem zum einen konkret das der Beschwerdeführerin angelastete Verhalten einschließlich Tatort und -zeit, zum anderen das subjektive Vorstellungsbild der Beschwerdeführerin geschildert werde.

(2) Auch die Bezeichnung der Gegenstände, nach denen gesucht werden sollte, in dem angegriffenen Durchsuchungsbeschluss genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Sie sind (noch) so konkret bezeichnet, dass die mit dem Vollzug des Beschlusses betrauten Beamten ohne Weiteres in die Lage versetzt wurden, die Gegenstände in den Durchsuchungsobjekten aufzufinden, so dass der Eingriff messbar und kontrollierbar blieb.

Der hiergegen gerichtete Einwand der Beschwerdeführerin, die Beweismittel seien nicht konkret bezeichnet bzw. frei erfunden und gar nicht existent, insbesondere sei es unklar, worum es sich bei den aufzufindenden Arbeitsordnern „S.“ und „Z.“ handeln könnte, vernachlässigt, dass nach dem dargelegten Tatvorwurf das Hauptaugenmerk der Durchsuchung nicht auf einzelnen Unterlagen, sondern auf der Herkunft von namentlich aufgeführten Mandanten lag, deren Dokumente die Beschwerdeführerin unberechtigterweise in Gewahrsam haben sollte.

bb) Die fachgerichtliche Bewertung, die angeordnete Durchsuchung sei zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat geeignet und erforderlich und stehe in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachtes, genügt ebenfalls den verfassungsrechtlichen Anforderungen.

(1) Das Amtsgericht – und ihm folgend das Landgericht – ist ohne erkennbaren Verfassungsverstoß von einem zureichenden, nicht auf bloßen Vermutungen gründenden Anfangsverdacht des Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB ausgegangen. Dass sich allein auf der Grundlage der vorliegenden Anhaltspunkte der Vorwurf nicht zwangsläufig nachweisen ließe, sondern sich aus ihnen nur die Möglichkeit einer entsprechenden Tatbegehung ergab, liegt in der Natur des Anfangsverdachts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. September 2008 – 2 BvR 1800/07 – juris Rn. 22).

Der Einwand der Beschwerdeführerin, die Strafanzeige sei lediglich ein Ablenkungsmanöver gewesen und unsorgfältig geprüft worden, setzt der fachgerichtlichen Bewertung der Anknüpfungstatsachen für einen für die Durchsuchungsmaßnahme hinreichenden Tatverdacht lediglich ihre hiervon abweichende Bewertung entgegen, ohne insoweit auch nur ansatzweise einen Verfassungsverstoß darzulegen.

(2) Die durch das Landgericht bestätigte Wertung des Amtsgerichts, die Durchsuchung sei zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet gewesen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Dem aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden verfassungsrechtlichen Gebot hinreichender Erfolgsaussicht einer Durchsuchung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Mai 1997, BVerfGE 96, 44 [51]) ist genügt, wenn aufgrund kriminalistischer Erfahrung eine Vermutung dafür besteht, dass die gesuchten Beweismittel aufgefunden werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 2013 – 2 BvR 389/13 – juris Rn. 22). Dass dem Durchsuchungsbeschluss vom 3. Mai 2018 der Verdacht des Diebstahls im Zeitraum 13./14. Dezember 2017 und damit knapp fünf Monate zuvor zugrunde lag, hindert nach der Art des Tatverdachts nicht die Annahme eines hinreichenden Auffindeverdachts.

(3) Die durch das Landgericht bestätigte Bewertung des Amtsgerichts, die Durchsuchung sei zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich und angemessen, hält ebenfalls einer verfassungsrechtlichen Überprüfung stand.

Der Eingriff stand in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des bestehenden Tatverdachts. Die in Betracht kommende Straftat war von ihrem Unrechtsgehalt her nicht lediglich im unteren Bereich anzusiedeln, mithin nicht geringfügig, und offenbarte – eine Bestätigung des Verdachts unterstellt – ein planvolles Vorgehen der Beschwerdeführerin. Als geringfügig gelten Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind (BVerfG, Beschluss vom 29. Januar 2015 – 2 BvR 497/12 – juris Rn. 19). Vorliegend stand der Verdacht eines Diebstahls nach § 242 Abs. 1 StGB im Raum, der im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren bedroht und daher in diesem Sinne schon nicht mehr geringfügig war.

Wird ein für die Durchsuchung hinreichender Tatverdacht gegen die Beschwerdeführerin angenommen, haben die Ermittlungsbehörden – auch im Lichte der besonderen Anforderungen an die Rechtfertigung von Durchsuchungsmaßnahmen (BVerfG, Beschluss vom 10. November 2017 – 2 BvR 1775/16 – juris Rn. 27 m.w.N.; (SächsVerfGH, Beschluss vom 27. Juni 2019 – Vf. 121-IV-18 m.w.N.) – auch keine naheliegenden grundrechtsschonenden Ermittlungsmaßnahmen ohne greifbare Gründe unterlassen. Angesichts der dem Beschluss vorangegangenen Ermittlungsmaßnahmen waren die Ermittlungsbehörden von Verfassungs wegen nicht gehalten, vor der Durchführung einer Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume der Beschwerdeführerin weitere Angestellte der ehemaligen Partnerschaftsgesellschaft oder Mitarbeiter der vor Ort möglicherweise tätig gewordenen Entsorgungsfirmen als Zeugen zu vernehmen oder andere Räumlichkeiten – etwa jene der ehemaligen Partner der Beschwerdeführerin bzw. Archivräume – zu durchsuchen.)

Durchsuchung I: Anforderungen an Durchsuchungsanordnung, oder: Konkreter Verdacht reicht

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In die 36. KW. starte ich mit zwei Entscheidungen zur Durchsuchung.

Die erste kommt von „ganz oben“, nämlich vom BGH. Es handelt sich um den BGH, Beschl. v. . 26.06.2019 – StB 10/19. Ergangen ist er in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Gründung einer und der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung. Der BGH hat die vom Ermittlungsrichter des BGH angeordnete Durchsuchung als rechtmäßig angesehen:

„1. Die Voraussetzungen für den Erlass der Durchsuchungsanordnung (§§ 102, 105 StPO) waren im Zeitpunkt, in dem der Beschluss erlassen wurde, gegeben. Hierzu gilt:

a) Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es – unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit – nicht (st. Rspr.; vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. September 2006 – 2 BvR 1219/05, NJW 2007, 1443; BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2008 – StB 26/08, NStZ-RR 2009, 142, 143; vom 12. August 2015 – StB 8/15, NStZ 2016, 370 f.). Ein solcher ausreichend konkreter Verdacht kann auch dann allein durch die Angaben eines Zeugen begründet werden, wenn weitere Ermittlungen den Tatverdacht weder erhärten noch entkräften konnten, zumal die Durchsuchung in einem frühen Stadium eines Ermittlungsverfahrens gerade auch dazu dienen kann, die Qualität der Angaben eines Zeugen zu überprüfen und neben der Belastung auch zur Entlastung des Beschuldigten beitragen kann.

b) Gemessen an diesen Maßstäben lagen zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses sachlich zureichende Gründe für die Anordnung der Durchsuchung vor. Insbesondere konnte der Tatverdacht auf die Angaben des Anzeigeerstatters gestützt werden. Im Einzelnen:

aa) Der Zeuge F. hat sich eigeninitiativ am 21. November 2017 an die Verfassungsschutzbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen gewandt und mitgeteilt, im Laufe des Oktober 2017 den Betroffenen zufällig in Fr. auf einem Stadtfest getroffen zu haben, bei dem dieser geäußert habe, er wolle ein Gewehr erwerben, mit dem man auch nachts weit schießen könne, denn er wolle Politiker liquidieren. Insbesondere habe der Betroffene, um ein starkes Zeichen zu setzen, einen Anschlag auf den Bundespräsidenten und dessen Familie ins Auge gefasst. Er habe eine ausländerfeindliche Gesinnung und eine Affinität zum Nationalsozialismus. Der Betroffene wisse, dass der Anzeigeerstatter nebenberuflich als Büchsenmacher tätig und als solcher in der Lage sei, Scharfschützengewehre zu bauen. Auf den Hinweis, die Herstellung der von dem Betroffenen gewünschten Waffe verursache Kosten in Höhe von ca. 25.000 €, habe dieser erwidert, er zähle zu seinem Umfeld Personen, die ein solches „Projekt“ finanziell unterstützen würden, Geld spiele daher keine Rolle. In seinen polizeilichen Vernehmungen vom 22. November 2017 und 1. Dezember 2017 hat der Anzeigeerstatter den Kern seiner Angaben wiederholt und ergänzend ausgeführt, zu dem zufälligen Zusammentreffen mit ihm sei es anlässlich eines Festes, das er zusammen mit seiner Freundin besucht habe, unweit der Wohnung des Betroffenen gekommen. Als „Gegenleistung“ für seine Informationen hat der Zeuge u.a. die Einstellung eines gegen ihn wegen des Verdachts von Verstößen gegen das Waffengesetz geführten Strafverfahrens verlangt.

Nachdem die Lebensgefährtin des Anzeigeerstatters in ihrer Vernehmung vom 11. Dezember 2017 einen gemeinsamen Aufenthalt in Fr. anlässlich eines Volksfestes in Abrede gestellt, aber einen Cafe-Besuch im Oktober 2017 erinnert hatte, hat der Zeuge den Ermittlungsbehörden noch am selben Tag schriftlich sinngemäß mitgeteilt, es sei möglich, dass das Gespräch mit dem Betroffenen bereits am 24. September 2017 stattgefunden habe. An diesem Tag habe er sich mit seiner Freundin in Fr. zum Kaffeetrinken getroffen. Zur Bestätigung hat der Anzeigeerstatter einen Auszug aus der über den Messengerdienst „WhatsApp“ mit seiner Partnerin geführten Kommunikation vom 24. September 2017 vorgelegt.

Die weiteren verdeckt durchgeführten Ermittlungen (Erhebung retrograder Verkehrsdaten nach § 100g StPO, Telefonüberwachungsmaßnahmen, Observationsmaßnahmen) haben keinen Beweis für das durch den Zeugen behauptete Vorhaben des Betroffenen ergeben, dieses jedoch auch nicht widerlegt. Das in der Anzeigeerstattung geschilderte Randgeschehen ist indes zumindest teilweise bestätigt worden. So ergibt sich aus den durch den Zeugen F. übergebenen Protokollen seines Chatverkehrs mit dem Betroffenen, des- sen Profilinformationen bei „WhatsApp“ und nachrichtendienstlichen Erkenntnissen seine ausländerfeindliche Gesinnung. Zudem haben die Ermittlungen des Generalbundesanwalts ergeben, dass der Anzeigeerstatter, der zeitweise als Büchsenmacher tätig war, aufgrund seiner Kenntnisse und Geschäftsbeziehungen in der Lage gewesen wäre, die durch den Betroffenen angefragte Waffe nebst Zubehör zu beschaffen und entsprechend etwaigen Kundenwünschen zu modifizieren.

Bei dieser Beweislage bestand mit Blick auf das zu Tage getretene Eigeninteresse des Zeugen an der Anzeigeerstattung, dessen Aussageverhalten und dem im Kerngeschehen detailarmen Inhalt seiner Angaben zwar Anlass dafür, die Glaubhaftigkeit der Aussage kritisch zu hinterfragen. Indes handelte es sich gerade vor dem Hintergrund, dass zumindest das mitgeteilte Randgeschehen in den weiteren Ermittlungen Bestätigung fand, nicht um eine augenscheinliche Falschbelastung, so dass Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben des Anzeigeerstatters nicht dazu führten, dass ihnen keinerlei Beweiswert mehr zukam. Eine weitergehende individuelle Glaubhaftigkeitsanalyse war in diesem Stadium des Verfahrens zudem weder rechtlich geboten noch tatsächlich möglich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2018 – StB 43-44/18, juris Rn. 33; vom 22. Februar 2018 – StB 29/17, juris Rn. 28). Die angeordnete Durchsuchungsmaßnahme, die gerade auch dazu diente, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen zu verifizieren, konnte daher auf die Aussage des Anzeigeerstatters gestützt werden.

bb) Unter Zugrundelegung der Angaben des Zeugen F. lagen auch noch zureichende Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Betroffene mit weiteren noch unbekannten Personen zu einer terroristischen Vereinigung im Sinne des § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB zusammenschloss, um Tötungsdelikte zu begehen und sich später an dieser mitgliedschaftlich beteiligte. Angesichts des von dem Anzeigeerstatter bekundeten Unvermögens des Betroffenen, mit der bestellten Waffe selbst umzugehen, und seines Hinweises auf Personen, die den Kauf der Waffe finanzieren würden, lag jedenfalls ein Anfangsverdacht für das Bestehen eines auf Dauer angelegten, organisierten Zusammenschlusses von mehr als zwei Personen vor, der mit der beabsichtigten Ermordung des Bundespräsidenten und gegebenenfalls weiterer Politiker, womit ein politisches Fanal gesetzt werden sollte, ein übergeordnetes Ziel verfolgte und darauf ausgerichtet war, Straftaten im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu begehen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die zutreffenden, ausführlichen Erwägungen des angefochtenen Beschlusses vom 13. Dezember 2017 Bezug genommen.

2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war gewahrt. Die Durchsuchungsanordnung war geeignet, zur Klärung des Tatverdachts beizutragen. Gegenüber der Durchsuchung stand auch kein gleichwirksames milderes Mittel zur Verfügung. Schließlich stand die Anordnung der Durchsuchung in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des bestehenden Tatverdachts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 2014 – 2 BvR 9/10, NJW 2014, 2265 Rn. 17 mwN). Dem Betroffenen lag der Verdacht eines Verbrechens der Gründung und mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) zur Last. Der gegen ihn gerichtete Tatverdacht ergab sich nicht lediglich aus vagen Indizien, sondern der Aussage eines über die strafrechtlichen Konsequenzen einer falschen Verdächtigung belehrten Zeugen. Der Wahrheitsgehalt dieser Zeugenaussage war zum Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Entscheidung durch die weiteren Ermittlungen weder bestätigt noch widerlegt. Auch unter Berücksichtigung des mit der Anordnung der Durchsuchung regelmäßig verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in die durch das Grundrecht aus Art. 13 GG geschützte Lebenssphäre des Betroffenen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. November 1981 – 2 BvR 1118/80, BVerfGE 59, 95, 97; vom 13. Mai 2014 – 2 BvR 9/10, NJW 2014, 2265 Rn. 16/17) ist die Verhältnismäßigkeit der Anordnung nicht zweifelhaft.2

Mir geht es ein wenig weit, was der BGH da ausführt. Denn nach der Rechtsprechung des BVerfG darf die Durchsuchung gerade nicht zur Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Anfangsverdacht führen (vgl. die Nachweise bei Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 8. Aufl., 2019, Rn 1588), sondern sie setzt den Tatverdacht bereits voraus. Das hilft m.E. auch nicht, wenn der BGH ausführt, die Durchsuchung könne gerade auch dazu dienen, die Qualität der Angaben eine Zeugen zu überprüfen und neben der Belastung auch zur Entlastung des Beschuldigten beitragen.

BVerfG I: Dringender Tatverdacht im „KiPo-Verfahren, oder: Zweifel des BVerfG?

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Ich eröffne die 34. KW. mit zwei BVerfG-Entscheidungen. Zunächst stelle ich den BVerfG, Beschl. v. 23.05.2019 – 2 BvR 886/19, dem eine Durchsuchung beim Beschwerdeführer zugrunde liegt.

Es sind im Rahmen der Auswertung sichergestellter Speichermedien in einem gegen zwei andere Personen geführten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verbreitung, des Erwerbs und Besitzes kinderpornographischer Schriften (§ 184b StGB) auf einer der sichergestellten Festplatten E-Mail-Nachrichten festgestellt worden, in welchen kinderpornographische Bild- und Videodateien verschafft und verschickt worden sein sollen. Eine der Absenderadressen konnte im Rahmen einer Provideranfrage dem Beschwerdeführer zugeordnet werden. Daraufhin erstattete die zuständige Kriminalbeamtin im Oktober 2017 Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer, in der er beschuldigt wurde, im September 2009 über die ihm zugeordnete E-Mail-Adresse mindestens zwei Mal Bildmaterial mit möglicherweise kinderpornographischem Inhalt versendet zu haben.

Der Beschluss des BVerfG teilt dann folgenden weiteren Sachverhalt mit:

„2. Im Rahmen weiterer Ermittlungen wurde Anfang November 2017 einer der gesondert Verfolgten vernommen, der in Bezug auf den Kontakt mit der dem Beschwerdeführer zugeordneten E-Mail-Adresse angab, dass er die Adresse „schon mal irgendwann“ gesehen habe, aber nicht mehr sagen könne, was genau gelaufen beziehungsweise transferiert worden sei. Er kenne den Nutzer der E-Mail-Adresse nicht persönlich. Auf die Frage, ob er sich noch daran erinnern könne, ob er mit dem Nutzer der E-Mail-Adresse kinderpornographische Dateien getauscht habe, gab er an, grundsätzlich müsse über diesen Account „irgendwas gelaufen“ sein; er wisse aber nicht mehr genau, was.

3. Mit Beschluss vom 13. März 2018 ordnete das Amtsgericht Frankfurt am Main auf der Grundlage von § 102 StPO wegen Verdachts einer Straftat nach § 184b StGB die Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers zum Zwecke der Auffindung von Computern, Speichermedien, internetfähigen Mobiltelefonen, Multimediaplayern sowie von Unterlagen beziehungsweise Notizzetteln mit Passwörtern und Hinweisen auf externe Datenspeicher im Internet oder E-Mail-Postfächer an. Der Beschwerdeführer sei verdächtig, am 8. September 2009 an einen der namentlich benannten, gesondert Verfolgten via E-Mail „jugendpornographische Schriften“ verschickt zu haben. Trotz der Tatsache, dass diese Tat verjährt sei, stehe zu vermuten, dass er auch heute noch im Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften sei. Der Anfangsverdacht beruhe auf den Angaben des gesondert Verfolgten, der auf die Frage, ob er mit dem Nutzer der oben genannten E-Mail-Adresse kinderpornographische Dateien ausgetauscht habe, angegeben habe, dass über den Account „irgendwas gelaufen“ sei, er wisse aber nicht mehr was. Auf den sichergestellten Datenträgern des gesondert Verfolgten habe festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer am 8. September 2009 zwei Bilddateien verschickt habe, die jeweils dasselbe männliche erigierte Glied eines Jugendlichen zeigten. Die leicht erkennbare Beinbehaarung lasse vermuten, dass es sich um einen Jungen in der Pubertät handele.

4. Die Durchsuchungsanordnung wurde am 16. August 2018 vollzogen. Dabei wurden mehrere Computer, Festplatten und ein Smartphone sichergestellt. Der Beschwerdeführer gab im Rahmen der Durchsuchung an, das abgebildete Glied auf den 2009 versendeten Bilddateien könnte sein eigenes darstellen. Er habe früher solche Bilder verschickt, jedoch nie kinder- oder jugendpornographische Schriften besessen. Er kenne überdies weder die E-Mail-Adresse, von der die beiden Bilddateien 2009 versandt wurden, noch den gesondert Verfolgten, der diese erhalten hatte.

5. Gegen den Durchsuchungsbeschluss legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein und stellte hinsichtlich der Sicherstellung der Datenträger zugleich Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Ferner beantragte er, die „Beschlagnahme“ aufzuheben und die Gegenstände an den Beschwerdeführer zurückzugeben. Zur Begründung der Beschwerde führte er im Wesentlichen aus, dass kein Anfangsverdacht gegen ihn bestehe. Die getroffene Vermutung, dass es sich bei den angeblich durch ihn 2009 versandten Bilddateien um jugendpornographische handele, sei äußerst vage und ungenügend. Eine differenzierte, nachvollziehbare Darlegung, warum nach Ansicht der Ermittlungsbehörden auf dem Bild eine jugendliche und keine erwachsene Person zu sehen sei, fehle vollständig. Im Zweifel sei in einem solchen Fall von der Volljährigkeit der dargestellten Person auszugehen. Abgesehen davon hätten sich die Ermittlungsbehörden nicht mit der naheliegenden Möglichkeit auseinandergesetzt, dass der Versendende selbst abgebildet sein könnte. Die Angaben des gesondert Verfolgten, dass „irgendwas gelaufen“ sei, ließen ebenfalls nicht den Schluss zu, dass darunter der Austausch von kinder- und jugendpornographischen Schriften zu verstehen sei, zumal die Angaben kaum vager sein und damit einen Anfangsverdacht ganz offensichtlich nicht rechtfertigen könnten. Im Übrigen stünde der Verfolgung von im Jahr 2009 versandten Bilddateien jedenfalls die Verjährung entgegen. Des Weiteren habe es das Amtsgericht vollständig unterlassen, sich mit der Frage der Verhältnismäßigkeit auseinanderzusetzen.

6. Mit Beschluss vom 22. Oktober 2018 verwarf das Landgericht Frankfurt am Main die Beschwerde aus den fortgeltenden Gründen der angegriffenen Entscheidung als unbegründet, nachdem das Amtsgericht ihr nicht abgeholfen hatte. Ergänzend führte es an, dass die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat in dem Durchsuchungsbeschluss noch ausreichend konkretisiert sei. Zwar begründe die Strafverfolgungsverjährung grundsätzlich ein Verfahrenshindernis, so dass wegen dieser Tat allein eine Durchsuchung gemäß § 102 StPO unzulässig sei. Da allerdings auch verjährte Taten bei der Aburteilung einer neuen Straftat im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden dürften, könnten – wenn auch in eingeschränktem Maße – Maßnahmen zum Zweck der Ermittlungen strafzumessungsrelevanter Umstände zulässig sein. Jedenfalls ein solcher Fall liege hier vor. Zwar dürfte die Tat vom 8. September 2009 als solche gemäß § 184b StGB a.F. in Verbindung mit § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB verjährt sein. Dem angegriffenen Beschluss lasse sich jedoch entnehmen, dass der Beschwerdeführer aufgrund der dargestellten Beweismittel verdächtig sei, über seine E-Mail-Adresse oder andere digitale Kommunikationswege in nicht rechtsverjährter Zeit weitere kinderpornographische Dateien anderen Nutzern zur Verfügung gestellt zu haben. Der gesondert Verfolgte habe die Funktionsweise der genannten Tauschbörsen beschrieben. Es handele sich danach um besondere, nicht leicht zugängliche Plattformen, die auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruhten. Bereits dies belege den Tatverdacht. Es liege nämlich nach allgemeiner Lebenserfahrung auch fern, dass es sich bei der beschriebenen Tat um einen Einzelfall gehandelt haben könnte, da dies untypisch sei. Auch für die Einlassung des Beschwerdeführers, dass es sich bei dem auf den Lichtbildern abgebildeten Geschlechtsteil um sein eigenes handele, von welchem er früher Lichtbilder verschickt habe, spreche wenig. Eine nachvollziehbare Motivation für ein derartiges Verhalten sei bei Zugrundelegung des Zuschnitts der Tauschbörsen derzeit nicht erkennbar.

7. Gegen den Beschluss erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge, die er im Wesentlichen mit der fehlenden Auseinandersetzung des Landgerichts mit der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme begründete. Diese wies das Landgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 23. November 2018 zurück. Gegen diese Entscheidungen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde unter dem Aktenzeichen 2 BvR 31/19.

8. Mit Beschluss vom 17. Dezember 2018 bestätigte das Amtsgericht Frankfurt am Main gemäß §§ 102, 110 StPO die vorläufige Sicherstellung der anlässlich der Durchsuchung in Verwahrung genommenen Datenträger zum Zwecke der Durchsicht. Zur Begründung führte es aus, der Beschwerdeführer sei des Besitzes und des Verbreitens kinder- und jugendpornographischer Schriften verdächtig; wegen der Einzelheiten werde auf den Durchsuchungsbeschluss und den Beschluss des Landgerichts über die Beschwerde verwiesen. Die vorläufige Sicherstellung sei zu bestätigen gewesen, da die Datenträger der Durchsicht bedürften, um entscheiden zu können, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie als Beweismittel für das Verfahren in Betracht kämen. Insbesondere bedürfe der Klärung, ob auf den vorläufig sichergestellten Datenträgern kinder- und jugendpornographische Schriften und Hinweise auf deren Verbreitung vorhanden seien.

9.Im Januar 2019 bestätigte eine Auswertungsfirma den entsprechenden Auftrag der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main sowie die Übernahme der Asservate und stellte die Fertigstellung eines Gutachtens bis Ende April 2019 in Aussicht.

10. Gegen den die Sicherstellung bestätigenden Beschluss vom 17. Dezember 2018 stellte der Beschwerdeführer im März 2019 einen Antrag nach § 307 Abs. 2 StPO und legte Beschwerde ein, mit der er die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung rügte, die durch die richterliche Bestätigung der Sicherstellung noch weiter vertieft werde. Im Übrigen nahm er auf seinen bisherigen Vortrag Bezug. Mit Beschluss vom 27. März 2019 verwarf das Landgericht Frankfurt am Main die Beschwerde als unbegründet, nachdem es zuvor den Antrag nach § 307 Abs. 2 StPO zurückgewiesen hatte. Gegen den Beschwerdeführer bestehe Tatverdacht. Zur Begründung werde auf den die Durchsuchung bestätigenden Beschluss verwiesen. Die Fortsetzung der Durchsicht sei geboten. Die Ausführungen des Beschwerdeführers gingen insoweit von einem fehlerhaften Ausgangspunkt aus, wenn ausgeführt werde, das Zuwarten auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dem Verfahren 2 BvR 31/19 führe zu keinen Nachteilen. Zwar seien Unterbrechungsmaßnahmen im Sinne des § 78c StGB durch die Staatsanwaltschaft jedenfalls ab dem Jahr 2015 ausgebracht worden; aufgrund des Zeitablaufs, der kurzen absoluten Verjährungsfrist des § 78c Abs. 3 StGB und „den derzeit noch unbekannten Tatzeiträumen“ drohe – je nach Ergebnis der Auswertung – Verfolgungsverjährung. Die Durchsicht sei daher nicht nur rechtmäßig, sondern dringend geboten.

11. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge, mit der er unter anderem rügte, dass das Landgericht sich zum wiederholten Male nicht mit der Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung auseinandergesetzt habe. Diese verwarf das Landgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 10. April 2019, der der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers am 16. April 2019 zugegangen ist.“

Der Beschwerdeführer hat mit der Verfassungsbeschwerde zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erlassen. Der Antrag hatte Erfolg, denn:

„Bei der somit erforderlichen Folgenabwägung überwiegen die Gründe für den Erlass der einstweiligen Anordnung. Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde später aber als begründet, könnte die Staatsanwaltschaft in der Zwischenzeit eine Auswertung der sichergestellten Gegenstände und Daten vornehmen, ohne hierzu berechtigt zu sein. Darin läge ein irreparabler Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung. Denn dieses Recht gewährleistet gerade die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (vgl. BVerfGE 142, 234 <251 Rn. 30> m.w.N.; stRspr).

Erginge dagegen die einstweilige Anordnung, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde später jedoch als unbegründet, würde damit lediglich eine Verzögerung der staatsanwaltlichen Ermittlungen für eine begrenzte Zeitspanne einhergehen. Ein Beweisverlust hinsichtlich der Informationen aus den sichergestellten Gegenständen und Daten wäre nicht zu befürchten. Auch der Eintritt von Verfolgungsverjährung droht gegenwärtig konkret nicht. Bei Abwägung der jeweiligen Folgen wiegen die möglichen Nachteile für den Beschwerdeführer im Ergebnis schwerer als die durch den Erlass der einstweiligen Anordnung eintretende vorübergehende Beschränkung der staatlichen Strafverfolgung.“

Der Sachverhalt ist länger als die eigentliche Begründung der Entscheidung. Ich stelle die Entscheidung auch letztlich nur wegen des Sachverhalts vor. Das wird so oder ähnlich fast jeder Verteidiger kennen. Auch die Begründung des dringenden Tatverdachts wird so oder in ähnlicher Form fast jeder schon mal so gelesen haben. Das BVerfG scheint Zweifel zu haben, ob das so geht/richtig ist. Mal sehen, wie es weitergeht.

StPO II: Nochmals – Auswertung von Laptos usw., oder: Gegenvorstellung der StA unzulässig/unbegründet

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Ich hatte heute morgen über den LG Cottbus, Beschl. v. 10.04.2019 – 22 Qs 1/19 – berichtet (vgl. dazu: StPO I: Auswertung von Laptos usw., oder: 14 Monate Dauer sind zu lang).

Dazu kann ich dann noch einen Nachtrag liefern. Der StA hat der Beschluss des LG nicht gefallen und sie hat mit einer „Gegenvorstellung nachgelegt“. Das LG dann aber auch, denn es sagt im LG Cottbus, Beschl. v. 29.05.2019 – 22 Qs 1/19 – : Die Gegenvorstellung ist unzulässig und auch unbegründet:

„1. Die Gegenvorstellung der Staatsanwaltschaft ist bereits unzulässig.

Gegenvorstellungen sind – als Ausfluss des Petitionsrechts (Art. 17 GG) – grundsätzlich statthaft gegen Entscheidungen, die das Gericht selbst wieder aufheben darf. Die auf eine einfache Beschwerde ergangene letztinstanzliche Entscheidung schließt jedoch das Beschwerdeverfahren ab und erwächst in formeller Rechtskraft. Diese Entscheidungen sind grundsätzlich nicht mehr angreifbar, da andernfalls die Rechtskraft durchbrochen wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn mit der Entscheidung grobes prozessuales Unrecht im Sinne von schwerwiegenden Verfahrensfehlern einhergeht, sie eine Grundrechtsverletzung beinhaltet oder auf einem offensichtlichen bzw. ohne weiteres erkennbaren Irrtum beruht (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage, 2018, Vor § 296 Rn. 24 f.; Allgayer in: Münchner Kommentar zur StPO, 2016, § 296 Rn. 13, beck-online). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor und werden von der Staatsanwaltschaft auch nicht vorgetragen. Die Entscheidung der Kammer enthält weder offensichtliche Unrichtigkeiten noch wird durch diese erkennbar in ein Grundrecht der Beteiligten eingegriffen. Die Staatsanwaltschaft ist schon kein Grundrechtsträger, der Beschuldigte wird durch die Entscheidung der Kammer nicht beschwert. Sie kann mithin keinen neuen Grundrechtseingriff darstellen. Auch ein schwerwiegender Verfahrensfehler, wie beispielsweise die Verletzung rechtlichen Gehörs, ist nicht ersichtlich.

2. Die Gegenvorstellung wäre im Übrigen auch unbegründet. Die Kammer hat bei Ihrer Verhältnismäßigkeitsabwägung sehr wohl bedacht, dass hier keine freiheitsentziehende Maßnahme zur Überprüfung stand, sondern lediglich eine in das Grundrecht nach Art. 14 GG eingreifende vorläufige, der Durchsicht von Speichermedien dienende Sicherstellung im Rahmen der noch andauernden Durchsuchung. Indes ist zur Überzeugung der Kammer auch solchen Eingriffen eine zeitliche Grenze gesetzt, die zwar nicht demselben (strengen) Maßstab wie bei freiheitsenziehenden Maßnahmen unterliegt, andererseits aber auch nicht allein mangels personeller Ausstattung der Ermittlungsbehörden ins Uferlose ausgedehnt werden kann. Die Kammer ist sich bei der solchermaßen vorzunehmenden Abwägung des mit der Durchsicht von Speichermedien erforderlichen Aufwandes durchaus bewusst gewesen. Dieser hatte hier aber keinen Einfluss auf die Dauer der Durchsicht, denn mit dieser wurde erst nach über 12 Monaten seit der Sicherstellung begonnen. Das mit der Durchsicht befasste Landeskriminalamt hat dies sinngemäß mit seiner Überlastung begründet. So habe sich die Auswertung selbst nach einer Dringlichkeitsverfügung vom 13. Dezember 2018 (11 Monate nach vorläufiger Sicherstellung) zunächst erst noch in die Abarbeitung bereits bestehender dringender Auswerteaufträge eingereiht. Erst im Februar 2019 (nach 13 Monaten) sei der „Vorgang in Bearbeitung“, der im Übrigen augenscheinlich bis heute (nach nunmehr über 16 Monaten) nicht abgeschlossen ist.

Davon ganz abgesehen kann der von der Staatsanwaltschaft nur allgemein – d.h. abstrakt und nicht auf den konkreten Einzelfall bezogen – dargestellte erhöhte Aufwand der Durchsicht und Auswertung von Speichermedien die lange Dauer in dem hier zu entscheidenden konkreten Einzelfall allein nicht rechtfertigen, weil offen bleibt, ob die den Aufwand der Datenauswertung ganz allgemein erhöhenden Gründe hier überhaupt zum Tragen gekommen sind. Vielmehr hätte es hierfür eines konkret auf den zu entscheidenden Einzelfall bezogenen Vortrags bedurft, warum und in welcher Weise sich ein erhöhter Aufwand bei der Durchsicht der Speichermedien ergeben haben soll. In Anbetracht dessen, dass hier mit der Durchsicht nach über einem Jahr überhaupt erst begonnen wurde und die Staatsanwaltschaft auch in ihrer Gegenvorstellung nichts Handgreifliches dafür vorträgt, warum die Durchsicht nach (seit Februar 2019) nunmehr weiteren 4 Monaten noch immer nicht abgeschlossen ist, geht die Kammer nach wie vor davon aus, dass die Ursachen allein in der personellen Unterbesetzung der mit der Auswertung befassten Stellen zu suchen sind. Die Kammer gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass nunmehr bereits mehr als 16 Monate seit der vorläufigen Sicherstellung und mehr als 5 Monate sei Einlegung der Beschwerde verstrichen sind.

Schließlich sind entgegen der Darstellung der Staatsanwaltschaft offenkundig auch nicht die möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen und erschöpft, um diesen Zustand der Überlastung bzw. personellen Unterbesetzung zu beheben. Eine Aufstockung des Personals sowohl in quantitativer als auch qualitativer (Sachverständige) Hinsicht erscheint der Kammer nicht nur möglich und zumutbar, sondern im Hinblick auf den von der Staatsanwaltschaft in ihrer Gegenvorstellung beschriebenen deutlich zugenommenen und erhöhten Aufwand der Auswertung entsprechender Speichermedien sogar dringend geboten.

Dass entsprechende Maßnahmen – ähnlich wie auch im Bereich der Ausstattung der Gerichte -von den zuständigen Stellen nicht ergriffen werden und dies auch nicht von der Staatsanwaltschaft zu verantworten ist, ändert nichts daran, dass der mit der vorläufigen Sicherstellung verbundene Eingriff in das Eigentumsrecht des Beschuldigten – hier auch unter Berücksichtigung des etwas abgeschwächten Verdachtsgrades sowie des bisher zutage getretenen Ausmaßes der inkriminierten Handlung – nicht mehr verhältnismäßig ist.“

StPO I: Auswertung von Laptos usw., oder: 14 Monate Dauer sind zu lang

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Heute dann nach längerer Zeit mal wieder drei StPO-Entscheidungen.

Und den Reigen eröffne ich mit dem LG Cottbus, Beschl. v. 10.04.2019 – 22 Qs 1/19, ergangen in einem Verfahren wegen des Verdachts des Besitzes kinderpornographischer Schriften. In dem Verfahren ist am 18.01.2018 beim Beschuldigten durchsucht worden. Dabei wurden zwei Laptops, ein Notebook, zwei Handys und diverse Medien zu Speicherung digitaler Daten (Festplatten, UBS-Sticks und (micro-)SD-Karten) sichergestellt. Da der Beschuldigte mit der vorläufigen Sicherstellung nicht einverstanden war, wurde die vorläufige Sicherstellung der sichergestellten Gegenstände durch Beschluss des AG Cottbus vom 05.12.2018 zum Zwecke der Durchsicht richterlich bestätigt.

Gegen diese richterliche Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung der Gegenstände zur Durchsicht wendet sich der Beschuldigte mit seiner Beschwerde, mit der er den Tatverdacht angreift und zudem der Auffassung ist, dass die Fortdauer der Sicherstellung der Gegenstände keinen Bestand haben kann, weil sie nach Ablauf von (damals) 11 Monaten jedenfalls den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletze. Kapazitätsengpässe im Bereich der Justiz könnten nicht zu seinen Lasten gehen.

Das Beschwerdeverfahren dauert dann noch weitere drei Monate. Die Staatsanwaltschaft verfügte unter dem 13.12.2018 gegenüber der Polizei den dringenden Abschluss der Auswertung der sichergestellten Gegenstände. Mit Schreiben des Landeskriminalamts vom 14.02.2019 wurde mitgeteilt, dass aufgrund der hohen Arbeitsbelastung eine Auswertung des Datenbestandes bisher nicht abschließend möglich gewesen sei. Die Auswertung des Datenmaterials reihte sich seit der Dringlichkeitsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 13.12.2018 in die Abarbeitung bereits bestehender dringender Auswertungsanträge ein. Der Vorgang sei aktuell in Bearbeitung.

Das LG Cottbus sagt: Das ist zu lang:

„Allerdings erscheint vor dem Hintergrund des etwas abgeschwächten Anfangsverdachts sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die sichergestellten Gegenstände seit dem 18. Januar 2018 und damit seit über 14 Monaten vorläufig sichergestellt sind, eine weitere vorläufige Sicherstellung nunmehr unverhältnismäßig. Zwar verkennt die Kammer dabei nicht, dass es durchaus zeitlich sehr aufwendig ist, die bei dem Beschwerdeführer sichergestellten technischen Geräte und Speichermedien auszuwerten. Allerdings begründet das mit der Auswertung befasste Landeskriminalamt die lange Dauer der Sicherstellung nicht mit der Fülle der auszuwertenden Technik, sondern mit der Auswertung in anderen vordringlichen Verfahren begründet. Der mithin eher in der mangelnden personellen Ausstattung der Ermittlungsbehörden liegende Grund der langen Dauer der vorläufigen Sicherstellung vermag diese aber von Verfassungs wegen nicht zu rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 30. Juli 2014 – 2 BvR 1457/14 – Rn. 27, juris). Dies gilt auch, soweit – wie hier – nicht Artikel 2 Abs. 2 GG betroffen ist, sondern das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG (so auch LG Kiel, Beschluss vom 19. Juni 2003 – 32 Qs 72/02 – juris; ähnlich LG Köln, Beschluss vom 17. Mai 2002 – 109 Qs 219/02 – juris und unter Berufung auf diese Entscheidungen: LG Limburg, Beschluss vom 22. August 2005 – 5 Ws 96/05 –juris).“