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Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Werden Scans von Akten nicht mehr bezahlt?

© haru_natsu_kobo - Fotolia.com

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Am vergangenen Freitag hatte ich die Frage gestellt: Ich habe da mal eine Frage: Werden Scans von Akten nicht mehr bezahlt?  Nun, ein Lösungsvorschlag ist gekommen und der war gar nicht mal schlecht, besser: Er war gut. Er entspricht in etwas auch meiner Lösung:

Denn die Antwort auf die Frage lautet leider – (derzeit) – nein, und zwar ist das auf Änderungen durch das 2. KostRMoG zurückzuführen (vgl. dazu dann auch der in dem Kommentar bereits angeführte AG Hannover, Beschl. v. 31.01.2014 – 218 Ls 3161 Js 31640/12 [598/12]).  Das 2. KostRMoG hat nämlich in Nr. 7000 VV RVG die Begriffe geändert. Während in der bis zum 31.07.2013 geltenden Gesetzesfassung von „Ablichtungen“ die Rede war, wird jetzt der Begriff der „Kopie“ anstelle des Begriffs „Ablichtung“ verwendet. Grund der Änderung ist (vgl. dazu BT-Drucks. 17/11471, S. 284 i.V.m. der Begründung zum neuen § 11 GNotGK auf S. 156) – neben der Einführung einer heute gebräuchlicheren Bezeichnung – die – so ausdrücklich – Vermeidung von Missverständnissen bei der Erstellung von elektronischen Dokumenten (Scans). Da auch beim Scannen in der Regel das Papierdokument „abgelichtet“ wird, wurde nämlich in der Rechtsprechung zum Teil unter den Begriff der „Ablichtung“ auch ein eingescanntes Dokument verstanden. Die Änderung der Nr. 7000 VV RVG soll(te) nun klar stellen, dass es sich hierbei gerade nicht um Ablichtungen i.S. des Gebührenrechts und damit auch nicht um Kopien i.S. des Gebührenrechts handelt (BT-Drucks. 17/11471, S. 284 i.V.m. der Begründung zum neuen § 11 GNotGK auf S. 156). Kopie sei – so die ausdrückliche Erläuterung in der Gesetzesbegründung (Vgl. BT-Drucks. 17/11471, a.a.O ) – die Reproduktion einer Vorlage auf einem körperlichen Gegenstand, beispielsweise Papier, Karton oder Folie. Durch diese Neuregelung/Umformulierung hat sich damit die alte Rechtsprechung (vgl. u.a. OLG Bamberg StraFo 2006, 389RVGreport 2006, 354 = AGS 2006, 432NJW 2006, 3504JurBüro 2006, 588 = StV 2007, 485), die in der Vergangenheit für das Einscannen von Dokumenten/Akten die Dokumentenpauschale gewährt hat, erledigt.

Hinzuweisen ist darauf, dass für Ausdrucke zuvor eingescannter Datei die Dokumentenpauschale allerdings anfällt (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG 21. Aufl., 2013, VV 7000 Rn. 32; Schmitt in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl., 2014, Nr. 7000 VV Rn. 13; Burhoff StraFo 2014, 397 ff.). Hinzuweisen ist zudem darauf, dass die vom 2. KostRMoG eingeführte Neuregelung – m.E. aus rein fiskalischen Erwägungen – an der Praxis vorbei geht. Denn sie übersieht, dass gerade bei Strafverteidigern das Anfertigen von „Aktenscans“ und digitalen Akten, wenn diese nicht vom Gericht in digitaler Form zur Verfügung gestellt werden, Gang und Gäbe ist. Warum die dafür erforderlichen Arbeiten nicht mehr i.d.R.  honoriert werden, sondern nur noch dann, wenn der „Aktenscann“ ausgedruckt worden ist, erschließt sich nicht. Die Änderung wird im Zweifel den Tod vieler Bäume zur Folge haben, worauf Elberling/Schaar in ihrem kritischen Beitrag „Rettet den Wald – ein Plädoyer für eine Reform des Nr. 7000 VV RVG n.F.“ in StraFo 2014, 195 schon zutreffend hinweisen.

Schließlich: Wie kann sich der Verteidiger helfen bzw. wie muss er ggf. argumentieren? Er sollte sich auf den Standpunkt stellen, dass der Rechtsgedanke der früheren Rechtsprechung nach wie vor Geltung hat und dass unter „Kopie“ auch eine „digitale Kopie“ – um nichts anderes handelt es sich bei einem eingescannten Dokument – zu verstehen ist. Dem steht zwar die Gesetzesbegründung (ein wenig) entgegen. Andererseits: Hoffnungsfroh stimmt, dass die Problematik bereits Gegenstand der 68. Tagung der Gebührenreferenten der RAK am 29.03.2014 gewesen ist und man dort beschlossen hat, „dass unter Kopien i.S.v. Nr. 7000 VV RVG auch in Zukunft eingescannte Dokumente zu verstehen sind. Der bei der Sitzung anwesende Referatsleiter des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, der auch für das Gesetzgebungsverfahren zum 2. KostRMoG zuständig war, war mit dem gefassten Beschluss einverstanden.“ (zitiert nach Elberling/Schaar StraFo 2014, 195, 197 Fn. 16).

Ob es hilft, dass man das Wort „Scan“ vermeidet, wage ich zu bezweifeln 🙂 🙂 🙂 🙂 .

Ausdruck von 43.307 Seiten – Bekommt der Verteidiger das bezahlt?

Über den OLG Celle, Beschl. v.28.11.2011 – 1 Ws 415-418/11 ist in den Blogs schon an verschiedener Stelle berichtet worden (vgl. hier und hier). Ich will den Beschluss aber dennoch noch einmal aufgreifen. Nicht nur, weil er vom Sachverhalt her interessant ist: Abrechnung von mehr als 43.000 ausgedruckten Seiten mit der Dokumentenpauschale. Nein, auch inhaltlich lässt sich mit ihm in vergleichbaren/ähnlichen Fällen argumentieren. Denn:

Der Beschluss stellt fest,

  1. „dass die Aufwendungen für das Ausdrucken der Textdateien dem Grunde nach erstattungsfähig sind. Zwar ist der Landeskasse zuzugeben, dass in immer mehr Bereichen des beruflichen Lebens – auch in der Justiz – das Bearbeiten von Akten und Lesen von Texten ausschließlich am Bildschirm erfolgt. Wenn aber Strafverteidiger es zur sachgemäßen Bearbeitung einer – wie hier – umfangreichen und schwierigen Strafsache für erforderlich halten, die Kurzübersetzungen überwachter Telefonate in Papierform vorliegen zu haben, so ist dies jedenfalls bei dem hier zu beurteilenden, weit überdurchschnittlichen Umfang von insgesamt 43.307 Seiten auch aus Sicht eines verständigen Dritten nicht als ermessensfehlerhaft anzusehen. Letztendlich muss bei Strafverteidigern ausgeschlossen werden, dass sie hinsichtlich des ihnen zur Verfügung stehenden Aktenmaterials im Verhältnis zur Staatsanwaltschaft und dem Gericht benachteiligt werden (Müller-Rabe aaO VV 7000 Rn. 30). Ob die sich hiernach ergebenden Aufwendungen weit über den sonstigen Gerichtskosten und den Pflichtverteidigergebühren liegen, ist dabei – entgegen der Ansicht der Landeskasse – unerheblich. Der Gesetzgeber hat mit Nr. 7000 VV RVG eine – wenn auch pauschalierte – Erstattung der tatsächlich angefallenen Auslagen vorgesehen und nicht den Weg gewählt, die Höhe der Auslagenerstattung prozentual von den Gebühren abhängig zu machen.“
  2. „Nicht zu folgen vermag der Senat dem Landgericht allerdings darin, dass die Dateien nur einmal hätten ausgedruckt werden müssen und die Verteidiger die Ausdrucke untereinander hätten austauschen können. Denn das würde auf eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung hinauslaufen.Jeder Verteidiger hat also ein Recht auf einen eigenen Ausdruck. So schon vor einiger Zeit das OLG Köln.
  3. Es gilt aber der „Grundsatz der kostenschonenden Prozessführung“, der es „gebieten“ (!) kann , durch entsprechende Einstellungen beim Ausdruck die Zahl der Seiten zu verringern. Also: Aus zwei mach eins, um den Ausspruch aus einem anderen Blog aufzunehmen. Hier wird es dann schwieriger. Es heißt im Beschluss: „Der Senat hat die gefertigten Ausdrucke auszugsweise in Augenschein genommen und ist hiernach zu der Überzeugung gelangt, dass ein Lesen der Textdateien auch in einem um die Hälfte verkleinerten Format unschwer möglich und daher zumutbar gewesen wäre.“

Und was ist, wenn der Verteidiger nicht so klein lesen kann? 🙂

Von der elektronischen Akte zur „Dunkelkammer für den Verteidiger“?

Ich war mal wieder auf Visite im Rechtspflegerforum und bin da auf eine ganz interessante Frage gestoßen (vgl. hier, wenn der Link nicht klappt, einfach mal im Rechtspflegerforum anmelden), die in Zusammenhang steht mit Kopiekosten, bei der die Antworten aber ganz woanders enden

Kopiekosten; elektronische Akte im Strafverfahren

Moin,

in dem Strafverfahren wurde eine elektronische Akte parallel zur normalen Akte angelegt. Diese wurde dem RA als CD zur Verfügung gestellt. Der RA hat die auf der CD befindlichen Aktenbestandteile ausgedruckt und damit weitergearbeitet.

Kann der RA darauf verwiesen werden seine notwendigen Informationen der ihm zur Verfügung gestellten elektronischen Akte zu nehmen?

Oder sind die Kopiekosten (1073,05 EUR für 7037 Seiten) zu erstatten?
RA argumentiert, dass er die Akte in Papierform vorhalten kann, da beim Gericht ebenfalls noch immer die Akte in Papierform geführt wird.

Vielen Dank schon mal für’s Nachdenken kurz vorm Wochenende…

Soweit, so gut: M.E. kommen auch ganz interessante Antworten, die sich mit der rechtlichen Problematik auseinander setzen und zum Teil in die m.E. vom Rechtsgedanken her anwendbare Entscheidung des OLG Bamberg v. 26.06.2006 – 1 Ws 261/06 führen.

Aber leider auch die ein oder andere Meldung, die ärgert: Zunächst die, bei denen man schon den Eindruck hat, dass es nur mal wieder darum geht, eine so hohe Forderung des Verteidigers abzublocken, anstatt die m.E. richtige Frage zu stellen, ob nicht grds. erstattet werden muss und ob dann ggf. über § 46 RVG die „Nichterforderlichkeit“ der „Ablichtungen“ geltend gemacht werden kann mit der Folge, dass dann der RA die Erforderlichkeit darlegen muss, wenn wirklich alles kopiert worden ist.

Im Zusammenhang mit den Antworten ist dann auch die Frage der Notwendigkeit eines Laptops erörtert worden. Besonders reizend dann dazu diese Antwort (zunächst ein Zitat aus einer früheren Anwort):

(Wenn der Verteidiger argumentiert, er habe keinen Laptop für den Termin und muß deshalb ausdrucken, so könnte man die Erstattung auf 500,00 € zur Anschaffung eines solchen beschränken… )
oder er würde damit argumentieren, dass er sich die Akten ausdrucken MUSS, weil ihm gelegentlich im Gerichtsaal der Zugriff auf Steckdosen verwehrt wird und er sich den Zugriff mühsam über´s OLG erkämpfen musste…
oder dass er sein Laptop in der Verhandlung gar nicht benutzen darf
http://www.burhoff.de/insert/?/asp_w…nhalte/974.htm
oder dass man nie weiß, ob im Gericht auch Strom vorhanden ist
http://www.kanzlei-hoenig.info/index.php?s=laptop
Zur Frage der Kopiekosten im Strafrecht allgemein empfehle ich die Übersicht bei Burhoff http://www.burhoff.de/insert/?/burho…/liste_187.htm

und dann als Antwort:

„Pääh! Hier wird nicht der gerichtliche Strom verbraten!
Soll sich doch der Verteidiger ein paar Ersatzakkus mitnehmen (und eine Decke für das Warten auf den kalten Fluren).“

Sorry, aber dafür fehlt mir nun jedes Verständnis. Denn dem Verteidiger, der nicht mit einem Laptop arbeitet, wird ja nun auch nicht entgegengehalten, dass er beim Lesen der Akte im Gerichtssaal am „gerichtlichen Strom“ partizipiert, der den Saal ausleuchtet. Oder will man jetzt Dunkelkammern für Verteidiger einführen?

Ach so: Zurück zur Akte und schon, weil sicherlich Kommentare kommen werden. Ich bin mir darüber im Klaren, dass es unter den Verteidigern sicherlich „schwarze Schafe“ geben wird, die die Nr. 7000 VV RVG ggf. missbrauchen. Daraus kann man m.E. aber nicht den Schluss ziehen, dass das grundsätzliche alle Rechtsanwälte tun. Man zieht ja auch nicht aus dem Umstand, dass die Revisions-/Rechtsbeschwerdegerichte Urteile aufheben (müssen) , den Schluss, dass alle tatrichterlichen Urteile falsch sind :-).

Vermisst: Das betriebswirtschaftliche Denken der Justiz…

Manchmal will man es nicht glauben, wenn man eine Entscheidung liest, dass es wirklich wahr ist, dass in der Frage, die behandelt wird, gestritten wird.

So ergeht es mir beim Beschluss des AG Mettmann vom 29.04.2010 – 31 Ds-422 Js 739/09-194/09. Der Beschluss selbst ist goldrichtig, Denn es entspricht der allgemeinen Auffassung der Obergerichte, – so auch das AG -, dass die Beurteilung der Frage, was zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich ist, grundsätzlich dem Rechtsanwalt überlassen ist, denn er, nicht das Gericht, das nachträglich über die Berechnung oder Erstattbarkeit der Dokumentenpauschale zu entscheiden hat, ist für die anvertraute Führung der Rechtssache verantwortlich. Also: Letztlich schadet nur Missbrauch.

Erstaunt war ich, als ich las, um welche Summe es ging: 4 (in Worten: vier) Kopien waren nach Auffassung des Rechtspflegers nicht erstattungsfähig und sind abgesetzt worden. Wer hat eigentlich mal aus-/berechnet, was das die Staatskasse kostet und ob es nicht billiger wäre festzusetzen. Aber: Wer nicht hören will, muss fühlen und bekommt dann eine Abfuhr von der Richterin. Deren Beschluss liest sich schon leicht säuerlich. Sie hat sicherlich besseres zu tun, als solche Sachen zu entscheiden. Sehr schön dazu auch AG Bochum, und zwar hier. Da hatte der Direktor des AG sich selbst geäußert.

Dokumentenpauschale nicht nur fürs Material, sondern auch fürs Arbeiten, daher auch für das Einscannen von Akten

Das SG Dortmund (StRR 2009, 283; Ls.) hatte vor einiger Zeit entschieden, dass die Dokumentenpauschale der Nr. 7000 VV RVG nicht anfällt, wenn Akten nur eingescannt und abgespeichert werden und war damit von der Rechtsprechung des OLG Bamberg (NJW 2006, 3504) abgewichen. Eine Frage, die für viele Verteidiger schon von erheblicher Bedeutung ist, da immer mehr Verteidiger dazu übergehen, Akten nicht mehr zu kopieren, sondern einzuscannen. Das AG Dortmund fand die Entscheidung des SG Dortmund – aus welchen Gründen auch immer (der ein oder andere fällt einem da schon ein :-)), überzeugender als die des OLG Bamberg und hatte daher einem Verteidige, der „nur“ eingescannt und abgespeichert, nicht aber ausgedruckt hatte, die Dokumentenpauschale verweigert. Begründung: Nr. 7000 VV RVG habe den Materialaufwand im Auge, nicht aber Arbeitszeit. Dem ist jetzt das LG Dortmund auf das Rechtsmittel des Verteidigers hin entgegengetreten und hat sich in seinem Beschluss vom 16.12.2009 – 36 Qs 112/09 dem OLG Bamberg angeschlossen. Zu Recht. Ergebnis: Aufhebung und Zurückverweisung an das AG, das nun über die Höhe der Auslagen entscheiden muss. Damit ist die 2. Runde eröffnet.