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Akteneinsicht in sieben Umzugskartons binnen einer Woche, oder: Kopie der gesamten Verfahrensakte erstattungsfähig

Als erstes „normales Posting (vgl. zum „unnormalen“ Burhoff im “Yellow-Press-Teil” der NJW, oder: “Schreiber aus Leidenschaft – Anwalt als Telefonjoker”) heute dann natürlich ein Posting zu Gebühren, und zwar zum OLG Braunschweig, Beschl. v. 08.06.2018 – 1 Ws 92/18. Den hat mir der Kollege W.Siebers aus Braunschweig geschickt, der ihn auch „erstritten“ hat. Es geht mal wieder um die Frage der Erstattung von Kopien, eine „unendliche Geschichte“. Der Kollege war Pflichtverteidiger. Er hat Festsetzung seiner Gebühren im Vorschussweg beantragt, darunter eine Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV RVG für 17.497 angefertigte Kopien in Höhe von 2.642,05 €. Daraufhin wurde ihm eine Abschlagszahlung zunächst ohne Berücksichtigung der beantragten Dokumentenpauschale gewährt.

Zu Dokumentenpauschale teilte der Verteidiger mit, dass ihm im Mai 2017 ((im Originalbeschluss steht „12. Mai 2017“, muss dann wohl 2014 heißen) sieben Umzugskartons mit Akten zugegangen seien, die vollständig durchkopiert worden seien, da er seinerzeit noch mit Papierakten gearbeitet habe. Er versicherte, dass die Kopien ausschließlich Verteidigungszwecken gedient hätten. Die Bezirksrevisorin beim Landgericht vertrat dazu die Ansicht, der Verteidiger habe sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt, indem er die gesamte Akte kopiert habe. Das ungeprüfte, vorsorgliche Ablichten der gesamten Verfahrensakte sei nicht erforderlich gewesen, da die Akten regelmäßig für die Verteidigung in jedem Fall irrelevante Dokumente enthielten. Der Kollege hat sich dann auf Nachfrage der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit einem Abzug von 10 % der ursprünglich beantragten Kopieauslagen als mögliche, nicht zur Verteidigung notwendige Kopien, einverstanden erklärt. Die sind festgesetzt worden. Dagegen (natürlich) die Erinnerung der Staatskasse. Ergebnis: Kein Erfolg beim LG und bei auch nicht beim OLG:

„Von den 17.497 Kopien, die bei der Fertigung einer Kopie der Verfahrensakte 16 KLS 411 Js 22675/10 angefallen sind, waren insgesamt 15.748 zur sachgerechten Bearbeitung der Rechtssache geboten.

Grundsätzlich obliegt der Staatskasse der Nachweis, dass die vom Verteidiger geltend gemachten Auslagen zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache nicht erforderlich waren. Daher ist die Notwendigkeit von Kopierkosten im Zweifel anzuerkennen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn gewichtige Gründe dafür ersichtlich sind, nach denen einzelne Auslagen unnötig verursacht wurden und zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache nicht erforderlich waren. In diesem Fall muss der Pflichtverteidiger die Erforderlichkeit der Auslagen belegen, wobei ihm ein gewisser Ermessensspielraum verbleibt, er aber gleichzeitig gegenüber der Staatskasse grundsätzlich zur kostensparenden Prozessführung verpflichtet ist (OLG Koblenz, Beschl. vom 16. November 2009, 2 Was 526/09, Rn. 8, zitiert nach juris). Ausgehend von diesen Grundsätzen wird – worauf die Bezirksrevisorin grundsätzlich zutreffend hinweist – in der obergerichtlichen Rechtsprechung die Auffassung vertreten, das ungeprüfte, vorsorgliche Ablichten einer gesamten Akte stelle keine ordnungsgemäße Ermessensausübung des Verteidigers mehr dar, da Kopien nur in dem Rahmen abrechnungsfähig seien, in dem sie aus der ex-ante Sicht des Rechtsanwaltes zu fertigen gewesen wären (OLG Koblenz, a.a.O., OLG Köln, Beschl. vom 16. Juli 2012,  III – 2  Ws 499/12, Rn. 7, zitiert nach juris). Maßgeblich ist die Sicht eines verständigen und durchschnittlich erfahrenen Verteidigers, wenn er sich mit der betreffenden Gerichtsakte beschäftigt und alle Eventualitäten bedenkt, die bei der dann noch erforderlichen eigenen Bearbeitung der Sache auftreten können (BGH, Beschluss-vom 30. Mai 2017, X ZB 17/04, Rn. 1, zitiert nach juris).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe war vorliegend jedoch eine Kopie der gesamten Verfahrensakte 16 KLS 411 Js 22675/10 grundsätzlich erforderlich.

Dem von dem Verteidiger vertretenen Angeklagten werden zum Teil täterschaftlich, zum Teil mittäterschaftlich mit weiteren Angeklagten begangene Taten zur Last gelegt. Es ist daher aus Sicht des Verteidigers nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass auch andere Taten als die von ihm vertretenen Angeklagten alleine zur Last gelegten sich für seine Verteidigung als bedeutsam erweisen.

Darüber hinaus war dem Verteidiger, dem die Akte nur für 1 Woche, mithin 5 Arbeitstage, überlassen worden war, und der im Übrigen auch etwaige Haftungsrisiken im Blick behalten musste, eine nähere inhaltliche Durchsicht der Akte, die aus zahlreichen Bänden bestand und insgesamt 7 Umzugskartons füllte, nicht zuzumuten. Die Ersparnis stünde in keinem Verhältnis zum Aufwand, so dass ein großzügiger Maßstab anzulegen ist (NK-GK/Stollenwerk„ 2. Aufl., VV RVG Nr. 7000, R 11). Soweit sich die Bezirksrevisorin des Landgerichts auf verschiedene anderslautende Gerichtsentscheidungen bezieht, verkennt sie, dass bei den diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalten jeweils ein deutlich geringerer Aktenumfang als im hiesigen Verfahren bestand.

Soweit die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle davon pauschal 10 % in Abzug gebracht hat, war dies im vorliegenden Fall angemessen. Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung, dass jedenfalls Dokumente wie Aktendeckel, Empfangsbekenntnisse, Kassenanordnungen, Zwischenentscheidungen, Anklageschriften oder eigene Schriftsätze des Verteidigers für eine sachgerechte Verteidigung regelmäßig irrelevant sind und sich die Fertigung von Kopien insoweit nicht als erforderlich darstellt (vgl. u.a. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Juli 1999, 4 Ws 163 99, Rn. 5, zitiert nach juris).“

Wenn die Justiz so „unsinnig“ Akteneinsicht gewährt – in sieben Umzugskartons binnen 1 Woche = 5 Arbeitstage, dann muss man auch die finanziellen Folgen ohne Murren tragen….

Ausdruck der digitalen Akte – nein, eine Dokumentenpauschale gibt es nicht….

© mpanch - Fotolia.com

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Über die Rechtsprechung des KG zur Frage des Anfalls der Dokumentenpauschale habe ich ja schon mehrfach berichtet (vgl. hier den grundlegenden KG, Beschl. v. 28.08.2015 – 1 Ws 51/15 – und dazu das Posting Dokumentenpauschale für das Einscannen von Unterlagen – gibt es beim KG nicht, aber auch Erstattung von Scans, oder: „die Entscheidungsbegründung des KG vermag jedoch aus fachlicher Sicht nicht zu überzeugen“). Nun, zwei Entscheidungen aus dem Bereich habe ich noch.

Das ist zunächst der KG, Beschl. v. 28. 08. 2015 – 1 Ws 31/15. Da hatte der Pflichtverteidiger beantragt, ihm eine Dokumentenpauschale für Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten zu gewähren. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die geltend gemachte Dokumentenpauschale abgesetzt und zur Begründung ausgeführt, dass grundsätzlich keine Notwendigkeit für das Anfertigen von Ausdrucken der gespeicherten Daten in Papierform bestehe, wenn vom Gericht im Rahmen der Akteneinsicht ein Datenträger übermittelt wird, auf dem sich der Akteninhalt als durchsuchbare PDF-Datei befindet.

Das KG hat das gehalten und sich den OLG angeschlossen, die einen Anspruch auf Erstattung von ausgedruckten Scans verneinen (OLG Rostock RVGreport 2014, 471 = JurBüro 2014, 637 = AGS 2014, 553; OLG Düsseldorf StRR 2015, 39; OLG München RVGreport 2015, 106 = StRR 2015, 159). Begründung (im wesentlichen): Der Rechtsanwalt, der insoweit die Darlegungslast habe, habe nicht dargelegt, inwieweit der Ausdruck der Akten zur sachgemäßen Bearbeitung durch ihn geboten gewesen sein soll. Er habe weder konkret vorgetragen, dass es ihm mangels geeigneter technischer Ausrüstung oder aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen – wie etwa einer Augenerkrankung – nicht zuzumuten gewesen sei, den Akteninhalt digital zu nutzen, noch sei dies sonst ersichtlich. Weshalb es schlichtweg unzumutbar sein solle, den gesamten Aktenbestandteil auch in Besprechungen mit dem Mandanten jeweils nur digital bearbeiten zu können, sei weder dargelegt noch ersichtlich.

Ich halte die Argumentation nach wie vor – zum OLG Düsseldorf ist ja schon etwas gesagt – nicht für überzeugend. M.E. lässt sich auch eine Besprechung mit dem Mandanten einfacher mit/anhand von Papierakten führen als an einer in digitalisierter Form vorliegenden Akten. Denn letztlich setzt diese Form immer auch voraus, dass auch der Mandant über einen Laptop/Notebook verfügt und so auf die Akten zugreifen kann. Auch hier gilt: Die OLG – so auch das KG – betonen immer den „gewissen, nicht zu engen, sondern eher großzügigen Ermessensspielraum“ des RA. Wenn es dann aber darauf ankommt, wird die „Großzügigkeit“ bei den OLG klein geschrieben.

 

Erstattung von Scans, oder: „die Entscheidungsbegründung des KG vermag jedoch aus fachlicher Sicht nicht zu überzeugen“

© Smileus - Fotolia.com

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Die Frage der Erstattungsfähigkeit von Scans über die Nr. 7000 Ziff. 1 a VV RVG ist sicherlich einer der gebührenrechtlichen Dauerbrenner des Jahres 2015 gewesen. Ich verweise dazu nur auf den KG, Beschl. v. 28.08.2015 – 1 Ws 51/15 – und das Posting Dokumentenpauschale für das Einscannen von Unterlagen – gibt es beim KG nicht mit weiteren Nachweisen. Auch in der Literatur ist dazu einiges veröffentlicht worden. Die sieht die Rechtsprechung – mit Recht – kritisch. Und man kann den Begriff der „Kopie“ ja sicherlich auch anders verstehen.

Nun erreicht mich gestern eine Nachricht aus dem BMJV. Dort ist inzwischen ein Kollege „ansässig“, der im StRR und auch im neuen Nachsorge-Buch veröffentlicht. Und der schreibt mir:

„…..dienstlich habe ich das nachstehende Thema aufgegabelt. Da mir gestattet wurde, Ihnen das weiterzuleiten, tue ich das in der Annahme, dass Sie sich dafür interessieren. Sie sind ja so ein „Kostenfuchs“… 😉 ….

Hier nun das aus den Fraktionen kommende folgende Anliegen:

„Wir erhalten einige Schreiben von Anwälten (insb. Strafverteidiger) zu o.g. Thema. Hintergrund ist scheinbar, dass es seit der RVG Reform 2013 nicht mehr möglich sei, dass der Strafverteidiger die Kosten erstattet erhält, wenn er eine Akte einscannt anstatt sie zu kopieren. Dies Anwälte kritisieren dies als umweltschädlich (da faktisch ein Zwang zur Kopie entstünde, wenn Kostenerstattung gewollt sei).“

Hier die Erläuterung unserer Fachebene mit fachlicher Einschätzung zum Thema „Dokumentenpauschale auch für Scans“.

„Ein Rechtsanwalt erhält für die Herstellung und Überlassung von Kopien (vor 2. KostRMoG: „Ablichtungen“) und Ausdrucken aus Behörden- und Gerichtsakten, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war, als pauschalen Auslagenersatz eine Dokumentenpauschale nach Nummer 1 Buchstabe a der Nummer 7000 VV RVG (für die ersten 50 abzurechnenden Seiten je Seite 0,50 € und für jede weitere Seite 0,15 €). Bis zum Inkrafttreten des 2. KostRMoG wurde in Rechtsprechung und Literatur überwiegend die Auffassung vertreten, dass auch das Einscannen unter den Begriff „Ablichtung“ fällt.

Das 2. KostRMoG hat in allen Kostengesetzen den Begriff „Ablichtung“ durch den Begriff „Kopie“ ersetzt. In der Begründung der diesbezüglichen Änderung der Nummer 7000 VV RVG (Artikel 8 Absatz 2 Nr. 162) wird lediglich auf die Begründung zu Artikel 1 § 11 GNotKG Bezug genommen. Dort (BT-Drs. 17/11471 [neu], S. 156) heißt es:

„Grund der Änderung ist – neben der Einführung einer heute gebräuchlicheren Bezeichnung – die Vermeidung von Missverständnissen bei der Erstellung von elektronischen Dokumenten (Scans). Da auch beim Scannen in der Regel das Papierdokument „abgelichtet“ wird, wird zum Teil unter den Begriff der „Ablichtung“ auch ein eingescanntes Dokument verstanden. Nunmehr soll klargestellt werden, dass es sich hierbei gerade nicht um Ablichtungen im Sinne des geltenden Rechts und damit auch nicht um Kopien im Sinne des Gerichts- und Notarkostengesetzes handelt. Kopie im Sinne des Kostenrechts ist die Reproduktion einer Vorlage auf einem körperlichen Gegenstand, beispielsweise Papier, Karton oder Folie.“

Diese Begründung zielt vornehmlich auf das in § 11 GNotKG geregelte Recht von Notaren und Gerichten, Urkunden und sonstige Unterlagen bis zur Zahlung der Kosten zurückzubehalten. Hier macht eine Beschränkung des Begriffs „Kopie“ auf einen körperlichen Gegen-stand Sinn. Es war nicht beabsichtigt, auch eine Änderung bei der anwaltlichen Dokumentenpauschale herbeizuführen.

Es gibt gute Gründe, die Dokumentenpauschale bereits für das Einscannen zuzubilligen, da der Großteil des Aufwandes mit dem Scanvorgang verbunden ist. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung in Nummer 7000 VV RVG lässt dies nach fachlicher Einschätzung auch nach wie vor zu. Allerdings hat u. a. das Kammergericht den Anfall der Dokumentenpauschale für einen Scan mit Verweis auf die vorstehend wiedergegebene Gesetzesbegründung zum 2. KostRMoG verneint. Die Entscheidungsbegründung des Kammergerichts vermag jedoch aus fachlicher Sicht nicht zu überzeugen (– und den beigefügten Aufsatz von Reckin, AnwBl. 2015, 59 – Anlage 2 –).

Vor diesem Hintergrund könnte eine gesetzliche Klarstellung aus fachlicher Sicht zumindest dann sachdienlich sein, wenn sich die vorbeschriebene Rechtsprechung verfestigen sollte.“

Ich schreibe jetzt nicht: Habe ich doch immer schon gesagt, sondern nur: Vorweihnachtliche Freude 🙂 . Und ich habe sofort zurückgeschrieben und angeregt, dann bitte aber auch sofort tätig zu werden und nicht zu warten, bis sich „die vorbeschriebene Rechtsprechung verfestigen sollte“. Denn das wird sie tun, wenn sie es nicht bereits getan hat. Und bis dahin: Man kann ja mal mit der Einschätzung aus dem BMJV argumentieren. Welche Kommentare jetzt kommen, kann ich mir ungefähr denken.

Dokumentenpauschale für das Einscannen von Unterlagen – gibt es beim KG nicht

© PhotoSG - Fotolia.com

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Die Frage der Erstattungsfähigkeit von Scans aus der Akte über die Dokumentenpauschale Nr. 7000 Nr. 1a VV RVG ist ja schon mehrfach Gegenstand der Berichterstattung hier im Blog gewesen (vgl. LG Berlin, Beschl. v. 05.08.2015 – 528 Kls 45/14 Kbd3 und dazu Scan und/oder Ausdruck, oder: Der Verteidiger das Sparschwein der Justiz? oder den LG Berlin, Beschl. v. 23.07.2015 – (537 KLs) 255 Js 381/14 (28/14) und dazu Scan und/oder Ausdruck – was wird bezahlt?; oder: Reihenfolge wichtig?, oder auch den AG Hannover, Beschl. v. 31.01.2014 – 218 Ls 3161 Js 31640/12 [598/12] und dazu Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Werden Scans von Akten nicht mehr bezahlt?). Leider – muss man sagen – ist die Fragen nach der Änderung der Nr. 7000 Nr. 1a VV RVG durch das 2. KostRMoG zu einer Frage/einem Problem geworden, Bis dahin war h.M. in der Rechtsprechung, dass auch Scans über die Nr. 7000 Nr. 1a VV RVG bezahlt/erstattet werden.

Nach der Änderung der Gebührenvorschrift ist das nun problematisch geworden und die Vertreter der Landeskasse haben die Steilvorlagen des Gesetzgebers ja auch schnell genutzt. Es gibt also Streit. Und in dem Streit – ich hatte es vorher gesagt – ist/war es nur eine Frage der Zeit, bis sich das erste Obergerichte dazu äußern würde. Diese Entscheidung liegt nun mit dem KG, Beschl. v. 28.08.2015 – 1 Ws 51/15 – vor. Und – wie nicht anders zu erwarten – hat das KG im Sinne der Landeskasse entschieden und sich dazu auf die Gesetzesbegründung zum 2. KostRMoG bezogen.

„Der Entwurf sieht im gesamten Gerichts- und Notarkostengesetz die Verwendung des Begriffs „Kopie“ anstelle des Begriffs „Ablichtung“. vor. Grund der Änderung ist – neben der Einführung einer heute gebräuchlicheren Bezeichnung – die Vermeidung von Missverständnissen bei der Erstellung von elektronischen Dokumenten (Scans). Da auch beim Scannen in der Regel das Papierdokument „abgelichtet“ wird, wird zum Teil unter den Begriff der „Ablichtung“ auch ein eingescanntes Dokument verstanden. Nunmehr soll klargestellt werden, dass es sich hierbei gerade nicht um Ablichtungen im Sinne des geltenden Rechts und damit auch nicht um Kopien im Sinne des Gerichts- und Notarkostengesetzes handelt. Kopie im Sinne des Kostenrechts ist die Reproduktion einer. Vorlage auf einem körperlichen Gegenstand, beispielsweise Papier, Karton oder Folie.“

Man kann dem KG aber noch nicht einmal einen „Vorwurf machen“. Denn: Die Gesetzesbegründung zur Neuregelung im 2. KostRMoG v. 23.7.2013 ist – leider – eindeutig. Da hilft dann – ebenfalls leider – auch der Reparaturversuch des zuständigen Referenten aus dem BMJV nichts mehr. In der Gesetzesbegründung steht es eben anders und da kam das KG – selbst, wenn es gewollt hätte – nicht vorbei. Die Neuregelung im 2. KostRMoG geht m.E. an der Verfahrenswirklichkeit in Strafverfahren vorbei. Was den Gesetzgeber zu dieser Änderung bewogen hat, ist für mich – bezogen auf das Strafverfahren – unerklärlich. Denn was ist ein „Scan“ anderes als eine „digitale Kopie“?

Was ist zu tun? Nun, es bleibt zunächst mal nichts anderes, als – wieder einmal – nach dem Gesetzgeber zu rufen und bei ihm eine praxisgerechte Änderung der Nr. 7000 VV RVG anzumahnen.

Auf eins sollten Verteidiger allerdings achten: Bei der Änderung der Nr. 7000 Nr. 1 a VV RVG handelt es sich um eine „Gesetzesänderung“ und nicht nur um eine Klarstellung. Das bedeutet, dass diese Änderung nach der Übergangsregelung des § 60 RVG nur in Verfahren greift, in denen der unbedingte Auftrag ab dem 01.8.02013 erteilt bzw. der Rechtsanwalt ab diesem Datum beigeordnet worden ist. In „Altfällen“ gilt noch die für die Verteidiger günstigere „alte“ Auffassung.

Zur Abrundung dann noch einen Hinweis: Der geschätzte Kollege Hoenig weist in meinem RVG-Forum auf den Newsletter der Vereinigung der Berliner Strafverteidiger vom 02.10.2015 hin, in dem es heißt:

„Uns ist zugetragen worden, dass die Bezirksrevisorin nun an die am Landgericht tätigen Richter herangetreten ist und diese aufgefordert hat, die Verwendung von Laptops durch Verteidiger aktenkundig zu machen und gegebenenfalls zu melden, da bei der Verwendung von Scans (in der Hauptverhandlung) nach der oben skizzierten kammergerichtlichen Rechtsprechung die Dokumentenpauschale nicht mehr festgesetzt werden darf. Kollegen, die in Kostenfestsetzungsanträgen vortragen „nur“ kopiert zu haben, in der Hauptverhandlung aber ersichtlich mit Scans gearbeitet haben, könnten dann wegen Betruges bzw. Betrugsversuchs belangt werden.“

Also Vorsicht!! Obwohl die Frage, was ist, wenn der Verteidiger erst kopiert und dann einscannt bisher noch nicht entschieden ist. Wir werden dazu aber sicherlich bald etwas vom KG hören – und ich vermute: Nichts Gutes.

Dreimal Pech für die Frau Bezirksrevisorin mit der Dokumentenpauschale

© mpanch - Fotolia.com

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Und dann habe ich vor dem RVG-Rätsel noch einen interessanten Beschluss des OLG Frankfurt am Main. Interessant in doppelter Hinsicht. Einmal, weil es sich – so weit ich den Überblick habe – um die erste gerichtliche Entscheidung zu einer Frage handelt, die sich aus Änderungen aus dem 2. KostRMoG ergeben hat. Zum anderen aber auch deshalb „interessant“, weil die h.M. in der Literatur auf die Frage eine einhellige Antort gegeben hat, die aber mal wieder einem Bezirksrevisor nicht gepasst hat. Und der hat dann das Verfahren   durch dei Gerichtsinstanzen gejagt, die ihm alle bescheinigt haben, dass er nicht Recht hat. Zuletzt das OLG Frankfurt im OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.06.2015 – 2 Ws 10/15.

Es stellte sich folgende (Abrechnungs)Problematik: Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger des Verurteilten. Gestritten wird im Kostenfestsetzungsverfahren noch um die Festsetzung von Kopierkosten. Der Pflichtverteidiger hat für das Ermittlungsverfahren und das gerichtliche Verfahren die Erstattung von Auslagen wie folgt beantragt:
Kopierkosten vorbereitendes Verfahren Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG
72 Seiten (50 x 0,50 €; 22 x 0,15 €)                                                        28,30 €
Kopierkosten gerichtliches Verfahren Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG
51 Seiten (50 x 0,50 €; 1 x 0,15 €)                                                         25,15 €

Die Staatskasse/der Bezirksrevisor war der Ansicht, dass die Kopien für das Ermittlungsverfahren und das Hauptverfahren einheitlich zu zählen und zu berechnen seien. Deshalb seien nur für die ersten 50 Kopien des Ermittlungs- und Hauptverfahrens 0,50 €/Kopie anzusetzen, für die übrigen 73 Kopien jeweils 0,15 €.

Die Frage – wie gesagt von allen drei Instanzen – wird im OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.06.2015 – 2 Ws 10/15 – im Sinne des Pflichtverteidigers entschieden:

„b) Die Auslagenpauschale Nr. 7000 Nr. 1 VV-RVG ist im Lichte der gesetzlichen Regelung in § 17 Nr. 10 RVG, der durch das am 1. August 2013 in Kraft getretene 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (vgl. zur alten Rechtslage noch BGH NJW 2013, 1610 m. w. N.) neu eingeführt wurde, auszulegen. In § 17 Nr. 10 RVG ist geregelt, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und ein nachfolgendes gerichtliches Verfahren gebührenrechtlich verschiedene Angelegenheiten darstellen. Mit dieser Neuregelung hat der Gesetzgeber die Frage der „verschiedenen Angelegenheiten“ in Bezug auf das Gebührenrecht entschieden und dabei auch die Auswirkungen auf die Auslagentatbestände („in erster Linie […] auf die in jeder Angelegenheit entstehende Postlauslagenpauschale“) im Blick gehabt (BT-Drucksache 17/11741, S. 267). Gestützt wird diese Auslegung von Nr. 7000 Nr. 1 VV¬RVG durch deren Anmerkung 1, wonach die Höhe der Dokumentenpauschale (nur) in derselben Angelegenheit einheitlich zu berechnen ist, mithin bei „verschiedenen Angelegenheiten“ — so nun ausdrücklich § 17 Nr. 10 RVG — nicht einheitlich, sondern getrennt zu berechnen ist.

Diese Auslegung von Nr. 7000 Nr. 1 VV-RVG unter Berücksichtigung von § 17 Nr. 10 RVG hat zur Folge, dass die Dokumentenpauschale sowohl im Ermittlungsverfahren als auch im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht werden kann. Dies führt dazu, dass die Reduzierung der Vergütung ab der 50. Kopie für das Ermittlungsverfahren und das erstinstanzliche Verfahren jeweils erst ab der 50. Kopie anfällt und der Verteidiger im Ermittlungsverfahren und im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren jeweils für die ersten 50 Seiten die volle Dokumentenpauschale berechnen darf (ebenso Rohn, in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Auflage, Rdnr. 84; BeckOK RVG, 27. Ed., v. Seltmann § 17 RVG Rdnr. 21 in Verbindung mit Sommerfeld/Sommerfeldt, W 7000 RVG, Rdnr. 15; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auflage, § 17 RVG Rdnr. 127; Pankatz, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Auflage, § 17 RVG Rdnr. 47; Burhoff, StraFo 2013, 411; ders., RVG-Report 2014, 290; Schneider, NJW 2013, 3768, a. A. noch zur alten Rechtslage LG Zweibrücken, BeckRS 2012, 17846.).“

Mich wundert es mal wieder, warum es drei Gerichtssinstanzen braucht, bis die Bezirksrevisorin es dann hoffentlich begriffen/eingesehen hat.