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Pflichti I: Schwierige Sachlage?, oder: Auswertung eines DNA-Gutachtens im JGG-Verfahren

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Heute dann mal wieder ein Pflichtverteidigungstag.

In den starte ich mit dem LG Amberg, Beschl. v. 04.02.2021 – 51 Qs 1/21 jug – zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers im JGG-Verfahren, wenn es um die Auswertung eines DNA-Gutachtens geht. Das LG hat – anders als das AG – einen Pflichtverteidiger bestellt:

„Es liegt eine notwendige Verteidigung nach § 68 Nr. 1 JGG. § 140 Abs. 2 StPO vor. Es ist eine Schwierigkeit der Sachlage gegeben. Diese folgt daraus, dass dem Beschuldigten die Tat nur mittels eines molekulargenetischen Sachbeweises nachgewiesen werden kann. Der Beschuldigte hat sich bisher zur Sache nicht eingelassen. Zeugenaussagen, aus denen sich die Identität des Täters ergeben könnten, liegen nicht vor bzw. sind zumindest nicht aktenkundig. Es wurde lediglich eine DNA-Spur an einem Stein gefunden, bei der es sich um eine Mischspur von mindestens 3 Personen handelt. Das molekulargenetische Gutachten vom 22.07.2020 kam insofern zu dem Ergebnis. dass zwar u.a. sämtliche Allele detektiebar waren, die der Beschuldigte aufweist. Er kommt daher grundsätzlich als Spurenmitverursacher in Frage. Es wird aber auch ausgeführt. dass die Voraussetzungen für eine biostatistische Befundinterpretation nicht gegeben mittels eines molekulargenetischen Sachbeweises nachgewiesen werden kann. Der Beschuldigte hat sich bisher zur Sache nicht eingelassen. Zeugenaussagen, aus denen sich die Identität des Täters ergeben könnten, liegen nicht vor bzw. sind zumindest nicht aktenkundig. Es wurde lediglich eine DNA-Spur an einem Stein gefunden, bei der es sich um eine Mischspur von mindestens 3 Personen handelt. Das molekulargenetische Gutachten vom 22.07.2020 kam insofern zu dem Ergebnis, dass zwar u.a. sämtliche Allele detektierbar waren, die der Beschuldigte aufweist. Er kommt daher grundsätzlich als Spurenmitverursacher in Frage. Es wird aber auch ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine biostatistische Befundinterpretation nicht gegeben seien, da erzielte Ergebnisse zum Teil schwache Signalintensitäten aufweisen würden, sodass grundsätzlich die Möglichkeit einer Fehlapplikation während der PCR bestehe. Darüber hinaus seien unter Einbeziehung nicht reproduzierbarer Zusatzmerkmale unter anderem auch vielfach Merkmale darstellbar gewesen, die Bastian J. aufweise; dieser komme daher grundsätzlich als Mitverursacher infrage. Aus dem erwähnten Gutachten ergibt sich aber auch weiter, dass es offensichtlich 7 Tatverdächtige als Verursacher gibt. Zwar wurden Hinweise auf signifikante DNA-Mengen von den anderen Tatverdächtigen nicht festgestellt. Ob daraus jedoch ohne weitere Anhaltspunkte geschlossen werden kann, dass diese als Täter grundsätzlich ausgeschlossen werden können, erscheint fraglich.

Zwar erfordert das Vorliegen eines Sachverständigengutachten nicht in jedem Fall die Beiordnung eines Verteidigers. Grundsätzlich ist aber im Jugendstrafverfahren eine extensive und großzügige Auslegung der Generalklausel in § 140 Abs. 2 S. 1 StPO geboten. Dies gilt v.a. auch deshalb, weil junge Beschuldigte zur eigenen Verteidigung nur begrenzt in der Lage sind. Auch enthält das JGG u.a. im Bereich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit (§ 3 S. 1 JGG), der Rechtsfolgenspanne sowie speziell der Rechtsmittelbeschränkung (§ 55) durchaus komplizierte Sonderregelungen. Prinzipiell ist ein Verteidiger daher umso eher notwendig, je jünger der Beschuldigte ist (zum Ganzen: Eisenberg/Kölbel, 21. Aufl. 2020, JGG § 68 Rn. 23 m.w.N.). Aufgrund der aufgezeigten Problematik hinsichtlich des Tatnachweises, wobei ein derartiges Gutachten für einen juristischen Laien nicht leicht verständlich ist, und des noch jungen Alters des Beschuldigten ist daher bezogen auf den vorliegenden Einzelfall die Beiordnung eines Pflichtverteidigers erforderlich (vgl. Auch LG Aachen Beschl. v. 8.7.2020 — 62 Qs-111 Js 146/20-41/20, BeckRS 2020, 33074).“

Die DNA-Spur als Indiztatsache, oder: Anforderungen an die Urteilsgründe

Die zweite Entscheidung kommt dann mit dem BGH, Beschl. v. 20.11.2019 – 4 StR 318/19 – vom BGH.

Das LG hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Diebstahl (§§ 242, 27 StGB) verurteilt. Dagegen die Revision, die dann mit der Sachrüge Erfolg hatte:

„1. Das Urteil hält wegen eines durchgreifenden Darstellungsmangels in der Beweiswürdigung der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Das Landgericht hat sich auf Grund einer Vielzahl von Beweiszeichen von der Täterschaft des Angeklagten, der die Tat bestritten hat, überzeugt. Es hat den Angeklagten unter anderem deshalb als überführt angesehen, weil von der Polizei am Tatfahrzeug, nämlich an der Außenseite der Beifahrertür und am Türgriff innen, sichergestellte DNA-Spuren eindeutig dem Angeklagten zuzuordnen seien. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich jeweils die Mehrheit der in den beiden Spuren befindlichen Zellen nach dem Abgleich in der DNA-Analyse-Datenbank mit erhöhter Signalstärke dem Angeklagten zuordnen ließen. Das ermittelte DNA-Muster habe exakt dem des Angeklagten entsprochen. In beiden Spuren deute sich zwar zudem eine fragmentarische Beimengung weiterer Zellen an; diese seien aber nur von minimaler Intensität gewesen. Nach der biostatistischen Bewertung des beim Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen tätigen Gutachters bestünden keine berechtigten Zweifel daran, dass die in den Spuren dominierend nachgewiesenen DNA-Merkmale von dem Angeklagten stammten.

b) Dies genügt den Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung nicht. Grundsätzlich hat das Tatgericht in Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, dessen wesentliche Anknüpfungstatsachen und Ausführungen so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Mai 2019 – 1 StR 79/19, Rn. 5; vom 24. Januar 2019 – 1 StR 564/18, Rn. 7; vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 410/18, NStZ 2019, 294; jeweils mwN). Liegt dem Gutachten jedoch ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren zu Grunde, wie dies etwa bei daktyloskopischen Gutachten, der Blutalkoholanalyse oder der Bestimmung von Blutgruppen der Fall ist, so genügt die bloße Mitteilung des erzielten Ergebnisses (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 410/18, NStZ 2019, 294; vom 15. September 2010 – 5 StR 345/10, NStZ 2011, 171 mwN).

Für molekulargenetische Vergleichsgutachten gilt nichts anderes. Nach der neueren Rechtsprechung muss in den in der forensischen Praxis gebräuchlichen Verfahren lediglich das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form mitgeteilt werden, sofern sich die Untersuchungen auf eindeutige Einzelspuren beziehen und keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen (BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, NJW 2018, 3192, 3193). Bei Mischspuren, d.h. solchen Spuren, die mehr als zwei Allele in einem DNA-System aufweisen und demnach von mehr als einer einzelnen Person stammen (vgl. Schneider/ Fimmers/Schneider/Brinkmann, NStZ 2007, 447), ist jedoch in den Urteilsgründen weiterhin mitzuteilen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben, mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer anderen Person zu erwarten ist und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, ob dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Mai 2019 – 1 StR 79/19, Rn. 6; vom 24. Januar 2019 – 1 StR 564/18, Rn. 8 f.; vom 6. Februar 2019 – 1 StR 499/18, NStZ 2019, 427, 428; jeweils mwN). Je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls können strengere Anforderungen gelten. Dabei wird sich regelmäßig die Angabe empfehlen, wie viele Spurenverursacher in Betracht kommen und um welchen Typ von Mischspur es sich handelt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Mai 2019 – 1 StR 79/19, Rn. 6; vom 27. Juni 2017 – 2 StR 572/16, Rn. 13; jeweils mwN; Schneider/Fimmers/Schneider/Brinkmann, NStZ 2007, 447).

Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Den Ausführungen der Strafkammer, dass sich in beiden Spuren jeweils eine fragmentarische Beimengung weiterer Zellen von minimaler Intensität andeute, ist zu entnehmen, dass es sich bei beiden Spuren um Mischspuren mit eindeutigem Hauptverursacher handelt. Die Zahl der möglichen Spurenverursacher sowie die dem Begriff „minimale Intensität“ zu Grunde liegenden Berechnungsgrundlagen ergeben sich aus dem Urteil allerdings nicht. Darüber hinaus fehlt es an der erforderlichen Darstellung der untersuchten Systeme und den sich ergebenden Übereinstimmungen. Dem Urteil sind auch die Ergebnisse der biostatistischen Berechnung nicht zu entnehmen.

c) Da das Landgericht dem Umstand, dass am Tatfahrzeug DNA-Spuren des Angeklagten aufgefunden wurden, bei der Gesamtschau aller Indizien besonderes Gewicht beigemessen hat, kann der Senat das Beruhen des Urteils auf diesem Darstellungsmangel nicht ausschließen.“

Alt bekannte Problematik und an sich auch ständige Rechtsprechung, die bekannt sein sollte.

Täteridentifizierung II: DNA-Gutachten, oder: Anfängerfehler in den Urteilsgründen

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Die zweite „Identifizierungsentscheidung“ ist der BGH, Beschl. v. 22.06.2017 – 5 StR 606/16. Er behandelt die Frage, wie die Urteilsgründe beschaffen sein müssen, wenn der Verurteilung/Überführung des Angeklagten ein DNA-Gutachten zugrunde gelegt worden ist. Das ist eine Frage, die der BGH immer wieder entscheiden muss, weil die LG an der Stelle doch noch häufig Fehler machen. Das Ganze ist ein Unterfall von „Urteilsgründe bei einem Sachverständigengutachten“.

So auch hier. Verurteilt worden ist der Angeklagte wegen verschiedener Verstöße gegen das BtMG. Bei einer Durchsuchung des Pkws des Angeklagten und seiner Wohnung waren verschiedene Gegenstände sicher gestellt worden. Dazu hatte man ein DNA-Gutachten des Landeskriminalamts zur Auswertung molekulargenetischer Spuren eingeholt und auf dessen Ergebnis dann die Verurteilung gestützt. Nähere Ausführungen zu den DNA-Gutachten enthielt das LG-Urteil aber nicht. Das ist das „Einfallstor“ für die Revision. Dazu nämlich der BGH:

„Das Tatgericht hat in den Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind. Für die Darstellung des Ergebnisses einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberech-nung ist nach bisheriger Rechtsprechung in der Regel zumindest erforderlich, dass das Tatgericht mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und in-wieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist (BGH, Beschluss vom 12. April 2016 – 4 StR 18/16 mwN; zu ggf. geringeren Anforderungen bei einer Reihe weiterer gewichtiger Indizien BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2012 – 1 StR 377/12, NStZ 2013, 179, 180 mwN; vgl. zur Entwicklung des Maßstabs für die sachlich-rechtlichen Anforde-rungen an die Darstellung von DNA-Vergleichsuntersuchungen im tatrichterlichen Urteil auch BGH, Urteile vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212, 217, vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454, 2455 f., und vom 24. März 2016 – 2 StR 112/14, NStZ 2016, 490, 491).

Hier hat das Landgericht mit seinen pauschalen Verweisungen auf Gutachten des Landeskriminalamts nicht nur davon abgesehen, deren wesentliche Anknüpfungstatsachen im Urteil anzugeben, sondern nicht einmal als Ergebnisse der Analysen die Seltenheitswerte der Spuren mitgeteilt, aus denen sich ableiten ließe, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Angeklagte als Spurenleger an den sichergestellten Betäubungsmitteln und (im Fall II.4) an dem Teleskopschlagstock anzusehen ist.“

M.E. ein Anfängerfehler. Denn die Auffassung der obergerichtlichen Rechtsprechung sollte bekannt sein. Der BGH und die OLG „beten“ diese Fragen rauf und runter. Beim LG Dresden liest das aber wohl keiner.

DNA-Spur im Urteil, oder: Auch „Antanzen“ spricht für Täterschaft

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Aus dem Bereich „fehlerhafte Beweiswürdigung“ stammte das LG Berlin-Urteil, das dann zum BGH, Beschl.  v. 11.07.2017 – 5 StR 172/17 – geführt hat. Der Angeklagte ist u.a. wegen Raubes  verurteilt worden. Der BGH beanstandet die Beweiswürdigung, die u.a. auf die Art der Tatbegehung durch den Angeklagten – sog. Antanzen – und auf eine DNA-Untersuchung gestützt war als fehlerhaft/lückenhaft:

„Der Schuldspruch im Fall II.15 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, da ihm keine sie tragende rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung zugrunde liegt.

Das Tatgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Ange-klagten auf eine Gesamtwürdigung der mit seinem tatsächlichen Erscheinungsbild übereinstimmende Täterbeschreibung des Geschädigten, die auch in den übrigen festgestellten Fällen typische Art und Weise der Tatbegehung durch Kontaktaufnahme und unmittelbare körperliche Nähe (sog. Antanzen) sowie „insbesondere“ auf die Übereinstimmung der DNA des Angeklagten mit der auf einem am Tatort sichergestellten, vom Täter zuvor verlorenen Ohrhörer gesi-cherten DNA gestützt. Dabei hat es die Wahrscheinlichkeit nicht angegeben, mit der dem Angeklagten die gesicherte DNA-Spur zugeordnet werden kann. Über deren Qualität wird ebenfalls nichts mitgeteilt. Dies genügt nicht den Anforderungen, die an die Darstellung des Ergebnisses einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung gestellt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2017 – 5 StR 606/16 mwN).

Ob die Begehungsweise der Taten des Angeklagten und die vom Geschädigten gegebene Täterbeschreibung charakteristisch genug sind, um die Feststellung der Täterschaft des Angeklagten zu tragen, kann dahin stehen. Denn jedenfalls hat das Tatgericht sich maßgeblich auf die Übereinstimmung der DNA gestützt.“

Hinsichtlich der Anforderungen zur DNA-Spur/-Untersuchung im Urteil nichts wesentlich Neues. Zu den Anforderungen hat der BGH in der letzten Zeit immer wieder Stellung genommen, besser: Stellung nehmen müssen. Was der BGH da lesen möchte, sollte sich allmählich herumgesprochen haben.

In dem die molekulatgenetische Reihenuntersuchung betreffenden § 81e StPO hatten wir übrigens gerade durch das „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ v. 17.08.2017 im BGBl. verkündet worden (vgl. hier: BGBl I. S. 3202).  Dazu Näheres in meinem Ebook.

Schon wieder: Der BGH und die Sachverständigengutachten

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Manche Fragen tauchen in der Rechtsprechung des BGH und/oder der OLG immer wieder auf – für mich dann Dauerbrenner, bei denen man sich fragt, warum in der Instanz darauf nicht geachtet wird (was manchmal ganz einfach ist/wäre). Zu diesen Fragen gehört, welche Anforderungen das tatrichterliche Urteil erfüllen muss, wenn die Verurteilung auf ein Sachverständigengutachten gestützt worden ist. Im Grunde ganz einfach, nämlich: Befundtatsachen, Anknüpfungstatsachen und die tragende fachliche Begründung des Sachverständigen. So auch noch einmal – wie oft eigentlich schon? – der BGH, Beschl. v. 16.04.2013 – 3 StR 67/13.

Da hatte das LG seine Überzeugung von der Täterschaft des u.a. wegen Vergewaltigung verurteilten Angeklagten allein auf ein DNA-Gutachten gestützt. Das hat der BGH nicht beanstandet, aber die Beweiswürdigung die litt an „durchgreifenden Darlegungsmängeln.“

aa) Das Tatgericht hat in den Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen  kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und ob die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen, den Erkenntnissen der Wissenschaft und den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens möglich sind. Für die Überprüfung durch das Revisionsgericht, ob das Ergebnis einer auf einer DNA-Untersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung plausibel ist, bedeutet dies, dass das Tatgericht jedenfalls mitteilen muss, wie viele Systeme untersucht wurden, ob diese unabhängig voneinander vererbbar sind (und mithin die Produktregel anwendbar ist), ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalkombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist. Sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, ist zu-dem darzulegen, inwieweit dies bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (BGH, aaO mwN).

bb) Diesen Anforderungen genügen die Darlegungen der Strafkammer, mit denen sie die Ausführungen der Sachverständigen wiedergegeben hat, nicht: Es wird schon nicht mitgeteilt, ob die untersuchten Merkmale unabhängig voneinander vererbbar sind, wie viele der aus der Speichelprobe des Angeklagten gewonnenen 16 Merkmalssysteme sich in der Tatspur fanden und inwieweit diese übereinstimmten. Im Urteil heißt es nur, dass sich die Mischspur vollständig mit den Merkmalen der Nebenklägerin und des Angeklagten erklären lasse, ohne dass deutlich wird, wie viele Systeme darin untersucht werden konnten. Fünf weitere Tatspuren seien Abstriche, in denen nur mannspezifische DYS-Merkmale festgestellt worden seien, die sich auch in der Stammlinie des Angeklagten fänden. Indes wird weiter ausgeführt, dass sich in zwei Spuren bei jeweils einem unterschiedlichen DYS-System ein zusätzliches Merkmal gefunden habe, das sich für einen Vergleich nicht eigne; näher erläutert wird dies nicht. Zur Frage der Vergleichspopulation verhält sich das Urteil ebenfalls nicht, obwohl es bei dem dunkelhäutigen, aus dem Sudan stammenden Angeklagten nahe liegt, dass er einer fremden Ethnie angehört.“

Das gilt grds. für alle Urteile und Sachverständigengutachten. Es gilt allerdings nicht bei standardisierten Verfahren…