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StGB I: Geldscheine aus dem Ausgabefach eines Geldautomaten, oder: Diebstahl/Raub?

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Heute seit lämgerem dann mal wieder ein Tag mit materiell-rechtlichen Entscheidungen, also StGB.

Und ich beginne mit einem Anfragebeschluss des 3. Strafsenats des BGH. Der hat dem 2. Strafsenat des BGH im BGH, Beschl. v. 21.03.2019 – 3 StR 333/18 – folgende Fragen gestellt:

„1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden:
Wer unberechtigt Geldscheine an sich nimmt, die im Ausgabefach eines Geldautomaten zur Entnahme bereit liegen, nachdem der Berechtigte den Auszahlungsvorgang durch Eingabe von Bankkarte und zugehöriger PIN in Gang gesetzt hatte, bricht den an den Geldscheinen bestehenden Gewahrsam des Geldinstituts.
2. Der Senat fragt bei dem 2. Strafsenat an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.“

Grundlage der Anfrage sind folgende Feststellungen des LG:

„Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen versuchten die Angeklagten teilweise allein, teilweise mit anderen gemeinschaftlich in Bankfilialen Geld von Kunden zu erbeuten, die dort an Automaten Geld abheben wollten. Zu diesem Zweck warteten die Angeklagten zunächst ab, bis ein Kunde seine Bankkarte in den Geldautomaten eingeführt und seine PIN eingegeben hatte. Sodann versuchten sie, den Kunden abzulenken, indem sie ihn ansprachen und ihm Prospekte oder Ähnliches vorhielten; dadurch wollten sie zugleich die Sicht des Kunden auf das Display bzw. die Eingabetastatur verdecken. Gleichzeitig versuchte einer der Angeklagten, von dem Kunden unbemerkt einen möglichst hohen Geldbetrag einzugeben und das anschließend ausgeworfene Geld aus dem Ausgabefach zu entnehmen. Durch die Ablenkung der Kunden und die Ausnutzung des Überraschungsmoments wollten die Angeklagten eine etwaige Gegenwehr der Opfer vermeiden; sie hatten grundsätzlich nicht vor, gewaltsam gegen diese vorzugehen. In zwei Fällen, an denen der Angeklagte M.Z. beteiligt war, zerrten die Täter das Opfer allerdings von dem Geldautomaten weg bzw. stießen es zur Seite, um den Geldbetrag einzugeben und das in dem Ausgabefach liegende Geld an sich zu nehmen. Dem Angeklagten M. Z. gelang es in diesen beiden sowie in drei anderen Fällen, Geldbeträge zwischen 50 € und 500 € zu erbeuten; in einem weiteren Fall konnte der Bankkunde den Abhebevorgang abbrechen, bevor die Angeklagten einen Geldbetrag eingeben konnten, so dass M. Z. und seine Mittäter ihr Vorhaben als gescheitert ansahen. Der Angeklagte L.Z. erbeutete in sechs Fällen Geldbeträge zwischen 70 € und 500 €; in weiteren sechs Fällen blieb sein Vorhaben erfolglos. In drei Fällen gingen die Bankkunden irrtümlich davon aus, den Abhebevorgang erfolgreich abgebrochen zu haben, während der Geldautomat tatsächlich noch Geld ausgab, das die Angeklagten an sich nahmen. In zwei Fällen gelang es den Angeklagten, den auszuzahlenden Betrag von den Kunden unbemerkt auf mehrere Hundert Euro zu erhöhen und diese an sich zu nehmen.“

Das LG hat die Taten als versuchten und vollendeten Diebstahl bzw. Raub gewertet. Es ist ist davon ausgegangen, dass die Angeklagten den Gewahrsam der Bankkunden an den im Ausgabefach des Geldautomaten befindlichen Geldscheinen brachen bzw. brechen wollten.

Das sieht der 3. Strafsenat auch so. Er will deshalb die Revisionen verwerfen. An der beabsichtigten Entscheidung sieht er sich aber durch den BGH, Beschl. v. 16.11.2017 – 2 StR 154/17 – gehindert. Und darum fragt er, was der 2. Strafsenat mit seiner Rechtsprechung macht. Mal sehen, was als Antwort kommt.

StGB I: Diebstahl/Raub, oder: Gewahrsamsbruch erforderlich

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Heute ist 1. Mai, also „Tag der Arbeit“, und deshalb gibt es hier heute wie immer drei Beiträge.

Bei dem ersten handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 09.01.2019 – 2 StR 288/18 -, ein Klassiker zum Raubtatbestand (§ 249 StGB). Der Beschluss führt noch einmal das aus, was jeder Jurastudent imersten Semester lernen dürfte:  Eine Wegnahme im Sinne der §§ 242, 249 BGB setzt voraus, dass fremder Gewahrsam gebrochen und neuer, eigener begründet wird. Und das muss sich dann bei einer Veruretilung wegen Raubes auch aus den Feststellungen ergeben, was bei einer Strafkammer des LG Hanau nicht der Fall war:

„I. Nach den Feststellungen des Landgerichts täuschten die Angeklagten einen Überfall auf die Filiale der Firma S. in H. vor, bei der der Angeklagte B. als stellvertretender Filialleiter arbeitete. Der maskierte Angeklagte C. erschien entsprechend der zwischen den Angeklagten getroffenen Absprache am Morgen des 7. August 2017 um 7.10 Uhr auf dem Hof des Baumarktes, auf dem der Angeklagte B. zusammen mit dem Angestellten Ca. Waren aufstellte, bedrohte sie unter Vorhalt der mitgeführten, geladenen Schreckschusspistole und forderte beide zur Herausgabe von Bargeld auf. B. ließ nicht erkennen, dass er eingeweiht war, und ging zusammen mit Ca., der zwischenzeitlich vergeblich zu fliehen versucht hatte, und dem Mitangeklagten C. in das Büro des nicht anwesenden Filialleiters. Dort öffnete der Angeklagte B. den Tresor und übergab an C. das darin befindliche Bargeld in Höhe von 6.459,47 €. Daraufhin verließ dieser mit der Beute den Baumarkt; sie wurde am Abend hälftig aufgeteilt.

II. Der Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes (§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Den Urteilsfeststellungen lässt sich nicht entnehmen, dass die Angeklagten das entwendete Bargeld mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben weggenommen haben, um es sich rechtswidrig zuzueignen. Zwar diente – entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift – der Einsatz der Waffe und die damit konkludent verbundene Drohung auch der Ansichnahme des Geldes aus dem Tresor und war nicht „bloße Requisite für den inszenierten Raub“. Denn damit bewirkten die Angeklagten es ihrem Tatplan entsprechend zumindest auch, dass der Angestellte Ca. mögliche Maßnahmen zur Vereitelung einer Entwendung des Geldes unterließ. Eine finale Verknüpfung zwischen dem Einsatz des qualifizierten Nötigungsmittels und einer (möglichen) Wegnahme wäre deshalb gegeben.

Allerdings lässt sich anhand der Urteilsgründe nicht feststellen, dass die Angeklagten das Geld auch im Sinne von § 249 Abs. 1 StGB weggenommen haben. Das setzte voraus, dass sie fremden Gewahrsam gebrochen und neuen eigenen begründet haben. Wer Gewahrsam an dem im Tresor befindlichen Geld gehabt hat, wird im Urteil nicht näher erläutert. Es versteht sich nach den getroffenen Feststellungen auch nicht von selbst, dass ein anderer als der Angeklagte B., der offensichtlich als stellvertretender Filialleiter unmittelbaren Zugriff auf den Tresor und das dort befindliche Geld hatte, (Mit-)Gewahrsam hatte, den die Angeklagten gebrochen haben könnten. Gewahrsam ist die vom Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft. Ob und wer Gewahrsam an einer Sache hat, beurteilt sich nach den Umständen des einzelnen Falles und den Anschauungen des täglichen Lebens (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 6. Oktober 1961 – 2 StR 289/61, BGHSt 16, 271, 273; BGH, Urteil vom 21. April 1970 – 1 StR 45/70, BGHSt 23, 254, 255). Danach ist es zwar nahe liegend, dass ein Filialleiter eines Baumarktes Gewahrsam an dem Geld hat, das sich in einem Tresor in seinem Büro befindet. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er vor Ort anwesend ist und über einen Schlüssel für den Tresor oder eine Zugriffskennung für diesen verfügt.

Ob dies aber auch der Fall ist, wenn er sich – wie hier – nicht in seinem Büro bzw. im Baumarkt aufhält und von seinem Stellvertreter vertreten wird, hängt von Umständen ab, zu denen sich das Urteil nicht verhält. Maßgeblich dafür ist, ob der Filialleiter trotz der Vertretung weiter unmittelbaren Zugriff auf den Tresor und seinen Inhalt hat (etwa weil er einen eigenen Schlüssel besitzt und eine Sachherrschaft auch in überschaubarer Zeit realisieren kann), der Stellvertreter also lediglich neben dem Filialleiter Sachherrschaft über den Tresor besitzt, oder ob die Verantwortung unter anderem auch für den Inhalt des Tresors auf den Stellvertreter vollständig übergegangen ist. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn dem Stellvertreter eine Stellung zukommt, die nach Aufgaben und Verantwortung der eines alleinverantwortlichen Kassiers vergleichbar ist, ohne dass es insoweit darauf ankommt, dass er der Kontrolle und Weisung des Filialleiters unterliegt (vgl. im Zusammenhang mit einer bei der Öffnung eines Tresors mitwirkenden Aufsichtsperson in einer Spielhalle (BGH, Beschluss vom 13. Juli 1988 – 3 StR 115/88, BGHR StGB § 242 Abs. 1 Gewahrsam 4).

Da sich anhand der Urteilsgründe nicht feststellen lässt, ob der Filialleiter zumindest Mitgewahrsam an dem im Tresor befindlichen Geld hatte, fehlt es an einem tragfähigen Beleg für den gemäß § 249 Abs. 1 StGB erforderlichen Gewahrsamsbruch.“

Bei Karstadt Parfum geklaut, oder: Vollendung oder nur Versuch?

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Author Santeri Wiinamäki

Und als zweite Entscheidung bringe ich dann heute den KG, Beschl. v. 22.10.2018 – (2) 161 Ss 59/18 (12/18) – mit einem „Dauerbrennerthema“, nämlich der Frage nach der Vollendung eines Diebstahls im Selbstbedienungsgeschäft. Dazu das KG:

„Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts hielt sich der Angeklagte am 30. Juli 2016 in der Parfümerieabteilung des Kaufhauses Karstadt  auf. Er entnahm den Auslagen vier Packungen mit Parfüm zum Gesamtverkaufspreis von 438,96 Euro (1 x Jean Paul G EDT 200 ml; Aqua di Gio 180 ml; Bvlgari EDT 100 ml; Spice Bomb EDT 90 ml) und hielt die vier Packungen vor seinem Körper mit Armen und Händen. Mit den Packungen vor seinem Körper bewegte er sich langsam durch das Erdgeschoss, wobei er sich immer wieder umschaute und auch an einer Auslage stehen blieb. Er hatte Kopfhörer im Ohr und telefonierte. Eine Kasse steuerte er nicht an, sondern bewegte sich allmählich zum Ausgang, wobei er die Packungen weiterhin vor seinem Körper trug. Beim Verlassen des Geschäfts ertönte eine Warensicherungsanlage und der Angeklagte wurde von zwei Sicherheitsmitarbeitern festgehalten und ohne Widerstand ins Büro geführt. Der Angeklagte handelte, um das Parfüm ohne Bezahlung für sich zu behalten. Während der gesamten Zeit trug er eine Umhängetasche über der Schulter, deren Taschenfach sich in Hüfthöhe befand. Im Hauptfach war ein Pfefferspray sowie ein 11 cm langer Maulschlüssel, der an einem Ende spitz angeschliffen war. Diese Gegenstände führte der Angeklagte zur Selbstverteidigung bei sich.

1. In dieser Handlung hat das Amtsgericht zu Unrecht einen vollendeten Diebstahl mit Waffen gesehen. Die Wegnahme im Sinne von § 242 Abs. 1 StGB ist erst dann vollendet, wenn der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt hat, dass er sie unbehindert durch den bisherigen Gewahrsamsinhaber ausüben und dieser seinerseits über die Sache nicht mehr verfügen kann. Im Selbstbedienungsladen liegt eine vollendete Wegnahme durch den Täter, der die Kassenzone noch nicht passiert hat, insbesondere vor, wenn der Täter Sachen geringen Umfangs einsteckt oder sie sonst verbirgt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 2013 – 2 StR 145/13 –). Das war hier aber noch nicht geschehen, denn der Angeklagte trug die Flaschen mit dem Parfüm sichtbar vor seinem Körper, als er das Kaufhaus nach den getroffenen Feststellungen mit dem Parfüm verlassen wollte. Allein das „offene“ Wegtragen vor dem Körper begründete innerhalb der Gewahrsamssphäre des Ladeninhabers noch keine Gewahrsamsenklave. Hiernach war die Wegnahme der Waren versucht aber noch nicht vollendet.

Dabei führte der Angeklagte auch Waffen im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB bei sich.

a) Das Pfefferspray ist ein von § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB erfasstes Tatmittel. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob es sich um eine „Waffe“ (vgl. Fischer, StGB 65. Aufl., § 244 Rn. 4) oder um „ein anderes gefährliches Werkzeug“ (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 308) handelt. Jedenfalls handelt es sich aber um ein „anderes gefährliches Werkzeug“ (vgl. BGH aaO), weil das in der Dose enthaltene Pfefferspray nach seiner konkreten objektiven Beschaffenheit geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (vgl. BGH NStZ 2012, 571).

Aus den zu der Tat getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass der Angeklagte das Pfefferspray während der gesamten Ausführungsphase des versuchten Diebstahls des Parfüms „bei sich geführt hat“. Für dieses Merkmal genügt, wenn der Täter den fraglichen Gegenstand bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn sich der Gegenstand derart in räumlicher Nähe befindet, dass ein Zugriff ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne nennenswerte Schwierigkeiten möglich ist; dafür genügt in räumlicher Hinsicht Griffweite (vgl. BGH StraFo 2017, 378). Der Grund für die gegenüber dem Grundtatbestand höhere Strafdrohung liegt gerade in der mit dem Beisichführen eines gefährlichen Gegenstandes einhergehenden erhöhten abstrakt generellen Gefährlichkeit der Tatbegehung, die ihrerseits ihre Ursache in der latenten Gefahr des Einsatzes der fraglichen Gegenstände als Nötigungsmittel findet.

b) Auch bei dem spitz angeschliffenen Maulschlüssel handelt es sich – ähnlich wie bei einem Multifunktionswerkzeug (vgl. KG, Beschluss vom 31. Mai 2012 – [4] 121 Ss 91/12 [124/12]) – um einen gefährlichen Gegenstand. Denn er ist geeignet, Personen nicht unerhebliche Verletzungen zuzufügen. Die vorgenommene Manipulation hat das Amtsgericht ausreichend festgestellt. Einer Verwendungsabsicht bedarf es auch hier nicht…………..“

Ergebnis: Änderung des Schuldspruchs und Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.

StGB I: Diebstahl von Plastikpfandflaschen, oder: Zueignungsabsicht

Großer Stapel alter PET-Flaschen
Large stack of old plastic bottles

Heute mache ich mit dem für BGHSt bestimmten BGH, Beschl. v. 10.10.2018 – 4 Str 591/17 – auf. Es geht um den Diebstahl von Pfandleergut. Der BGH hat in dem Beschluss Stellung genommen zur Zueignungsabsicht beim Diebstahl, wenn der Täter Pfandleergut entwen­det, um es gegen Auskehrung des Pfandbetrages in das Pfandsystem zurück­zugeben. Nach den Feststellungen des LG war der Angeklagte gelangte durch ein Loch in einem Zaun auf das Gelände eines Getränkehandels gelangt. Dort entwendete er zahlreiche, zumeist nach Abgabe durch die Verbraucher bereits zusammenge­presste Plastikpfandflaschen sowie einen Kasten mit Glaspfandflaschen; der Pfandwert betrug insgesamt 325 EUR. Der Angeklagate wollte die gepressten Plastikpfandflaschen ausbeulen und das gesamte Pfandleergut nochmals abgeben, um dafür Pfand zu erhalten. Das LG hat den Angeklagten u. a. wegen Diebstahls verurteilt. Die Revision des Angeklagten blieb erfolglos:

„Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler nicht ergeben. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:

……

b) Das Landgericht hat sowohl den objektiven als auch den subjektiven Tatbestand des Diebstahls im Sinne des § 242 StGB jedenfalls hinsichtlich der Plastikflaschen hinreichend belegt.

aa) Das entwendete Pfandleergut war insgesamt für den Angeklagten nach den insoweit maßgeblichen Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 1953 – 3 StR 485/52, BGHSt 6, 377, 378; Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl., § 242 Rn. 4) fremd.

(1) Für die Eigentumsverhältnisse an der jeweiligen Pfandflasche (nicht an ihrem Inhalt) auf den verschiedenen Vertriebsstufen des Pfandsystems bis hin zum Endverbraucher ist deren konkrete Beschaffenheit maßgeblich. Ist die Flasche mit einer besonderen, dauerhaften Kennzeichnung versehen, die sie als Eigentum eines bestimmten Herstellers/Abfüllers ausweist (sog. Individualflasche), verbleibt das Eigentum an ihr, unabhängig vom Eigentumsübergang an dem veräußerten Getränk, beim Hersteller/Abfüller. Mangels zivilrechtlicher Einigung findet deshalb ein Eigentumsübergang an den jeweiligen Flaschen auf den einzelnen Handelsstufen nicht statt (BGH, Urteil vom 9. Juli 2007 – II ZR 233/05, NJW 2007, 2913, 2914). Weist die Flasche solche individuellen Merkmale nicht auf, wird sie vielmehr von unbestimmt vielen Herstellern verwendet (sog. Einheitsflasche), geht nicht nur das Eigentum am Inhalt, sondern auch dasjenige an der Flasche selbst auf allen Vertriebsstufen auf den jeweils nächsten Erwerber über (BGH, Urteil vom 9. Juli 2007, aaO; ebenso Kretschmer in Leipold/Tsambikakis/Zöller, AnwK StGB, 2. Aufl., § 242 Rn. 52; zur im Ergebnis umstrittenen rechtlichen Einordnung des sog. Flaschenpfandes vgl. auch Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1204 Rn. 59; jurisPK-BGB/Protz, 8. Aufl., § 1204 Rn. 4, jeweils mwN).

(2) Danach waren die entwendeten Flaschen für den Angeklagten fremd. Denn das hier in Rede stehende Pfandleergut stand entweder nach wie vor im Eigentum des Herstellers/Abfüllers oder – soweit sog. Einheitsleergut betroffen war – im Eigentum des letzten Erwerbers.

bb) Dass das Landgericht ferner ohne nähere Erörterung davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte in der Absicht handelte, sich das Pfandleergut rechtswidrig zuzueignen, ist aus Rechtsgründen im Ergebnis – jedenfalls in Bezug auf die Plastikflaschen – ebenfalls nicht zu beanstanden.

(1) Zum Vorliegen von Zueignungsabsicht im Fall der Entwendung von Pfandleergut zum Zweck der Rückgabe gegen Erstattung des Pfandgeldes gilt das Folgende:

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die der sog. Vereinigungstheorie des Reichsgerichts folgt (vgl. dazu RGSt 61, 228, 233), setzt Zueignung voraus, dass entweder die Sache selbst oder der in ihr verkörperte Wert dem Vermögen des Berechtigten dauerhaft entzogen und dem des Nichtberechtigten zumindest vorübergehend einverleibt wird (BGH, Urteil vom 23. April 1953 – 3 StR 219/52, BGHSt 4, 236, 238; Beschluss vom 16. Dezember 1987 – 3 StR 209/87, BGHSt 35, 152, 156 f.; vgl. auch SSW-StGB/Kudlich, 3. Aufl., § 242 Rn. 41, 43; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 242 Rn. 35, jeweils mwN). Sachwert im Sinne dieser Theorie ist nur der nach Art und Funktion mit der Sache verbundene Wert, während der erzielbare Veräußerungserlös an der Sache vom Begriff des Sachwerts nicht erfasst wird (vgl. RGSt 55, 59, 60; BGH, Beschluss vom 21. Januar 1964 – 5 StR 514/63, BGHSt 19, 387, 388; Kudlich aaO, Rn. 43 mwN).

Hiervon ausgehend liegt eine Zueignung des Sachwerts nicht vor, wenn der Täter beabsichtigt, das entwendete Pfandgut gegen Entgelt in das Pfandsystem zurückzuführen. Denn das Pfandgeld ist nicht der unmittelbar im Pfandgut verkörperte Wert. Es dient vielmehr lediglich als Anreiz zur Rückgabe der Pfandflaschen und wird erst durch die Verwertung im Pfandsystem erzielt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 31. Juli 2007 – 4 Ss 208/07, NStZ 2008, 154, 155; Hellmann, JuS 2001, 353, 355; Schmitz/Goeckenjan/Ischebeck, Jura 2006, 821, 825). Diebstahl kommt in diesen Fällen deshalb nur in Betracht, wenn sich der Täter die Sache selbst zueignen will. Dies setzt voraus, dass der Täter die Flaschen unter Leugnung des Eigentumsrechts des wahren Eigentümers in das Pfandsystem, das insoweit einer Rücknahmepflicht unterliegt, zurückgelangen lassen, er sich also eine eigentümerähnliche Stellung an dem Leergut anmaßen will (vgl. Fischer aaO, Rn. 35a; Kudlich aaO, Rn. 46; zur Rücknahmepflicht vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432, 1433, Tz. 15 f.).

Hierfür maßgeblich ist die Vorstellung des Täters über die Eigentumsverhältnisse an den entwendeten Pfandflaschen und die Folgen ihrer Rückführung in das Pfandsystem (vgl. Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, 20. Aufl., § 2. Diebstahl, Rn. 134; Leipziger Kommentar zum StGB/Vogel, 12. Aufl., § 242 Rn. 169; MünchKommStGB/Schmitz, 3. Aufl., § 242 Rn. 145 mwN; Schmitz/Goeckenjan/Ischebeck, Jura 2006, 821, 823 ff.; missverständlich bzw. zu eng: OLG Hamm, Beschluss vom 31. Juli 2007 – 4 Ss 208/07, NStZ 2008, 154 f., das nicht auf das Vorstellungsbild des Täters, sondern auf die tatsächliche zivilrechtliche Eigentumslage abstellt, also eine rein objektive Betrachtung vornimmt). Da das Vorstellungsbild des Angeklagten von der tatsächlichen zivilrechtlichen Rechtslage abweichen kann, sind hierzu Feststellungen zu treffen. Es ist wie folgt zu unterscheiden:

(a) Bei der Wegnahme von Einheitsflaschen ist Zueignungsabsicht zu bejahen, wenn der Täter bei zutreffender Einschätzung der Eigentumslage in der Absicht handelt, das dem Eigentümer entwendete Pfandleergut gegen Erstattung des Pfandbetrages in das Pfandsystem zurückzugeben. In diesem Fall beabsichtigt er, sich wie ein Eigentümer des Pfandleerguts zu gerieren und die Eigentümerstellung des wahren Eigentümers zu leugnen. Das gilt selbst dann, wenn er das Pfandleergut dem Händler zurückgeben will, dem er es zuvor entwendet hat. Denn die Rückgabe des Pfandleerguts gegen Entgelt an den Eigentümer schließt die Zueignungsabsicht nicht aus, wenn der Täter dessen Eigentumsrecht leugnet und eine eigene Berechtigung vortäuscht (Fischer aaO, Rn. 35a mwN; Hellmann, JuS 2001, 353, 354; Rengier aaO, Rn. 132 mwN).

(b) Bei Wegnahme von Individualflaschen, die in den Vertrieb gelangt sind, aber gleichwohl im Eigentum des Herstellers/Abfüllers verbleiben, kann es sich anders verhalten. Zueignungsabsicht liegt nicht vor, wenn der Täter – was freilich die Ausnahme sein dürfte – die Eigentumslage richtig einschätzt und durch die Rückgabe der Individualflaschen das Eigentumsrecht des Herstellers/Abfüllers deshalb nicht leugnen will, sondern dieses anerkennt (Rengier aaO, Rn. 134; MünchKommStGB/Schmitz aaO; vgl. auch Kudlich aaO; Hellmann, JuS 2001, 353, 355; ebenso für die Rückgabe gegen Finderlohn schon RGSt 55, 59, 60). Das ist anzunehmen, wenn der Täter erkennt, dass Eigentümer der entwendeten Individualflaschen der Hersteller/Abfüller geblieben ist, und er ihm das Pfandleergut über das Pfandsystem wieder zukommen lassen möchte. In diesem Fall maßt er sich weder eine eigentümerähnliche Stellung an noch ist sein Vorsatz darauf gerichtet, den Eigentümer dauerhaft zu enteignen.

(c) Geht der Täter – dies dürfte den Regelfall darstellen – indes davon aus, dass das Eigentum auch bei Individualflaschen im Vertriebsweg auf den jeweiligen Erwerber der Getränke übergeht, handelt er – wie bei der Wegnahme von Einheitsflaschen – mit der für einen Diebstahl erforderlichen Zueignungsabsicht. Nach seiner Vorstellung will er auch in diesem Fall den (vermeintlichen) Eigentümer enteignen und beabsichtigt, durch Rückgabe in das Pfandsystem sich selbst an die Stelle des wahren Eigentümers zu setzen. Damit sind sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des Diebstahls erfüllt. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Der Diebstahl ist ein sogenanntes erfolgskupiertes Delikt. In objektiver Hinsicht setzt der Tatbestand lediglich die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache voraus. Die Zueignung dieser Sache ist kein Merkmal des objektiven Tatbestands; das Ausbleiben eines Zueignungserfolges hindert deshalb die Verwirklichung des Tatbestandes nicht (sog. überschießende Innentendenz; vgl. Eser/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 242 Rn. 46; Hoyer in SK-StGB, 9. Aufl., § 242 Rn. 67 und 111; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 242 Rn. 32; Wessels/Hettinger, Strafrecht BT 2, 36. Aufl., Rn. 164; Leipziger Kommentar zum StGB/Vogel, 12. Aufl., § 242 Rn. 169; Küper in FS Gössel, Gläubiger-Eigenmacht, Selbsthilfe und Zueignungsunrecht, 2002, S. 429, 447 f.).

Unerheblich für die Tatbestandsverwirklichung ist daher, dass vom Täter entwendetes und von ihm in das Pfandsystem zurückgeführtes Individualleergut systembedingt wieder an den auf den Flaschen ausgewiesenen Eigentümer zurückgelangt, dieser also objektiv nicht enteignet wird. Ausreichend für eine Tatvollendung ist vielmehr, dass der Täter bei der Wegnahme in der Absicht handelt, über das entwendete Leergut unter Verdrängung des nach seiner Vorstellung wahren Eigentümers selbst wie ein Eigentümer zu verfügen.

(2) Dies zugrunde gelegt tragen die Feststellungen die Verurteilung des Angeklagten wegen Diebstahls. Jedenfalls dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich entnehmen, dass die vom Angeklagten mehrheitlich entwendeten, zusammengepressten Plastikflaschen Einheitsflaschen waren und der Angeklagte bei deren Wegnahme Zueignungsabsicht hatte.

Demgegenüber enthält das Urteil keinen Hinweis darauf, ob es sich bei dem entwendeten Kasten mit den Glaspfandflaschen um Einheits- oder Individualflaschen handelte. Insoweit fehlen auch Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten bei deren Wegnahme. Sollte insoweit eine Strafbarkeit des Angeklagten nicht in Betracht kommen, würde sich der Schuldumfang der Tat jedoch nur unmaßgeblich verringern. Der Senat kann daher jedenfalls ausschließen, dass sich dieser Umstand bei Bemessung der Einzel- und Gesamtstrafe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hätte.“

Seitenschneider beim Diebstahl, oder: Diebstahl mit Waffen?

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich heute vorstelle, handelt es sich um das OLG Nürnberg, Urt. v. 15.10.2018 – 1 OLG 8 Ss 183/18 -, das mir der Kollege Franz aus Nürnberg übersandt hat. Es behandelt und entscheidet die Frage,ob ein von einem Angeklagten bei einem Diebstahl mitgeführter Seitenschneider als Waffe angesehen werden kann und der Angeklagte deshalb wegen Diebstahls mit Waffen zu verurteilen ist/war. Das LG hatte das abgelehnt, und zwar auf der Grundlage folgender Feststellungen:

„Am 11.11.2017 gegen 14.30 Uhr entwendete der Angeklagte in den Geschäftsräumen der Firma TK MAXX, pp. ein Paar Turnschuhe sowie eine Damenuhr im Gesamtwert von 54,98 E, um die Waren ohne zu bezahlen für sich zu behalten. Mittels eines mitgeführten Seitenschneiders entfernte der Angeklagte die Warensicherung von den Turnschuhen. Der Seitenschneider ist 73 Gramm schwer und hat eine Gesamtlänge von ca. 11,5 cm, wovon 8,5 cm auf die leicht gebogenen mit Gummigriffen überzogenen Griffe entfallen. Das eigentliche Schneidwerkzeug hat eine Klingenlänge von 14 mm. Aufgrund einer zwischen den Zangenschenkeln angebrachten Feder befinden sich diese Klingen stets im teilweise geöffneten Zustand (Spannweite ca. 1 cm). Werden die Zangenschenkel auseinander gedrückt, ergibt sich eine maximale Spannweite von 2 cm, zum Schließen der Klingen müssen die Zangenschenkel zusammen gedrückt werden. Im geöffneten Zustand sind die Klingen an der vorderen Spitze nicht abgerundet, wird der Seitenschneider in der Hand gehalten und dabei die Klingen geschlossen, bilden sie eine abgerundete Spitze.“

Das OLG sagt mit dem LG: Reicht nicht:

„Dem Angeklagten kann ein Diebstahl mit Waffen nicht zur Last gelegt werden.

1. Ein Diebstahl mit Waffen nach § 244 Abs. 1 Nr. la StGB setzt voraus, dass der Angeklagte ein gefährliches Werkzeug bei sich führt. Darunter versteht die h.M. ein Werkzeug, das generell geeignet ist, erhebliche Verletzungen des Opfers herbeizuführen, wobei die Gefährlichkeit ab-strakt-objektiv – also unabhängig von einer konkreten Verwendungsabsicht des Täters – zu bestimmen ist (BGHSt 52, 257; vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl. § 244 Rn. 15 und Rn. 22).

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat in seinem Beschluss vom 11.12.2017 (Az.: 16 KLs 412 Js 64048/17) die Eigenschaft eines 13 cm langen und ca. 180 Gramm schweren Seitenschneiders mit einer Spannweite von maximal 2 cm und ca. 1,7 cm langen Schneidkanten als gefährliches Werkzeug verneint Es führt zur Begründung an:

„Dass dieser Seitenschneider dadurch objektiv geeignet wäre erhebliche Verletzungen eines Menschen herbeizuführen, kann nicht festgestellt werden. Eine solche Eignung des Seiten-schneiders bei einem Einsatz als Schlagwerkzeug, etwa durch Beeinträchtigung auch innerer Organe durch die Einwirkung stumpfer Gewalt, kann schon aufgrund seiner Größe und seines Gewichts sowie seiner Unhandlichkeit ausgeschlossen werden. Auch ist er bei Verwendung als Schneidwerkzeug aufgrund der kleinen, stumpfen Schneidkanten hierzu nicht geeignet. Ebenso wenig kann objektiv eine entsprechende Eignung des Seitenschneiders als Stichwerkzeug angenommen werden. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Zangenenden durchaus spitz sind, allerdings nur soweit sich die Zange in geöffnetem Zustand befindet. In diesem Zustand erscheint jedoch aufgrund der lockeren Verbindung der beiden Zangenschenkel und dem damit verbundenen Schlingern ein Zustechen nur schwer möglich.“

2.Die Strafkammer hat sich diesen überzeugenden Ausführungen angeschlossen und ebenfalls die Eigenschaft des Seitenschneiders als gefährliches Werkzeug verneint.

Auch der Senat schließt sich dieser Beurteilung an; unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten ist sie nicht zu beanstanden. Die Strafkammer hat die objektive Gefährlichkeit des Seitenschneiders unter allen relevanten Gesichtspunkten beleuchtet. Sie hatte sowohl die konkrete Beschaffenheit des Seitenschneiders (Gesamtgröße und Gesamtgewicht, Länge und Beschaffenheit der Schneidkanten und maximale Spannweite der Zangenschenkel) als auch dessen unterschiedliche Verwendungsmöglichkeiten als Schlag-, Schneid- und Stichwerkzeug im Blick. Die Strafkammer hat nachvollziehbar dargelegt, dass in keiner Alternative erhebliche Verletzungen herbeigeführt werden können.

Die Argumente der Staatsanwaltschaft führen zu keiner anderen Beurteilung. Taschenmesser mit einer feststehenden Klinge oder Schraubenzieher verfügen nämlich über eine über eine Schneidkante von lediglich 14 mm weit hinausgehende Stichlänge und liegen immer so gut in der Hand, dass der Täter mit ihnen sofort gezielt und mit Wucht auf sein Opfer einstechen kann, während beim Seitenschneider die Zangenschenkel zugleich vollständig geöffnet werden müssten – was unhandlich und zudem durch die maximale Spannweite der Zangenschenkel von nur 2 cm ohnehin stark eingeschränkt ist -, damit die Schneidkanten überhaupt wirkungsvoll zum Einsatz kommen können. Angesichts der konkreten Beschaffenheit des Seitenschneiders mit einer Gesamtgröße von lediglich 11,5 cm und mit einem Gesamtgewicht von gerade einmal 73 Gramm liegt es schließlich fern, von einer „robusten Ausführung“ bzw. von einer „Beschaffenheit aus schwerem Metall“ zu sprechen, mit der bei Schlägen auf den Kopf oder auf Knochen erhebliche Verletzungen herbeigeführt werden könnten.“