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Corona II: Schüler und Lehrer in Coronazeiten, oder: Suspendierung einer Lehrerin/Zwangsschulbesuch

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Im zweiten „Corona-Posting“ dann zwei Entscheidungen aus dem Schulbereich. Beide stammen vom VG Düsseldorf.

Zunächst stelle ich den VG Düsseldorf, Beschl. v. 13.07.2022 – 2 L 490/22 – vor. Das VG nimmt zu dem gegenüber einer Lehrerin einer Düsseldorfer Grundschule ausgesprochenen Verbot der Führung der Dienstgeschäfte wegen Nichteinhaltung verschiedener Bestimmungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie Stellung. Die Lehrerin hatte wiederholt die aus der seinerzeit geltenden Fassung der Coronabetreuungs-VO folgende Verpflichtung, zweimal wöchentlich Pooltests in ihrer Klasse durchzuführen, nicht ordnungsgemäß ausgeführt. Sie hatte nicht die für die Selbsttests vorgesehenen Teststäbchen, sondern handelsübliche Wattestäbchen an die Schüler ihrer Klasse ausgegeben, die sie nach eigenen Angaben im Anschluss mit den Teststäbchen in Verbindung gebracht und die Spuckproben daran abgestrichen habe. Darüber hinaus bestand der Verdacht, sie habe die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske im Schulgebäude missachtet und die Einhaltung der Maskenpflicht durch ihre Schüler nicht konsequent überwacht. Sie ist deswegen nach Abmahnung suspendiert worden. Ihr Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hatte keinen Erfolg.

Hier der Leitsatz zu der Entscheidung:

Eine Lehrerin, die Corona-Schutzmaßnahmen in ihrer Schule nicht umsetzt, darf suspendiert werden.

Bei der zweiten Entscheidung, dem VG Düsseldorf, Beschl. v. 05.08.2022 – 18 L 621/22 – geht es um die Zulässigkeit der Festsetzung eines Zwangsgeldes. Die Bezirksregierung Düsseldorf hatte gegen die Mutter eines den Präsenzunterricht verweigernden Gymnasialschülers eine Schulbesuchsaufforderung erlassen und für den Fall, dass der Schüler die Schule weiter nicht besucht, die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.500,- EUR angedroht. Dagegen der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, der keinen Erfolg hatte.

Hier der Leitsatz der Entscheidung:

Zur Zulässigkeit einer Schulbesuchsaufforderung mit Zwangsgeldandrohung, wenn der Schulbesuch aus Angst vor einer Corona-Infektion verweigert wird.

 

Corona I: Wenn die Hochzeitsfeier abgesagt wird, oder: Corona-Sonderzahlung als unpfändbare Zulage?

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Heute stelle ich dann nach längerer Zeit mal wieder Entscheidungen zur Thematik: „Corona und seine Folgen“ vor. Zunächst hier zwei Entscheidungen mit zivilrechtlichem Bezug.

Im AG Wiesbaden, Urt. v. 26.07.2022 – 91 C 3017/21 – hat das AG über die Rückzahlung einer Anzahlung für eine geplante Hochzeitsfeier entschieden.Die haben die Kläger von der Beklagten, die Betreiberin einer der Hochzeits- und Event Location sit, zurückgefordert. es sollte in den Räumlichkeiten der Beklagten am 04.07.2020 eine Hochzeitsfeier stattfinden. Die Kläger haben  eine Anzahlung i.H.v. 933,00 EUR gezahlt. Aufgrund der Corona-Pandemie und der dazu erlassenen Infektionsschutzverordnungen des Landes Hessen konnte die Feier nicht stattfinden und wurde auf den 14.5.2021 verschoben. An dem Tag konnte die geplante Hochzeitsfeier dann aber ebenfalls nicht stattfinden. Die Kläger haben daraufhin die Anzahlung zurückgefordert und, als nicht gezahlt wurde, geklagt. Das AG hat die Klage abgewiesen.

Hier die Leitsätze der Entscheidung:

1. Die wegen der gesetzlichen Beschränkungen im Rahmen der Covid-19-Pandemie erforderliche Absage eine Hochzeitsfeier mit vereinbarter Bewirtung führt nur dann zu einer Unmöglichkeit der Leistung gemäß § 275 BGB, wenn die Hochzeitsfeier nicht nachgeholt werden kann.

2. Bei Nachholbarkeit hat grundsätzlich gemäß § 313 Abs. 1 BGB eine Vertragsanpassung, insbesondere durch Verlegung des Termins, stattzufinden.

3. Falls eine Verlegung trotz Zumutbarkeit von dem Brautpaar abgelehnt wird, besteht kein Anspruch auf Rückzahlung einer Anzahlung i.H.v. 10 % der erwarteten Vergütung, die deutlich unter den zu erwartenden ersparten Aufwendungen im Sinne des § 648 BGB liegt.

In der zweiten Entscheidung, die ich hier vorstelle, dem LG Hannover, Beschl. v. 08.07.2022 – 11 T 23/22 -, geht es um die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob eine Corona-Sonderzahlung des Arbeitgebers als unpfändbare Erschwerniszulage anzusehen und deshlab „pfändungsfrei“ ist. Im entschiedenen Fall hat es sich um eine Corona-Sonderzahlung für Lehrer gehandelt. Das LG hat die Frage bejaht.

Hier der Leitsatz der Entscheidung:

Die Corona-Sonderzahlung des Arbeitgebers kann im Einzelfall eine unpfändbare Erschwerniszulage i.S.v. § 850a Nr. 3 ZPO, damit dem Zugriff der Gläubiger gem. § 36 Abs. 1 InsO entzogen und folglich freizugeben sein.

Corona II: Quarantäne wegen positivem PCR-Test, oder: Kein Schmerzensgeld bei ggf. falschem Test

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Als zweite Entscheidung zu der Thematik aus dem Bereich „Corona“ stelle ich ein Verfahren vor, in dem das OLG Naumburg im OLG Naumburg, Beschl. v. 08.06.2022 – 5 U 35/22 – die Berufung gegen ein Urteil des LG Magdebrug zurückgewiesen hat. Die OLG Naumburg-Entscheidung habe ich im Volltext noch nicht gefunden, über sie haben bisher nur LTP und beck-online berichtet. Das zugrunde liegende LG Magdeburg, Urt. v. 01.92.2022 – 10 O 715/21 – habe ich aber vorliegen. Daher stelle ich das vor.

In dem Verfahren geht es um Schadensersatz wegen einer Quarantäneanordnung. Diese war gegen eine vierköpfige Familie aufgrund eines positiven PCR-Testergebnisses im April 2021 angeordnet worden. Alle waren ohne Symptome und haben behauptet, der Test sei falsch gewesen. Sie haben deshalb aus § 839 BGB 3.700 Euro pro Person Schmerzensgeld verlangt. Das LG hat die Klage abgewiesen und führt dazu u.a. aus:

„…. Bei dieser Quarantänemaßnahme handelt es sich entgegen der Auffassung der Kläger nicht etwa um eine Freiheitsentziehung, die in der Tat wohl nur mit richterlicher Genehmigung hätte erfolgen dürfen, sondern lediglich um eine Freiheitsbeschränkung. Denn den Klägern war es gestattet, während der Quarantäneanordnung in ihrer Häuslichkeit alles das zu tun und zu lassen, was sie wollten und über die vorhandenen technischen Medien auch Kontakt zur Außenwelt zu halten.

Eine feste zeitliche Grenze, ab der eine Freiheitseinschränkung als ausgleichspflichtig anzusehen wäre, gibt es nicht. Abzustellen ist vielmehr auf die konkrete Situation des Einzelfalls, bei der es insbesondere auch auf die Ausgestaltung und Intensität des Eingriffs sowie auf herabwürdigende Behandlungen und mögliche rufschädigende Wirkungen ankommt (vgl. LG Göttingen, Urteil vom 30. Januar 1990 – Aktenzeichen: 2 O 322/89 -, NJW 1991, 2.6, beck-online; LG Hannover, Urteil vom 20.08.2021 – Aktenzeichen: 8 O 2/21 -, zitiert nach juris). Daher kann aus dem bloßen Überschreiten der zeitlichen Grenzen, die in der Rechtsprechung als schmerzensgeldbegründend angesehen wurden (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 7. März 2018 – Aktenzeichen: 1 U 1025/17 -, zitiert nach juris: 13 Stunden in psychiatrischem Krankenhaus; Landgericht Göttingen, a.a.O.: 2 Stunden mit 400 weiteren Personen in einem Polizeikessel) nicht abgeleitet werden, dass vorliegend allein wegen der zweiwöchigen Dauer die Billigkeitsschwelle überschritten wurde. Denn die Quarantäne der Kläger unterscheidet sich in gravierender Weise von den genannten Fällen. Die Kläger mussten keine demütigenden Zwangsbehandlungen erdulden. Sie wurden nicht mit psychischen Zwangsmitteln an einem fremden Ort festgehalten, sondern konnten sich innerhalb ihrer Wohnung ohne Überwachung Dritter frei bewegen und ihren Tagesablauf in diesem Rahmen vollkommen frei bestimmen. Schließlich wurde ihre Freiheitsbeschränkung auch auf einen Umstand gegründet, der – anders als bei einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder bei einer Festnahme als möglicher Straftäter – nicht geeignet war, ihr Ansehen und ihren Ruf in der Gesellschaft zu gefährden.

Die von den Klägern vorgetragenen Beeinträchtigungen durch die Quarantäne sind auch nicht geeignet, einen Schmerzensgeldanspruch unter dem Aspekt des Ausgleichsgedankens zu begründen.

Denn die in der Klageschrift geschilderten Einschränkungen in der Lebensführung der Kläger sind dafür zu pauschal gehalten. Die Kläger haben nicht konkret dargelegt, welche sozialen Einschränkungen und welche psychischen Belastungen sie durch die Quarantäne erlitten haben wollen. Konkret haben die Kläger lediglich vorgetragen, dass sie keinen Zugang zur Natur und keine Möglichkeit gehabt hätten, im Freien sportliche Aktivitäten auszuführen. Diese geschilderten Umstände sind jedoch nicht ausreichend, um ein Überschreiten der Geringfügigkeitsschwelle begründen zu können. Die angeordnete Quarantäne hatte eine Dauer von lediglich 14 Tagen. Die Kläger mussten daher für einen Zeitraum zuhause bleiben, wie er auch unter normalen Umständen, z.B. bei einem hinreichenden Auskurieren einer Grippe, eintreten kann. Zudem hätten die Kläger, da sie ja nach eigenem Bekunden symptomfrei waren, auch sportliche Aktivitäten innerhalb ihrer Wohnung durchführen können.

Der Vortrag der Kläger, die Beklagte habe gegen ihre Amtspflichten verstoßen, da sie auch den positiven PCR-Test an das RKI weitergeleitet habe, obwohl sie wisse, dass bei dem überwiegenden Teil der positiv getesteten Personen keine Infektion vorliege und dennoch den positiven PCR-Test dem RKI übermittelt habe, damit die Inzidenz gefälscht werde, ist nicht geeignet, einen Schmerzensgeldanspruch unter dem Aspekt der Genugtuungsfunktion zu begründen.

Denn die Beklagte konnte aufgrund der Pandemielage und der von Bund und den Ländern deswegen getroffenen Maßnahmen sowie der wissenschaftlichen Expertise beim RKI davon ausgehen, dass ein PCR-Test fundierte Ergebnisse für das Bestehen oder Nichtbestehen einer Infektion liefert und sich auch hierauf ohne weitere ärztliche Untersuchungen des Testergebnisses verlassen.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 20. April 2021 – Aktenzeichen: 1 S 1121/21 -, zitiert nach juris, insoweit ausgeführt:

„Der Senat geht davon aus, dass es sich bei einem PCR-Test um ein geeignetes Instrument handelt, das Vorliegen einer akuten SARS-CoV-2-Infektion zu ermitteln. Bei korrekter Durchführung der Tests und fachkundiger Beurteilung der Ergebnisse ist von einer sehr geringen Zahl falsch positiver Befunde auszugehen, denn aufgrund des Funktionsprinzips von PCR-Tests und hohen Qualitätsanforderungen liegt die analytische Spezifität bei korrekter Durchführung und Bewertung bei nahezu 100 %. Die Herausgabe eines klinischen Befundes unterliegt einer fachkundigen Validierung und schließt im klinischen Setting Anamnese und Differenzialdiagnosen ein. In der Regel werden nicht plausible Befunde in der Praxis durch Testwiederholung oder durch zusätzliche Testverfahren bestätigt bzw. verworfen. Die aufgestellte Behauptung, in 71,12 % der Fälle sei das Testergebnis offensichtlich falsch, entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage“.

Diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg gibt auch die insoweit einhellige Rechtsprechung der übrigen Verwaltungsgerichtshöfe bzw. Oberverwaltungsgerichte der Länder wieder. Die von den Klägern dargelegte gegenteilige Auffassung der Professorin Dr. K. von der Universitätsklinik W.burg stellt insoweit eine absolute Mindermeinung dar und ist daher unbeachtlich……“

Corona II: Das Anzünden eines Corona-Testzeltes, oder: Gemeinschädliche Sachbeschädigung?

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Und als zweite Entscheidung dann der OLG Stuttgart, Beschl. v. 09.06.2022 – 4 Rv 26 Ss 173/22. Hat auch mit Corona zu tun, ist aber mal etwas anders als Impfpassfälschung o.Ä. Gegenstand des Beschlusses ist nämlich das Anzünden eines Coronatestzeltes. Das AG hat den Angeklagten deswegen wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung gemäß § 304 Abs. 1 StGB zu der Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30,00 EUR verurteilt.

Dagegen die Revision, die nur wegen des Strafausspruchs Erfolg hatte:

„1. Das Amtsgericht hat den Angeklagten rechtsfehlerfrei der gemeinschädlichen Sachbeschädigung schuldig gesprochen. Das vom Angeklagten und seinen Mittätern zerstörte Zelt diente zum öffentlichen Nutzen im Sinne des § 304 Abs. 1 StGB.

Gegenstände zum öffentlichen Nutzen sind Sachen, die dem Publikum unmittelbaren Nutzen bringen, sei es durch ihren Gebrauch, sei es in anderer Weise (Fischer, StGB, 69. Aufl., § 304, Rn. 10). Diese Zweckbestimmung ist anzunehmen, wenn jedermann, gegebenenfalls nach Erfüllung bestimmter allgemeingültiger Bedingungen, unmittelbar aus dem Vorhanden sein oder dem Gebrauch des Gegenstands Nutzen ziehen kann (Schönke/ Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 304, Rn. 8). Unzureichend ist es hingegen, wenn die fragliche Sache nur die Tätigkeit von Personen bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben erleichtert oder ermöglicht. Ein solcher Gegenstand kommt der Allgemeinheit nicht unmittelbar zugute.

Hiervon ausgehend hat das Amtsgericht das Zelt zu Recht als von § 304 Abs. 1 StGB erfasst angesehen.

a) Die Teststelle konnte nach der zum Tatzeitpunkt gültigen „Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV 2 (Coronavirus-Testverordnung — TestV)“ des Bundesministeriums für Gesundheit vom 24. Juni 2021 sowohl von gesetzlich Versicherten (§ 1 Abs. 1 TestV a.F.) als auch von nicht gesetzlich Versicherten (§ 1 Abs. 2 TestV a.F.) aufgesucht werden; es bestand ein allgemeiner, nicht an Bedingungen geknüpfter Anspruch auf eine Testung. Dies galt auch für asymptoma-tische Personen (sog. Bürgertestung, § 4a TestV a.F.). Mithin stand die Teststelle, also auch das bei der vorliegenden Tat zerstörte Zelt, jedermann zur Verfügung.

b) Dass vor der Durchführung der Tests die Personalien der zu testenden Personen hinterlegt werden mussten, führt zu keiner anderen Bewertung. Insoweit handelt es sich um bestimmte allgemeingültige Bedingungen, die der Verfügbarkeit für jedermann nicht entgegenstehen.

c) Bei dem Zelt handelte es sich auch nicht lediglich um ein Hilfsmittel für das an der Test-stelle tätige Personal zur Erleichterung oder Ermöglichung der dortigen Aufgaben. Vielmehr wurden nach den Feststellungen des Amtsgerichts unter dem Dach des Zelts die Personalien der zu testenden Personen erhoben sowie die Tests durchgeführt. Zudem diente das Zelt allen Anwesenden zum Schutz vor Regen und Sonneneinstrahlung.

Die Auffassung der Revision, wonach die Auslegung des Amtsgerichts dazu führe, dass auch die Beschädigung eines Kugelschreibers einer im Testzentrum tätigen Person unter § 304 StGB fallen würde, geht deshalb fehl. Bei dem Zelt handelte es sich gerade nicht um ein reines Arbeitsmittel, welches nur der Arbeitserleichterung, nicht aber unmittelbar der All-gemeinheit diente.

d) Die Rüge, das Urteil verhalte sich nicht zum Ausmaß der Schädigung bzw. zu Beeinträchtigungen des Testbetriebs, verfängt ebenfalls nicht. Vielmehr hat das Amtsgericht festgestellt, dass das Zelt zerstört wurde. Es verlor die Stabilität und brach nach wenigen Minuten in sich zusammen (UA S. 4). Dies genügt für eine Strafbarkeit nach § 304 StGB.

Nach alledem ist der Schuldspruch nicht zu beanstanden.

2. Der Strafausspruch hält dagegen der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in die Einzelakte der Strafzumessung ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt (BGH, Urteil vom 24. Juni 2021 — 5 StR 545/20; NStZ-RR 2021, 346).

a) Das Amtsgericht hat es als strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte sich „…durch die Tatentdeckung und eine Tatbeobachtung, in aller Öffentlichkeit, und die Anwesenheit von Passanten und das Einschreiten einer Zeugin, die ihn ausweislich der Feststellungen zum Einhalten aufgefordert hatte, nicht von seinem Tun abbringen ließ…“ (UA S. 6).

Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Amtsgericht dem Angeklagten zur Last gelegt hat, dass er die Tat überhaupt vollendete, anstatt nach dem Erscheinen der Zeugin von der weiteren Tatausführung Abstand zu nehmen. Dies ist rechtsfehlerhaft. Es darf dem An-geklagten nicht strafschärfend vorgehalten werden, wenn er sich nicht durch einen Dritten von der Fortsetzung seiner Tat hat abhalten lassen (BGH, NStZ-RR 2012, 169; vgl. auch BGH, NStZ-RR 2002, 106).

Die Erwägungen des Amtsgerichts können auch nicht als missverständliche Formulierungen interpretiert werden, durch die lediglich auf die bei der Tatbegehung an den Tag gelegte kriminelle Energie hingewiesen werden sollte. Vielmehr lassen die Ausführungen im Urteil deutlich erkennen, dass das Amtsgericht gerade der trotz des Einschreitens der Zeugin fortgesetzten Tatbegehung maßgebliche strafschärfende Bedeutung beigemessen hat, was sich schon daran zeigt, dass es diesen Gesichtspunkt noch vor den Tatfolgen wie etwa der Schadenshöhe als Straferschwerungsgrund angeführt und dadurch hervorgehoben hat (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Mai 2022 – 6 StR 155/22).

b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen auch die Ausführung des Amtsgerichts zum Bemühen des Angeklagten um Schadenswiedergutmachung. Insoweit ist das Urteil lückenhaft.

aa) Zwar wurde dem Angeklagten strafmildernd zugutegehalten, dass er sich um Schadenswiedergutmachung bemüht hat, beinhaltend sogar die durch die Gebühren des durch ihn und seine Mittäter ausgelösten Feuerwehreinsatzes. Das Urteil verhält sich jedoch nicht zu der Art und Weise sowie insbesondere auch nicht zum Erfolg der Wiedergutmachungs-bemühungen. So bleibt offen, wann, in welcher Form und mit welcher Intensität sich der An-geklagte gegenüber wem um einen Ausgleich des durch die Tat verursachten Schadens bzw. der durch den Feuerwehreinsatz entstandenen, im Urteil nicht bezifferten Kosten be-müht hat. Auch bleibt unklar, ob es überhaupt zu Zahlungen kam oder es bei bloßen Bemü-hungen des Angeklagten blieb. Der Senat kann deshalb nicht überprüfen, ob die Bemühun-gen des Angeklagten um Schadenswiedergutmachung im Rahmen der Strafzumessung hinreichend berücksichtigt wurden.

bb) Überdies kann aufgrund der unzureichenden Darlegung der Wiedergutmachungsbemühungen des Angeklagten auch nicht überprüft werden, ob das Amtsgericht gehalten gewesen wäre, die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB zu prüfen und insbesondere Feststellungen dazu zu treffen, wie sich der (im Urteil nicht näher benannte) Betreiber des Testzentrums zu den Bemühungen des Angeklagten gestellt hat.“

Corona I: Befreiung von der Maskenpflicht, oder: „attest-pdf um der Mundschutzpflicht zu entkommen“

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Und heute dann ein wenig Aufarbeitung von Corona. Und dazu zunächst der OLG Celle, Beschl. v. 27.06.2022 – 2 Ss 58/22.

Der Angeklagte ist vom AG Hannover vom Vorwurf des Gebrauchs eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses nach § 279 a.F. StGB freigesprochen worden. Auf die hiergegen eingelegte Berufung der StA hat das LG das Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen des Tatvorwurfs zu einer Geldstrafe verurteilt sowie die Einziehung der tatgegenständlichen Gesundheitsbescheinigung des Angeklagten angeordnet.

Nach den Feststellungen des LG nahm der Angeklagte am 27.06.2020 in Hannover an einem Autokorso zur Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen teil. Als der vor Ort eingesetzte Polizeibeamte PK M. die Versammlungsleiterin auf die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes hinwies, kam der Angeklagte zu ihm und zeigte ihm unaufgefordert eine Bescheinigung vor, mit der er eine medizinisch bedingte Befreiung von der Maskenpflicht vortäuschen wollte. Die Bescheinigung hatte er zuvor als Formular aus dem Internet heruntergeladen und seinen Namen eingetragen. Es handelte sich um das von dem Arzt Dr. B. in den sozialen Medien mit der Bezeichnung „attest-pdf um der Mundschutzpflicht zu entkommen“ zum Download bereitgestellte Formular. Das Formular war mit „Ärztliches Attest“ überschrieben und enthielt im oberen Bereich den Namen von Dr. B. sowie seine Bezeichnung als Arzt. Ebenfalls im oberen Bereich befand sich der Hinweis „To whom it may concern“. In das Formular war zudem der Scan einer Approbationsurkunde eingefügt, überdies ein leeres Namens- und Adressfeld. Darin musste der jeweilige Verwender nach dem Download des Formulars seine eigenen Personalien einfügen. In dem Formulartext wurde dem Verwender bestätigt, dass das Tragen eines Mundschutzes aus medizinischen Gründen nicht ratsam sei.

Beim Verwenden des Formulars wusste der Angeklagte, dass bei ihm keine medizinischen Gründe für eine Befreiung von der Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes vorlagen. Auch war ihm bewusst, dass die Bescheinigung ein unrichtiges Gesundheitszeugnis darstellte.

Dagegen die Revision des Angeklagten. Mit der macht er zum einen geltend, das LG habe seine Verurteilung rechtsfehlerhaft auf die am 24.11.2021 in Kraft getretene Neufassung der §§ 278 und 279 StGB gestützt. Zum anderen sei das LG rechtsfehlerhaft von einem unrichtigen Gesundheitszeugnis ausgegangen. Das von Dr. B. im Internet bereitgestellte Formular sei insoweit nicht hinreichend individualisiert gewesen. Der Formulartext habe überdies lediglich eine allgemein gehaltene, generelle Aussage zur Eignung eines Mund-Nasen-Schutzes enthalten. Die von dem Angeklagten unter Verwendung dieses Formulars selbst erstellte Bescheinigung sei nicht durch einen Arzt unterzeichnet worden und deshalb kein Gesundheitszeugnis i.S. von § 278 aF StGB. Darüber hinaus sei die abgeurteilte Tat des Angeklagten durch Notwehr gerechtfertigt gewesen, da er nach den Urteilsfeststellungen zum Tatzeitpunkt lediglich an einem Autokorso teilgenommen habe. Angesichts des Fehlens weiterer Feststellungen sei davon auszugehen, dass er alleiniger Insasse eines Fahrzeugs war und deshalb keine rechtliche Grundlage für die polizeiliche Aufforderung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes vorhanden gewesen sei. Schließlich sei auch die vom Landgericht im Rahmen der Strafzumessung getroffene Erwägung, das Verhalten des Angeklagten habe eine erhöhte abstrakte Gefährdung der Gesundheit anderer Menschen beinhaltet, mangels entsprechender tatsächlicher Grundlage als rechtsfehlerhaft anzusehen.

Die Revision hatte beim OLG Erfolg:

„Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils hält der auf die erhobene Sachrüge vorzunehmenden sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand.

1. Unzutreffend ist der Einwand der Revision, das Landgericht habe die Verurteilung des Angeklagten rechtsfehlerhaft auf §§ 278, 279 StGB in der seit dem 24.11.2021 geltenden Fassung gestützt. Aus den Urteilsgründen ist ersichtlich, dass die Verurteilung vielmehr auf der zum Tatzeitpunkt maßgebliche Fassung der Bestimmung beruht. Dies wird zum einen darin deutlich, dass das Landgericht bei der rechtlichen Würdigung der Tat des Angeklagten erkennbar auf die Tatbestandsmerkmale der bis zum 23.11.2021 geltenden Fassung von §§ 278, 279 StGB abgestellt hat. Zum anderen hat das Landgericht der Strafzumessung den Strafrahmen von Geldstrafe bis zu 1 Jahr oder Geldstrafe zugrunde gelegt, wie er nach der damaligen Gesetzesfassung von § 279 StGB galt. Während die Neufassung von § 279 StGB die Anwendung dieses Strafrahmens nur dann vorsieht, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften des 23. Abschnitts des Strafgesetzbuches mit schwererer Strafe bedroht ist, enthielt § 279 aF StGB diese Einschränkung nicht. Eine Prüfung, ob die Tat des Angeklagten in den anderen Tatbeständen der §§ 267-282 StGB mit schwerer Strafe bedroht ist, hat das Landgericht indes nicht vorgenommen. Dies spricht ebenfalls dafür, dass es bei der Verurteilung des Angeklagten § 279 aF StGB zugrunde gelegt hat. Soweit das Urteil unter „Angewendete Vorschriften“ die Angabe von § 279 StGB ohne den Zusatz „aF“ enthält (vgl. UA S. 2), handelt es sich mithin um ein bloßes Schreibversehen. Gleiches gilt, soweit in den weiteren Urteilsgründen die Bestimmung des § 279 StGB ohne diesen Zusatz angeführt wird.

2. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils weist indes in anderer Hinsicht einen Rechtsfehler auf. Denn die getroffenen Feststellungen bieten keine ausreichende Grundlage für eine Verurteilung des Angeklagten wegen des Gebrauchs eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses nach §§ 278, 279 aF StGB. Sie erweisen sich bzgl. der vom Landgericht angenommenen rechtlichen Qualifizierung des vom Angeklagten bei der abgeurteilten Tat dem Polizeibeamten PK M. vorgezeigten „Ärztlichen Attests“ als Gesundheitszeugnis i.S. von § 278 StGB aF als lückenhaft, weil sich aus ihnen nicht ergibt, ob das Attest unterzeichnet ist.“

Den Rest der umfangreich begründeten Entscheidung bitte selbst lesen. Hier nur noch die (amtlichen) Leitsätze:

1. Ein ärztliches Attest über die medizinische Kontraindikation des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes enthält die konkludente Erklärung des Arztes, dass eine körperliche Untersuchung der genannten Person stattgefunden hat.

2. Wird in einem ärztlichen Attest der darin genannten Person bescheinigt, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes aus medizinischen Gründen nicht ratsam sei, handelt es sich um ein Gesundheitszeugnis i.S. von § 278 Abs. 1aF StGB.

3. Hat ein Täter das von einem Arzt vorunterzeichnete, in den sozialen Medien zum Download bereitgestellte Blanko-Formular, in dem der noch einzutragenden Person die medizinische Kontraindikation des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes attestiert wird, mit seinen Personalien ergänzt und das vervollständigte Formular gegenüber der Polizei zur Vortäuschung einer bei ihm gegebenen Kontraindikation vorgezeigt, um die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes zu umgehen, ist eine Strafbarkeit wegen Gebrauchs eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses nach §§ 278 Abs. 1aF, 279aF StGB gegeben.

Und dann zur Abrundung noch der BayObLG, Beschl. v. 03.06.2022 – 207 StRR 155/22 – zur Strafbarkeit der Vorlage eines gefälschten Impfpasses zur Erlangung eines Impfzertifikats nach altem Recht. Das BayObLG meint (auch): § 267 StGB wird verdrängt.