Corona II: Das Anzünden eines Corona-Testzeltes, oder: Gemeinschädliche Sachbeschädigung?

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Und als zweite Entscheidung dann der OLG Stuttgart, Beschl. v. 09.06.2022 – 4 Rv 26 Ss 173/22. Hat auch mit Corona zu tun, ist aber mal etwas anders als Impfpassfälschung o.Ä. Gegenstand des Beschlusses ist nämlich das Anzünden eines Coronatestzeltes. Das AG hat den Angeklagten deswegen wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung gemäß § 304 Abs. 1 StGB zu der Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30,00 EUR verurteilt.

Dagegen die Revision, die nur wegen des Strafausspruchs Erfolg hatte:

„1. Das Amtsgericht hat den Angeklagten rechtsfehlerfrei der gemeinschädlichen Sachbeschädigung schuldig gesprochen. Das vom Angeklagten und seinen Mittätern zerstörte Zelt diente zum öffentlichen Nutzen im Sinne des § 304 Abs. 1 StGB.

Gegenstände zum öffentlichen Nutzen sind Sachen, die dem Publikum unmittelbaren Nutzen bringen, sei es durch ihren Gebrauch, sei es in anderer Weise (Fischer, StGB, 69. Aufl., § 304, Rn. 10). Diese Zweckbestimmung ist anzunehmen, wenn jedermann, gegebenenfalls nach Erfüllung bestimmter allgemeingültiger Bedingungen, unmittelbar aus dem Vorhanden sein oder dem Gebrauch des Gegenstands Nutzen ziehen kann (Schönke/ Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 304, Rn. 8). Unzureichend ist es hingegen, wenn die fragliche Sache nur die Tätigkeit von Personen bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben erleichtert oder ermöglicht. Ein solcher Gegenstand kommt der Allgemeinheit nicht unmittelbar zugute.

Hiervon ausgehend hat das Amtsgericht das Zelt zu Recht als von § 304 Abs. 1 StGB erfasst angesehen.

a) Die Teststelle konnte nach der zum Tatzeitpunkt gültigen „Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV 2 (Coronavirus-Testverordnung — TestV)“ des Bundesministeriums für Gesundheit vom 24. Juni 2021 sowohl von gesetzlich Versicherten (§ 1 Abs. 1 TestV a.F.) als auch von nicht gesetzlich Versicherten (§ 1 Abs. 2 TestV a.F.) aufgesucht werden; es bestand ein allgemeiner, nicht an Bedingungen geknüpfter Anspruch auf eine Testung. Dies galt auch für asymptoma-tische Personen (sog. Bürgertestung, § 4a TestV a.F.). Mithin stand die Teststelle, also auch das bei der vorliegenden Tat zerstörte Zelt, jedermann zur Verfügung.

b) Dass vor der Durchführung der Tests die Personalien der zu testenden Personen hinterlegt werden mussten, führt zu keiner anderen Bewertung. Insoweit handelt es sich um bestimmte allgemeingültige Bedingungen, die der Verfügbarkeit für jedermann nicht entgegenstehen.

c) Bei dem Zelt handelte es sich auch nicht lediglich um ein Hilfsmittel für das an der Test-stelle tätige Personal zur Erleichterung oder Ermöglichung der dortigen Aufgaben. Vielmehr wurden nach den Feststellungen des Amtsgerichts unter dem Dach des Zelts die Personalien der zu testenden Personen erhoben sowie die Tests durchgeführt. Zudem diente das Zelt allen Anwesenden zum Schutz vor Regen und Sonneneinstrahlung.

Die Auffassung der Revision, wonach die Auslegung des Amtsgerichts dazu führe, dass auch die Beschädigung eines Kugelschreibers einer im Testzentrum tätigen Person unter § 304 StGB fallen würde, geht deshalb fehl. Bei dem Zelt handelte es sich gerade nicht um ein reines Arbeitsmittel, welches nur der Arbeitserleichterung, nicht aber unmittelbar der All-gemeinheit diente.

d) Die Rüge, das Urteil verhalte sich nicht zum Ausmaß der Schädigung bzw. zu Beeinträchtigungen des Testbetriebs, verfängt ebenfalls nicht. Vielmehr hat das Amtsgericht festgestellt, dass das Zelt zerstört wurde. Es verlor die Stabilität und brach nach wenigen Minuten in sich zusammen (UA S. 4). Dies genügt für eine Strafbarkeit nach § 304 StGB.

Nach alledem ist der Schuldspruch nicht zu beanstanden.

2. Der Strafausspruch hält dagegen der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in die Einzelakte der Strafzumessung ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt (BGH, Urteil vom 24. Juni 2021 — 5 StR 545/20; NStZ-RR 2021, 346).

a) Das Amtsgericht hat es als strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte sich „…durch die Tatentdeckung und eine Tatbeobachtung, in aller Öffentlichkeit, und die Anwesenheit von Passanten und das Einschreiten einer Zeugin, die ihn ausweislich der Feststellungen zum Einhalten aufgefordert hatte, nicht von seinem Tun abbringen ließ…“ (UA S. 6).

Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Amtsgericht dem Angeklagten zur Last gelegt hat, dass er die Tat überhaupt vollendete, anstatt nach dem Erscheinen der Zeugin von der weiteren Tatausführung Abstand zu nehmen. Dies ist rechtsfehlerhaft. Es darf dem An-geklagten nicht strafschärfend vorgehalten werden, wenn er sich nicht durch einen Dritten von der Fortsetzung seiner Tat hat abhalten lassen (BGH, NStZ-RR 2012, 169; vgl. auch BGH, NStZ-RR 2002, 106).

Die Erwägungen des Amtsgerichts können auch nicht als missverständliche Formulierungen interpretiert werden, durch die lediglich auf die bei der Tatbegehung an den Tag gelegte kriminelle Energie hingewiesen werden sollte. Vielmehr lassen die Ausführungen im Urteil deutlich erkennen, dass das Amtsgericht gerade der trotz des Einschreitens der Zeugin fortgesetzten Tatbegehung maßgebliche strafschärfende Bedeutung beigemessen hat, was sich schon daran zeigt, dass es diesen Gesichtspunkt noch vor den Tatfolgen wie etwa der Schadenshöhe als Straferschwerungsgrund angeführt und dadurch hervorgehoben hat (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Mai 2022 – 6 StR 155/22).

b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen auch die Ausführung des Amtsgerichts zum Bemühen des Angeklagten um Schadenswiedergutmachung. Insoweit ist das Urteil lückenhaft.

aa) Zwar wurde dem Angeklagten strafmildernd zugutegehalten, dass er sich um Schadenswiedergutmachung bemüht hat, beinhaltend sogar die durch die Gebühren des durch ihn und seine Mittäter ausgelösten Feuerwehreinsatzes. Das Urteil verhält sich jedoch nicht zu der Art und Weise sowie insbesondere auch nicht zum Erfolg der Wiedergutmachungs-bemühungen. So bleibt offen, wann, in welcher Form und mit welcher Intensität sich der An-geklagte gegenüber wem um einen Ausgleich des durch die Tat verursachten Schadens bzw. der durch den Feuerwehreinsatz entstandenen, im Urteil nicht bezifferten Kosten be-müht hat. Auch bleibt unklar, ob es überhaupt zu Zahlungen kam oder es bei bloßen Bemü-hungen des Angeklagten blieb. Der Senat kann deshalb nicht überprüfen, ob die Bemühun-gen des Angeklagten um Schadenswiedergutmachung im Rahmen der Strafzumessung hinreichend berücksichtigt wurden.

bb) Überdies kann aufgrund der unzureichenden Darlegung der Wiedergutmachungsbemühungen des Angeklagten auch nicht überprüft werden, ob das Amtsgericht gehalten gewesen wäre, die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB zu prüfen und insbesondere Feststellungen dazu zu treffen, wie sich der (im Urteil nicht näher benannte) Betreiber des Testzentrums zu den Bemühungen des Angeklagten gestellt hat.“

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