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Verständigungspantomime

entnommen wikimedia.org Author Bagnuk

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Länger nichts Neues mehr von der Verständigung (§ 257c StPO) gehört. Da kommt dann der BVerfG, Beschl. v. 21.04.2016 – 2 BvR 1422/15 – gerade recht. Der reiht sich ein in die Reihe der Entscheidungen des BVerfG, mit der das Verfassungsgericht akribisch über die Einhaltung der Vorgaben seiner Rechtsprechung aus dem Urteil vom 19.03.2013 (BVerfGE 133, 168 = NJW 2013, 1058 = StRR 2013, 179) wacht. Und wieder ist es der BGH, der beim BVerfG angeeckt ist, und zwar dieses Mal der 1. Strafsenat, der sich bescheinigen lassen muss, dass seinem Beschl. v. 25.06.2015 – 1 StR 120/15, „eine Auslegung und Anwendung des § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO zugrunde[liegt], die den verfassungsrechtlichen Schutzgehalt der Vorschrift grundlegend verkennt und auch bei einer Gesamtschau (vgl. BVerfGE 133, 168 <200 Rn. 59>) als nicht mehr hinnehmbar erscheint.

Ausgegangen ist das BVerfG von folgendem Sachverhalt: Es handelte sich um ein Verfahren wegen Bestechung in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue. Bereits vor der Hauptverhandlung hatte es ein wegen des Widerspruchs der Staatsanwaltschaft erfolgloses Gespräch über eine höhenmäßige Beschränkung des Vermögensnachteils gem. § 154 a StPO gegeben. In der Hauptverhandlung stellte der Verteidiger dann mehrere Beweisanträge. Daraufhin kündigte die Staatsanwaltschaft an, einer Beschränkung des Verfahrens auf einen Schaden in Höhe von ca. 800.000 EUR zuzustimmen, wenn das Verfahren ohne die Erledigung weiterer Beweisanträge und damit ohne weitere Verzögerung der Hauptverhandlung abgeschlossen werden könne. Am folgenden Hauptverhandlungstermin erörterte der Vorsitzende mit den Verfahrensbeteiligten dann erneut die Frage einer solchen Verfahrensbeschränkung. Er wies darauf hin, dass „diesbezüglich keine (ausdrückliche oder gar konkludente) Absprache in Betracht komme“. Die Staatsanwaltschaft stimmte der Beschränkung zu, woraufhin der Pflichtverteidiger die gestellten Beweisanträge weitgehend zurücknahm. Das LG erließ einen entsprechenden Beschränkungsbeschluss. Daraufhin ließ sich der Angekalgte geständig ein. Der BGH hat die Revision des Angeklagten gem. § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen und das Vorliegen einer Verständigung wegen fehlenden Rechtsbindungswillen des Gerichts verneint.

Das sieht das BVerfG anders:

Fanbanner geklaut – Wohnungsdurchsuchung bei einem Dritten?

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Und nach dem LG Bielefeld, Beschl. v. 25.11.2015 – 3 Qs 556/ Js 1306/14-316/15 – dazu Der „steife Penis“ kommt zur Anklage, die „Nacktbilder“ nicht – Durchsuchung rechtswidrig – nun der Hinweis auf den BVerfG, Beschl. v. 11.01.2016 – 2 BvR 1361/13. 11 Also mal wieder eine Entscheidung des BVerfG zur Durchsuchung, so ganz viel hatten wir dazu in der letzten Zeit – zum Glück – ja nicht.

Gilt das Verbot der Mehrfachverteidigung auch im anwaltsgerichtlichen Verfahren?

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Einen recht deutlichen Hinweis zur Geltung des § 146 StPO im anwaltsgerichtlichen Verfahren enthält der BVerfG, Beschl. v. 25.02.2016 – 1 BvR 1042/15. Ergangen ist er in einem anwaltsgerichtlichen Verfahren, das in Sachsen anhängig war. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Anwaltsgerichts, mit dem er in einem Verfahren nach § 74a BRAO wegen verbotener Mehrfachvertretung als Verteidiger zurückgewiesen wurde. In dem Verfahren war der Beschwerdeführer von fünf Rechtsanwälten als Verteidiger beauftragt worden. Die Mandanten arbeiteten in einer Partnerschaftsgesellschaft zusammen und hatten in einer Tageszeitung Werbeanzeigen veröffentlicht, die nach Auffassung der zuständigen RAK berufsrechtliche Bestimmungen (§ 43b BRAO, § 6 BORA) missachteten. Nach entsprechender Beschlussfassung des Vorstands der Rechtsanwaltskammer wurde gegenüber jedem der Rechtsanwälte mit gesonderten, gleichlautenden Bescheiden eine berufsrechtliche Rüge ausgesprochen. Mit der betreffenden Kanzleiwerbung hätten sie die ihnen obliegenden Berufspflichten verletzt. Nach Zurückweisung der Einsprüche gegen die Rügebescheide hat der Beschwerdeführer als Verteidiger der fünf Rechtsanwälte die Entscheidung des AnwG beantragt. In dem Verfahren ist der Rechtsanwalt dann als Verteidiger gem. § 146 StPO zurückgewiesen worden.

Dagegen dann die Verfassungsbeschwerde, die das BVerfG wegen fehlender Rechtswegerschöpfung als unzulässig angesehen hat. Es gibt aber im Hinblick auf den § 146 StPO „Hinweise“:

„Mit Blick auf die Fortsetzung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens ist allerdings der Hinweis angebracht, dass erhebliche Bedenken bestehen, ob es sich mit der verfassungsrechtlich garantierten Berufsausübungsfreiheit des Beschwerdeführers (Art. 12 Abs. 1 GG) vereinbaren lässt, ihn aufgrund des Verweises in § 74a Abs. 2 Satz 2 BRAO entsprechend § 146 Satz 1, § 146a Abs. 1 StPO als Verteidiger im anwaltsgerichtlichen Verfahren auszuschließen und insoweit an beruflicher Tätigkeit zu hindern.

Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Beschwerdeführers, die mit der Entscheidung des Anwaltsgerichts über seinen Ausschluss als Verteidiger verbunden ist, kann unter Berücksichtigung des mit § 146 Satz 1 StPO verfolgten Gemeinwohlziels verfassungsrechtlich schwerlich gerechtfertigt sein. Legitimer Zweck des Verbots der Mehrfachverteidigung ist es, Interessenkollisionen zu vermeiden, um die Beistandsfunktion des Verteidigers, die es auch im öffentlichen Interesse zu wahren gilt, nicht zu beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 45, 354 <358>). Für die Bedeutung dieses Gemeinwohlziels ist im vorliegenden Verfahren zu beachten, dass es nicht um die Aufklärung und Ahndung eines schuldhaften Verhaltens geht, das eine Strafe oder auch nur annähernd vergleichbare Sanktion – wie etwa im Fall einer Disziplinarmaßnahme oder einer Ordnungswidrigkeit – nach sich ziehen könnte. Zu entscheiden ist lediglich über die Berechtigung einer Rüge, die vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer ausgesprochen wurde. Es handelt sich um eine nur aufsichtsrechtliche Maßnahme, deren Gehalt als Sanktion sich bereits in dem Ausdruck der Missbilligung des Verhaltens eines Rechtsanwalts erschöpft.

Dementsprechend hat der mit dem Ausspruch einer Rüge verbundene Grundrechtseingriff für den von ihr betroffenen Rechtsanwalt kein erhebliches Gewicht (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. November 1999 – 1 BvR 2284/98 u.a. -, juris). Dies ist auch für die Auslegung des Verfahrensrechts und die Anwendbarkeit des § 146 Satz 1 StPO im anwaltsgerichtlichen Verfahren von Bedeutung; denn für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines Eingriffs in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit des Verteidigers kommt es auch auf die Gewichtigkeit der Sanktion an, die dem Mandanten droht und gegen die ihn der Rechtsanwalt verteidigen soll (vgl. BVerfGE 45, 272 <290>). Ist das Gewicht der drohenden Sanktion gering, wie hier durch die allenfalls mögliche Bestätigung der ausgesprochenen Rüge, so spricht dies gegen die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Berufsfreiheit des Beschwerdeführers. Hinzu kommt, dass Interessengegensätze zwischen den Mandanten nicht zu erkennen sind. Diese Grundsätze sind auch für die im Ausgangsverfahren zur Entscheidung berufenen Gerichte maßgeblich; denn auch der Richter, der bei Auslegung des einfachen Rechts zu Einschränkungen der grundsätzlich freien Berufsausübung gelangt, ist an dieselben Maßstäbe gebunden, die nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG auch den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers einschränken (vgl. BVerfGE 54, 224 <235>).“

Die Reststrafenaussetzung und das Leugnen der Tat

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Der BVerfG, Beschl. v. 11.01.2016 – 2 BvR 2961/12 – enthält eine für die Praxis schon bedeutsame Aussage zur Bedeutung des Leugnens der Tat bei der Reststrafenaussetzung. Es ging um die Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe. Der Verurteilte hat die Tat – auch nach seiner Verurteilung – weiter geleugnet. Das LG hat darin keinen Grund gesehen, die Strafaussetzung zu verweigern, das OLG schon. In Zusammenhang mit der Überprüfung der OLG-Entscheidung führt das BVerfG aus:

Klageerzwingung III: Die Hürden sind (zu) hoch, oder: Das BVerfG hilft

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Die von den OLG aufgestellten Hürden, um einen zulässigen Klageerzwingungsantrag zu stellen, sind sehr hoch. Viele/die meisten Anträge scheitern daran, dass den OLG der Sachvortrag nicht ausreicht. So auch in einem dem BVerfG, Beschl. v. 21.10.2015 -2 BvR 912/15 zugrunde liegenden Klageerzwingungsverfahren in Hamburg. In dem hatte das OLG Hamburg in einem Verfahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch zwei Ärzte das OLG den Antrag der Eltern des verletzten Kindes zurückgewiesen. Das BVerfG hat auf die Verfassungsbeschwerde diese Zurückweisung als verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbar angesehen: