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Messauswertung durch Private, oder: Beweisverwertungsverbot (im Saarland?)

© ProMotion - Fotolia.com

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So. Heute will ich dann mal mit einigen OWi-Entscheidungen „aufwarten“. Zum Teil sind die Entscheidungen beim Kollegen Gratz im VerkehrsrechtsBlog schon gelaufen. Ich schiebe sie aber dann dennoch auch hier noch einmal nach.

Beginnen will ich mit einer erfreulichen Entscheidung. Es ist das AG Neunkirchen, Urt. v. 27.04.2016 – 19 OWi 68 Js 778/15 (234/15), ein AG das sich in meinen Augen zu einem „Hort der Rechtstaatlichkeit“ entwickelt hat. Man kann über viele schöne Entscheidungen, die von dem AG kommen, berichten. In diesem Urteil geht es um die Frage eines Beweisverwertungsverbotes, wenn die Verwaltungsbehörde im Rahmen der Geschwindigkeitsüberwachung – insbesondere im Rahmen der Auswertung von Messungen – „sehenden Auges“ gegen die Vorschriften eines ministerialen Erlasses verstößt. Das AG hat ein Beweisverwertungsverbot für ein vorliegendes Messfoto bejaht und sich dazu auf OLG-Rechtsprechung (OLG Frankfurt NStZ 2003, 342; OLG Naumburg, Beschl. v.07.05.2012 – 2 Ss Bz 25/12 und Hilfe von Privaten – Beweisverwertungsverbot für Messergebnisse im Straßenverkehr) berufen:

„d) Aus den oben genannten Gründen hat die Stadt Neunkirchen wie dargelegt als zuständige Behörde in erheblicher Weise gegen die Bestimmungen des Saarländischen Erlasses verstoßen. Da ihr der Erlass auch bekannt war und dieser klar und deutlich die Grenzen der Einbindung Privater in die Verkehrsüberwachung regelt und definiert, hat sie diese Vorgaben nach Auffassung des Gerichts zumindest grob fahrlässig missachtet, so dass im vorliegenden Fall aus den genannten Gründen von einem Beweisverwertungsverbot bzgl. der Messfotos auszugehen ist.

Davon abgesehen, hat das Gericht erhebliche Zweifel daran, dass im vorliegenden Fall überhaupt eine hoheitliche Messung bzw. Auswertung vorliegt. Denn letztlich ist nach Auffassung des Gerichts nicht mit der hinreichenden Sicherheit festzustellen, ob die Auswertung der Daten überhaupt noch hoheitlich erfolgt und die Messfotos im vorliegenden Fall unverändert sind.“

Die vom AG Neunkirchen entschiedene Sache war inzwischen übrigens auch schon beim OLG Saarbrücken. Das hat im OLG Saarbrücken, Beschl. v. 13.09.2016 – Ss RS 21/16 – den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch des Betroffenen verworfen. Allerdings nicht deshlab, weil es auch von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen ist, sondern aus den Gründen des Rechtsbeschwerderechts. Denn es erfolgt keine Zulassung bei formellen (Verfahrens)Fragen:

„Bei den hier in Rede stehenden und auch von der Staatsanwaltschaft zur Begründung ihres Zulassungsantrags formulierten Fragen, wie die Ordnungsbehörde bei der Hinzuziehung eines privaten Unternehmens zur Auswertung der bei einer Verkehrsüberwachung (hier: Geschwindigkeitsmessung) erlangten Messdaten ihre Verantwortung auszufüllen hat, um Herrin des Verfahrens zu bleiben, unter welchen Voraussetzungen ihr diesbezügliches Handeln rechtswidrig (gesetz- und/oder erlasswidrig) ist und ob in einem solchen Fall eines rechtswidrig erhobenen Beweises ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen ist, handelt es sich nicht um Fragen des materiellen Rechts, sondern um solche des Verfahrensrechts. Zum Verfahrensrecht gehören die Vorschriften, die den Weg bestimmen, auf dem der Richter zur Entscheidungsfindung berufen und gelangt ist; alle anderen Vorschriften sind dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 337 Rn. 8; Göhler/Seitz, a. a. O., § 80 Rn. 16f). Vorliegend geht es um die Rechtmäßigkeit des der Entscheidung vorangegangenen Verfahrens, nämlich um die Frage, ob im ordnungsbehördlichen Bußgeldverfahren erhobene Beweise rechtmäßig erlangt worden sind. Hierbei handelt es sich ebenso wie bei der Frage, ob aus einem etwaigen Verstoß ein Beweisverwertungsverbot folgt, um eine verfahrensrechtliche Frage, zumal die Erörterung, ob ein Beweisverwertungsverbot vorliegt, von der Frage des Vorliegens eines Beweiserhebungsverbots nicht getrennt werden kann (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 05.10.2009 — 3 Ss OWi 764/09, juris Rn. 6; Beschl. v. 11.11.2009 — 3 Ss OWi 856/09, juris Rn. 6; OLG Stuttgart, Beschl. v. 03.01.2011 — 5 Ss 732/10, BI. 164 ff. d. A.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.10.2014 — 3 (4) SsRs 259/14 — P.K 78/14, BI. 168 d. A.; OLG Bamberg, Beschl. v. 04.08.2015 — 3 Ss OWi 874/15, juris).“

Den Betroffenen wird das nicht interessieren. Denn er ist/bleibt frei gesprochen 🙂 .

Wenn Zwei sich streiten, freut sich der Dritte, oder: Zuständigkeits-Ping-Pong bei der Blutentnahme

entnommen wikimedia.org Author PJ, User:Piko

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Die Kollegin Rueber hat in ihrem Blog – oder besser „hatte“ mal – die Rubrik bzw. eine lose Serie: „Wir überprüfen Stichwörter..“. Nun, ich meine, in die Rubrik passt ganz gut der OLG Oldenburg, Beschl. v. 20.06.2016 – 2 Ss (OWi) 152/16 -, über den ich jetzt berichten will. Der Beschluss hängt schon ein wenig länger in meinem Blogordner. Aber ich musste warten, bis der Kollege Gratz ihn gebracht hatte, da er mich auf den Beschluss hingewiesen hat, er also den Vortritt hatte :-). Nachdem der Beschluss beim Kollegen in der vergangenen Woche gelaufen ist (vgl. hier), kann ich ihn nun auch bringen.

Der Beschluss behandelt noch einmal den Richtervorbehalt bei der Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO), eine Problematik, um die es in der letzten Zeit still(er) geworden ist, die aber doch immer mal wieder aus der Veresnkung auftaucht. So auch im OLG Oldenburg, Beschl. mit einer sicherlich nicht alltäglichen Sachverhaltsgestaltung. Nämlich:

Der Betroffene hatte am 18.2.2015 um 15.05 Uhr nach Konsum von Cannabis öffentliche Straßen befahren. Er wurde im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle von der Polizei kontrolliert. In einen Drogenvortest hat der Betroffene eingewilligt. Nachdem dieser Test positiv war, sollte ihm auf der Dienststelle der Polizei eine Blutprobe entnommen werden. Der Betroffene willigte nicht ein, weshalb er über den Richtervorbehalt aufgeklärt wurde. Im Anschluss daran versuchte der Polizeibeamte, einen richterlichen Beschluss über die Blutprobenentnahme zu erlangen. Zu diesem Zweck rief er zunächst beim bereitschaftsdiensthabenden Richter am AG Meppen an. Dort wurde er unter Bezugnahme auf ein Urteil des LG Osnabrück, wonach das AG Osnabrück für die Anordnung der Blutprobenentnahme zuständig sei, an das AG Osnabrück verwiesen. Der dort bereitschaftsdiensthabende Richter teilte dem Polizeibeamten, dass er sich selbst nicht für zuständig halte, sondern dass vielmehr das AG Meppen zuständig sei und er sich daher mit der Sache nicht befassen werde. Nachdem seit der ersten Kontrolle nun bereits ca. eine Stunde verstrichen war, ordnete der Polizeibeamte unter Berufung auf Gefahr in Verzug die Blutentnahme selbst an, welche um 16.01 Uhr entnommen wurde. Diese ergab einen THC-Wert von 1,6 ng/ml. Der Betroffene ist vom AG wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG verurteilt worden. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde hatte beim OLG Erfolg. Dieses hat den Betroffenen frei gesprochen:

Die dem Betroffenen entnommene Blutprobe und das daraus resultierende Gutachten waren nicht verwertbar.

Die durch den Polizeibeamten pp. angeordnete Blutentnahme war wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt gemäß § 81 a StPO rechtswidrig. Dieser Verfahrensverstoß führt vorliegend auch zu einem Beweisverwertungsverbot, also zur Unverwertbarkeit des Ergebnisses der Blutuntersuchung.

Zwar hat nicht jeder Verstoß gegen eine Beweiserhebungsvorschrift ein Verwertungsverbot zur Folge. Vielmehr ist diese Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Verbotes und des Gewichtes des Verstoßes und der Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Dabei bedeutet ein Beweiserhebungsverbot die Ausnahme von dem Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind, die nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (vgl. BGHSt 44. Bd., 243, 249). Ein Beweisverwertungsverbot wird von der Rechtsprechung bei willkürlicher Vornahme einer Maßnahme ohne richterliche Anordnung und damit bewusstem Ignorieren des Richtervorbehalts oder gleichwertiger gröblicher Missachtung angenommen  (vgl. BGHSt 51, Bd., 285 ff.).

So ist es hier, wobei es die Gerichte selbst sind, die den Richtervorbehalt wirkungslos gemacht haben.

Nachdem der Polizeibeamte die Richter, die für die Entscheidung in Frage kamen (Richter am Sitz der Verwaltungsbehörde und Richter am Sitz der Staatsanwaltschaft) erreicht hatte, endete seine aus § 81 a Abs. 2 StPO i. V. m. § 46 OWiG abgeleitete Eilkompetenz. Sie lebte auch nach der Weigerung der angerufenen Richter, sich mit der Sache zu befassen, nicht wieder auf.

Für das Ende der Eilzuständigkeit der Ermittlungsbehörden gilt Folgendes:

Haben die Ermittlungspersonen – nach Abwägung der Umstände des konkreten Einzelfalls – das Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme von Gefahr in Verzug verneint und eine richterliche Durchsuchungsanordnung beantragt, endet mit der Befassung des Gerichts und der dadurch eröffneten Möglichkeit präventiven Grundrechtsschutzes durch den Richter die Eilzuständigkeit der Ermittlungsbehörden. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt, in dem das Gericht mit dem Antrag auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung befasst wird. Dies ist der Fall, wenn die Staatsanwaltschaft dem zuständigen Richter den Antrag tatsächlich unterbreitet hat, so dass dieser in eine erste Sachprüfung eintreten kann.

Auch soweit während des durch den Richter in Anspruch genommenen Entscheidungszeitraums nach dessen Befassung die Gefahr eines Beweismittelverlustes eintritt, etwa weil dieser auf ein mündlich gestelltes Durchsuchungsbegehren hin die Vorlage schriftlicher Antragsunterlagen oder einer Ermittlungsakte fordert, Nachermittlungen anordnet oder schlicht bis zum Eintritt der Gefahr eines Beweismittelverlusts noch nicht entschieden hat, lebt die Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden nicht wieder auf. Dies gilt unabhängig davon, aus welchen Gründen die richterliche Entscheidung über den Durchsuchungsantrag unterbleibt (BVerfG NJW 2015, 2787 ff).

Die Eilkompetenz lebt auch nicht wieder auf, wenn der mit der Sache befasste Richter eine Entscheidung nicht trifft. Der Annahme einer Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden im Fall des „mutwillig“ nicht entscheidenden Richters steht nämlich der Umstand entgegen, dass der Richter nicht befugt ist, durch den Verzicht auf eine Sachentscheidung über die Gewährung präventiven Grundrechtsschutzes zu disponieren. Er ist, wie alle Gerichte und Behörden, an das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege und das Gebot effek-tiver Strafverfolgung (Art. 20 Abs. III Grundgesetz) gebunden.

Ab dem Zeitpunkt seiner Befassung trägt grundsätzlich allein der Richter die Verantwortung für die Anordnung der Durchsuchung, so dass ihm auch die Abwägung und Entscheidung obliegt, ob und inwieweit durch den von ihm zu verantwortenden Prüfungsvorgang der Ermittlungserfolg gegebenenfalls gefährdet wird (BVerfG a.a.O.)

Zwar betrifft der vorliegende Fall nicht den verfassungsrechtlich, sondern lediglich den in § 81 a Abs. 2 StPO einfachrechtlich angeordneten Richtervorbehalt. Darüber hinaus ist es im vorliegenden Fall so, dass die angerufenen Richter noch nicht in eine Sachprüfung eingetreten waren, sondern schon ihre Zuständigkeit verneint hatten.

Das ändert aber in der Sache nichts:

Ein Richter, der nicht bereit ist, ohne Vorlage der Ermittlungsakte zu entscheiden, verweigert eine zeitnahe Entscheidung ebenso wie derjenige, der sich auf seine fehlende Zuständigkeit beruft. Da zweifellos entweder der Richter am Sitz der Verwaltungsbehörde oder der Richter am Sitz der Staatsanwaltschaft zuständig war, ist das Tätigwerden zumindest durch einen der beiden „mutwillig“ verweigert worden. Insofern besteht kein Unterschied zu den Sachverhalten, die der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde lagen.

Zwar ist der präventive Richtervorbehalt bei einer Verneinung der Zuständigkeit ebenso wenig wirksam, wie bei einem nicht erreichbaren Richter (vgl. hierzu: BVerfG 2 BvR 1596/10 u. 2 BvR 2346/10, juris), dennoch können diese Fälle nicht gleichgesetzt werden: Durch die Erreichbarkeit beider Richter war die weitere Entscheidung über die Anordnung der Blutentnahme in die Verantwortung der Gerichte übergegangen und damit den Ermittlungsbehörden entzogen. Wenn die Gerichte der ihnen zu-kommenden Verantwortung nicht gerecht werden, darf das nicht dazu führen, dass der Richtervorbehalt sanktionslos missachtet werden dürfte.

Aber auch der Umstand, dass hier nur der einfachrechtliche Richtervorbehalt verletzt worden ist, spricht nicht gegen ein Beweisverwertungsgebot.

Es ist nämlich nicht so, dass ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. StPO im nachfolgenden Strafverfahren keine verfassungsrechtliche Bedeutung erlangen kann. Es ist vielmehr zu prüfen, ob die maßgeblichen strafrechtlichen Vorschriften unter Beachtung des Fairnessgrundsatzes und in objektiv vertretbarer Weise, also ohne Verstoß gegen das allgemeine Willkürverbot (Art 3 Abs. 1 GG), ausgelegt und angewandt worden sind (BVerfG 2 BvR 2346/10, juris).

Vor diesem Hintergrund kommt auch nicht deshalb kein Beweiserhebungsverbot in Betracht, weil der Zuständigkeitsstreit zwischen den Amtsgerichten erstmals aufgeflammt wäre und die Verweigerung richterlichen Tätigwerdens nicht systematisch erfolgte, sondern „nur“ bis zu einer Entscheidung des den Amtsgerichten übergeordneten Landgerichtes. Wie sich nämlich aus den Feststellungen des angefochtene Urteils ergibt, hat das Landgericht in der Vergangenheit eine Entscheidung über die Zuständigkeit für derartige Fälle getroffen, ohne dass damit der negative Kompetenzkonflikt beigelegt worden wäre. Damit kommen die Gerichte der ihnen übertragenen Verantwortung in objektiv nicht nachvollziehbarer Art und Weise nicht nach.

Die Schwere des Verstoßes ergibt sich hier also nicht daraus, dass ein Polizeibeamter im Einzelfall die Voraussetzung des Richtervorbehalts verkannt oder nicht geprüft hat, sondern daraus, dass dessen Voraussetzungen aufgrund eines „Fehlers im System“ ungeprüft geblieben sind (OLG Hamm, Beschluss vom 12.03.2009, 3 Ss 31/09, juris).

Auch wenn hier – anders als bei der Entscheidung des OLG Hamm- möglicherweise keine langjährige Praxis vorliegt, liegt der Fehler im System darin, dass sich zwei Gerichte nicht über ihre Zuständigkeit einigen, was die Ermittlungsbehörden dem Dilemma aussetzt, die in der Sache gebotene Ermittlungsmaßnahmen  nicht ergreifen zu können. Die Lösung kann allerdings auch nicht darin bestehen, dass durch die Verweigerung der Gerichte  eine im Gesetz so nicht vorgesehene Eilzuständigkeit geschaffen wird. In einer Anmerkung von Dencker zur oben genannten Entscheidung des OLG Hamm (DAR 2009, 257, 263) heißt es:

„pp. Objektive Willkür dagegen liegt jedenfalls dann vor, wenn das zur Gesetzesanwendung berufene „System“ falsch eingestellt ist, also in einer Weise, die ein vom Gesetz abweichendes Vorgehen als den Normalfall vorprogrammiert“.

Der gesetzliche Normalfall ist aber die Entscheidung über die Anordnung einer Blutentnahme durch den Richter und nicht durch die Ermittlungsbehörden. So wäre es aber hier, wenn man -weil zwei Gerichte sich nicht einigen können- eine im Gesetz nicht vorgesehene Zuständigkeit zulassen würde.

M.E. passt das. Zum Schluss gibt es dann vom OLG noch eine kleine Entschuldigung (?) in Richtung Polizei:

„Der Senat verkennt nicht, dass diese Konsequenz für die Polizei frustrierend und demotivierend ist, sieht sich aber mit seinen Möglichkeiten nicht in der Lage, an dieser unhaltbaren Situation etwas zu ändern. Denkbar erscheint u.a., dass die zuständige Behörde im Wiederholungsfall versuchen könnte, nach Ablehnung der Anordnung durch das Amtsgericht, eine sofortige Entscheidung der zuständigen Beschwerdekammer zu erreichen.“

Da ist dann nur die Frage: Welche Beschwerdekammer ist zuständig 🙂 ?

Durchsuchung IV: Wenn Oberstaatsanwälte irren, Beweisverwertungsverbot, oder: Kein gesund Beten

© Spencer - Fotolia.com

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In der vergangenen Woche ist der Beitrag: Durchsuchung II: Nichts Neues zum Beweisverwertungsverbot, oder: Gesund beten, zum BGH, Urt. v. 17.02.2016 – 2 StR 25/15 – gelaufen. Dazu passt dann jetzt ganz gut der BGH, Beschl. v. 21.04.2016 – 2 StR 394/15, also auch vom 2. Strafsenat, der anders als der Senat im Beschl. v. 17.02.2015 zu einem Beweisverwertungsverbot kommt.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen eines Verstoßes gegen das BtM-Gesetz verurteilt. Dazu der BGH:

„Insoweit rügt der Beschwerdeführer zu Recht, dass sich das Landgericht bei seiner Überzeugungsbildung auf Beweise gestützt hat, die es nicht hätte verwerten dürfen, da sie bei einer Durchsuchung gewonnen worden waren, die unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt (§ 105 Abs. 1 Satz 1 StPO) durchgeführt wurden und daher rechtswidrig waren.

a) Folgendes liegt zugrunde: Am 14. Oktober 2013 bewahrte der Angeklagte L. E. in seinem in der Nähe seiner Wohnung abgestellten Fahrzeug der Marke Ford Sierra in einer in der Mittelkonsole versteckten Plastiktüte 93,07g Kokain mit einem Kokainhydrochloridanteil von 79,5% auf, das zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war.

b) Das Landgericht hat seine Überzeugung von diesem Sachverhalt trotz des Widerspruchs des Angeklagten gegen die Beweisverwertung in der Hauptverhandlung im Wesentlichen auf die bei der Durchsuchung des genannten Pkw erlangten Erkenntnisse und auf die Aussage der Ermittlungsbeamten gestützt. Zu dieser Durchsuchung kam es wie folgt:

Nachdem der Angeklagte L. E. am 4. Oktober 2013 vorläufig festgenommen worden war und sich sodann in Untersuchungshaft befand, stießen die Ermittlungsbeamten im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen wegen der am selben Tag begangenen gefährlichen Körperverletzung am 14. Oktober 2013 (Montag) zufällig auf einen weiteren, auf den Angeklagten L. E. zugelassenen und in dessen Wohnortnähe abgestellten Pkw, zu dem die passenden Fahrzeugschlüssel zuvor sichergestellt worden waren. Da die Ermittlungsbeamten vermuteten, dass sich in diesem Fahrzeug insbesondere die bei der Straftat verwendeten Tatwaffen befinden, informierten sie Oberstaatsanwalt , der als Vertreter der an sich zuständigen Dezernentin zuständig war. Oberstaatsanwalt , dem nicht bewusst war, dass die den Ermittlungen zugrunde liegende Straftat bereits zehn Tage zurücklag, ordnete wegen Gefahr in Verzug die sofortige Durchsuchung des Pkw des An- geklagten L. E. an, ohne zuvor zu versuchen, eine richterliche Anordnung zu erlangen; die Anordnung des Oberstaatsanwalts ist zudem weder schriftlich dokumentiert noch sind die die Dringlichkeit rechtfertigenden Tatsachen (schriftlich) begründet. Um 13.35 Uhr durchsuchten Ermittlungsbeamte den Pkw des Angeklagten L. E. und fanden dabei zufällig das versteckte Kokain; Tatwaffen fanden sie nicht.

c) Vor diesem Hintergrund unterliegen die aus der Durchsuchung erlang-ten Erkenntnisse – entgegen der Ansicht des Landgerichts – einem Beweisverwertungsverbot.

aa) Die montags am 14. Oktober 2013 um 13.35 Uhr durchgeführte Durchsuchung war wegen Missachtung des Richtervorbehalts rechtswidrig. Eine gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO grundsätzlich erforderliche richterliche Durchsuchungsanordnung lag nicht vor. Wie auch der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 19. Oktober 2015 zutreffend ausgeführt hat, rügt die Revision zu Recht, dass die Anordnung des Oberstaatsanwalts nicht auf einer rechtmäßigen Inanspruchnahme seiner sich aus § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO er-gebenden Eilkompetenz beruhte, weil Gefahr im Verzug objektiv nicht vorlag.

bb) Das Fehlen einer richterlichen Durchsuchungsanordnung führt hier zu einem Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der bei der Durchsuchung gewonnenen Beweismittel.

Die Annahme eines Beweisverwertungsverbots ist von Verfassungs wegen zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrens-verstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind, geboten (BVerfG, Beschluss vom 12. April 2005 – 2 BvR 1027/02, BVerfGE 113, 29, 61; Beschluss vom 16. März 2006 – 2 BvR 954/02, NJW 2006, 2684, 2686; Beschluss vom 20. Mai 2011 – 2 BvR 2072/10, NJW 2011, 2783, 2784). Ein solcher schwerwiegender Ver-stoß liegt aufgrund der oben geschilderten Umstände vor. Der Gesichtspunkt, wonach dem anordnenden Oberstaatsanwalt nicht bewusst gewesen sei, dass die den Ermittlungen zugrunde liegende Straftat bereits zehn Tage zurücklag, ändert an dieser Bewertung nichts. Unbeschadet dessen, dass eine solche Fehlvorstellung auf – nicht nachzuvollziehender – nicht vollständiger Information beruht hat, die der Sphäre der Ermittlungsbehörden zuzurechnen ist, kann die-ser Umstand es nicht rechtfertigen, dass noch nicht einmal der Versuch unternommen worden ist, an einem Werktag zu dienstüblichen Zeiten eine richterliche Entscheidung zu erlangen, zumal der Angeklagte sich in Untersuchungshaft befunden hatte.

cc) Anders als der Generalbundesanwalt meint, kann dem Aspekt eines möglichen hypothetisch rechtmäßigen Ermittlungsverlaufs (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 18. November 2003 – 1 StR 455/03, BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 4) bei – wie hier – solcher Verkennung des Richtervorbehalts keine Bedeutung zukommen (vgl. auch BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 295 f.; Beschluss vom 30. August 2011 – 3 StR 210/11, BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 8). Die Einhaltung der durch § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO festgelegten Kompetenzregelung könnte in diesen Fällen bei Anerkennung des hypothetisch rechtmäßigen Ersatzeingriffs als Abwägungskriterium bei der Prüfung des Vorliegens eines Beweisverwertungsver-bots stets unterlaufen und der Richtervorbehalt sogar letztlich sinnlos werden. Bei Duldung grober Missachtungen des Richtervorbehalts entstünde gar ein Ansporn, die Ermittlungen ohne Einschaltung des Ermittlungsrichters einfacher und möglicherweise erfolgversprechender zu gestalten. Damit würde das we-sentliche Erfordernis eines rechtstaatlichen Ermittlungsverfahrens aufgegeben, dass Beweise nicht unter bewusstem Rechtsbruch oder gleichgewichtiger Rechtsmissachtung erlangt werden dürfen (BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 296; Beschluss vom 30. August 2011 – 3 StR 210/11, BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 8).“

Wenn man so etwas doch nur häufiger lesen würde.

Durchsuchung II: Nichts Neues zum Beweisverwertungsverbot, oder: Gesund beten

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Als zweite Entscheidung zur Durchsuchung (vgl. vorhin schon den BGH, Beschl. v. 19.04.2016 – StB 10/16 und dazu Durchsuchung I: Durchsuchung des Verteidigers – darf das Gericht das?) eine Entscheidung vom 2. Strafsenat, nämlich das BGH, Urt. v. 17.o2.2016 – 2 StR 25/15. Es behandelt mal wieder die mit einem bei der Anordnung der Durchsuchung vorliegenden Verstoß gegen den Richtervorbehalt zusammenhängenden Fragen, vor allem die des Beweisverwertungsverbotes. Er enthält aber nichts wesentlich Neues zu der Frage: Der BGH hält an der seiner Linie (und der der h.M.) fest, dass Verstöße gegen den Richtervorbehalt nur dann zu einem Beweisverwertungsverbot führen, wenn dieser bewusst umgangen oder ähnlich schwerwiegend verletzt wird.

Zum Sachverhalt: Der Angeklagte war wegen Verstoßes gegen das BtmG einschlägig vorbestrafte nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis und erst einige Tage auf Bewährung aus der Strafhaft entlassen. Er führte am 29.12.2013 in einer verschlossenen Geldkassette im Auto einer Bekannten, die die Wegnahme des Fahrzeugs nicht bemerkt hatte, mindestens 100g Metamphetamin mit sich, das er zum Verkauf vorrätig gehalten hatte. Der Angeklagte fuhr an eine abgelegene Stelle, an der es bereits öfter zu kriminellen Handlungen und auch zu Verstößen gegen das BtMG gekommen war. Als ihn dort zwei Polizeibeamte einer Fahrzeugkontrolle unterziehen wollten, stieg der Angeklagte aus dem Fahrzeug aus und verriegelte es. Dann gelang ihm zu Fuß die Flucht.

Anschließend wurde das Fahrzeug zu einer Verwahrstelle abgeschleppt. Der Angeklagte bat seine Freundin, dorthin zu fahren, um den Rucksack abzuholen. Die Polizei verweigerte jedoch die Herausgabe. Stattdessen wurde das Fahrzeug gegen 03.15 Uhr durch Einschlagen einer Seitenscheibe geöffnet und der Rucksack entnommen. Im Rucksack befand sich u.a. der Entlassungsschein der JVA mit den Personalien des Angeklagten. Später wurde, ohne dass zuvor eine richterliche Anordnung eingeholt worden war, auch noch die Geldkassette aufgebrochen und das Metamphetamin aufgefunden. Das LG hat den den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit BtM in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt und dabei gegen den Widerspruch der Verteidigung die bei der Durchsuchung von Pkw und Geldkassette aufgefundenen Beweismittel vewertet. Die Revision des Angeklagten hatte keinen Erfolg.

Der BGH sagt: Für die Durchsuchung des Fahrzeugs und des Rucksacks, den der Angeklagte darin mitgeführt hatte, hat sich aus § 163b Abs. 1 Satz 3 StPO eine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage ergeben. Die spätere Öffnung und Durchsuchung der Geldkassette hat hingegen nicht mehr der Identitätsfeststellung gedient und sei deshalb nicht von § 163b Abs. 1 Satz 3 StPO gedeckt gewesen. Es habe sich um eine Durchsuchung im Sinne der §§ 102, 105 StPO gehandelt, die einer richterlichen Anordnung bedurft hätte. Aber:

„bb) Aus dem Verfahrensfehler ergibt sich jedoch kein Beweisverwertungsverbot.

Ob dies der Fall ist, muss nach der Rechtsprechung im Einzelfall auf-grund einer umfassenden Abwägung des Interesses der Allgemeinheit an der wirksamen Strafverfolgung mit dem Interesse des Betroffenen an der Einhaltung der Verfahrensvorschriften geprüft werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09, 1857/10, BVerfGE 130, 1, 27). Dies gilt auch für eine Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 289 ff.). Die Abwägung ergibt, dass der Verfahrensfehler die Rechte des Angeklagten bei der Beweis-gewinnung nicht erheblich beeinträchtigt hat und das Interesse an der Verwertung der in der Geldkassette gefundenen Sachbeweise überwiegt.

Dabei fällt ins Gewicht, dass es um den schwerwiegenden Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch den Angeklagten geht, der einschlägig vorbestraft ist. Nachdem seine Identität durch Auffinden des Entlassungsscheins aus der Justizvollzugsanstalt, aus der er bedingt entlassen worden war, bekannt war, ist auch anzunehmen, dass ein Ermittlungsrichter in dem Fall, dass ein Antrag auf Gestattung der Durchsuchung der Geldkassette gestellt worden wäre, höchstwahrscheinlich einen Durchsuchungsbeschluss erlassen hätte. Diese Möglichkeit der hypothetisch rechtmäßigen Beweiserlangung ist im Rahmen der Abwägung zu berück-sichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 291; Urteil vom 15. Februar 1989 – 2 StR 402/88, NStZ 1989, 375, 376 mit Anm. Roxin; KK/Bruns, StPO § 105 Rn. 21; krit. MünchKomm/Hauschild, StPO, 2014, § 105 Rn. 39; LR/Tsambikakis, StPO § 105 Rn. 149). Sie führt dazu, dass aus der ohne richterliche Gestattung erfolgten Durchsuchung kein Beweisver-wertungsverbot resultiert. Anhaltspunkte dafür, dass der Richtervorbehalt von den Ermittlungsbeamten bewusst missachtet wurde, liegen nicht vor.

Dieser Verfahrensfehler führe jedoch nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Die Abwägung des Interesses der Allgemeinheit an der wirksamen Strafverfolgung mit dem Interesse des Angeklagten an der Einhaltung der Verfahrensvorschriften ergebe, dass der Verfahrensfehler die Rechte des Angeklagten bei der Beweisgewinnung nicht erheblich beeinträchtigt hat und das Interesse an der Verwertung der in der Geldkassette gefundenen Sachbeweise überwiegt. Dabei falle ins Gewicht, dass es um den schwerwiegenden Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch den Angeklagten ging, der einschlägig vorbestraft ist. Nachdem seine Identität durch Auffinden des Entlassungsscheins aus der Justizvollzugsanstalt, aus der er bedingt entlassen worden war, bekannt war, sei auch anzunehmen, dass ein Ermittlungsrichter in dem Fall, dass ein Antrag auf Gestattung der Durchsuchung der Geldkassette gestellt worden wäre, höchstwahrscheinlich einen Durchsuchungsbeschluss erlassen hätte. Diese Möglichkeit der hypothetisch rechtmäßigen Beweiserlangung sei im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Schließlich lägen Anhaltspunkte dafür, dass der Richtervorbehalt von den Ermittlungsbeamten bewusst missachtet wurde, nicht vor.“

Ich habe so meine Probleme mit dieser Abwägungslehre der Rechtsprechung. Damit kann man alles „gesund beten“.

Beweisverwertungsverbot bei rechtswidriger Durchsuchung, oder: Schöne AG-Entscheidung

entnommen wikimedia.org Urheber ZngZng

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Im AG Kehl, Beschl. v. 29.04.2016 – 2 Cs 303 Js 19062/15 – geht es um die Voraussetzungen einer Durchsuchung von Gegenständen an einem angeblichen Kriminalitätsschwerpunkt, einem sog. gefährlichen Ort i.S. des § 26 Abs. 1 Nr. 2 BWPolG). Beantragt worden ist von der StA ein Strafbefehl wegen vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln. Dem Angeschuldigten wird vorgeworfen, er habe am 29.10.2005 über den Grenzübergang Kehl/Straßburg sieben Subutex-Tabletten mit einem Wirkstoffgehalt von je 8 mg Buprenorphin in das Bundesgebiet verbracht, ohne, wie er gewusst habe, im Besitz der für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis gewesen zu sein, strafbar als vorsätzliche unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG. Der Angeschuldigte war in der Allmendzeilstraße/Ecke Flurstraße in Kehl von zwei Polizeibeamten des Polizeireviers Kehl einer Personenkontrolle unterzogen worden. Dabei fragten die Polizeibeamten, denen der Angeschuldigte als Betäubungsmittelkonsument bekannt war, ob er damit einverstanden sei, dass seine mitgeführte Tasche durchsucht werde, was der Angeschuldigte bejahte. Bei der Durchsuchung wurde ein Blister mit sieben Subutex-Tabletten aufgefunden. In der Beschuldigtenvernehmung zum Vorwurf des Verstoßes gegen § 29 BtMG hatte der Angeschuldigte zugegeben, die Subutex-Tabletten zuvor in Straßburg gekauft zu haben. Das AG hat den Erlass des Strafbefehls abgelehnt. Begründung: Die in der Tasche des Angeschuldigten aufgefunden und sichergestellten Tabletten seien durch eine rechtswidrige Durchsuchung erlangt worden, deshalb bestehe ein Beweisverwertungsverbot:

Zur Durchsuchung der Tasche verneint das AG die Voraussetzungen nach § 30 Nr. 4 BWPolG, worauf sich die Polizeibeamten berufen hatten. Bei dem „Durchsuchungsort“ handele es sich nicht um einen gefährlichen Ort im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2 BWPolG. Und: Selbst wenn es sich tatsächlich um einen gefährlichen Ort im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2 BWPolG handeln sollte, bedeutet dies – so das AG – nicht, dass damit ohne Weiteres auch eine Durchsuchung von Gegenständen des Angeschuldigten gemäß § 30 Nr. 4 BWPolG zulässig wäre. Denn:

„Bei der Durchsuchung von Sachen, die eine Person mit sich führt, deren Identität nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 BWPolG festgestellt werden darf, sind unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne strengere Anforderungen an die Höhe der abstrakten Gefahr zu stellen als bei der bloßen Identitätskontrolle. …… Es bedarf deshalb einer erhöhten abstrakten Gefahr, die das Einschreiten gegen eine konkrete Person rechtfertigt. Der bloße Aufenthalt an einem gefährlichen Ort genügt dafür nicht. Es müssen zusätzliche und als solche hinreichend greifbare Erkenntnisse hinzutreten, die die Annahme rechtfertigen, dass die betroffene Person im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2 BWPolG tätig ist, also sich an diesem Ort als Straftäter verbirgt, Straftaten verabredet, vorbereitet oder verübt, sich ohne erforderlichen Aufenthaltstitel oder ausländerrechtliche Duldung mit anderen trifft oder der Prostitution nachgeht, ohne dass jedoch die Anforderungen dafür überspannt werden dürfen (vgl. die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs a.a.O.).

Nach dieser Maßgabe waren die im Verhältnis zu § 26 Abs. 1 Nr. 2 BWPolG gesteigerten Voraussetzungen des § 30 Nr. 4 BWPolG bei dem Angeschuldigten nicht erfüllt. Es liegen keine Erkenntnisse dazu vor, dass hinsichtlich des Angeschuldigten eine erhöhte abstrakte Gefahr hinsichtlich der besonderen Verhaltensweisen des § 26 Abs. 1 Nr. 2 BWPolG gegeben war, insbesondere ergeben sich solche Erkenntnisse nicht aus der Stellungnahme der Polizei vom 08.03.2016, in der als Rechtsgrundlage der Durchsuchung der Tasche des Angeschuldigten ausdrücklich § 30 Nr. 4 BWPolG i.V.m. § 26 Abs. 1 Nr. 2 BWPolG genannt wird. Im Gegenteil ist der Angeschuldigte lediglich als Konsument von Betäubungsmitteln polizeilich bekannt, wobei er sich die Betäubungsmittel vornehmlich in Straßburg besorgt.“

Und zur Einwilligung des Angeschuldigten:

„(3) Die fehlende Rechtsgrundlage wird nicht durch die Zustimmung des Angeschuldigten in die Durchsuchung seiner Tasche ersetzt. Die Einwilligung des Angeschuldigten ist nämlich unwirksam. …..

(b) Diesen Anforderungen wird die Einwilligung des Angeschuldigten in die Durchsuchung nicht gerecht. Die Polizeibeamten haben den Angeschuldigten lediglich gefragt, ob er etwas dagegen habe, wenn seine Tasche durchsucht werde, was der Angeschuldigte verneinte. Eine Erklärung der Polizeibeamten über die Rechtsgrundlage erfolgte nicht, ebenso wenig der Hinweis, dass die Durchsuchung allein von der Zustimmung des Angeschuldigten abhängt.“

Und zum Beweisverwertungsverbot:

„Die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung der Tasche des Angeschuldigten führt zum Verbot der Verwertung der aufgefundenen Subutex-Tabletten als Beweismittel im Strafverfahren gegen ihn.

(1) Zwar führt nicht jede rechtswidrige Durchsuchung zur Unverwertbarkeit aufgefundener Beweismittel. Vorliegend ist aber aufgrund des Schweregrades der Rechtswidrigkeit und der wegen Fehlens jeglicher Dokumentation der Umstände, insbesondere der Rechtsgrundlage und der die Durchsuchung rechtfertigenden Tatsachen, gegebenen objektiven Willkürlichkeit der Maßnahme im Hinblick auf die Geringfügigkeit der dem Angeschuldigten zur Last gelegten Straftat von einem Beweisverwertungsverbot auszugehen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Einleitung, Rn. 55 ff., und § 94, Rn. 21). Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, dass die Polizeibeamten annahmen, rechtmäßig zu handeln, und die Maßnahme auf Aufforderung der Staatsanwaltschaft nachträglich begründeten, nachdem das Gericht bereits Zweifel an der Rechtmäßigkeit und der Verwertbarkeit der aufgefundenen Beweismittel äußerte.

(2) Das Beweisverwertungsverbot ist bereits jetzt bei der Entscheidung über den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zu berücksichtigen, auch wenn es womöglich tatsächlich erst zum Tragen kommt, wenn gegen die Verwertung Widerspruch erhoben wird (sogenannte Widerspruchslösung, siehe dazu Eschelbach in Beck’scher Online-Kommentar StPO, a.a.O., § 257, Rn. 20). Denn es ist bereits jetzt damit zu rechnen, dass entweder der Angeschuldigte selbst nach entsprechender richterlicher Belehrung oder ein Verteidiger der Verwertung widersprechen wird. Dies ist der Bewertung der Verurteilungswahrscheinlichkeit zugrunde zu legen.“

Schöne Entscheidung – liest man selten …..