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„durch die Diskussion mit seinem impertinenten Vater“, oder: Die „Gesamtschau reicht für Besorgnis der Befangenheit

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So ganz häufig sind ja Entscheidungen des BGH zur Besorgnis der Befangenheit nicht. Und wenn der BGH entscheidet, haben die in der Instanz gestellten Ablehnungsanträge meist Erfolg. Der BGH scheint, was die Fragen des § 24 StPO angeht, dann doch etwas sensibler als die Tatgerichte zu sein. Ein „schönes“ Beispiel ist der BGH, Beschl. v. 28.02.2018 – 2 StR 234/16. Ergangen ist er auf die Revision eines Angeklagten gegen ein Urteil des LG Frankfurt/Main. Das LG hat den Angeklagten wegen Mordes in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition und Besitz von Munition, zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Außerdem hat es die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Also schon ein richtiger Hammer.

Aber: Die Revision hat mit der Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 3 StPO – Mitwirkung eines abgelehnten Richters – Erfolg. Dazu stellt der BGH – man muss etwas weiter ausholen – Folgendes fest:

„1. a) Den abgeurteilten Taten war eine „Vortat“ vorausgegangen:

Der aus Afghanistan stammende Angeklagte war am 11. November 2007 in einen Streit mit seinem Landsmann P. um die Nutzung eines Fahrzeugstellplatzes geraten. Sie hatten ein Treffen vereinbart und waren jeweils davon ausgegangen, dass es zu einer Auseinandersetzung kommen würde. P. hatte deshalb seinen Schwager A. mitgenommen; beide hatten sich mit Schlagwerkzeugen und zumindest einem Messer bewaffnet. Der Angeklagte hatte seinen Sohn Y. S. , einen Boxsportler, sowie seinen Bruder A. S. , der „stark sehbehindert und kriegsversehrt“ war, zum Tatort mitgebracht. Dort war es zu Tätlichkeiten gekommen, bei denen A. S. durch einen Messerstich tödlich verletzt worden war und der Angeklagte sowie sein Sohn Stichverletzungen davongetragen hatten. P. und A. waren deshalb strafrechtlich verfolgt worden. Der Angeklagte hatte widersprüchliche Zeugenaussagen gemacht und auf das Aussageverhalten seines Sohnes Einfluss genommen. Auch deshalb waren P. und A. vom Landgericht – unter Mitwirkung des im vorliegenden Verfahren abgelehnten Vorsitzenden – durch Urteil vom 9. September 2008 freigesprochen worden, weil Notwehr oder Nothilfe nicht ausgeschlossen werden konnte.

Die Familie des Angeklagten ging von dessen Mitverschulden am Tod seines Bruders aus. Er versuchte sich zu entlasten, indem er P. und A. die ganze Schuld zuschob. Solange sich diese in Untersuchungshaft befanden, „stützte dies die Darstellung des Angeklagten.“ Dieses Bild änderte sich durch die Freisprechung von P. und A. und deren Entlassung aus der Untersuchungshaft. Danach geriet der Angeklagte zunehmend in Misskredit.

b) Durch Urteil des Senats vom 17. Juni 2009 – 2 StR 105/09 – wurde das freisprechende Urteil wegen Rechtsfehlern in der Beweiswürdigung aufgehoben. Die Sache wurde an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. Diese war überlastet, weshalb die neue Hauptverhandlung erst am 9. Dezember 2014 begann.

c) Vor diesem Hintergrund beschloss der Angeklagte, „Selbstjustiz“ zu üben, um sich in seinem sozialen Umfeld in ein besseres Licht zu rücken. Er beschaffte sich eine Selbstladepistole nebst Munition; außerdem verfügte er über ein Jagdmesser. Er wollte P. und A. am zweiten Verhandlungstag vor dem Gebäude des Landgerichts abpassen und dort töten. „Für eine Begehung der Tat vor dem Gerichtsgebäude sprach zuletzt, dass die Tat hierdurch noch den Charakter einer öffentlichen Hinrichtung erhielt.“ Die Tötung sollte ihn „retrospektiv wieder ins Recht setzen.“

Die erneute Hauptverhandlung gegen P. und A. begann am 22. Januar 2014. Dem als Zeugen geladenen Angeklagten wurde mitgeteilt, dass er am nächsten Verhandlungstag, dem 24. Januar 2014, nicht erscheinen müsse. P. und A. kamen an jenem Tag gegen 8.45 Uhr vor dem Gerichtsgebäude an und rechneten nicht mit einem Angriff auf ihr Leben. Der Angeklagte hielt sich unter einer Vielzahl von wartenden Besuchern verborgen. Dann gab er in rascher Folge Schüsse auf P. ab, der zu Boden ging. Der Angeklagte verfolgte den fliehenden A. in den Eingangsbereich des Gerichtsgebäudes, wo er diesen mit Schüssen und Messerstichen tötete, um danach den schwerverletzten P. mit Messerstichen zu töten.

2. Darin hat das Landgericht einen Heimtückemord in zwei Fällen gesehen. Es ist auch von einer Tötung aus niedrigen Beweggründen ausgegangen. „Selbstjustiz“ könne „nicht nur deshalb als besonders verwerflich eingestuft werden, weil der Täter aus einem Kulturkreis stammt, in dem der Gesichtspunkt der „Blutrache“ bis heute relevant ist.“ Jedoch sei bei einer Gesamtbetrachtung, auch mit Blick auf das „Gewicht und nähere Umstände der Vortat“, davon auszugehen, dass die Beweggründe des Angeklagten auf tiefster Stufe stünden. „Auch die Umstände der justiziellen Aufarbeitung“ sprächen „entschieden gegen den Angeklagten.“ Er aber habe „der Justiz die Behandlung der Sache durch seine Tat ganz bewusst aus der Hand“ genommen.

II.

Die Revision hat mit der Verfahrensrüge Erfolg. Das Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden der Schwurgerichtskammer wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß § 24 Abs. 2 StPO ist mit Unrecht verworfen worden (§ 338 Nr. 3 StPO).

1. Dem liegt Folgendes zu Grunde:

a) Zu Beginn der Hauptverhandlung lehnte der Angeklagte den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Dies stützte er auf dessen frühere Mitwirkung an dem Freispruch von P. und A. , weiterhin auf Rechtsfehler in jenem Urteil und dem zugrunde liegenden Verfahren, außerdem auf eine mittelbare Verursachung des Tatentschlusses des Angeklagten durch den Freispruch, ferner auf Bemerkungen des Vorsitzenden in einem anderen Verfahren über „Selbstjustiz“ sowie vor allem auf abwertende Bemerkungen über seine Persönlichkeit im freisprechenden Urteil vom 9. September 2008.

Dabei ging es im Einzelnen um Folgendes:

Bei der Urteilsbegründung in einer anderen Strafsache hatte der abgelehnte Vorsitzende kurz nach der Tat des Angeklagten unter anderem geäußert: „Selbstjustiz ist durch die Tat vom vergangenen Freitag nicht salonfähig geworden und wem das nicht passt, der soll dahin gehen, wo das anders ist.“ Diese Äußerung wurde in einem Zeitungsartikel der F. unter der Überschrift „Formen der Selbstjustiz“ zitiert.

In dem Urteil, mit dem P. und A. freigesprochen worden waren, hatte die Schwurgerichtskammer unter Mitwirkung des abgelehnten Vorsitzenden zu der Zeugenaussage des Angeklagten angemerkt: „Den Angaben von H. S. kann nicht gefolgt werden, weil diese ebenfalls teilweise widerlegt und im Übrigen widersprüchlich sind … .“ Im Zusammenhang mit der Zeugenaussage seines Sohnes wurde angemerkt: „Hierbei kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Erinnerung des Y. S. – ohne böse Absicht – durch die Diskussion mit seinem impertinenten Vater so verfremdet hat, dass er die Ereignisse nicht mehr so wiedergeben kann, wie sie tatsächlich geschehen sind.“

Außerdem hatte das Urteil auf das Verhalten des Angeklagten in einem früheren Gerichtsverfahren wie folgt verwiesen: „Dass H. S. andere zu falschen Aussagen zu bestimmen versucht, ist diesem ebenfalls nicht persönlichkeitsfremd. Er hatte nämlich bereits 2003 vor dem Frankfurter Amtsgericht einen gedungenen Zeugen für sich falsch aussagen lassen.“ Das in Bezug genommene Urteil des Amtsgerichts hatte die Zeugenaussage eines Verwandten des Angeklagten infrage gestellt und dazu bemerkt: „Es drängt sich daher der zwingende Verdacht auf, dass es sich hier um einen Zeugen handelt, der die Unwahrheit vor Gericht gesagt hat.“

b) Der abgelehnte Vorsitzende erklärte dienstlich zu dem Ablehnungsgesuch, dass die Äußerungen im freisprechenden Urteil zugunsten von P. und A. nicht mit der Absicht einer Herabsetzung des Angeklagten verbunden gewesen seien. Seine in der Zeitung – für sich genommen zutreffend – zitierte Äußerung sei aus dem Zusammenhang gerissen worden. Sie sei auf das damalige Verfahren bezogen gewesen und habe nichts mit einer ethnopolitischen Einstellung zu tun. Da es hiernach um eine „bloße Vorbefassung“ mit der Sache gehe, habe er von einer Anzeige nach § 30 StPO abgesehen.

c) Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch als unbegründet verworfen.

Dem BGH reicht es. Er bejaht die Besorgnis der Befangenheit – mehr muss nicht vorliegen! Denn: Erforderlich ist eine Gesamtschau aller vom Angeklagten vorgetragenen Umstände. Die Aspekte seien zwar nicht isoliert, aber in ihrem Zusammenwirken geeignet, die Richterablehnung zu rechtfertigen. Dem kann/ist m.E. nichts hinzuzufügen.

Terminsverlegung, oder: Da hat noch mal einer die Kurve gekriegt bzw: Der macht das nie wieder so…

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Und auch die zweite Sache, die ich heute hier vorstellen möchte, hat ihren Ausgang in einer Diskussion unter Verteidigern. Es geht ebenfalls um eine Terminsverlegung, und zwar in einem Bußgeldverfahren wegen einer Abstandsunterschreitung. Der Betroffene ist Arzt und hat an zu dem terminierten Zeitpunkt OP-Termine, die Verteidigerin hat einen Arzttermin mit ihrer minderjähringen Tochter. Der Verlegungsantrag wird abgelehnt. Dagegen die Beschwerde und ein Befangenheitsantrag, über den dann jetzt das AG Mannheim im AG Mannheim, Beschl. v. 06.03.2018 – 32 OWi 500 Js 30963/17 – entschieden hat. Der Befangenheitsantrag wird abgelehnt, aber:

„Nach § 24 Abs. 2 StPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nähme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Maßgebend ist dabei der Standpunkt eines vernünftigen Betroffenen und die Vorstellungen, die sich ein geistig gesunder, bei voller Vernunft befindlicher Prozessbeteiligter bei der ihm zumutbaren ruhigen Prüfung der Sachlage machen kann (so ausdrücklich OLG Frankfurt vom 03.01.2012 – 2 WS 166/11 – m.w.N., zitiert nach juris). Geht es, wie vorliegend, um die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung, ist dabei zunächst davon auszugehen, dass die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit begründet, weil diese nur beim Vorliegen erheblicher Gründe in Betracht kommt. Anders ist es jedoch dann, wenn erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung offensichtlich vorliegen, die Zurückweisung des Antrags für die betreffende Partei schlechthin unzumutbar wäre und somit deren Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzte oder sich aus der Ablehnung der Terminsverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdrängt (Brandenburgisches OLG vom 13.11.2014 – 10 WF 113/14 zitiert nach juris).

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, könnte bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung und Gesamtbetrachtung des Sachverhalts zunächst ein solcher Ausnahmefall in Betracht gekommen sein, da der abgelehnte Richter bei – der tatsächlich gegebenen Unlesbarkeit des per Fax übermittelten Auszugs aus dem Terminkalender des Betroffenen – die Verteidigung hierauf hätte hinweisen und eine lesbare Kopie anfordern können. Weiter hätte der abgelehnte Richter die Verteidigerin um nähere Konkretisierung des vorgetragenen Arztbesuchs der minderjährigen Tochter der Verteidigerin bitten können.

Allerdings hat der abgelehnte Richter nach Kenntnisnahme der mit Schriftsatz vom 05.02.2018 eingelegten Beschwerde mit Beschluss vom 06.02.2018 den Termin vom 07.02.2018 mit der Begründung „Verhinderung eines Beteiligten“ aufgehoben. Dieser Umstand zeigt, dass der abgelehnte Richter sich im Ergebnis der Argumentation der Verteidigung angeschlossen hat und es ihm mit der ursprünglichen Entscheidung, die beantragte Terminsverlegung abzulehnen, nicht darum ging, das Grundrecht des Betroffenen auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren zu missachten. Der Beschluss, mit dem der Termin vom 07.02.2018 aufgehoben wurde, belegt vielmehr, dass der abgelehnte Richter gegenüber dem Betroffenen keine innere Haltung eingenommen hat, die bei verständiger Würdigung des Gesamtsachverhalts Anlass zu Zweifeln an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit von Richter Ppp. begründen. Falls tatsächlich aufgrund der ursprünglich abgelehnten Terminsverlegung bei dem Betroffenen Anhaltspunkte vorlagen, die dem Betroffenen unter dem Gesichtspunkt des § 24 StPO Anlass zur Sorge hätte bieten müssen, sind diese jedenfalls durch die am 06.02.2018 erfolgte Terminsverlegung ausgeräumt.“

Wenn ich es richtig lese/deute: Der Befangnheitsantrag wäre wahrscheinlich erfolgreich egwesen, wenn der Richter den Hauptverhandlungstermin nicht doch aufgehoben hätte. Also inosfern „die Kurve (noch) gekriegt“. Und die Worte des Kollegen sind dann doch recht deutlich. Von daher: „Der macht das nie wieder…“. Hoffentlich.

Gut (?) Ding, will (lange) Weile haben, oder: Sieben Monate beim BGH ist auch in einer Haftssache nicht so schlimm

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So, Schluss mit lustig/Karneval. Das – Schluss mit lustig – hatte sich ein Verteidiger in einem Revisionsverfahren beim BGH gedacht. Die Revision war dort am 04.05.2017 eingegangen, der Verteidiger/Angeklagte hatte von der Sache bis Jahresende nichts gehört. Am 13.12.2107 hat ihm die Berichterstatterin dann mit mitgeteilt, dass nicht beabsichtigt sei, aufgrund einer Hauptverhandlung zu entscheiden und: Beraten werden soll in der 2. KW. 2018. Der Angeklagte, der sich in Haft befindet, hat daraufhin den gesamten 1. Strafsenat des BGH wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Begründung: Eine Bearbeitung des Verfahrens seit Eingang am 04.05.2017 beim BGH sei – auch in Anbetracht der Inhaftierung des Angeklagten – nicht erfolgt. Aus Sicht des Angeklagten stelle sich die Situation so dar, dass die abgelehnten Richter die Revision des Angeklagten zwar am 04.05.2017 zur Kenntnis genommen und sowohl den Gegenstand des Urteils wie den Inhalt der Angriffe erfahren, gleichwohl bis zum 13.12.2017 auch in Kenntnis der Inhaftierung des Angeklagten nicht daran gearbeitet hätten.

Dazu dann der 1. Strafsenat im BGH, Beschl. v. 23.01.2018 – 1 StR 36/17. Fazit: (natürlich) keine Besorgnis der Befangenheit, denn:

2. Ausgehend von diesen Maßstäben liegt gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum kein Ablehnungsgrund vor.

Bei dem vorliegenden Revisionsverfahren handelt es sich um ein sehr komplexes und umfangreiches Verfahren, bei dem ohne weiteres erkennbar ist, dass bereits die Vorbereitung der Senatsberatung erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand erfordert. Dies zeigt sich schon am Umfang der Verfahrensakten des Revisionsverfahrens mit zehn Leitz-Ordnern, die neben dem angefochtenen Urteil mit 1.000 Seiten Revisionsbegründungen mit einer Vielzahl von Verfahrens- und Sachrügen sowie Anträgen des Generalbundesanwalts und Gegenerklärungen von Verfahrensbeteiligten enthalten. Bei einem solch komplexen Verfahren besteht für einen Angeklagten bei vernünftiger Würdigung der gegebenen Sachlage – auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich um eine Haftsache handelt – kein Grund zur Annahme, der Senatsvorsitzende habe ihm gegenüber eine innere Haltung eingenommen, die seine Unparteilichkeit oder Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Dies gilt auch dann, wenn – wie hier – dem Angeklagten bei einer im Mai 2017 beim Revisionsgericht eingegangenen Sache vor Dezember 2017 kein Sachstand mitgeteilt wird und dann eine Senatsberatung über die Sache erst im Januar 2018 ins Auge gefasst wird.

III.

Die Ablehnung der Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Hohoff wegen Besorgnis der Befangenheit ist nach den bereits dargestellten Maßstäben ebenfalls unbegründet.

Die abgelehnte Richterin ist in dem Revisionsverfahren Berichterstatterin. In ihrer dienstlichen Äußerung vom 11. Januar 2018 zu dem Ablehnungsgesuch hat sie darauf hingewiesen, im Rahmen der Vorbereitung der Beratung des Senats über die Revisionen festgestellt zu haben, dass das an den Senat gerichtete Schreiben des Verteidigers des Mitangeklagten, Rechtsanwalt K. , bislang noch nicht beantwortet worden sei. In seinem Schreiben habe  K.   um einen Hinweis für den Fall gebeten, dass der Senat nicht beabsichtigte, über die Revision seines Mandanten aufgrund einer Hauptverhandlung zu entscheiden. Dieser Bitte sei sie in Absprache mit dem Vorsitzenden durch das Schreiben vom 13. Dezember 2017 nachgekommen.

In dieser Stellungnahme wird deutlich, dass die Beantwortung des Schreibens des Verteidigers des Mitangeklagten seitens der Berichterstatterin deswegen am 13. Dezember 2017 erfolgte, weil sie im Rahmen der Vorbereitung der Beratung des Senats über die Revisionen festgestellt hatte, dass das Schreiben bislang nicht beantwortet wurde. Die sachgerechte Beantwortung dieser Anfrage erforderte bereits eine umfängliche Vorprüfung des unterbreiteten revisionsrechtlichen Sachverhalts. Bei verständiger Würdigung dieser Umstände besteht für den Angeklagten daher kein Grund zu der Annahme, die abgelehnte Richterin habe ihm gegenüber eine innere Haltung eingenommen, welche ihre Unparteilichkeit oder Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Angesichts der Komplexität des Revisionsverfahrens mit dem sich hieraus für die Berichterstatterin ergebenden zeitlichen Aufwand bei der Vorbereitung der Senatsberatung besteht für den Angeklagten bei verständiger Würdigung des Sachverhalts auch im Hinblick darauf, dass die Sache als Haftsache bereits im Mai 2017 beim Senat eingegangen ist, kein Grund für Misstrauen in die Unparteilichkeit der abgelehnten Richterin. Gleiches gilt für den Umstand, dass der zunächst vorgesehene Beratungstermin aus dienstlichen Gründen um eine Beratungswoche verschoben werden musste.“

Wenn man es so liest – „Umfang der Verfahrensakten des Revisionsverfahrens mit zehn Leitz-Ordnern, die neben dem angefochtenen Urteil mit 1.000 Seiten Revisionsbegründungen mit einer Vielzahl von Verfahrens- und Sachrügen sowie Anträgen des Generalbundesanwalts und Gegenerklärungen von Verfahrensbeteiligten“ -, hat man den Eindruck, der 1. Strafsenat habe Tag und Nacht an der Revision gearbeitet. Das lassen wir mal dahin gestellt.

Für mich stellen sich allerdings zwei Fragen:

1. Wie wird der BGH diese rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung „wieder gut machen“/entschädigen?

2. Was macht das KG, das mit der Haftbeschwerde der inhaftierten (!) Angeklagten befasst ist?

 

Kinderbeaufsichtigung im Beratungszimmer, oder: Besorgnis der Befangenheit?

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Bei der zweiten amtsgerichtlichen Entscheidung, die eine Ablehnungsfrage zum Gegenstand hat, handelt es sich um den AG Bielefeld, Beschl. v. 05.12.2017 – 39 Ds-6 Js 42/17-824/17. In ihm geht es letztlich auch um Terminschwierigkeiten. Das AG und der Verteidiger haben nach einem Termin, der wegen Verhinderung eines Zeugen ausgefallen ist, „die Enden nicht wieder zusammen bekommen“. Der Angeklagte hat dann das Mandant zu seinem ursprünglichen Verteidiger beendet. Ein weiterer Verteidiger hat dann einen Ablehnungsantrag gestellt und den wie folgt begründet: „Während des Termins vom 29.08.2017 habe sich ein Schulkind zur Beaufsichtigung der Richterin im Beratungszimmer bei geöffneter Tür befunden. Die Verteidigung nimmt insoweit auf die Entscheidung des BGH in dem Verfahren 2 StR 228/17 Bezug. Zudem werde die Verteidigung durch die Terminsverfügungen der Richterin ausgeschlossen. …). Der Antrag hat beim AG keinen Erfolg. Zur Kinderbeaufsichtigung heißt es:

„Auch der Umstand, dass sich während des Termins vom 29.08.2017 ein Schulkind – der 9-jährige Sohn der Richterin – im Beratungszimmer aufhielt und die Richterin die Tür zum Sitzungssaal geöffnet hielt, führt nicht zu ihrer Befangenheit Allerdings trifft es zu, dass dann, wenn der Richter der Sitzung nicht die volle Aufmerksamkeit widmet, sondern sich parallel privaten Aufgaben zuwendet, eine Befangenheit angenommen werden kann. Dies hat der BGH etwa für die private Handy-Nutzung während der Sitzung bejaht (vgl. BGH 2 StR 228/14). Dieser Fall unterscheidet sich aber von dem vorliegenden. Denn die Richterin war Im vom BGH entschiedenen Fall die Beisitzerin; sie nutzte das Handy während der laufenden Sitzung, Der hier vorliegende Fall ist eher damit zu vergleichen, dass das Handy auf Rufbereitschaft gestellt wird und gelegentlich aufs Handy geschaut wird. Denn wenn ein 9-jähriges Kind allein im Beratungszimmer spielt, weil an dem Tag die Kinderbetreuung nicht gewährleistet werden konnte, lenkt das als solches die Aufmerksamkeit der Richterin nicht ab. Dies wäre erst dann der Fall – ähnlich der Nutzung des Handys – wenn konkreter Betreuungsbedarf besteht. Dies war aber offensichtlich nicht der Fall. Die bloße beiläufige Überwachung des Sitzungszimmers führt aber nicht zu einer Reduzierung der Aufmerksamkeit in der Hauptverhandlung. Der weitere Antrag vom 27.11.2017 enthält keine weiteren Argumente und war deshalb ohne erneute dienstliche Stellungnahme zurückzuweisen. Einzig der Umstand, dass die dienstliche Äußerung inhaltsleer gewesen sei, wird zusätzlich vorgetragen. Die dienstliche Stellungnahme ist zwar kurz, aber keinesfalls inhaltsleer.“

Na, ich habe erhebliche Zweifel, ob das aus der zitierten BGH-Entscheidung folgt. Denn m.E. stellt der BGH in seiner Entscheiung – für mich zutreffend – darauf ab, dass die dort abgelehnte Richterin offenbar bereit gewesen sei, ihre private Kommunikation über ihre dienstliche Pflicht zur Aufmerksamkeit in der Hauptverhandlung zu stellen. Was unterscheidet den Fall von dem hier vom AG Bielefeld entschiedenen, in dem während der Hauptverhandlung das Kind im Beratungszimmer beaufsichtigt wird.

Eine ganz andere Frage ist, ob der Antrag nach so langer Zeit überhaupt noch zulässig oder ob der vorgetragene Grund nicht verspätet (vorgetragen) war.

Nachträgliche Terminskollision, oder: Wenn die Amtsrichterin die Terminsverlegung nicht will, befangen

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Heute dann drei amtsgerichtliche Entscheidungen, zwei davon befassen sich mit Ablehnungsfragen (§§ 24 ff. StPO). Ich eröffne mit dem AG Wuppertal, Beschl. v. 05.12.2017 – 28 OWi 623 Js 1805/17 (131/17), den mir der Kollege T.F. Schubert aus Marl während meines Urlaubs übersandt hat.

Es geht um die in der Praxis immer wieder auftretenden und Schwierigkeiten bereitenden Fragen der Terminsverlegung; dass sie Schwierigkeiten machen, zeigen die vielen Postings zu der Problematik in der Facebook-Gruppe: „Fachanwälte für Strafrecht….“. Ausgangspunkt der Entscheidung ist folgender Sachverhalt:

Mit Verfügung der Abteilungsrichterin vom 12.11.2017 ist zunächst Termin zur Durchführung der Hauptverhandlung auf Mittwoch, den 24.01.2018 bestimmt worden. Nachdem ein für diese Hauptverhandlung geladener Zeuge mitgeteilt hat, dass er diesen Termin nicht wahrnehmen könne, da es sich zum Termintage in Urlaub befinde, hat die Abteilungsrichterin den Termin mit Verfügung vom
22.11.2017 auf den 06.12.2017 vorverlegt. Dies geschah, nachdem dieser Termin mit dem Sekretariat des Verteidigers abgesprochen war. Das EB des Verteidigers ist am 24.11.2017 hinsichtlich der Umladung unterzeichnet worden. Mit Schriftsatz vom 28. November hat der Verteidiger sodann beantragt, den Termin vom 6. Dezember aufzuheben. Zur Begründung hat er vorgetragen und anwaltlich versichert, er habe im Rahmen einer Pflichtverteidigung vor dem Landgericht Essen am 28.11.2017 einen Fortsetzungstermin für den 06.12.2017 um 9:15 Uhr erhalten. Auch könne im hiesigen Verfahren ein Kollege der Anwaltskanzlei nicht einspringen, da diese entweder urlaubsabwesend oder durch andere Termine gebunden seien. Mit Verfügung der Abteilungsrichterin vom 30.11.2017 wurde dem Verteidiger mitgeteilt, dass der Termin vom 06.12.2017 bestehen bleibe. Die Ladung sei ihm am 24. November zugegangen. Die Ladung des Termins, wegen dem Verlegung beantragt worden sei, sei aber erst am 28.11.2017 erfolgt. Ergänzend hat die Abteilungsrichterin mitgeteilt, dass der Verteidiger abwägen möge, ob er den Termin am 06.12.2017, bei dem kein Anwaltszwang herrsche, wahrnehmen wolle. Mit weiterem Schriftsatz des Verteidigers vom 01.12.2017 hat er dann nochmals darauf hingewiesen, dass der Fortsetzungstermin in Essen erst in der Hauptverhandlung am 28.11.2017 festgesetzt worden sei und er als Pflichtverteidiger diesen auch wahrnehmen müsse. Er halte diesen Termin auch für vorrangig. Erneut bat er um Aufhebung des Termins am 06.12.2017. Mit Verfügung der Abteilungsrichterin vom 01.12.2017 wurde dem Verteidiger mitgeteilt, dass der Termin bestehen bleibe. Eine weitergehende Begründung erfolgte nicht.

Das AG macht dann Ernst mit den §§ 24 ff. StPO und sieht den Ablehnungsantrag als begründet an:

„Bei einer Gesamtbetrachtung und Gesamtwürdigung dieses Sachverhaltes liegt ein oben beschriebener Ausnahmefall vor, bei dem wegen verweigerter Terminverlegung die Besorgnis der Befangenheit der Abteilungsrichterin zu bejahen ist.

Der Verteidiger hat erhebliche und nachvollziehbare Gründe für seinen Terminverlegungsantrag vorgetragen und die Tatsachen anwaltlich versichert. Es ist nach Akteninhalt zweifelsfrei, dass er den Hauptverhandlungstermin hier wegen eines erst am 28_11.2017 von einer Strafkammer in Essen bestimmten Fortsetzungstermins am 06.12.2017, in welchem er zum Pflichtverteidiger bestellt ist, nicht wahrnehmen kann. Auch hat er anwaltlich versichert, dass ein Mitglied der Anwaltskanzlei nicht an seiner Stelle einspringen kann, da alle verhindert seien. Unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens und des Rechts des Betroffenen, sich von einem Verteidiger seiner Wahl vertreten zu lassen, war die Zurückweisung des – erstmaligen – Antrags auf Terminverlegung für den Betroffenen schlechthin unzumutbar, wodurch sein Grundrecht auf rechtliches Gehör und das auf ein faires Verfahren verletzt worden ist. Dies begründet die Besorgnis der Befangenheit der zuständigen Abteilungsrichterin.“

M.E. passend.