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StPO II: Rechtsmittelbeschränkung in der Berufung, oder: Reicht(e) die Vollmacht?

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In der zweiten Entscheidung, dem 12 – geht es um die Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung in der Berufung im Strafbefehlsverfahren, und zwar um die Frage, ob die der Verteidigerin erteilte Vollmacht dafür ausreichte. Dazu führt das KG aus:

„a) Dem Rechtsmittel wäre gleichwohl der Erfolg versagt geblieben, weil die frühere Verteidigerin auf Grundlage der Vollmacht vom 26. März 2019 die Rechtsmittelbeschränkung wirksam erklären konnte. Im Hinblick auf die erhobene Sachrüge hatte der Senat die Wirksamkeit der Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch von Amts wegen und ohne Bindung an die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zu überprüfen (vgl. BGHSt 27, 70, 72; Senat RuP 2020, 238, 240 und Beschluss vom 8. März 2013 — (4) 161 Ss 21/13 (28/13) — [juris-Rdn. 5]; OLG Braunschweig NStZ 2016,563; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 65. Aufl., § 318 Rdn. 33, § 352 Rdn. 4).

Die in der Hauptverhandlung über den Einspruch gegen den Strafbefehl vor dem Amtsgericht am 21. Februar 2020 für den abwesenden Angeklagten als Vertreterin aufgetretene vormalige Verteidigerin war aufgrund der Vollmacht vom 26. März 2019 (BI. 31 d.A.) nach § 411 Abs. 2 StPO zur Erklärung der Beschränkung des Einspruchs auf das Strafmaß ermächtigt. § 411 Abs. 2 StPO verlangt im Interesse des Angeklagten eine über die Bevollmächtigung als Beistand gemäß § 137 Abs. 1 Satz 1 StPO hinausgehende nachgewiesene Vollmacht zur Vertretung im Prozess (vgl. BGHSt 9, 356, 357; KG StraFo 2019, 470, 471 und NStZ 20.16, 234 mit Anm. Mosbacher; OLG Karlsruhe NStZ 1983, 43; OLG Saarbrücken NStZ 1999, 265, 266; Maur in KK-StPO 8. Auflage, § 411 Rdn. 12; Eckstein in MüKo-StPO, § 411 Rdn. 29, 30; Gaede in LR-StPO 27. Aufl., § 411 Rdn. 31, 32; Metzger in KMR-StPO, § 411 Rdn. 13; Degener in SK-StPO 5. Aufl., § 411 Rdn. 12; Momsen in SSW-StPO 4. Aufl., § 411 Rdn. 8; Brauer in HK-StPO 6. Aufl., § 411 Rdn. 11; Andrejtschitsch in HK-GS 5. Aufl., § 411 Rdn. 7; Alexander in Radtke/Hohmann, StPO, § 411 Rdn. 17). Dem genügt die schriftliche Vollmacht vom 26. März 2019, die in der Sache, wegen Beleidigung“ zur „Verteidigung und Vertretung. insbesondere auch in meiner Abwesenheit“, in allen Instanzen ermächtigte und in der Hauptverhandlung über den Einspruch gegen den Strafbefehl vorlag. Nicht erforderlich ist, dass die Vertretung nach § 411 Abs. 2 StPO in der Vollmacht besonders erwähnt wird (vgl. BGHSt 9, 356, 357 und OLG Düsseldorf VRS 81, 292 [es muss nicht einmal die „Vertretung in Abwesenheit“ genannt sein]; Metzger a.a.O.; Degener a.a.O.). Der Umstand, dass die Vollmacht bereits im Ermittlungsverfahren vor Erlass des Strafbefehls unterzeichnet wurde, steht einer wirksamen Ermächtigung nach § 411 Abs. 2 StPO nicht entgegen (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.).

b) Der Senat hat bereits entschieden, dass ein mit solcher ausdrücklicher Vollmacht ausgestatteter Verteidiger als Vertreter des Angeklagten im Sinne des § 411 Abs. 2 StPO befugt ist, sämtliche zum Verfahren gehörenden Erklärungen abzugeben, zu denen Rechtsmittelrücknahmen und somit auch Rechtsmittelbeschränkungen, die Teilrücknahmen darstellen, gehören (vgl. Senat, Beschlüsse vorn 1. Juli 2020 — (4) 121 Ss 71/20 (74/20) — [juris-Rdn. 4] und vom 13. Mai 2009 — (4) 1 Ss 155/09 (94/09) —, jeweils mwN).

c) Entgegen der Annahme des Verteidigers lag den von ihm herangezogenen Entscheidungen des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 25. Februar 2013 — 111-3 RVs 24/13 — [juris]) und des Kammergerichts (NJW 2009, 1686) jeweils ein anderer Sachverhalt zugrunde, weshalb sich die Entscheidungen nicht mit einer Beschränkungserklärung eines nach § 411 Abs. 2 StPO zur Vertretung befugten und hierzu bereiten Verteidigers in der Hauptverhandlung befassen (vgl. dazu jeweils im Einzelnen Senatsbeschluss vom 1. Juli 2020 — (4) 121 Ss 71/20 (74/20) — [juris-Rdn. 7 ff.]).

Das gilt auch für die vom Verteidiger zitierte Entscheidung des OLG Frankfurt (Beschluss vom 22. August 2016 — 2 Ss 233/16 [juris]), in der der zunächst unbeschränkte Einspruch schriftlich — und nicht gemäß § 411 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung — beschränkt wurde, so dass die allgemeinen Rechtsgrundsätze hinsichtlich des Erfordernisses einer ausdrücklichen Ermächtigung des Verteidigers zur Rechtsmittelrücknahme nach § 302 Abs. 2 StPO angewendet wurden.

Da sich die Entscheidungen des OLG. Frankfurt und des OLG Düsseldorf hiernach nicht mit einer Beschränkungserklärung eines nach § 411 Abs. 2 StPO zur Vertretung befugten und hierzu bereiten Verteidigers in der Hauptverhandlung befassen, war die Sache entgegen der Auffassung des Verteidigers nicht gemäß § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof vorzulegen (vgl. Senat, Beschluss vom 1. Juli 2020 — (4) 121 Ss 71/20 (74/20) — [juris-Rdn. 8]).

Der vom Verteidiger erwähnten Senatsentscheidung StV 2016, 152 (Ls) lag die schriftliche Rücknahme einer Berufung zugrunde, für welche der Verteidigerin die ausdrückliche Ermächtigung nach § 302 Abs. 2 StPO fehlte (vgl. zu den Gründen Beschluss vom 8. Januar 2015 — 4 Ws . 128/14 — [juris-Rdn. 1]). Zur Berufungshauptverhandlung war weder der Angeklagte, der sich in Untersuchungshaft befand, noch seine Verteidigerin erschienen. In einem Telefonat der Vorsitzenden mit der Verteidigerin hatte letztere erklärt, sie nehme die Berufung als bevollmächtigte Wahlverteidigerin zurück und werde ein gleichlautendes Fax übersenden. Mit Schriftsatz vom selben Tage erklärte die Verteidigerin die Berufungsrücknahme.

Auch diese Entscheidung setzt sich folgerichtig nicht mit den Befugnissen der Verteidigerin im Falle der Vertretung nach § 411 Abs. 2 StPO auseinander.

Ähnlich lag es schließlich bei der: vom Verteidiger zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 2. August 2000 — 3 StR 284/20 — [juris]). Dort hatte der Verteidiger mittels eines Schriftsatzes die Rücknahme der Revision erklärt; als Vertreter des Angeklagten nach § 411 Abs. 2 StPO war er nicht aufgetreten. Für die Rücknahme hätte • es — wie in den zuvor erwähnten Entscheidungen — einer ausdrücklichen Ermächtigung nach § 302 Abs. 2 StPO bedurft, die nicht in der bei Übernahme des Mandats erteilten allgemeinen Ermächtigung zur Rücknahme von Rechtsmitteln lag.“

Pflichti I: Geständnis im Ermittlungsverfahren, oder: Pflichti in der Berufung?

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Und heute vor dem morgigen Gebührentag dann noch ein paar Entscheidungen zur Pflichtverteidigung (§§ 140 ff. StPO). Heute allerdings nichts zur rückwirkenden Bestellung. Es liegen mir zwar Entscheidungen vor, ich will aber zunächst noch ein wenig „sammeln“.

Ich beginne hier mit einer Entscheidung zu den Beiordnungsgründen. Sie kommt aus aus Bayern.

Es handelt sich um dem BayObLG, Beschl. v. 25.11.2021 – 202 StRR 132/21. Ergangen ist der Beschluss in einem BtM-Verfahren. Grundlage des Verfahrens ist – etwas vereinfacht – ein vom Angeklagtenim Ermittlungsverfahren gegenüber der Polizei in einer mit seinem Einverständnis ohne Verteidiger durchgeführten Beschuldigtenvernehmung eingeräumter Besitz von 10 Gramm Marihuana ein. Es wird Anklage zum AG erhoben. Am Schluss der Hauptverhandlung wiederholte der sein Geständnis aus dem Ermittlungsverfahren, das AG spricht ihn dennoch aus tatsächlichen Gründen frei.

Dagegen die Berufung der StA, die zur Verurteilung beim LG führt. In der Berufungshauptverhandlung hatte der Angeklagte das Geständnis aber nicht wiederholt, sondern stattdessen den Tatvorwurf pauschal bestritten. Die Berufungskammer hat ihre Überzeugung im Wesentlichen auf das im Ermittlungsverfahren und vor dem AG abgelegte Geständnis  gestütztz. Dagegen dann die Revision. Mit der wird  u.a. geltend gemacht, dass dem Angeklagten ür die Berufungshauptverhandlung kein Pflichtverteidiger beigeordnet worden sei. Ohne Erfolg. Hier die Leitsätze zu der Entscheidung.

  1. Bei einem einfach gelagerten Schuldvorwurf, der sich auf ein Geständnis des Angeklagten gründet, scheidet ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO wegen Schwierigkeit der Sachlage regelmäßig auch dann aus, wenn das Amtsgericht den Angeklagten ohne nachvollziehbare Begründung freispricht und die Staatsanwaltschaft sich hiergegen mit dem Rechtsmittel der Berufung wendet.
  2. Eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation, die die Bestellung eines Pflichtverteidigers wegen Schwierigkeit der Sachlage nach § 140 Abs. 2 StPO erforderlich machen könnte, ist nicht gegeben, wenn der Angeklagte ein Geständnis abgelegt hatte.
  3. Die Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wird, dass in der Berufungshauptverhandlung kein Verteidiger mitgewirkt hat, obwohl ein Fall der notwendigen Verteidigung wegen Schwierigkeit der Rechtslage nach § 140 Abs. 2 StPO vorgelegen habe, weil ein Verwertungsverbot nach § 252 StPO in Betracht komme, setzt jedenfalls in Fällen, in denen der Tatrichter von „spontan“ gemachten Angaben des zeugnisverweigerungsberechtigten Angehörigen ausgeht, einen Vortrag voraus, aus dem sich die konkrete Aussagesituation ergibt.

Berufung III: Annahmeberufung und Sprungrevision, oder: Berufung des Nebenklägers

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Und die dritte und letzte Entscheidung kommt dann vom OLG Hamm. Das hat im OLG Hamm, Urt. v. 11.05.2021 – 4 RVs 7/21 – zu zwei Fragem Stellung genommen, die bei der Berufung immer wieder zu Diskussionen führen. Dazu hier die insoweit maßgeblichen  Leitsätze:

  1. In den Fällen, in denen eine Berufung gegen ein amtsgerichtliches Urteil nach § 313 Abs. 1 S. 2 StPO der Zulassung bedürfte, ist eine Sprungrevision nach § 335 Abs. 1 StPO (vorbehaltlich der Erfüllung der sonstigen Zulassungsvoraussetzungen) immer, d.h. auch ohne vorherige Berufungszulassung, zulässig.

  2. Es besteht die Verpflichtung des Nebenklägers, spätestens in der Revisionsbegründung deutlich zu machen, dass er mit seinem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel i.S.v. § 400 StPO verfolgt, namentlich dass das Urteil wegen einer zum Anschluss als Nebenkläger berechtigenden Gesetzesverletzung angefochten werde. Es muss zumindest die entfernte rechtliche Möglichkeit einer Verurteilung nach dem nebenklagefähigen Straftatbestand bestehen.

Und dann hat das OLG noch folgende Punkte angesprochen:

  1. Ein Beschluss, mit dem eine Zulassung der Nebenklage nach § 395 Abs. 3 StPO erfolgt, ist für das Revisionsgericht bindend.

  2. Die Begründung eines Freispruchs muss so abgefasst werden, dass dem Revisionsgericht die Prüfung möglich ist, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind, insbesondere, ob der den Entscheidungsgegenstand bildende Sachverhalt vollständig gewürdigt worden ist. Hierzu bedarf es in den Urteilsgründen regelmäßig der Darstellung des Anklagevorwurfs, der getroffenen Feststellungen und einer Würdigung der Beweise, insbesondere der gegen den Angeklagten sprechenden Umstände.

Berufung II: Ratenzahlung in der 1. Instanz gewährt, oder: Es gilt das Verschlechterungsverbot

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Die zweite Entscheidung kommt vom KG. Das hat im KG, Beschl. v. 05.02.2021 – (3) 121 Ss 189/20 (1/21) – zur Geltung des Verschlechterungsverbotes (§ 331 StPO) auch bei gewährter Ratenzahlung ausgeführt:

„Allerdings verstößt die von der Strafkammer vorgenommene Erhöhung der dem Angeklagten gestatteten monatlichen Ratenzahlungen auf 200 Euro gegenüber der erstinstanzlich festgesetzten Rate von 100 Euro gegen das Verschlechterungsverbot im Sinne des § 331 Abs. 1 StPO.

Das in den §§ 331 Abs. 1, 358 Abs. 2 Satz 1 StPO für das Rechtsmittelverfahren und in § 373 Abs. 2 Satz 1 StPO für die Wiederaufnahme normierte Verbot der Verschlechterung gewährleistet, dass der Angeklagte bei seiner Entscheidung, ob er von einem ihm zustehenden Rechtsmittel bzw. einem Wiederaufnahmeantrag Gebrauch machen will, nicht durch die Besorgnis beeinträchtigt wird, es könne ihm durch die Einlegung ein Nachteil erwachsen (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2019 – 5 StR 387/18 –, juris m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 63. Aufl., § 331 Rn. 1 m.w.N).

Das Verschlechterungsverbot gilt nach seinem Wortlaut grundsätzlich für alle Rechtsfolgen der Tat in Art und Höhe. Durchbrochen wird es aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelungen (§ 331 Abs. 2, § 358 Abs. 2 Satz 2, § 373 Abs. 2 Satz 2 StPO) nur für die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus und in der Entziehungsanstalt.

Grundsätzlich nehmen auch die vom erstinstanzlichen Gericht nach § 42 StGB bewilligte Zahlungserleichterungen am Verschlechterungsverbot teil (vgl. KG, Beschlüsse vom 4. April 2018 – (5) 121 Ss 44/18 (26/18) – und 15. April 2015 – (2) 161 Ss 72/15 (23/15) –; OLG Hamburg MDR 1986, 517; Frisch in SK, StPO 5. Aufl., § 331 Rn. 48; Gössel in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 331 Rn. 46 m.w.N.).

Die Gegenansicht, wonach Zahlungserleichterungen uneingeschränkt zum Nachteil des Angeklagten geändert werden dürfen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O, § 331 Rn. 6; Beukelmann in Radtke/Hohmann, StPO, § 331 Rn. 4; Grube in Leipziger Kommentar, StGB 13. Aufl., § 42 Rn. 23; Albrecht in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB 5. Aufl., § 42 Rn. 10), übersieht, dass Zahlungserleichterungen in der Urteilsformel festzulegen sind und die Schlechterstellung des Angeklagten hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten einer Geldstrafe zweifellos die Höhe der Rechtsfolgen der Tat im Sinne des § 331 Abs. 1 StPO tangiert (vgl. OLG Hamburg a.a.O.; Paul in KK, StPO 8. Aufl., § 331 Rn. 4).

Der in § 331 Abs. 1 StPO verwendete Begriff der „Höhe der Rechtsfolgen“ kann allerdings nicht isoliert auf Entscheidungen nach § 42 StGB bezogen werden in dem Sinne, dass die vom Erstrichter festgesetzte Geldstrafe nicht nur ihrer Gesamthöhe nach, sondern auch als „Monatsrate“ für das Rechtsmittelgericht als Obergrenze festgeschrieben wäre (vgl. OLG Schleswig NJW 1980, 1535). Denn nach § 459a Abs. 2 Satz 2 StPO ist es sogar der Vollstreckungsbehörde möglich, bei Vorliegen neuer Tatsachen eine rechtskräftige Entscheidung nach § 42 StGB zum Nachteil des Verurteilten nachträglich zu ändern oder aufzuheben. Demzufolge kann es auch dem Berufungsgericht nicht stets verboten sein, die vom Erstgericht festgesetzte Ratenhöhe zum Nachteil des Angeklagten zu verändern oder eine Ratenzahlungsbewilligung ganz zu versagen (vgl. OLG Schleswig a.a.O.), nämlich dann nicht, wenn die Voraussetzungen des § 459a Abs. 2 Satz 2 StPO vorliegen (vgl. KG, Beschlüsse vom 4. April 2018 und 15. April 2015 a.a.O.; OLG Hamburg a.a.O.; OLG Schleswig a.a.O.; Fischer, StGB 68. Aufl., § 42 Rn. 13; Gössel a.a.O.; Brunner in KMR, StPO 63. EL, § 331 Rn. 35; Rautenberg/Reichenbach in Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO 6. Aufl., § 331 Rn. 8; Brunner in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO 4. Aufl., § 331 Rn. 35).

Vorliegend sind neue Tatsachen im Sinne des § 459a Abs. 2 Satz 2 StPO jedoch nicht festzustellen. Die Strafkammer hat gleichwohl bei nahezu gleich gebliebenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Angeklagten zwar die Tagessatzhöhe unverändert festgesetzt, aber die monatliche Rate verdoppelt.

Der Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot zwingt jedoch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Vielmehr kann der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO die Zahlungserleichterungen selbst gewähren, denn der Sachverhalt liegt einfach und das Landgericht hat hierfür ausreichende Feststellungen getroffen …….“

StPO III: Berufungsbeschränkung auf das Strafmaß, oder: Reichweite der Bindungswirkung

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Und als dritte und letzte Entscheidung des Tages stelle ich dann den OLG Köln, Beschl. v. 05.01.2021 – III-1 RVs 224/20 –vor.

Er behandelt eine Probelmatik aus dem Berufungsverfahren, nämlich die Frage einer Rechtsmittelbeschränkung und der sich ggf. ergebenden Bindungswirkung. Die Angeklagte hatte in der Hauptverhandlung ihr Rechtsmittel „ausschließlich auf die Bildung einer Gesamtstrafe“ beschränkt. Sie hat die Nichtanwendung einer Maßregel gemäß § 64 StGB vom Rechtsmittel ausgenommen und erklärt, sie erstrebe keine Strafaussetzung zur Bewährung. Auch insoweit werde das Rechtsmittel beschränkt.

Die Berufungsstrafkammer hat die Rechtsmittelbeschränkung insgesamt für wirksam erachtet. Dagegen die mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision der Angeklagten, die im Ergebnis keinen Erfolg hatte:

„b) Die Bildung der Gesamtstrafe weist keinen die Angeklagte beschwerenden Rechtsfehler auf. Das auf diesen Entscheidungsteil bezogene Rechtsmittel war daher – dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft folgend – als unbegründet zu verwerfen.

2. a) Soweit die Angeklagte auch die Bewährungsentscheidung(en) aus ihrem Rechtsmittelangriff herauszunehmen gesucht hat, erweist sich diese Beschränkung als unwirksam. Bei der Bewährungsentscheidung handelt es sich um einen der (Einzelstrafbemessung und) Gesamtstrafenbildung nachgelagerten Entscheidungsteil, der von jenem abhängig ist und daher nicht selbstständig in Bindung erwachsen kann (vgl. MüKo-StPO-Quentin, § 318 Rz. 17; LR-StPO-Gössel, 26. Auflage 2012, § 318 Rz. 45). Die Berufungsstrafkammer war daher gehalten, in eigener Verantwortung über die Aussetzungsfrage neu zu befinden.

b) Der Umstand, dass dies unterblieben ist, nötigt indessen im Ergebnis nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht. In Anwendung des § 354 Abs. 1a StPO kann der Senat vielmehr in der Sache selbst entscheiden.

aa) Auch die Bewährungsentscheidung ist „Zumessung der Rechtsfolgen“ im Sinne von § 354 Abs. 1a StPO (Senat NStZ-RR-2016, 181 m. N.). Hierzu seht dem Senat – wie erforderlich – auch ein zutreffend ermittelter, vollständiger und aktueller Zumessungssachverhalt zur Verfügung. Zu der von ihm beabsichtigten Entscheidung hat er den Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör gewährt (zum Ganzen vgl. BVerfGE 118, 212).

bb) Eine andere Entscheidung als die Versagung der Aussetzung kam ersichtlich nicht in Betracht; der Angeklagten kann eine positive Sozialprognose (§ 56 Abs. 1 StGB) nicht attestiert werden. Sie hat ein unbewältigtes Drogenproblem, ist vielfach u.a. auch wegen BtM-Delikten und wegen Beschaffungskriminalität vorbelastet. Sie hat deswegen auch bereits Haft verbüßt. Ihr eingeräumte Bewährungschancen hat sie nicht zu nutzen vermocht. Die erste hier gegenständliche Tat hat sie nach Haftentlassung am 25. Juni 2019 und Abbruch der sich anschließenden Therapie bereits am 10. Oktober 2019 und damit mit erheblicher Rückfallgeschwindigkeit begangen. Anders als durch Vollstreckung der erkannten Strafe ist die Angeklagte demnach nicht mehr zu erreichen.“