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beA I: Rechtzeitige Ersatzeinreichung wegen Störung, oder: Geht das auch in einem zweitem Schriftsatz?

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So, in die 38. KW. starte ich dann mit ein wenig beA und was damit zusammenhängt.

Hier zunächst das BGH, Urt. v. 25.07.2023 – X ZR 51/23, also vom „Patentsenat“. Der hat über die Berufung einer Patentinhaberin entschieden. Die hatte Berufung gegen die teilweise Nichtigerklärung eines gewerblichen Schutzrechts eingelegt. Die Rechtsmittelschrift ihres Rechtsanwalts der Patentinhaberin ging am 20.04.2023, dem Tag des Ablaufs der Rechtsmittelfrist, um 15.15 Uhr per Telefax beim BGH ein. Am gleichen Tag um 20.09 Uhr ging ein weiteres Fax ein. Darin wurde eingehend erläutert, dass der Bevollmächtigte die Berufungsschrift aufgrund einer Störung beim elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) nicht über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) habe einreichen können.

Dem BGH hat die diese Glaubhaftmachung der Störung als Voraussetzung der Ersatzeinreichung als (noch) rechtzeitig eingestuft, auch wenn sie in zwei Schriftsätzen erfolgt sei. Eine Frist für die Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels dürfe grundsätzlich bis zum Ende des betreffenden Tags ausgenutzt werden. Beide Schriftsätze seien, so der BGH, noch innerhalb der laufenden Frist eingegangen. Die Glaubhaftmachung sei damit „gleichzeitig“ mit der Ersatzeinreichung erfolgt.

Die Entscheidung hat folgende Leitsätze:

1. Die nach § 130d Satz 3 ZPO erforderliche Darlegung und Glaubhaftmachung ist rechtzeitig, wenn sie am gleichen Tag wie die Ersatzeinreichung bei Gericht eingeht (Ergänzung zu BGH, Beschl. v. 17.11.2022 – IX ZB 17/22, NJW 2023, 456 Rn. 11; Beschl. v. 26.01.2023 – V ZB 11/22, WRP 2023, 833 Rn. 11).

2. Eine vorübergehende Unmöglichkeit im Sinne von § 130d Satz 2 ZPO liegt jedenfalls dann vor, wenn eine elektronische Übersendung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht möglich und nicht abzusehen ist, wann die Störung behoben sein wird.

 

beA I: Sich selbst verteidigender Rechtsanwalt, oder: Revision usw. bitte per beA

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Nach längerer Zeit heute dann im „Kessel Buntes“ mal wieder zwei Entscheidungen zum beA.

Ich beginne mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 20.07.2023 – 4 ORs 62/23 – zur Frage der Anwendung des § 32d Satz 2 StPO gilt auch in dem Fall, in dem der übermittelnde Rechtsanwalt selbst Angeklagter des Strafverfahrens ist.

Hier hatte das AG den Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteitl. Dagegen die Revision des Angeklagten, die er nicht per beA übermittelt, sondern nur per Fax. Das OLG hat die Revision auf Antrag der StA als unzulässig verworfen:

„Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 05. Juni 2023, die dem Angeklagten zur Stellungnahme übersandt worden ist, zu dem Rechtsmittel des Angeklagten Folgendes ausgeführt:

„I.

Das Amtsgericht Münster hat den Angeklagten durch Urteil vom 09.03.2023 (37 Ds 214/22) wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt (Bl. 39 ff. d. A.). Gegen dieses in Anwesenheit des Angeklagten verkündete (Bl. 33 ff. d. A.) und auf Anordnung des Vorsitzenden vom 17.03.2023 (Bl. 41 d. A.) dem Angeklagten am 25.03.2023 zugestellte (Bl. 41, 41R d. A.) Urteil hat der Angeklagte mit am 15.03.2023 bei dem Amtsgericht Münster eingegangenem Schreiben vom 15.03.2023 (Bl. 38 d. A.) Rechtsmittel eingelegt und dieses mit weiteren, am 25.04.2023 eingegangenem Schreiben vom selben Tag (Bl. 46 d. A.) als Revision bezeichnet und mit der Verletzung materiellen Rechts begründet.

II.

Die Revision ist bereits nicht wirksam eingelegt (zu vgl. BGH, Beschl. v. 08.09.2022 – 3 StR 251/22 – (LG Kleve)).

Nach den seit dem 01. Januar 2022 geltenden § 32d S. 2 StPO müssen Verteidiger und Rechtsanwälte unter anderem die Revision und ihre Begründung als elektronisches Dokument übermitteln. Insoweit handelt sich ein Form- und Wirksamkeitsvoraussetzung der jeweiligen Prozesshandlung. Ihre Nichteinhaltung bewirkt die Unwirksamkeit der Erklärung (vgl. BGH, Beschluss vom 24.05.2022 – 2 StR 110/22 -, Rdnr. 3; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 32d Rdnr. 2 m. w. N.).

Diesen Anforderungen genügen die Revisionseinlegung und die Revisions-begründung nicht. Denn der Angeklagte hat seine Revision lediglich mit einem per Fax übermitteltetn bzw. im Briefkasten des Amtsgerichts hinterlegt.

Anhaltspunkte dafür, dass eine elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich war (§ 32d, S. 3 StPO) sind nicht dargetan.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt der Senat sich nach eigener Sachprüfung an. Ergänzend führt der Senat Folgendes aus: Die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung der Revisionsschrift und Revisionsbegründungsschrift gilt auch in dem – hier vorliegenden – Fall, in dem der übermittelnde Rechtsanwalt selbst Angeklagter des Strafverfahrens ist. Der Begriff „Rechtsanwälte“ in § 32d StPO ist insoweit statusrechtlich zu verstehen und erfasst Personen, die als Rechtsanwalt zugelassen sind und für die als solche durch die Bundesrechtsanwaltskammer ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach eingerichtet worden ist, § 31a Abs. 1 BRAO. Die Verpflichtung zur elektronischen Einreichung schließt nicht die Möglichkeit des Rechtsanwalts aus, die in Rede stehenden Erklärungen mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle abzugeben (vgl. Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 66. Auflage 2023, § 32d StPO Rn. 1 m.w.N.). Von dieser Möglichkeit hat der Angeklagte keinen Gebrauch gemacht.“

Ebenso bzw. ähnlich hat bereits das OLG Brandenburg im OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.06.2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 149/22 – entschieden.

beA II: Wirksamkeit der Revisionsrücknahme, oder: Rücknahme des Rechtsmittels geht auch ohne beA

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Und als zweite Entscheidung zum beA und zu den neuen Formvorschriften dann der BGH, Beschl. v. 04.07.2023 – 4 StR 171/23 – zur Wirksamkeit einer Revisionsrücknahme.

Auszugehen war von folgendem Sachverhalt: Das LG hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Nachdem der Pflichtverteidiger der Beschuldigten frist- und formgerecht Revision gegen das Urteil eingelegt hatte, hat die weitere Pflichtverteidigerin der Beschuldigten mit Schreiben vom 27.02.2023, dem LG per Fax zugegangen am selben Tag, erklärt, dass sie „nach mehrfacher und ausführlicher Rücksprache mit der Mandantin und deren Betreuer“ die Revision zurücknehme.

Mit Schreiben vom 13.02.2023 an das LG hat der Pflichtverteidiger erklärt, die Beschuldigte habe ihm mitgeteilt, eine Ermächtigung zur Rücknahme der Revision nicht erteilt zu haben. Am folgenden Tag hat er dem Landgericht frist- und formgerecht die Revisionsbegründung sowie ein Schreiben der Beschuldigten übermittelt, in welchem diese erklärt, dass sie ihre weitere Verteidigerin nicht ausdrücklich zur Revisionsrücknahme ermächtigt habe, und für den Fall, dass sie „eine Erklärung abgegeben haben sollte, die als solcherart Ermächtigung zu werten sein könnte oder ist“, diese zurücknehme; an der Revision solle festgehalten werden. In einer schriftlichen Stellungnahme vom 21.3.2023 hat die Pflichtverteidigerin sodann erklärt, dass die Beschuldigte sie „in vielen ausführlichen Telefonaten ab dem 09.02.2023 mehrfach darum gebeten [habe], die Revision gegen das Urteil vom 19.12.2022 zurückzunehmen“.

Mit Beschluss vom 13.04.2023 hat das LG festgestellt, dass die Revision der Beschuldigten wirksam zurückgenommen worden ist. Gegen diese Entscheidung des LG richtet sich der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts. Der BGH hat festgestellt, dass die Revision wirksam zurückgenommen worden ist:

„2. Die Revision ist wirksam zurückgenommen worden.

a) Das Schreiben vom 27. Februar 2023, mit dem die Verteidigerin die Zurücknahme der Revision erklärt hat, ist dem Landgericht formgerecht übermittelt worden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestehen für die Rücknahmeerklärung wie auch für die Erklärung eines Rechtsmittelverzichts trotz Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung grundsätzlich dieselben Formerfordernisse wie für die Einlegung des Rechtsmittels (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2011 – 4 StR 691/10, wistra 2011, 314 Rn. 7; Urteil vom 12. Februar 1963 – 1 StR 561/62, BGHSt 18, 257, 260 mwN). Den somit zu beachtenden Anforderungen des § 341 Abs. 1 StPO genügt die Rücknahmeerklärung, denn sie ist schriftlich erfolgt (vgl. zur Wahrung der Schriftform durch Telefax GmS-OGB, Beschluss vom 5. April 2000 – GmS-OGB 1/98, BGHZ 144, 160, 164).

Auf die für Verteidiger geltende Pflicht zur elektronischen Übermittlung einer Revision aus § 32d Satz 2 StPO erstreckt sich die Übertragung der für die Einlegung eines Rechtsmittels geltenden Formerfordernisse auf dessen Zurücknahme nicht (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. November 2022 – 1 Ws 312/22, NStZ-RR 2023, 81; BeckOK-StPO/Cirener, 47. Ed., § 302 Rn. 4; Valerius, ebd., § 32d Rn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 302 Rn. 7). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift sowie aus historischen und teleologischen Erwägungen. § 32d Satz 2 StPO zählt diejenigen Prozesserklärungen, für die die Übermittlung als elektronisches Dokument zwingend vorgeschrieben und infolgedessen eine Wirksamkeitsvoraussetzung ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. April 2022 – 3 StR 86/22, wistra 2022, 388 mwN), enumerativ auf. Schriftsätze anderen Inhalts unterliegen demgegenüber nur der Sollvorschrift des § 32d Satz 1 StPO. Ausweislich der Begründung des diesen Vorschriften zugrundeliegenden Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs (BT-Drucks. 18/9416, S. 50 f.) handelt es sich hierbei um eine bewusste Differenzierung, mit der der Gesetzgeber nur bestimmte schriftliche Erklärungen von Verteidigern oder Rechtsanwälten – nämlich nur solche, bei denen ausgeschlossen ist, dass sie in einer besonders eilbedürftigen Situation abzugeben sind – der strengen Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs unterwerfen wollte. Die Erklärungen der Rechtsmittelrücknahme und des Rechtsmittelverzichts fehlen in dem Katalog des § 32d Satz 2 StPO, was bei der Anwendung des Gesetzes unbeschadet des Umstandes, dass auch sie regelmäßig nicht eilbedürftig sind, hinzunehmen ist (so auch OLG Karlsruhe, aaO). Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 32d Satz 2 StPO auf diese Prozesserklärungen ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, der die Rechtsprechung veranlasst hat, für sie grundsätzlich dieselbe Form zu verlangen wie für die Einlegung des Rechtsmittels. Denn dieser besteht maßgeblich in dem Gedanken des Übereilungsschutzes; der Formzwang soll den zu der Erklärung Berechtigten zu einer gründlichen Prüfung des Für und Wider seines Schrittes veranlassen und ihn vor einer unüberlegten Entscheidung bewahren (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 1963 – 1 StR 561/62, BGHSt 18, 257, 260). Dies gewährleisten aber bereits die Formanforderungen des § 341 Abs. 1 StPO, namentlich das hier gewahrte Schriftformerfordernis. Die für Rechtsanwälte geltenden Pflichten zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs sind hingegen weder geeignet noch bestimmt, diesen Schutz weiter zu erhöhen; sie sollen vielmehr lediglich sicherstellen, dass die vom Gesetzgeber gewollten Vorteile der elektronischen Aktenführung verwirklicht werden können (vgl. KK-StPO/Graf, 9. Aufl., § 32d Rn. 1). Sie auf die im Gesetz nicht genannten Prozesserklärungen nach § 302 StPO zu erweitern ist somit auch teleologisch nicht veranlasst.“

Und auch die anderen „klassischen“ Punkte hat der BGH bejaht:

„b) Der Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung steht auch nicht entgegen, dass sie nicht von demjenigen Pflichtverteidiger abgegeben worden ist, der auch die Revision eingelegt hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 1995 – 3 StR 205/95). Die Verteidigerin war zu der Erklärung ermächtigt (§ 302 Abs. 2 StPO). Für diese Ermächtigung ist eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben, so dass sie auch mündlich und telefonisch erteilt werden kann. Für ihren Nachweis genügt die anwaltliche Versicherung des Verteidigers (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2019 – 1 StR 327/19 Rn. 5). Eine solche enthielt sowohl das Rücknahmeschreiben der Verteidigerin vom 27. Februar 2023 als auch deren weitere schriftliche Stellungnahme vom 21. März 2023. Deren Beweiswirkung wird auch durch das von dem anderen Verteidiger eingereichte Schreiben der Beschuldigten vom 14. März 2023 nicht entkräftet. Denn aus diesem geht hervor, dass die Beschuldigte sich gerade nicht imstande sieht auszuschließen, dass sie ihrer Verteidigerin gegenüber – wie von dieser vorgetragen – eine Erklärung abgegeben habe, die als Ermächtigung „zu werten“ war.

Die Beschuldigte hat die der Verteidigerin erteilte Ermächtigung auch nicht wirksam widerrufen. Ein Widerruf der Ermächtigung zur Revisionsrücknahme ist nur zulässig, solange die Rücknahmeerklärung noch nicht bei Gericht eingegangen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2016 – 4 StR 558/16, NStZ-RR 2017, 185, 186). Dies war aber am 14. März 2023 bereits geschehen; ein zu einem früheren Zeitpunkt der Verteidigerin gegenüber erklärter Widerruf der Ermächtigung ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ein Widerruf oder eine Anfechtung der Rücknahmeerklärung selbst kommt nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2021 – 4 StR 447/20 Rn. 4 mwN).

c) Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschuldigte nicht in der Lage gewesen sein könnte, die Bedeutung der von ihr abgegebenen Erklärung zu erfassen (vgl. zur maßgeblichen prozessualen Handlungsfähigkeit BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2019 – 1 StR 327/19 Rn. 9 ff.; Beschluss vom 20. Februar 2017 – 1 StR 552/16, NStZ 2017, 487, 488 mwN). Zwar ist ausweislich der Urteilsgründe bei der Beschuldigten in der Kindheit eine Grenzbegabung (IQ 73) festgestellt worden und sie hat nur bis zu ihrem 14. Lebensjahr die Schule, eine Förderschule, besucht. Überdies besteht bei ihr eine paranoide Schizophrenie. Allerdings konnte deren Symptomatik durch die der Beschuldigten in der einstweiligen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verabreichten antipsychotischen Medikamente erheblich vermindert werden, so dass im Urteilszeitpunkt Halluzinationen zwar noch vorhanden, aber nicht mehr handlungsleitend waren. Der Beschuldigten konnten ihre Erkrankung und die Bedeutung der medikamentösen Therapie jedenfalls oberflächlich vermittelt werden. Die Beschuldigte war ausweislich des im Freibeweisverfahren verwertbaren Akteninhalts (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 1 StR 552/16, NStZ 2017, 487, 488 mwN) zudem bereits während des laufenden landgerichtlichen Verfahrens in der Lage, sich mit schriftlichen Eingaben unter Angabe der Aktenzeichen an die Staatsanwaltschaft und „den zuständigen Richter“ zu wenden und auf in sich schlüssige Weise ihre Interessen wahrzunehmen, insbesondere ihre „Entlassung auf Bewährung aus dem Maßregelvollzug“ unter Äußerung des Bedauerns über die Anlasstaten und dem Versprechen, sich an etwaige Bewährungsauflagen halten zu wollen, anzuregen. Auch ihr Schreiben vom 14. März 2023, mit dem sie nicht geltend macht, die Bedeutung einer von ihr erteilten Ermächtigung zur Zurücknahme der Revision nicht verstanden zu haben, sondern nur die Erteilung in Abrede stellt und eine etwa doch erklärte Ermächtigung widerruft, spricht für die Verhandlungsfähigkeit der Beschuldigten, welche im Übrigen auch das Landgericht – auf der Grundlage seines in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks – ohne weiteres angenommen hat.“

Den vom BGH zitierten OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.11.2022 – 1 Ws 312/22 – hatte ich hier auch im Blog, und zwar hier: beA II: Wirksamkeit der Berufungsrücknahme per Fax, oder: Berufungsrücknahme per Fax zulässig.

beA I: Zur Wirksamkeit der Revisionsbegründung, oder: Allein die Unterzeichnung „Rechtsanwalt“ reicht nicht

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In die 32. KW. starte ich dann mit zwei Entscheidungen zum beA/elektronischen Dokument. Hier zunächst zum Warmwerden der BGH, Beschl. v. 19.04.2023 – 2 StR 56/23.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes  verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, die keinen Erfolg hatte.

Zur Wirksamkeit der Revisionsbegründudng führt der BGH aus:

„1. Der Senat gewährt dem Angeklagten auf Antrag Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Begründung der Revision.

a) Der Angeklagte hat gegen das Urteil mit bei Gericht fristgerecht eingegangenem Schriftsatz wirksam über seinen Verteidiger Revision eingelegt. Das Urteil ist dem Verteidiger am 25. Oktober 2022 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 22. November 2022, das lediglich mit „Rechtsanwalt“ endet und über das besondere elektronische Anwaltspostfach unter der Kennung des Verteidigers am selben Tag übersandt worden ist, ist die Rüge der Verletzung materiellen Rechts erhoben worden. Die Revisionsbegründungsschrift entspricht – wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Einzelnen zutreffend ausführt – nicht den Anforderungen der §§ 342 Abs. 2, 32d Satz 2, 32a Abs. 3 StPO, weil sich allein mit der Bezeichnung „Rechtsanwalt“ keine bestimmte Person zuordnen lässt, die Verantwortung für deren Inhalt übernommen hat. In seiner Zuschrift vom 6. März 2023, dem Angeklagten am selben Tag zugestellt, hat der Generalbundesanwalt auf die Formunwirksamkeit der Rechtsmittelbegründung hingewiesen. Über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach hat der Verteidiger am 9. März 2023 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und zugleich die Rüge der Verletzung materiellen Rechts erhoben. Nach dem anwaltlich versicherten Vortrag des Verteidigers beruhte der Umstand, dass die Revisionsbegründung nicht den Formanforderungen genügte, auf dessen Versehen, welches ihm erst durch die Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgefallen sei.

b) Auf den mit Schriftsatz vom 9. März 2023 zulässigen Antrag gewährt der Senat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Voraussetzungen des § 45 StPO liegen vor. Der Verteidiger hat die Revisionsbegründung in wirksamer Form innerhalb der Wochenfrist nachgeholt. Den Angeklagten trifft kein Verschulden daran, dass die Revisionsbegründung seines Verteidigers vom 22. November 2022 den Formvorschriften nicht genügte.

2. Die Revision ist unbegründet, ……“

beA II: Die einfache Signatur des Einzelanwalts, oder: OLG Braunschweig macht es anders als das BAG

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Die zweite Entscheidung, der OLG Braunschweig, Beschl. v. 09.06.2023 – 1 ORbs 22/23 – kommt aus einem Bußgeldverfahren.

Das AG hat den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt. Mit qualifiziert signiertem elektronischem Schreiben seines Verteidigers vom 25.11.2022 (bei Gericht eingegangen am selben Tag) hat der Betroffene mit dem Ziel der Überprüfung dieses Urteils einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt. Nach Zustellung des Urteils hat der Betroffene mit weiterem Verteidigerschreiben vom 01.02.2023 den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde begründet. Die Begründung des Zulassungsantrags ist dem AG am 01.02.2023 über das besondere elektronische Postfach des Verteidigers zugeleitet worden. Das Schreiben ist nicht qualifiziert signiert und es ist lediglich mit dem Wort „Rechtsanwalt“ unterzeichnet. Ein Name ist der Unterschrift nicht zu entnehmen.

Der Verteidiger des Betroffenen ist mit Verfügung des OLG-Senats darauf hingewiesen worden, dass die Begründung des Zulassungsantrags, die wegen § 32d Satz 2 StPO i.V.m. § 110c OWiG elektronisch zu erfolgen habe, gemäß § 32a Abs. 3 StPO i.V.m. § 110c OWiG unwirksam angebracht sein könnte. Er hat dieser Auffassung die Rechtsprechung des BAG (Beschl. v. 25.08.2022 – 2 AZR 234/22) entgegengehalten, wonach die fehlende Unterzeichnung mit dem Namen des verantwortenden Rechtsanwalts die wirksame Begründung des Zulassungsantrags nicht beeinträchtige, wenn, wie hier, aus dem Briefkopf hervorgehe, dass der Verteidiger als Einzelanwalt tätig sei. Ohnehin sei in der Einzelkanzlei des Verteidigers, der die Begründung des Zulassungsantrags zudem selbst versandt habe, kein weiterer Rechtsanwalt tätig.

Vorsorglich hat er einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.Das OLG hat den Zulassungsantrag als unzulässig verworfen und Wiedereinsetzung nicht gewährt:

„1. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist unzulässig, denn er wurde nicht formgerecht begründet.

Gemäß §§ 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 345 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 StPO muss die Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde spätestens binnen eines Monats nach Zustellung des angegriffenen Urteils bei dem Gericht, dessen Urteil angegriffen wird, angebracht werden. Sofern dies nicht zu Protokoll der Geschäftsstelle, sondern durch eine von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichnete Schrift geschieht, gelten die besonderen Formerfordernis der §§ 32d Satz 2, 32a StPO, die über die Verweisung in § 110c Satz 1 OWiG auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren zur Anwendung kommen. Danach sind Verteidiger und Rechtsanwälte verpflichtet, die Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als elektronisches Dokument zu übermitteln; wie dies im Einzelnen zu erfolgen hat, regelt § 32a StPO. § 32a Abs. 3 StPO eröffnet dabei zwei Möglichkeiten der Übermittlung von Dokumenten, die schriftlich abzufassen, zu unterschreiben oder zu unterzeichnen sind, nämlich einerseits, indem sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der das Dokument verantwortenden Person versehen sind, oder andererseits, indem sie von der das Dokument verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden; was als sicherer Übermittlungsweg anzusehen ist, bestimmt wiederum § 32a Abs. 4 Satz 1 StPO, der in Nr. 2 auch den Versand über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach vorsieht. Hierbei handelt es sich um zwingend einzuhaltende Form- und Wirksamkeitsvoraussetzungen; ist der das Rechtsmittel begründende Schriftsatz nicht auf diesem Weg, sondern anderweitig innerhalb der gesetzlichen Fristen bei Gericht eingegangen, ist das die Rechtsmittelbegründung unwirksam (zum Vorstehenden: KG Berlin, Beschluss vom 22. Juni 2022, 3 Ws (B) 123/22, juris, Rn. 7 m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt das Verteidigerschreiben vom 1. Februar 2023 nicht, denn es enthält weder eine qualifizierte noch eine einfache Signatur. Die einfache Signatur, also die Wiedergabe des Namens am Ende des Textes (BAG, Beschluss vom 14. September 2020, 5 AZB 23/20, juris, Rn. 15; OLG Braunschweig, Beschluss vom 8. April 2019, 11 U 146/18, juris, Rn. 38; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6. September 2021, 17 W 13/21, juris, Rn. 14; OVG Lüneburg, Beschluss vom 31. Januar 2023, 13 ME 23/23, juris, Rn. 5; OVG Hamburg, Beschluss vom 12. August 2022, 6 Bs 57/22, juris, Rn. 9; Greger in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 130a, Rn. 9), ist gemäß § 32 a Abs. 3 StPO auch dann zu verlangen, wenn im verwendeten Briefkopf nur ein Rechtsanwalt ausgewiesen ist.

Allein die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt genügt im Gegensatz zur Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschluss vom 25. August 2022, 2 AZN 234/22, juris, Rn. 2) nicht (OVG Lüneburg, a.a.O., Leitsatz und Rn. 6, 9; OLG Karlsruhe, a.a.O., Leitsatz und Rn. 18). Denn die Signatur soll sicherzustellen, dass die unterzeichnende Person als diejenige erkennbar ist, welche für den Inhalt des Schreibens Verantwortung übernimmt (BGH, Beschluss vom 7. September 2022, XII ZB 215/22, juris, Rn. 11; OVG Lüneburg, a.a.O., Rn. 5). Diesem Erfordernis, dem gerade bei der Begründung eines Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde besondere Bedeutung zukommt (vgl. §§ 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG i. V. m. § 345 Abs. 2 StPO), trägt der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 25. August 2022 nicht ausreichend Rechnung. Selbst wenn sich aus dem Briefkopf lediglich ein einzelner Anwalt ergibt, ist nicht sichergestellt, dass dieser Rechtsanwalt die Verantwortung für den Schriftsatz übernimmt. Vielmehr kann dennoch eine andere Person inhaltlich für den Inhalt des Schreibens verantwortlich sein. So übersieht das Bundesarbeitsgericht zunächst die Möglichkeit, dass weitere Rechtsanwälte in der Kanzlei angestellt oder als freie Mitarbeiter tätig sein können (BGH, Beschluss vom 7. September 2022, XII ZB 215/22, juris, Rn. 12; OVG Lüneburg, a.a.O., Rn. 9; OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 24). Zudem mag sich ein Rechtsanwalt unter seinem eigenen Briefkopf auch vertreten lassen (OVG Lüneburg, a.a.O., Rn. 9; OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 25).

Der Betroffene kann nicht damit gehört werden, dass ein solcher Sachverhalt in seinem Fall nicht vorgelegen hätte, weil der im Briefkopf genannte Verteidiger die Begründung des Zulassungsantrags tatsächlich selbst verantwortet habe. Ob ein Schriftsatz wirksam eingereicht ist, muss sich nämlich bereits zweifelsfrei aus diesem selbst ergeben. Eine spätere Aufklärung der konkreten Verhältnisse (Kanzleiorganisation) wäre mit dem Zweck des Signaturerfordernisses nicht vereinbar (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 24 aE). Es geht gerade darum, den verantwortenden Rechtsanwalt ohne Beweisaufnahme oder sonstiges Sonderwissen zu identifizieren (BGH, Beschluss vom 7. September 2022, XII ZB 215/22, juris, Rn. 11; OLG Karlsruhe, a.a.O.).

2. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist abzulehnen. Es fehlt bereits an der gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 StPO (anwendbar über § 46 Abs.1 OWiG) erforderlichen Nachholung der Begründung des Zulassungsantrags. Ist die Handlung nicht formgemäß vorgenommen worden, muss sie in der vorgeschriebenen Form nachgeholt werden (KG Berlin, Beschluss vom 22. Juni 2022, 3 Ws (B) 123/22, juris, Rn. 16). Dem genügt das Gesuch nicht. So erfüllt das elektronische Schreiben vom 17. Mai 2023 die Voraussetzungen schon deshalb nicht, weil es keine Begründung des Zulassungsantrags enthält, sondern nur ausführt, dass „bereits umfassend Stellung genommen“ worden sei. Die umfassende Begründung des Zulassungsantrags vom 1. Februar 2023 ist aber unwirksam und somit gerade nicht berücksichtigungsfähig. Außerdem ist das Schreiben vom 17. Mai 2023 zur Begründung des Zulassungsantrags auch deshalb ungeeignet, weil diese gemäß §§ 345 Abs. 1 Satz 1 StPO, 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG beim Ausgangsgericht anzubringen ist. Dass das Wiedereinsetzungsgesuch vom 17. Mai 2023 schließlich auch die Frist des § 45 Abs.1 Satz 1 StPO nicht wahrt, ist vor diesem Hintergrund nicht mehr von Bedeutung.“