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StPO III: Die Ladung des Sehbehinderten zur Hauptverhandlung, oder: Hinweis auf barrierefreien Zugang

entnommen wikimedia.org
Urheber Norbert Nagel

Und als dritte Entscheidung des Tages dann ein OLG-Beschluss, denn auch OLG können StPO 🙂 . Im OLG Oldenburg, Beschl. v. 22.10.2018 – 1 Ws 434/18 – wird die Frage der Ordnungsgemäßheit einer Ladung des Angeklagten behandelt. Das AG hatte den Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Wohnungseinbruchdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das LG gem. § 329 Abs. 1 StPO verworfen, weil der Angeklagte trotz nachgewiesener Ladung im Hauptverhandlungstermin ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben und auch nicht in zulässiger Weise vertreten worden sei. Dagegen dann der Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten, der beim OLG Erfolg hatte. Der Angeklagte hatte zur Begründung seines Antrags angeführt, aufgrund einer dem Gericht bekannten Sehbehinderung sei es ihm nicht möglich gewesen, die Terminszeit auf der an ihn gerichteten Ladung zu entziffern. Er habe sich deshalb am Ladungszeitpunkt seiner Tochter orientiert. Da diese aber, was ihm nicht bekannt gewesen sei, auf einen späteren Zeitpunkt geladen gewesen sei, sei er erst verspätet zum Termin erschienen. Das OLG meint dazu:

„Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung ist zulässig und begründet.

Der Angeklagte hat durch die Vorlage eines aktuellen fachärztlichen Attestes glaubhaft gemacht, dass er an einer Sehbehinderung leidet, aufgrund welcher er die auf der Ladung angegebene Terminszeit nicht lesen konnte. Die Erkrankung des Angeklagten und die daraus folgende dauerhafte Beeinträchtigung sind im Übrigen aktenkundig. Der erstinstanzliche Gerichtstermin musste aufgrund der eingetretenen Erkrankung verschoben werden. Es befinden sich mehrere Atteste in den Akten, aus denen auch hervorgeht, dass die Einschränkung dauerhaft besteht.

Allein diese – in hinreichender Weise glaubhaft gemachten Umstände – rechtfertigen eine Wiedereinsetzung in den Stand vor der Berufungshauptverhandlung, einer weitergehenden Glaubhaftmachung bedurfte es entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht, insbesondere nicht einer solchen hinsichtlich der Kontaktaufnahme des Angeklagten mit seiner Tochter bzw. des Inhaltes einer mit dieser geführten Unterredung.

Aufgrund der Sehbehinderung hatte der Angeklagte nämlich gem. § 191a Abs. 1 GVG einen Anspruch darauf, dass ihm die Ladung zur Hauptverhandlung in einer geeigneten, für ihn wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht wird.

§ 191a GVG bestimmt, dass blinden oder sehbehinderten Personen Schriftsätze und andere Dokumente eines gerichtlichen Verfahrens unter näheren, in einer Rechtsverordnung zu bestimmenden Voraussetzungen barrierefrei zugänglich zu machen sind. Gemäß § 2 Abs. 1 der Verordnung zur barrierefreien Zugänglichmachung von Dokumenten für blinde und sehbehinderte Personen im gerichtlichen Verfahren (ZMV) erstreckt sich der Anspruch auf Zugänglichmachung auf alle Dokumente, die der betroffenen Person zuzustellen oder formlos bekannt zu geben sind. Eine barrierefreie Zugänglichmachung erfolgt gem. § 4 Abs. 2 ZMV zwar nur auf Verlangen der berechtigten Person, doch ist das Gericht verpflichtet, die berechtigte Person auf ihren Anspruch hinzuweisen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 ZMV).

Ein solcher Hinweis ist vorliegend unterblieben. Er ist weder generell in den allgemeinen Formularen für die Ladungsverfügung vorgesehen noch vorliegend dem Angeklagten durch das Gericht erteilt worden, nachdem dieser seine Erkrankung bekannt gegeben hatte.

Der Hinweis erwies sich auch nicht mit Rücksicht auf die anwaltliche Vertretung des Angeklagten als entbehrlich. § 191a Abs. 1 Satz 4 GVG stellt ausdrücklich klar, dass die Rechte aus § 191a Abs. 1 Sätze 1-3 GVG und der ZMV auch für vertretene Personen gelten.

Die Verletzung der Hinweispflicht führt nicht zur Unwirksamkeit der Ladung. Gem. § 2 Abs. 2 ZMV bleiben die Vorschriften über die Zustellung von Dokumenten unberührt. Sie hat jedoch zur Folge, dass das Versäumen des Verhandlungstermins durch den Angeklagten als schuldlos anzusehen und ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist.

Unterbleibt der Hinweis an den Berechtigten, so liegt ein gerichtliches Verschulden vor, hinter das ein möglicherweise hinzutretendes eigenes Verschulden des Angeklagten zurücktritt (vgl. auch BSG, Beschluss vom 31. Oktober 2012 – B 13 R 165/12 B – juris). Damit kommt es vorliegend nicht darauf an, ob der Angeklagte durch die Nachfrage bei seiner Tochter in ausreichender Weise sichergestellt hat, zu welcher Zeit er bei Gericht erscheinen muss. Er war nicht gehalten, die Folgen des gerichtlichen Versäumnisses auszugleichen. Bereits mit Rücksicht auf den gebotenen, aber unterlassenen Hinweis nach § 4 Abs. 2 S. 2 ZMV erwies sich die Verspätung als schuldlos.“

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