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Auslagenerstattung im Vollstreckungsverfahren, oder: Keine Rechtsgrundlage, sondern ggf. Amtshaftung

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Und am Gebührenfreitag heute zunächst dann wieder/noch einmal ein „Nachschlag“, und zwar zur Gebührenfrage vom vergangenen Freitag. Die hatte gelautet: Ich habe da mal eine Frage: Auslagenerstattung nach Einstellung der Vollstreckung?. Und meine Lösung dazu war: Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Auslagenerstattung nach Einstellung der Vollstreckung?

Inzwischen liegt mir die in der Frage ergangene amtsgerichtliche Entscheidung vor. Das AG Friedberg hat im AG Friedberg, Beschl. 29.09.2023 – 47a OWi 179/23 – den Antrag zurückgewiesen, also so entschieden, wie ich dem Kollege geantwortet hatte:

„Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gem. § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 62 OWiG statthaft. Dass das Regierungspräsidium den Bescheid, mit selbstständigen Kostenbescheid nach dem RVG überschrieben hat, führt zu keiner Anwendung des § 57 RVG, da mit dem Rechtsbehelf des § 57 RVG nur Entscheidungen nach. den Vorschriften des RVG angefochten werden können. Diese betreffen aber nur die Höhe der Gebühren bzw. deren Anfall, nicht aber die Kostengrundentscheidung selbst (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, 26. Aufl. 2023, RVG § 57 Rn. 1-6.). Hier hat das Regierungspräsidiurn Kassel aber eine Entscheidung über die Auferlegung der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse, mithin eine Kostengrundentscheidung, getroffen.

Zugunsten des Betroffenen ist davon auszugehen, dass die Frist des § 108 Abs. 1 S. 2 OWiG eingehalten wurde. Eine Zustellung des Bescheids ist nicht erfolgt, so dass eine weitere Fristprüfung nicht möglich ist.

Der Antrag ist indes unbegründet. Die Entscheidung des Regierungspräsidiums ist nicht zu beanstanden.

Es besteht keine Rechtsgrundlage für eine neuerliche Kostengrundentscheidung.

Eine solche wurde bereits in dem Einstellungsbeschluss vom 15.03.2021 getroffen. Nach dieser Entscheidung wurden die notwendigen Auslagen, nicht der Staatskasse auferlegt, womit sie beim Betroffenen verblieben sind.

Eine weitere Kostengrundentscheidung für die Tätigkeit des Verteidigers bzgl. der Vollstreckungsandrohung nach der Einstellung ist nicht möglich. Für eine solche Kostengrundentscheidung besteht keine Rechtsgrundlage. Vielmehr ergibt sich aus § 464a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 StPO, dass die Kosten des Vollstreckungsverfahren von der Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren umfasst werden (KK-StPO/Gieg, 9. Aufl. 2023, StPO § 464 Rn. 3.).

Auch wenn man die hiesige Vollstreckungsankündigung mangels rechtskräftiger vollstreckbarer Entscheidung nicht unter § 465a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 StPO subsumieren will, ergäbe sich nichts anderes. Denn in diesem Fall würde es an einer Rechtsgrundlage für eine weitere Kostengrundentscheidung fehlen. In keiner der in § 105 OWiG zitierten Vorschriften findet sich eine Rechtsgrundlage für eine entsprechende Kostengrundentscheidung. Für eine analoge Anwendung des § 464 StPO bleibt kein Raum, da es angesichts der detaillierten Regelegungen im Kostenrecht an einer Analogiefähigkeit des § 464 StPO fehlt. Für eine solche Analogie besteht auch kein Bedürfnis, da es dem Betroffenen möglich und zumutbar ist die von ihm verauslagten Rechtsanwaltsgebühren im Wege der Amtshaftung geltend zu machen. Die Vollstreckungsankündigung des Regierungspräsidiums beruht letztlich auf einer fehlerhaften Auskunft der Staatsanwaltschaft Gießen.“

Unschön, ist aber leider so.

Auslagenerstattung nach dem Bußgeldverfahren II, oder: Einstellung wegen Verjährung

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Und die zweite Entscheidung, der LG Berlin, Beschl. v. 20.07.2023 – 510 Qs 60/23, behandelt ebenfalls die Problematik der Auslagenerstattung nach einem für die Betroffene „erfolgreich beendeten“ Bußgeldverfahren.

Gegen die Betroffene war durch Bußgeldbescheid wegen der Benutzung eines Mobiltelefons als Kraftfahrzeugführerin eine Geldbuße festgesetzt worden. Hiergegen hat die Betroffene Einspruch eingelegt. Mit Verfügung vom 24.01.2022 hat die Verwaltungsbehörde das Verfahren an das AG abgegeben worden. Jedoch hat die Amtsanwaltschaft das Verfahren erst mit Verfügung vom 05.12.2022 dem AG erstmals vorlegt. Am 09.12.2022 hat das AG einen Termin zur Hauptverhandlung anberaumt. Nach Hinweis der Verteidigung auf die Verfolgungsverjährung hat das Amtsgericht das Verfahren mit Beschluss vom 08. 06.2023 nach § 206a StPO eingestellt, weil Verfolgungsverjährung am 19.05.2022) eingetreten ist. Zugleich hat es die Kosten des Verfahrens, nicht aber die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Landeskasse auferlegt.

Gegen die Auslagenentscheidung wendet sich die Betroffene mit ihrer sofortigen Beschwerde. Diese hatte Erfolg:

„Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Wird das Verfahren wie vorliegend wegen eines dauernden Verfahrenshindernisses nach § 206a Abs. 1 StPO eingestellt, fallen gemäß § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse zur Last. Abweichungen von dieser Regel lässt das Gesetz nur für wenige Ausnahmefälle zu. So kann das Gericht gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG davon absehen, die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn sie wegen einer Ordnungswidrigkeit nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Das Ermessen ist dabei jedoch erst dann eröffnet, wenn das Gericht überzeugt ist, dass die Betroffene ohne das Verfahrenshindernis verurteilt worden wäre (vgl. KG, Beschluss vom 26. Oktober 2020 —1 Ws 57/20). Vorliegend hat die Betroffene bereits am Tattag eingeräumt ihr Mobiltelefon genutzt zu haben, wobei sie darauf hinwies, dass sie nicht gewusst habe, dass man das Mobiltelefon während einer Rotphase nicht benutzen dürfe. Die spätere Einlassung, dass sie den Motor ausgeschaltet habe, ist als Schutzbehauptung zu werten. Mithin wäre es zu einer Verurteilung gekommen.

Da das Ermessen allerdings nur dann eröffnet ist, wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass die Betroffene ohne das Verfahrenshindernis verurteilt worden wäre, müssen zu dem Verfahrenshindernis als alleinigem Verurteilungshindernis besondere Umstände hinzutreten, welche es billig erscheinen lassen, der Betroffenen die Auslagenentscheidung zu versagen (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2016, 159f. m.w.N.). Die Umstände dürfen allerdings nicht in der voraussichtlichen Verurteilung der Betroffenen und der ihr zugrundeliegenden Tat oder der Schwere der Schuld gefunden werden. Sondern es müssen andere Gründe — insbesondere ein der Betroffenen vorwerfbares Fehlverhalten — hinzutreten, die eine Abweichung von der Regel des § 467 Abs. 1 StPO unbillig erscheinen lassen (vgl. KK-StPO/Gieg, 8. Aufl. 2019, StPO § 467 Rn. 10b m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, 65. Auflage 2022, § 467 Rn. 18 m.w.N.). Solche Gründe sind vorliegend nicht gegeben. Insbesondere weist die Kammer darauf hin, dass die Verfolgungsverjährung bereits mehr als sechs Monate vor Abgabe an das Amtsgericht Tiergarten eingetreten ist und der Zeitpunkt des Eintritts der Verfolgungsverjährung durch die Polizei Berlin in der Akte vermerkt worden ist. Für das Amtsgericht war das Verfahrenshindernis daher von vornherein erkennbar. Folglich bleibt es bei der Grundregel des § 467 Abs. 1 StPO (vgl. KK-StPO/Gieg, 9. Auflage 2023, StPO § 467 Rn. 10b m.w.N.).“

 

Auslagenerstattung im Bußgeldverfahren, die zweite, oder: Nicht rechtzeitiges Vorbringen missbräuchlich?

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Und dann im zweiten Posting noch einmal etwas zur Auslagenerstattung im Bußgeldverfahren, nach Einstellung des Verfahrens. Es geht um die Frage des rechtzeitigen Vorbringens.

Dem Betroffenen wurde eine angeblich am 27.07.2022 begangene Geschwindigkeitsüberschreitungvorgeworfen. Mit Schreiben vom 31.08.2022 wurde er als Halter des Fahrzeuges unter der Anschrift pp. angehört. Eine Reaktion auf das Anhörungsschreiben erfolgte nicht. Ohne weitere Ermittlungen wurde dann am 27.10.2022 Bußgeldbescheid erlassen und Zustellungsauftrag an diese Adresse erteilt. Der Bußgeldbescheid konnte nicht zugestellt werden, da nach Auskunft des Zustellers kein Briefkasten vorhanden war. Die Zustellung des Bußgeldbescheides über die örtliche Polizei verlief ebenfalls ergebnislos. Der tatsächliche Aufenthaltsort des Betroffenen konnte nicht ermittelt werden. Lediglich eine Erreichbarkeit über Postfach wurden bekannt. Daher wurde die öffentliche Zustellung des Bußgeldbescheides angeordnet.

Mit Schreiben vom 30.01.2023 wurde dem Betroffenen erneut unter der Anschrift eine kostenpflichtige Mahnung übersandt. Mit Schriftsatz vom 09.02.2023 zeigte sein Rechtsanwalt seine Bevollmächtigung durch den Betroffenen an, beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte gleichzeitig Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein. Der Betroffene bestritt, Fahrer des Fahrzeuges zum Tatzeitpunkt gewesen zu sein. Dem Wiedereinsetzungsantrag des Betroffenen wurde stattgegeben. Ein Foto des Betroffenen wurde vom Einwohnermeldeamt angefordert. Mit Schreiben vom 02.03.2023 wurde das Verfahren gegen den Betroffenen eingestellt und der Bußgeldbescheid vom 27.10.2022 aufgehoben.

Mit Schriftsatz vom 06.03.2023 beantragte der Verteidiger eine Kostenentscheidung gemäß §§ 46 Abs. 1, 105 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO zu treffen und die Kosten festzusetzen. Das wurde abgelehnt mit der Begründung ab, dass der Betroffene nicht rechtzeitig entlastende Umstände vorgebracht habe, insbesondere, dass er nicht der verantwortliche Fahrzeugführer zum Feststellungszeitpunkt gewesen sei, ab. Dagegen dann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der mit dem AG Oranienburg, Beschl. v. 01.06.2023 – 13g OWi 264/23 – Erfolg hatte:

„Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Er ist auch begründet.

Gemäß § 105 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467a Abs. 1 StPO hat die Verwaltungsbehörde bei Einstellung des Verfahrens nach Rücknahme eines Bußgeldbescheides durch sie über notwendigen Auslagen des Betroffenen zu entscheiden. Die Verwaltungsbehörde hat den Bußgeldbescheid zurückgenommen und das Verfahren sodann aufgrund des fehlenden hinreichenden Tatverdachtes eingestellt. Gemäß § 105 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467a Abs. 1 StPO sind in diesem Fall in der Regel die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzulegen. Gemäß § 109a Abs. 2 OWiG kann davon abgesehen werden, die Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, welche durch ein rechtzeitiges Vorbringen entlastender Umstände hätten vermieden werden können. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Verwaltungsbehörde die verschwiegenen Umstände bei ordnungsgemäßer Sachverhaltsaufklärung selbst hätte erkennen können (AG Aschaffenburg, Beschluss vom 31.05.2001 – 4 OWi 440/01, DAR 2002, 136). Zudem ist für eine Ermessensentscheidung nach § 109a Abs. 2 OWiG nur Raum, wenn das nicht rechtzeitige Vorbringen als missbräuchlich oder unlauter anzusehen ist (BVerfG, Beschluss vom 16.08.2013 – 2 BvR 864/12, NJW 2013, 3569).

Im vorliegenden Fall ist bereits angesichts der Unzustellbarkeit des Bußgeldbescheides des Betroffenen sowohl postalisch als auch durch die Polizei nicht nachweisbar, dass der Betroffene vor der Mahnung überhaupt von dem Bußgeldverfahren Kenntnis hatte und daher vor Erlass des Bußgeldbescheides und vor Beauftragung seines Verteidigers den tatsächlichen Fahrzeugführer benennen konnte. Darüber hinaus wäre es der Verwaltungsbehörde auch vor dem Erlass des Bußgeldbescheides durch Abgleich eines Fotos des Betroffenen mit dem Foto der Messung möglich gewesen, die Nichtidentität des Halters festzustellen. Das Vorbringen entlastender Umstände hätte es also nicht bedurft. Damit waren die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen.“

Auslagenerstattung im Bußgeldverfahren, die erste, oder: Nichtäußerung ist keine schuldhafte Säumnis

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Und heute dann – an sich – Gebührenentscheidungen, aber: Der Blog-Ordner ist insoweit (leider) leer, so dass ich zunächst mal wieder dazu aufrufen muss, mir bitte Entscheidungen zu schicken. Es kann doch nicht sein, dass auf einmal gebührenrechtlich alles rund läuft 🙂 .

Da ich keine gebührenrechtlichen Entscheidungen habe, gibt es dann heute eben zwei Entscheidungen zur Auslagenerstattung – im Bußgeldverfahren. Hier kommt zunächst der AG Borna, Beschl. v. 23.05.2023 – 3 OWi 43/23.

Die Verwaltungsbehörde hat nach Einspruch der Betroffenen gegen einen Bußgeldbescheid, in dem ihr vorgeworfen wurde, es unterlassen zu haben, die Ladeeinrichtung eines Kraftfahrzeugs bzw. des Anhängers verkehrssicher zu verstauen oder gegen Verrutschen, Umfallen, Hin- und Herrollen oder Herabfallen besonders zu sichern, das Verfahren nach § 47 Abs. 1 OWiG eingestellt. Die Kosten des Verfahrens wurden der Bußgeldstelle auferlegt. Es wurde festgesetzt, dass die notwendigen Auslagen die Betroffene selbst zu tragen hat. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass Gründe, die zur Einstellung des Verfahrens führten vor Erlass des Bußgeldbescheides nicht vorgetragen worden seien.

Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der Erfolg hatte:

„Entsprechend war auszusprechen, dass der Landkreis Leipzig (Bußgeldstelle) die notwendigen Auslagen der Betroffenen zu tragen hat.

Dies ergibt sich aus § 105 OWiG, § 467a StPO.

Ein Fall, der eine abweichende Kostenentscheidung entsprechend der Vorschriften §§ 467a, 467 Abs. 2 bis 5 StPO, der eine abweichende Entscheidung rechtfertigt hätte liegt nicht vor.

Insbesondere ist der Betroffenen keine schuldhafte Säumnis im Sinne des § 467 Abs. 2 StPO vorzuwerfen. Schon allein die Tatsache, dass sich die Betroffene vor Erlass des Bußgeldbescheides nicht geäußert hat, begründet diesen Fall nicht. Auch hat die Betroffene im Einspruch gegen den Bußgeldbescheid keine Angaben zu Tatsachen gemacht, die die Bußgeldstelle nicht schon hätte vorher feststellen können. Es wurde lediglich darauf hingewiesen, dass der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit schon nicht erfüllt sei.“

Einstellung des Bußgeldverfahrens wegen Verjährung, oder: Klare Worte zum „Regel-Ausnahme-Verhältnis

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Die zweite Entscheidung, der LG Trier, Beschl. v. 30.05.2023 – 1 Qs 24/23, behandelt auch die Frage der Auferlegung der notwendigen Auslagen des Betroffenen auf die Staatskasse, wenn das Bußgeldverfahren wegen Verjährung eingestellt wird. Auch hier klare Worte zum Regel-Ausnahme-Verhältnis – wie im AG Büdingen, Beschl. v. 30.05.2023 – 60 OWi 48/23:

„Sie ist auch begründet. Das Amtsgericht hat die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu Unrecht nicht der Staatskasse auferlegt.

Nach dem Grundsatz des § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO fallen die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse zur Last, soweit das Verfahren gegen ihn eingestellt wird.

Als Ausnahme hiervon kann das Gericht nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon absehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er wegen einer Ordnungswidrigkeit nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Bei Hinwegdenken dieses Verfahrenshindernisses – hier der eingetretenen Verfolgungsverjährung – muss feststehen, dass es mit Sicherheit zu einer Verurteilung gekommen wäre (BGH, NStZ 1995. 406, 407). Als Ausnahmevorschrift ist diese eng auszulegen (OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.11.2014 – 2 Ss 142/14, BeckRS 2015, 337 Rn. 4 m.w.N.).

Eine solche Schuldspruchreife kann nur nach vollständig durchgeführter Hauptverhandlung und dem letzten Wort des Betroffenen eintreten (BGH. NJW 1992, 1612, 1613; dem folgend Niesler, in: BeckOK StPO. 45. Edition, Stand: 01.10.2022, StPO § 467 Rn. 11; siehe auch BGH. Beschl. v. 19.06.2008 – 3 StR 545/07, Rn. 17 – juris).

Selbst wenn man der Gegenansicht folgt, wonach von der Auslagenerstattung durch die Staatskasse bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgesehen werden kann. wenn nämlich ein auf die bisherige Beweisaufnahme gestützter erheblicher Tatverdacht besteht und keine Umstände erkennbar sind, die bei Fortführung der Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zur prozessordnungsgemäßen Feststellung der Tatschuld in Frage stellen würden (so etwa BGH. NStZ 2000, 330, 331; siehe auch die insoweit kritische Anmerkung von Hilger, a.a.O.), führt dies im vorliegenden Fall zu keiner anderen Beurteilung. Denn es begründet insofern durchgreifende Bedenken, dass die Verteidigung des Betroffenen insofern beeinträchtigt war, als ihm die Bußgeldstelle – entgegen der gerichtlichen Entscheidung nach § 62 OWiG – die Baumusterprüfbescheinigung des verwendeten Messgeräts und die verkehrsrechtliche Anordnung der maßgeblichen Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht zur Verfügung gestellt hat.

Nach diesen Erwägungen war die Verurteilung des Betroffenen – auch wenn keine Verfolgungsverjährung eingetreten wäre – nicht derart sicher gewesen, dass von der Ausnahmevorschrift des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO Gebrauch zu machen gewesen wäre, zumal die unterlassene Überlassung bestimmter Unterlagen an die Verteidigung auch bei Ausübung des von dieser Vorschrift eingeräumten Ermessens zu würdigen ist. Vielmehr hatte es bei dem Grundsatz der Tragung der notwendigen Auslagen des Betroffenen durch die Staatskasse zu bleiben.“