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Leerdatensätze beim Radarmessverfahren – ist (weitere) Aufklärung erforderlich?

entnommen wikimedia.org Urheber DBZ2313

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Messfehler geltend zu machen und/oder das AG zu bewegen, ggf. eine Messung (noch einmal) durch einen Sachverständigen kritisch überprüfen zu lassen, ist nicht einfach. Die Rechtsprechung ist da verhältnismäßig streng. Neulich meinte ein Kollege, das werde „gemauert“, damit nicht ggf. das gesamte System der Verkehrsüberwachung zusammenbricht. Ich kann es nicht beurteilen, da ich kein Techniker bin und i.d.E. schon erhebliche Schwierigkeiten habe, die technischen Abläufe zu verstehen. Jedenfalls lässt sich aber aus der Rechtsprechung (der OLG) eins ableiten: Ohne konkreten Vortrag kommt man nicht weiter. Das ist m.E. auch das Fazit aus dem OLG Hamm, Beschl. v. 10.06.2014 – 1 RBs 164/13, in dem das OLG eine Aufklärungsrüge des Verteidigers als nicht genügend begründet angesehen hat.In dem Zusammenhang heißt es dann zum Messverfahren und zu Messfehlern:

Warum das Amtsgericht sich unter diesen Umständen dazu hätte gedrängt sehen müssen, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob eine ungewöhnliche Konzentration von Leerfotos mit Leerdatensätzen Hinweise auf eine fehlerhafte Arbeitsweise des Gerätes liefern könnten, hätte näher dargelegt werden müssen, was aber nicht geschehen ist.

„Leerfotos entstehen typischweise bei Knickstrahlreflexionen, indem Fahrzeuge im reflektierten Radarstahl außerhalb des Bildaufnahmebereichs gemessen werden (Golder, Die Beurteilung von Geschwindigkeitsmessungen mit Radargeräten, VRR 2009, 176; Böttger in Burhoff, Handbuch des straßenverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeitsverfahrens, 3. Aufl. Rdnr. 1413). Eine Vielzahl solcher Leerbilder ist zwar insofern von Bedeutung, als sie ein Indiz für eine mögliche Reflexionsfehlmessung darstellen kann. Um eine derartige Häufung von Leerbildern festzustellen oder auszuschließen zu können, macht es durchaus Sinn, sämtliche Bilder einer Messsequenz beizuziehen. Ob eine Reflexionsfehlmessung bei der konkret zu beurteilenden Messung tatsächlich vorgelegen hat, kann aber nur durch einen Sachverständigen für den jeweiligen Einzelfall geklärt werden (Böttger in Burhoff, Handbuch des straßenverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeitsverfahrens, 3. Aufl. Rdnr. 1413). Dies erschließt sich schon daraus, dass Reflexionsfehlmessungen nicht nur durch statische Objekte, wie z. B. großflächige Verkehrsschilder u. ä. , sondern auch durch nur kurzfristig vorhandene und daher nur im Einzelfall wirkende Reflektoren (Metallfläche eines fahrenden LKW oder Busses) verursacht werden können. Eine gehäufte Anzahl von Leerbildern im Rahmen einer Messserie vermag daher für sich allein allenfalls den Verdacht auf eine störanfällige Messstelle zu rechtfertigen, der Anlass gibt, die konkret zur beurteilende Messung diesbezüglich kritisch zu überprüfen. Im vorliegenden Verfahren hat sich der Sachverständige mit einer möglichen Knickstrahlreflexionsfehlmessung in Bezug auf die Messung des Fahrzeugs des Betroffenen befasst und eine solche Fehlmessung nach den Ausführungen in den Urteilsgründen ausdrücklich ausgeschlossen. Da der Sachverständige nach den Urteilsausführungen zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Messung der Geschwindigkeit des Fahrzeugs des Betroffenen auch im Übrigen fehlerfrei erfolgt sei, hätte es näherer Ausführungen dazu bedurft, warum sich das Amtsgericht hätte gedrängt sehen müssen, ein ergänzendes Sachverständigengutachten dazu einzuholen, ob das einwandfreie Funktionieren des Messgerätes auch dann noch sicher beurteilt werden könne, wenn unterstellt werde, dass 16 Datensätze mit Leerfotos vorlägen, insbesondere hätte dargelegt werden müssen, auf welche sonstigen konkreten Fehler hinsichtlich der Funktionsweise des Messgerätes, die sich auch auf die im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Messung niedergeschlagen haben könnten, die fehlenden 16 Datensätze – bei Unterstellung, dass es sich insoweit um Datensätze mit Leerbildern gehandelt habe – den Rückschluss zulassen sollten. Im Übrigen ist bei der Frage, ob sich das Amtsgericht zu weiteren Beweiserhebungen hätte gedrängt sehen müssen, auch zu berücksichtigen, dass der in der Hauptverhandlung anwaltlich vertretene Betroffene durch seinen Verteidiger keinen entsprechenden Beweisantrag hat stellen lassen, obwohl dies möglich gewesen wäre (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 244 Rdnr. 81 m. w. N.).“

Also: Konkret muss der Vortrag sein, was für einen technischen Laien schwierig ist und wahrscheinlich ohne die Hilfe eines anderen Sachverständigen kaum zu bewerkstelligen ist.

Zur Abrundung: Dem Verteidiger muss man an dieser Stelle im Übrigen schon entgegen halten, dass, wenn er überhaupt eine Chance haben will, die Aufklärungsrüge zumindest so begründet sein muss, dass das OLG nicht ein „Haar in der Suppe“ findet und sie an § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO scheitern lässt. das war hier nämlich der Fall.

Aber der Beschluss beinhaltet auch etwas Erfreuliches: Denn als Herausgeber/Autor freut man sich natürlich über die Zitate aus dem („eigenen“) OWi-Handbuch, das jetzt übrigens bald in der 4. Auflage kommt, und dem VRR 🙂 .

Verteidigerfehler: Aufklärungsrüge ist schwer, aber so schwer nun auch nicht, Herr Kollege

Gesicht ärgerlichNatürlich machen nicht nur Gerichte Fehler, sondern auch Verteidiger. Zum Ausgleich nach Klassischer (Anfänger)Fehler XIV: Verteidiger und Angeklagter fehlen bei Plädoyers daher hier ein Verteidigerfehler, den man sicherlich auch als Anfängerfehler bezeichnen und dem Kollegen nur den Rat geben kann, mal eine revisionsrechtliche Fortbildung zu besuchen. Allerdings sollte man als Verteidiger, der Revisionsrecht betreibt, auch ohne Fortbildung wissen: „Aufklärungsrüge ist schwer“, aber so schwer nun wieder auch nicht, dass man nicht folgendes weiß:

„Die Aufklärungsrüge, mit der die unterbliebene Vernehmung von drei Zeugen beanstandet wird, ist bereits deshalb nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die ladungsfähigen Anschriften der Zeugen nicht mitgeteilt werden (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 2013 – 4 StR 242/13 mwN, insoweit in NStZ 2014, 172 nicht abgedruckt).“

Die „Gebetsmühle“ des BGH zur Aufklärungsrüge

In dem vorhin vorgestellten KG, Urt. vom hat ja auch die Frage der Begründung der Aufklärungsrüge eine Rolle gespielt. Die war nicht ausreichend begründet, wie so häufig. Dazu passt dann der BGH, Beschl. v. 30.07.2013 – 4 StR 190/13, den ich auch bereits in anderem Zusammenhang erwähnt hatte (vgl. Das ist der GBA wohl etwas weit gegangen…), der dazu noch einmal ausführt:

„Ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts vom 8. Mai 2013 ist anzumerken :

Die Aufklärungsrüge, das Gericht habe es unterlassen, ein Sachverständigengutachten zur Aussagefähigkeit der einzigen Belastungszeugin einzuholen, obgleich sie seit mehreren Jahren Cannabis konsumiere, die schädigende Wirkung des Cannabiskonsums auf kindliche/jugendliche Personen wissenschaftlich feststehe und keine verlässlichen Aussagen zu ihrem Konsumverhalten bestünden, ist nicht zulässig erhoben. Denn die Revision trägt lediglich vor, das Gutachten „hätte möglicher-weise ergeben, dass eine glaubhafte Aussage nur eingeschränkt möglich“ sei (RB S. 20), ohne bestimmte Beweistatsachen und ein zu erwartendes, konkretes Beweisergebnis mit der erforderlichen inhaltlichen Bestimmtheit zu behaupten (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 – 1 StR 320/12, NJW 2013, 1688, 1689; Urteil vom 26. August 1988 – 5 StR 157/88, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 1).“

Leute, also wirklich: So schwer ist es nicht. Und der BGH wiederholt es doch „gebetsmühlenartig“:

Revisionsrecht am Hochreck – die Aufklärungsrüge?

© M. Schuppich – Fotolia.com

Ich hatte ja bereits schon über das KG, Urt. v. 16.05.2013 – (4) 161 Ss 52/13 (66/13)– berichtet (vgl. hier: Die “Ticstörung” und die Aussagetüchtigkeit). Das Urteil ist aber nicht nur wegen der im Zusammenhang mit der Ticstörung behandelten Fragen interessant, sondern auch wegen der verfahrensrechtlichen Problematik der Begründung der erhobenen Aufklärungsrüge. Nun ist sicherlich die Begründung der Aufklärungsrüge nicht einfach, was man m.E. u.a. daran merkt, dass viele der in den Verfahren erhobenen Aufklärungsrügen scheitern. Aber so schwer ist es nun auch nicht. Zumindest sollte man als Verteidiger wissen und beachten, dass:

„…Soweit in dem fraglichen Antrag danach lediglich ein (Hilfs-) Beweisermittlungsantrag zu sehen ist, setzt eine zulässige Aufklärungsrüge nicht nur voraus, dass die Revision bestimmte Tatsachen, deren Aufklärung das Gericht unterlassen hat, und die Beweismittel, deren sich der Tatrichter hätte bedienen sollen, benennt, sondern es bedarf ferner der Darlegung, welche Umstände das Gericht zu der vermissten Beweiserhebung hätten drängen müssen und insbesondere, welches Ergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 316; NStZ 1999, 45; Senat, Beschluss vom 20. November 2012 – (4) 121 Ss 245/12 (294/12) –; KG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 – (2) 1 Ss 377/08 (43/08) –; Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl., § 244 Rn. 81).

Auch dieser Anforderung wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. Die Revision legt keinerlei konkrete Umstände (außer dem Hilfsantrag selbst) dar, aus denen heraus sich der Jugendkammer die Notwendigkeit eines Glaubwürdigkeitsgutachtens hätte aufdrängen müssen. So teilt sie keine Auffälligkeiten im Aussageverhalten der Zeugen mit, und zwar weder solche, die durch ihr Alter erklärbar wären, noch solche, die durch die Erkrankung des Zeugen M. K., die im Übrigen nicht nachvollziehbar und mit Bestimmtheit dargelegt wird, verursacht sein könnten.“

Und: Wie man einen ordnungsgemäßen Beweisantrag stellt, sollte man auch wissen. Auch dazu dann an anderer Stelle noch einmal mehr.

 

Den BGH stört u.a. die „Haltlosigkeit der Aufklärungsrüge“ der Staatsanwaltschaft…

M.E. starke Worte hat der 5. Strafsenat des BGH im BGH, Beschl Urt.v. 15.05.2013 – 5 StR 646/12 – zu einer Aufklärungsrüge der Staatsanwaltschaft, die auch vom GBA vertreten worden ist, gefunden; der Sachrüge hatte sich der GBA nicht angeschlossen (zu seinem Glück; siehe unten).

Die Staatsanwaltschaft hatte in Zusammenhang mit einer Brandstiftung die Verurteilung der Angeklagten in der in § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB bezeichneten Absicht der Ermöglichung einer anderen Straftat (Betrug gegenüber Versicherungsunternehmen) erstrebt. Die Absicht konnte die Strafkammer nicht festzustellen und hat, da auch der Qualifikationstatbestand des § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB (konkrete Lebensgefahr für einen anderen Menschen) nicht gegeben war, die Angeklagten, lediglich der schweren Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig gesprochen. Die Staatsanwaltschaft hat aber nicht aufgegeben und die Aufklärungsrüge erhoben und beanstandet, dass das LG hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Ermöglichungsabsicht nach § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht die gebotenen Schritte zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen habe. Dazu dann der 5. Strafsenat – auszugsweise -:

aa) Die Aufklärungsrüge ist bereits nicht zulässig im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erhoben.

Die Urteilsgründe befassen sich zentral mit der Frage der Ermöglichungsabsicht (UA S. 20 ff.). In diesem Zusammenhang hat das Landgericht, wozu die Revision freilich nichts vorträgt, außerhalb der Hauptverhandlung gemachte Einlassungen jedenfalls der Angeklagten F. und S. S. in ihre Beweiswürdigung einbezogen und im Einzelnen erörtert (UA S. 22 f.).


bb) Im Übrigen liegt folgendes Verfahrensgeschehen nahe, aus dem sich die Haltlosigkeit der Aufklärungsrüge in der Sache ergibt: ….

Und dann noch zur Sachrüge – im Grunde „einen drauf“:

…Die Überprüfung des Urteils anhand der Sachrüge, die selbstverständlich nicht mit urteilsfremdem Vorbringen des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft zum Inhalt der Hauptverhandlung begründet werden kann, deckt in Übereinstimmung mit der Auffassung des Generalbundesanwalts keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Das gilt namentlich für die von der Beschwerdeführerin als lückenhaft beanstandete Beweiswürdigung.“

Na, das war aber einer mit dem Hammer. Liest man beim GBA/bei der StA sicher nicht gern: „bereits nicht zulässig“ – „Haltlosigkeit der Aufklärungsrüge“ – „urteilsfremdem Vorbringen des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft“.