Schlagwort-Archive: Auffahrunfall

Grundlos gebremst

entnommen wikimedia.org Author Harald Wolfgang Schmidt at de.wikipedia

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Schon etwas älter ist das AG München, ‌Urt. v. 19‌.‌02‌.‌2014‌ – 345 C ‌22960‌/‌13‌, recht frisch aber die PM des AG München vom 30.01.2015. Mehr habe ich zu dem Urteil aber auch nicht. Den Volltext kann ich nicht bringen. Also muss die PM reichen, in der es heißt:

„Wer im Straßenverkehr sein Fahrzeug grundlos abbremst, gefährdet andere Verkehrsteilnehmer und haftet für einen daraus entstandenen Schaden mit 30 Prozent. Das hat das AG München mit einem Urteil entschieden.

Der Ehemann der Klägerin, ein Rechtsanwalt aus Ebenhausen, fuhr am 13.11.12 mit dem PKW Golf seiner Frau mit 50 Stundekilometern auf der Garmischer Straße in München. Auf Höhe der Einmündung der Lindauer Autobahn bremste die Fahrerin des bei der beklagten Münchner Versicherung versicherten PKW Mercedes Benz stark und unvermittelt ab, da aufgrund einer geänderten Baustellenführung die Fahrerin dachte, sie habe sich verfahren. Der Rechtsanwalt konnte nicht mehr bremsen und fuhr auf den PKW Mercedes vor ihm auf. Durch den Unfall ist der Klägerin an ihrem Golf ein Schaden in Höhe von 3892 Euro entstanden, wovon 1297 Euro bereits von der beklagten Versicherung bezahlt worden sind. Die Klägerin ist der Meinung, dass die Fahrerin des Mercedes den Unfall alleine verursacht hat und zu 100% die Schuld daran trägt. Die Klägerin verlangt von der gegnerischen Versicherung die restlichen 2595 Euro. Da sich diese weigerte, den Restbetrag zu zahlen, erhob die Klägerin Klage vor dem Amtsgericht München. Der zuständige Richter gab der Versicherung Recht. Es wies die Klage insoweit ab. Die Klägerin bekommt über den bereits bezahlten Betrag hinaus keinen Schadensersatz für ihren PKW Golf.

Das Gericht führt aus, dass grundsätzlich derjenige, der mit seinem PKW auf ein vorausfahrendes Fahrzeug auffährt (hier also der Ehemann der Klägerin), nach allem Anschein entweder nicht den nötigen Sicherheitsabstand eingehalten hat oder mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren ist oder falsch reagiert hat. In dem vorliegenden Fall jedoch stehe fest, dass der Mercedes ohne jeden verkehrsbedingten Grund und somit vollkommen grundlos abgebremst worden ist. Insoweit liege eine Abweichung vom typischen Fall vor. Der Fahrerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs wird vom Gericht vorgehalten, ohne irgendeinen Grund abgebremst zu haben. Nach Ansicht des Gerichts führt dies zu einer Mithaftungsquote von 30 Prozent zu Lasten der Fahrerin des PKW Mercedes und damit der beklagten Versicherung. „Bremst der unaufmerksame Beklagte ohne zwingenden Grund und trägt er durch dieses Verhalten zu einer Kollision bei, so gefährdet er andere Verkehrsteilnehmer im Sinn von § 1 Absatz 2 STVO. Diese Gefährdung begründet eine Mithaftung …, eine Mithaftungsquote von 30% ist gerechtfertigt“ (so Landgericht München I). Das Amtsgericht folgt insoweit der Rechtsprechung des Landgerichts München I für einen Fall des grundlosen Bremsens. Da vorgerichtlich bereits 33 % von der beklagten Versicherung an die Klägerin bezahlt wurden, hat der Richter die Klage in der Hauptsache abgewiesen.“

Der (erschütterte) Anscheinsbeweis beim Auffahrunfall

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Wer kennt nach einem Auffahrunfall nicht den Satz: Wer auffährt, ist schuld?. Davon geht auch das OLG München im OLG München, Urt. v. 14.02.2014 – 10 U 3074/13 –, aus, dem man etwa folgende Leitsätze voranstellen könnte:

1. Bei einem typischen Auffahrunfall haftet der Auffahrende grundsätzlich allein und in voller Höhe. Denn im Allgemeinen spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Auffahrende entweder zu schnell, mit unzureichendem Sicherheitsabstand oder unaufmerksam gefahren ist.

2. Der Anscheinsbeweis ist erschüttert oder ausgeräumt, wenn der Auffahrende nachweist, dass der Vorausfahrende unter Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO ohne zwingenden Grund plötzlich stark gebremst hat. Das gilt auch dann, wenn das Fahrzeuge durch eine Kollision zum Stehen kam.

Und weiter:

„Erschüttert bzw. ausgeräumt ist der Anscheinsbeweis nach Ansicht des KG, Urt. v. 20.01.1994, Az. 12 U 4863/93 [[…]] etwa dann, wenn der Auffahrende nachweist, dass der Vorausfahrende unter Verstoß gegen § 4 I 2 StVO ohne zwingenden Grund plötzlich stark gebremst hat. Jedenfalls mit einem „ruckartigen“ Stehenbleiben muss der Hintermann nicht ohne weiteres rechnen, etwa einem Abwürgen des Motors mit sofortigem Stillstand des Fahrzeugs (BGH NJW 1987, 1075; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.11.2003, Az. I-1 U 28/02 [[…]]). Es fehlt dann der gegen den Auffahrenden sprechende und den Anscheinsbeweis begründende typische Geschehensablauf (BGHZ 192, 84 = NJW 2012, 608 = NZV 2011, 177 f.; OLG Naumburg NJW-RR 2003, 809 = VRS 104 [2003] 417; OLG Düsseldorf 08.03.2004 – 1 U 97/03; OLG Hamm NJW-RR 2004, 173; Senat, Urt. v. 04.09.2009 – 10 U 3291/09; KG NZV 2011, 185 f.).

Vorliegend ist durch das Gutachten bewiesen, dass es zur Kollision kam, weil der Audi durch die vorangegangene Kollision plötzlich zum Stillstand kam oder – was im Übrigen wahrscheinlicher ist – zurückgeschleudert wurde, wobei er sich zum Kollisionszeitpunkt noch in Rückwärtsfahrt befand (Gutachten S. 16 = Bl. 104 d.A.), während der Kläger bei Fortführung des Abbiegevorganges ohne Abbremsung am Audi vorbeigelangt wäre. Damit ist für die Annahme eines Anscheinsbeweises kein Raum mehr, weil auf Grund bewiesener Umstände ein anderer Geschehensablauf in Betracht zu ziehen ist.“

 

Der Auffahrunfall des Radfahrers

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Ja, das gibt es, den Auffahrunfall des Radfahrers, im Grunde also ein Verstoß gegen § 4 StVO. Der hat jetzt vor kurzem das OLG Koblenz beschäftigt. Im OLG Koblenz, Urt. v. 24.10.2012 – 5 U 583/12 heißt es dazu:

1. Konnte ein Radfahrer mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von ca. 14 Km/h problemlos vor einem Fußgänger anhalten, der bereits fast die gesamte Fahrbahn überquert hatte, ist der gleichwohl auffahrende zweite Radfahrer für den Unfall weit überwiegend selbst verantwortlich, wenn er ebenfalls rechtzeitig bremsen oder problemlos an dem rechts stehenden Fahrrad links vorbeifahren konnte.

Und im Urteil dann zur Abwägung:

„Bei der gebotenen Abwägung im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB ist in erster Linie das Maß der Verursachung maßgeblich, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (vgl. BGH VersR 1968, 1093, 1094 m.w.N.; BGH VersR 1998, 474, 475). Es kommt also für die Haftungsverteilung entscheidend darauf an, ob das Verhalten des Schädigers oder das des Geschädigten den Eintritt des Schadens in wesentlich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat (vgl. BGH VersR 1988, 1238, 1239 m.w.N.). Die unter diesem Gesichtspunkt vorzunehmende Abwägung kann in besonderen Fallgestaltungen auch zu dem Ergebnis führen, dass einer der Beteiligten allein für den Schaden aufkommen muss. Unter dem Aspekt der Mitverursachung ist eine vollständige Überbürdung des Schadens auf einen Beteiligten dann möglich, wenn die wertende Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalles ergibt, dass sein Verursachungsbeitrag derart überwiegt, dass das Fehlverhalten der Gegenseite nicht nennenswert in’s Gewicht fällt. So liegt es hier, wenn man – wie von der Berufungserwiderung ausdrücklich gefordert – der Unfallschilderung des Zeugen M. folgt. Ebenso wie er jede Eigengefährdung vermeiden konnte, indem er sein Rad aus der mäßigen Geschwindigkeit von 14 km/h zum Stillstand abbremste, hätte der Erblasser bei gebotener Aufmerksamkeit den Aufprall gegen das stehende Rad des Zeugen M. vermeiden können.“