Schlagwort-Archive: Antrag

Pflichtverteidiger: Immer an den Erstreckungsantrag denken…

© Gina Sanders – Fotolia.com

Ich hatte im Juli 2012 über den OLG Koblenz, Beschl. v. 30.05.2012 – 2 Ws 242/12 – berichtet, der – m.E. unzutreffend – davon ausgeht, dass im Fall der Verbindung von Verfahren immer ein Erstreckungsantrag erforderlich ist und nicht nur, wenn die Verbindung der Verfahren nach der Beiordnung erfolgt. Wird nicht erstreckt, kann der Pflichtverteidiger danach keine gesetzlichen Gebühren für seine Tätigkeiten in den hinzuverbundenen Verfahren geltend machen.

In dieser umstrittenen Frage liegt nun der OLG Bremen, Beschl. v. 07.08.2012 – Ws 137/11 – vor. Der geht zutreffend davon aus, dass die kostenrechtliche Rückwirkung gemäß § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG die Tätigkeit als Wahlverteidiger in allen Verfahren erfasst , die vor der Beiordnung verbunden worden sind. Einer zusätzlichen Anordnung der Erstreckung auf verbundene Verfahren gem. § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG bedürfe es in diesen Fällen nicht. Eine Erstreckungsanordnung gem. § 48 Abs. 5 S. 3 RVG sei nur veranlasst, wenn die Verbindung der Verfahren nach der Beiordnung des Verteidigers erfolgt.

Freut einen Kommentator natürlich, wenn sich ein OLG der von ihm vertretenen Auffassung anschließt. Nur: Entwarnung bringt der Beschluss nicht. Denn die Frage bleibt umstritten. Und deshalb bleibt es bei meinem Rat: Vorsorglich bei Verbindung als Pflichtverteidiger immer die Erstreckung beantragen.

Pflichtverteidiger aufgepasst- jetzt immer Erstreckungsantrag

© Gina Sanders – Fotolia.com

Mal wieder etwas Gebührenrecht, auch wenn die Statistik zeigt, dass die Beiträge – was mich erstaunt, da es ja ums Geld geht – gar nicht so nachgefragt sind.

Heute ein Hinweis an die Pflichtverteidiger, in Zukunft nun immer bei Verbindung von Verfahren einen Erstreckungsantrag zu stellen. Bisher war das m.E. nicht erforderlich, wenn zunächst verbunden wurde und dann die Beiordnung erfolgte. Das war/ist nämlich m.E. und nach Auffassung der – bisher – h.M. in der Rechtsprechung kein Fall des § 49 Abs. 5 Satz 3 RVG. Nun hat aber das OLG Koblenz im OLG Koblenz, Beschl. v. 30.05.2012 – 2 Ws 242/12 – das ebenso wie in der Vergangenheit schon das OLG Oldenburg – anders gesehen und verlangt auch in dem Fall einen Erstreckungsantrag, wenn später die gesetzlichen Gebühren für das oder die hinzuverbundenen Verfahren geltend gemacht werden sollen. Es nutzt m.E. nichts, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass die Entscheidung auch falsch ist und die Dinge laufen lässt. Man muss m.E. vorbereitet sein und reagieren, um so wenigstens die formellen Voraussetzungen für die Erstreckung zu schaffen. Sonst gehen Gebühren verloren. Und wer will die schon verlieren.

Die Antragstellung sollte daher nun auch in den OLG-Bezirken erfolgen, die die Frage bislang anders gesehen haben. Denn gegen Rechtsprechungsänderungen ist kein Kraut gewachsen. Und jeder weiß, dass die Bezirksrevisoren solche Entscheidungen wie die des OLG Koblenz als Aufforderung verstehen, gegen eine eingefahrene Rechtsprechung – immer natürlich im Interesse der Staatskasse – anzulaufen.

Achtung zum Schluss kommt Werbung :-). Alles zur Erstreckung kann man in unserem RVG-Kommentar bei § 48 nachlesen.

 

Revision: Dafür brauche ich eine Beschwer…

© GaToR-GFX - Fotolia.com

Der BGH, Beschl. v. 09.05.2012 – 4 StR 649/11 – behandelt mal wieder zwei Fragen, die im Revisionsrecht immer wieder eine Rolle spielen. Ausgangspunkt ist ein Urteil des LG, in dem dieses es abgelehnt hat, den Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen.  Gegen dieses Urteil hat der Beschuldigte beim LG Revision eingelegt. Mit Beschluss vom 31. 10. 2011 hat das LG die Revision des Beschuldigten als unzulässig verworfen, weil das Rechtsmittel innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht in der vorgeschriebenen Form begründet worden ist. Gegen diesen Beschluss hat der Beschuldigte „Einspruch“ eingelegt.

Dazu der BGH:.

1. Frage: LG war zur Verwerfung nicht zuständig

Der als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts auszulegende (§ 300 StPO) „Einspruch“ des Beschuldigten gegen den Beschluss vom 31. Ok-tober 2011 ist zulässig, hat aber im Ergebnis keinen Erfolg.
Allerdings führt er zur Aufhebung des Beschlusses, mit dem das Landgericht die Revision als unzulässig verworfen hat. Zu dieser Entscheidung war das Landgericht nicht befugt. Seine Befugnis zur Verwerfung der Revision ist auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen der Beschwerdeführer die für die Einlegung und Begründung des Rechtsmittels vorgeschriebenen Formen und Fristen nicht gewahrt hat (§ 346 Abs. 1 StPO). Kann sich die Unzulässigkeit der Revi-sion aus einem anderen Grund ergeben, so hat allein das Revisionsgericht zu entscheiden, das sich nach § 349 Abs. 1 StPO umfassend mit dem Gesamt-komplex der Zulässigkeit befassen muss. Dies gilt auch dann, wenn ein solcher Grund mit Mängeln der Form- und Fristeinhaltung zusammentrifft (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2006 – 4 StR 375/06, NJW 2007, 165 m.w.N.;BGH, Beschluss vom 31. März 2010 – 2 StR 31/10; Kuckein in KK-StPO, 6. Aufl., § 346 Rn. 3 m.w.N.). Da hier auch eine Verwerfung der Revision man-gels Beschwer des Beschuldigten zu prüfen ist, obliegt die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsmittels dem Revisionsgericht.

2. Frage: In der Sache bringt es aber nichts, denn:

Die Revision ist unzulässig. Da das Landgericht von einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus abgesehen hat, ist der Beschuldigte durch diese Entscheidung nicht beschwert (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1979 – 2 StR 743/78, BGHSt 28, 327, 330 ff.; Beschluss vom 13. Juni 1991 – 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4, 7). Eine Beschwer ist Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels (BGH, Beschluss vom 24. November 1961 – 1 StR 140/61, BGHSt 16, 374, 378 f.). Sie muss sich aus dem Urteilsspruch selbst ergeben, nicht aus den Gründen des Urteils (BGH, Urteil vom 18. Januar 1955 – 5 StR 499/54, BGHSt 7, 153; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. vor § 296 Rn. 11 m.w.N.). …

Richtervorbehalt verkehrt; oder: Von der schnellen Truppe

§ 165 StPO sieht vor, dass der Ermittlungsrichter bei Gefahr im Verzug der Richter die erforderlichen Untersuchungshandlungen auch ohne Antrag vornehmen, wenn ein Staatsanwalt nicht er­reichbar ist. Diese „Erlaubnis“ hat ein Richter beim AG Dresden sehr weit gefasst. Dieser hatte im Rahmen einer Haftbefehlseröffnung von dem davon betroffenen Beschuldigten erfahren, dass auch ein bislang nicht bekannter Dritter in Rauschgiftgeschäfte verstrickt sein sollte. Flugs wurde vom Richter die Durchsuchung bei diesem angeordnet, und zwar mit undatiertem Vermerk in der Akte. Der „Beschluss“ wurde dann vom Zollfahndungsamt ausgeführt.

Das LG Dresden, Beschl. v. 24.08.2011 – 3 Qs 105/11 sieht die „mündliche Durchsuchungsanordnung als rechtswidrig an, und zwar aus folgenden Gründen:

„Im vorliegenden Fall ist aber bereits eine fehlende Erreichbarkeit eines Staatsanwalts nicht erkennbar. Der Ermittlungsrichter gewann seine Erkenntnisse im Rahmen der Haftbefehlseröffnung in dem Strafverfahren gegen A., deren Vernehmung ausweislich des Protokolls um 10.50 Uhr begann und um 12.20 Uhr endete, also zu den normalen Dienstzeiten an einem Werktag. Eine Rücksprache mit der Staatsan­waltschaft Dresden gab es nicht.“

Außerdem geht das LG davon aus, dass die Durchsuchungsanordnung zwar grds. auch mündlich ergehen kann, i.d.R. aber schriftlich erfolgen sollte. Dazu heißt es im Beschluss.

„Folglich liegt es nahe, dass aus Dringlichkeitsgründen eine mündliche Durchsuchungsanordnung nur ergehen sollte, wenn bei Erlass eines schriftlichen Durchsuchungsbeschlusses das Interesse an einer wirksamen und effektiven Strafverfolgung beeinträch­tigt wäre und die Gefahr eines Beweismittelverlustes droht.

Derartige Gründe für eine mündliche Anordnung sind hier auch nicht ersichtlich, zumal diese während der normalen Dienstzeiten erlassen wurde. Nachdem die richterliche Vernehmung der gesondert Verfolgten abgeschlossen war, hätte der zuständi­ge Richter ohne Zeitverzug per Telefax ,die Staatsanwaltschaft Dresden über den Ermittlungsstand informieren und diese hätte ohne Weiteres die Durchsuchung der ent­sprechenden Räume wiederum bei dem Amtsgericht Dresden beantragen können. Der dann schriftlich ergangene Durchsuchungsbeschluss wäre angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten binnen kürzester Zeit erneut zu den zuständigen Beamten des Zollfahndungsamtes gelangt. Die Gefahr eines Beweismittelverlustes bestand – soweit ersichtlich – nicht…“

Also: Von der ganz schnellen Truppe zu sein schadet i.d.R. auch.

Kleiner Grundkurs: Abrechnung des Antrags auf Sperrfristverkürzung

Eine Kollege hatte mal wieder sehr kreativ gedacht und überraschte mich mit folgender Anfrage zu einem Abrechnungsproblem:

In einem Strafverfahren wegen fahrlässiger Trunkenheit habe ich nach der Hauptverhandlung Antrag auf Sperrzeitverkürzung von drei Monaten gestellt. Das AG hat einen Monat bewilligt, ich habe deshalb sofortige Beschwerde eingelegt, so dass das LG zwei Monate bewilligt hat und von den Kosten des Beschwerdeverfahrens die Staatskasse und der Beschwerdeführer jeweils die Hälfte tragen.

Mein Problem ist nun die Abrechnung sowohl in der ersten Instanz als auch für die sofortige Beschwerde. Kann ich für den Antrag auf Sperrzeitverkürzung die Nr. 4142 VV RVG mit einem Auffangstreitwert von 5000 € geltend machen und für die sofortige Beschwerde die Nr. 4302 VV RVG?“

Ich habe ihm etwa wie folgt geantwortet:

Die von Ihnen vorgesehene Abrechnung ist so nicht möglich. Der Antrag auf Abkürzung der Sperrfrist hat nichts mit den in Nr. 4142 VV RVG geregelten Fällen zu tun. Und die sofortige Beschwerde ist auch keine Einzeltätigkeit: Sie waren offensichtlich als Verteidiger tätig, so dass die Subsidiaritätsklausel der Vorbem. 4.3 Abs. 1 VV RVG eingreift.

Sie können vielmehr wie folgt abrechnen:

Sie rechnen nach Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG ab, da es sich um Strafvollstreckung handelt. Für die Tätigkeit beim AG nach Nr. 4204 VV und für die Beschwerde nach Vorb. 4.2 VV i.V.m. Nr. 4204 VV jeweils eine Verfahrensgebühr. Eine Grundgebühr entsteht allerdings nicht. Es entsteht zudem mindestens eine Postentgeltpauschale für das Verfahren beim AG, ob eine weitere für das Beschwerdeverfahren entsteht, ist umstritten.

ich hoffe, er war zufrieden.