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Ablehung von PKH wegen fehlender Erfolgsaussicht, oder: Ablehnungsbeschluss ist nicht anfechtbar

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Und dann die Gebührenentscheidungen am Freitag.

Ich starte zum Warmwerden mit dem BayObLG, Beschl. v. 30.04.2024 – 203 StObWs 150/24. Nicht direkt Gebühren, aber der Beschluss hat damit zu tun. Es geht um die Anfechtbarkeit der PKH-Entscheidung im Strafvollzugsverfahren. Da sagt das BayObLG: Nicht anfechtbar:

„Der Senat hat das Rechtsmittel aufgrund der ausdrücklichen Bezeichnung durch die Rechtsanwältin als Rechtsbeschwerde und hilfsweise als sofortige Beschwerde geprüft. Das Rechtsmittel gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer erweist sich als unzulässig.

1. Eine Rechtsbeschwerde nach § 116 Abs. 1 StVollzG wäre gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer nicht eröffnet, da sich das Tatgericht – insoweit auch rechtsfehlerfrei – isoliert mit dem ihm zur Entscheidung unterbreiteten Begehren des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe befasst hat.

2. Die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe ist ebenfalls unzulässig. Nach überwiegender obergerichtlicher Auffassung, der sich der Senat anschließt und die auch im Schrifttum Zustimmung erlangt hat, ist im Strafvollzugsverfahren ein die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht ablehnender Beschluss der Strafvollstreckungskammer ungeachtet des Verfahrenswerts nicht anfechtbar (vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 12. Mai 2020 – 1 Ws 129/19 –, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. März 2020 – 2 Ws 38/20 –, juris Rn. 7; OLG Koblenz, Beschluss vom 5. November 2019 – 2 Ws 627/19 Vollz –, juris Rn. 10; KG, Beschluss vom 16. Februar 2018 – 5 Ws 20/18 Vollz -, juris Rn. 2 ff.; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18. Februar 2014 – 1 Ws 294/13-, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 4. Dezember 2012 – III-1 Vollz (Ws) 672/12-, juris; OLG Hamburg, Beschluss vom 17. November 2008 – 3 Vollz (Ws) 64/08 –, juris Rn. 8; OLG Naumburg, Beschluss vom 9. September 2003 – 1 Ws 275/03, juris; Spaniol in Feest/Lesting/Lindemann, Strafvollzugsgesetze, 8. Aufl., Teil IV § 120 StVollzG Rn. 21; Laubenthal in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 7. Aufl., 12. Kapitel § 120 Rn. 12; Euler in BeckOK Strafvollzug Bund, §120 StVollzG, 25. Ed., § 120 Rn. 11; Bachmann in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier, Strafvollzugsgesetze, 13. Aufl., P § 120 StVollzG Rn. 140; diff. nach Beschwerdewert wohl Arloth/Krä, StVollzG, 5. Aufl. § 120 Rn. 7; diff. nach zulässig eingelegter Rechtsbeschwerde OLG Rostock, Beschluss vom 6. Februar 2012 – I Vollz [Ws] 3/12 – BeckRS 2012, 04285). Denn im Strafvollzugsverfahren ist gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer keine weitere Tatsacheninstanz eröffnet (vgl. KG a.a.O.; OLG Hamburg a.a.O.).“

EÖB II: Nichtigkeit eines nicht unterschriebenen EÖB, oder: Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG unzulässig

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Und im zweiten Posting dann etwas zu den Rechtsmitteln in Zusammenhang mit einem EÖB:

Folgender Sachverhalt: Es geht um einen Antrag nach §3 23 ff. EGGVG. Der ist über den Umweg VG, wo Klage eingereicht war mit dem Antrag „Feststellung auf Nichtigkeit des Verwaltungsaktes gemäß § 44 VwVfG Nichtigkeit der Beschluss Urkunde vom 03.05.2022, AG Deggendorf (Az.: 5 Ds 4 Js 1788/22 jug) wegen Nichteinhaltung der Formvorschriften gemäß § 34 und § 37 VwVfG sowie § 126 BGB“ -Stichwort: mangels Unterschrift und Beglaubigung unwirksam – und Verweisung an das AG, das sich als sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das BayObLG verwiesen hat, dort gelandet. Das BayObLG hat den Antrag mit dem BayObLG, Beschl. v. 14.05.2024 – 203 VAs 106/24 – als unzulässig verworfen.

„Der Antrag nach § 23 EGGVG ist unstatthaft und daher als unzulässig zu verwerfen.

1. Vorliegend begehrt die Antragstellerin die Feststellung der Nichtigkeit eines in einem Strafverfahren ergangenen Eröffnungsbeschlusses. Nach der Verweisung des Rechtsstreits ist das Bayerische Oberste Landesgericht zur Entscheidung über das Antragsbegehren berufen.

2. Der Antrag ist unstatthaft. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Eröffnungsbeschluss des Jugendgerichts nicht der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Der verfahrensgegenständliche Gerichtsbeschluss ist aber auch der Kontrolle im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG entzogen. Als Akt der Rechtsprechung unterliegt er nicht der Überprüfung nach §§ 23 ff. EGGVG (vgl. Mayer in KK-StPO, 9. Aufl., § 23 Rn. 5 und 12; Gerson in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage, § 23 GVGEG Rn. 6 und 7; Kissel/Mayer/Mayer, 10. Aufl. 2021, EGGVG § 23 Rn. 10). Die Vorschrift von § 23 Abs. 3 EGGVG steht der Entscheidung des Senats wegen § 210 Abs. 1 StPO hier nicht entgegen.“

Mann, Mann, was erzeugt dieser Quatsch mit den nicht unterschriebenen Entscheidungen an unnützer Arbeit.

Vollstreckung III: Anhörung durch Bild-Tonübertragung, oder: Unanfechtbarkeit der Anordnung

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Und dann als dritte Entscheidung heute noch der OLG Celle, Beschl. v. 23.02.2024 – 2 Ws 36/24 -, und zwar auch noch einmal aus dem Strafvollstreckungsverfahren.

Der Verurteilte ist durch Urteil des LG 2014 wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt worden. Zwei Drittel der Strafe waren am 29.10.2021 vollstreckt, das Strafende ist auf den 29.10.2025 notiert.

Nachdem der Verurteilte in der Vergangenheit bereits mehrfach seine vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft beantragt hatte, was von der zuständigen StVK jeweils abgelehnt worden war, beantragte er am 06.12.2023 erneut, die Vollstreckung des Strafrestes gemäß § 57 Abs. 1 StGB zur Bewährung auszusetzen. Hierzu teilte er unter dem 29.12.2023 ergänzend mit, dass er mit einer mündlichen Anhörung im Wege der Bild- und Tonübertragung „per Skype“ nicht einverstanden sei.

Mit Beschluss vom 31.01.2024 entschied die StVK, dass die mündliche Anhörung des Verurteilten gemäß § 463e Abs. 1 S. 1 StPO im Wege der Bild- und Tonübertragung durchgeführt werden solle.

Hiergegen wandte sich der Verurteilte mit seiner Beschwerde, mit der er die Aufhebung des Beschlusses vom 31.01.2024 und die Anberaumung eines mündlichen Anhörungstermins bei gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit beantragte. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

„Die Beschwerde ist unzulässig. Denn die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer nach § 463e Abs. 1 S. 1 StPO, die mündliche Anhörung des Verurteilten nach § 454 Abs. 1 S. 1 StPO im Wege der Bild- und Tonübertragung durchzuführen, ist unanfechtbar.

Die Zulässigkeit der Beschwerde gegen die von der Strafvollstreckungskammer gemäß § 463e Abs. 1 S. 1 StPO getroffene Entscheidung folgt nicht aus § 304 StPO. Denn es handelt sich hierbei weder um eine Entscheidung im ersten Rechtszug noch im Berufungsverfahren, gegen die die Beschwerde grundsätzlich statthaft ist, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich der Anfechtung entzieht. Vielmehr handelt es um eine Entscheidung im Bereich der Strafvollstreckung, für den hinsichtlich der Anfechtbarkeit gerichtlicher Entscheidungen das sogenannte Enumerationsprinzip gilt. Hiernach sind Vollstreckungsentscheidungen nur in den Fällen einer Anfechtung zugänglich, in denen der Gesetzgeber ein Rechtsmittel ausdrücklich zur Verfügung stellt (OLG Hamm, Beschluss vom 25.04.1989, Az. 1 Ws 123/89; OLG Nürnberg, Beschluss vom 19.12.2001, 1 Ws 1418/01). Da ein Rechtsmittel gegen die Anordnung nach § 463e StPO vom Gesetz nicht vorgesehen ist, ist diese bereits aufgrund des Enumerationsprinzips einer isolierten Anfechtung entzogen (BeckOK StPO/Coen, 50. Ed., 01.01.2024, StPO, § 463e, Rn. 21; Gercke/Temming/Zöller/Pollähne, StPO, 7. Auflage, 2023, § 463e StPO, Rn. 9; Frommeyer in StraFo 2022, 96ff. (98)). Aufgrund dessen bedurfte es zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung nach § 463e StPO auch keiner ausdrücklichen Regelung, wie sie etwa in § 247a StPO für die Anordnung der audiovisuellen Vernehmung von Zeugen in der Hauptverhandlung vorgesehen ist.

Im Übrigen handelt es sich bei der Anordnung gemäß § 463e Abs. 1 S. 1 StPO um keine endgültige Entscheidung des Gerichts, sondern lediglich um eine den Beschluss der Strafvollstreckungskammer nach § 57 StGB vorbereitende Entscheidung. Auch unter diesem Gesichtspunkt unterliegt die Entscheidung nach § 463e StPO nicht der Anfechtung, denn die Entscheidung nach § 57 StGB vorbereitende Entscheidungen sind in entsprechender Anwendung des § 305 S. 1 StPO unanfechtbar (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage, 2023, § 454, Rn. 43; KG, Beschluss vom 29.03.2001, Az. 5 Ws 145/01 Vollz; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.06.1999, Az. 1 Ws 499/99; OLG Hamm, Beschluss vom 16.10.1986, Az. 3 Ws 425/86). Zwar gilt § 305 S. 1 StPO seinem Wortlaut nach nur für Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die der Urteilsfällung vorausgehen. Der gesetzgeberische Grundgedanke dieser Bestimmung, dass Entscheidungen, die in einem inneren Zusammenhang mit dem nachfolgenden Urteil stehen, bei dessen Erlass nochmal überprüft werden und deshalb mit dem Rechtsmittel gegen das Urteil selbst und nicht selbständig angefochten werden sollen, um dadurch eintretende Verfahrensverzögerungen zu verhindern (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage, 2023, § 305, Rn. 1; Löwe-Rosenberg/Matt, StPO, 26. Auflage, 2014, § 305, Rn. 1), gilt jedoch auch für das Verfahren nach § 57 StGB vor der erkennenden Strafvollstreckungskammer. Denn durch eine zulässige Anfechtung der vorbereitenden Entscheidungen würde die Schlussentscheidung nach § 57 StGB, mit der auch die Vorentscheidungen und ihre Auswirkungen überprüfbar sind, unnötig hinausgezögert. Zudem soll es der Strafvollstreckungskammer im Rahmen ihrer Verpflichtung, die für ihre Entscheidung bedeutenden Umstände zu ermitteln, unbenommen bleiben, dies vor ihrer Entscheidung ohne Eingriff der Rechtsmittelinstanz zu tun (vgl. OLG Hamm, a. a. O.). Im Falle einer den Verurteilten benachteiligenden ermessenfehlerhaften Anordnung der mündlichen Anhörung im Wege der Bild- und Tonübertragung nach § 463e StPO bleibt diese schließlich dadurch gerichtlich nachprüfbar, dass der Verurteilte etwaige Anhörungsmängel im Rahmen der sofortigen Beschwerde nach § 454 Abs. 3 S. 1 StPO gegen die gemäß § 57 StGB ergehende Entscheidung gelten machen kann. Auch ein den in § 305 S. 2 StPO genannten Fällen entsprechender Ausnahmefall, in dem die Beschwerde gegen eine vorbereitende Entscheidung ausnahmsweise zulässig wäre, liegt im Falle der Anordnung nach § 463e Abs. 1 S. 1 StPO nicht vor.“

StPO III: Terminsverlegungsantrag wird abgelehnt, oder: Anfechtbarkeit der Entscheidung

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Ich komme dann zum Tagesschluss noch einmal auf den OLG Oldenburg, Beschl. v. 10.01.2023 1 Ws 6 u. 9/23 – zurück. Denn hatte ich neulich ja schon wegen der „Entpflichtungsfrage“ vorgestellt des Pflichtverteidigers wegen gröblicher Pflichtverletzung.

Die Entscheidung enthält noch eine zweite Thematik, nämlich eine Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags Antrag auf Verlegung eines Berufungshauptverhandlungstermin. Auch insoweit hatte die Beschwerde keinen Erfolg.

„Mit seinem durch Rechtsanwalt pp. angebrachten Rechtsmittel vom 29. Dezember 2022 wendet sich der Angeklagte gegen den Beschluss der Vorsitzenden der 1. kleinen Strafkammer des Landgerichts Aurich vom 22. Dezember 2022, durch den sein Antrag auf Verlegung des Berufungstermins am 11. Januar 2023 zurückgewiesen worden. Diese hat dem als (einfache) Beschwerde anzusehenden Rechtsmittel mit Beschluss vom 30. Dezember 2022 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg

Nach § 305 Abs. 1 Satz 1 StPO unterliegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die der Urteilsfindung vorausgehen – abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmen -, nicht der Beschwerde durch die Verfahrensbeteiligten. Ob durch diese Bestimmung die Beschwerde des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gegen eine Terminsverfügung bereits generell ausgeschlossen ist (so OLG Hamm, Beschluss v. 01.09.2009, NStZ-RR 2010, 283) oder diese allenfalls dann mit der Beschwerde angefochten werden kann, wenn die Entscheidung evident fehlerhaft ist, kann vorliegend dahinstehen.

Denn Letzteres ist nur dann der Fall, wenn eine in rechtsfehlerhafter Ermessensausübung getroffene Entscheidung für einen Angeklagten eine besondere, selbständige Beschwer beinhaltet, weil sein Recht, sich eines Verteidigers seines Vertrauens zu bedienen, beeinträchtigt worden ist, dies leicht zu vermeiden gewesen wäre und die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung offen-sichtlich ist (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 18.11.2011, 1 Ws 453/11, NJW 2012, 246 m.w.N.).

Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben.

Zwar hat ein Angeklagter grundsätzlich das Recht, sich in einem Strafverfahren von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen. Daraus folgt aber nicht, dass bei jeder Verhinderung des gewählten Verteidigers eine Hauptverhandlung gegen den Angeklagten nicht durchgeführt werden könnte. Die Terminierung ist grundsätzlich Sache des Vorsitzenden. Hierüber und insbesondere über Anträge auf Terminsverlegungen oder -aufhebungen hat er nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminsplanung, der Gesamtbelastung der Kammer, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen aller Prozessbeteiligten zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss v. 20.06.2006, 1 StR 169/06, NStZ-RR 2006, 271).

Dem wird die Entscheidung des Vorsitzenden der 1. kleinen Strafkammer gerecht. Der Termin zur Berufungshauptverhandlung am 11. Januar 2023 war bereits mit Verfügung vom 11. Juli 2022 festgesetzt worden. Der Angeklagte hatte hiervon jedenfalls mit Zustellung der Ladung am 9. August 2022 Kenntnis. Die Vertretung des Angeklagten durch Rechtsanwalt pp. war dem Landgericht erst mit Schriftsatz vom 11. November 2022 mitgeteilt worden. Erst mit Schriftsatz vom 19. November 2022 hatte dieser zudem mitgeteilt, am vorgesehenen Termin verhindert zu sein.

Bei dieser Sachlage stellt sich Ablehnung des Verlegungsantrages nicht als ermessensfehlerhaft dar, zumal eine Terminsaufhebung wegen der Arbeitsbelastung der Berufungskammer zu einer erheblichen Verzögerung führen würde.“

Rücknahme des Strafantrags, oder: Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung?

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Und als zweite Entscheidung stelle ich heute den LG Kaiserslautern, Beschl. v. 12.04.2021 – 5 Qs 23/21 – vor. Keine gebührenrechtliche, sondern eine kostenrechtliche Entscheidung. Das LG nimmt nämlich Stellung zur Kostenentscheidung nach Rücknahme eines Strafantrags. Wird ein Strafantrag zurückgenommen, kann, was nicht selten übersehen wird, das „dicke Ende“ für den Antragsteller hinterher kommen. Es droht ihm nämlich die Verpflichtung zur Übernahme der Kosten des Verfahrens nach § 470 StPO.

So auch hier. Die Zeugin hatte am 25.11.2019 Strafanzeige gegen ihren Ehemann wegen einer Körperverletzungshandlung erstattet, welche sich im Juni 2019 zugetragen haben sollte, und stellte einen entsprechenden Strafantrag. Die Staatsanwaltschaft nahm die Ermittlung auf und bejahte ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung. Sie beantragte am 12.ü2.2020 den Erlass eines Strafbefehls gegen den Ehemann beim AG. Das AG erließ den Strafbefehl am 19.2.2020 und stellte ihn dem Angeklagten zu. Nachdem der vertreten durch seinen Wahlverteidiger fristgerecht Einspruch eingelegt hatte, bestimmte das AG einen Termin zur Hauptverhandlung für den 22.6.2020 und lud die Ehefrau als Zeugin.

In der Hauptverhandlung wurde die Ehefrau als Zeugin vernommen. Sie hat von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Zudem erklärte sie, dass sie ihren Strafantrag zurücknehme. Nachdem sie unvereidigt entlassen worden war, erklärte der Vertreter der Staatsanwaltschaft, dass das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nicht mehr bejaht werde, und beantragte eine Verfahrenseinstellung nach § 260 Abs. 3 StPO sowie eine Auferlegung der Verfahrenskosten auf die Zeugin. Den Anträgen schloss sich der Verteidiger des Ehemanns an. Das AG hat das Verfahren durch Urteil eingestellt und der Zeugin die Kosten auferlegt. Es wurde Rechtsmittelverzicht erklärt.

Der Verteidiger des Ehemannes hat dann die Festsetzung der Kosten gegen die Zeugin beantragt. Die Zeugin hat am 09.03.2021 vertreten durch einen Rechtsanwalt sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des AG vom 22.06.2020 eingelegt. Das Rechtsmittel hatte Erfolg:

„Die zulässige sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die sofortige Beschwerde ist zunächst das statthafte Rechtsmittel. Gemäß § 464 Abs. 3 S. 1, 1. HS StPO kann gegen eine Kostenentscheidung die sofortige Beschwerde eingelegt werden. Die Ausnahmeregelung des § 464 Abs. 3 S. 1, 2. HS StPO, wonach dies nicht gilt, wenn die Hauptsacheentscheidung, im Rahmen derer die Kostenentscheidung getroffen worden ist, nicht vom Antragsteller angefochten werden kann, findet hingegen keine Anwendung. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die vorliegende Kostenentscheidung nach § 470 StPO im Urteil zur Hauptsache getroffen worden ist. Gegen das Urteil stünde der Beschwerdeführerin als Strafantragstellerin nach § 300 StPO kein Rechtsmittel zu. Für diese Konstellation wird von der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass die Kostenentscheidung unanfechtbar sein soll (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 23.02.2012 – 2 Ws 80/11, BeckRS 2021, 9698; OLG Düsseldorf NStZ 2014, 424; OLG Rostock, Beschluss vom 14.08.2017 – 20 Ws 226/17, juris; KK-StPO/Gieg, 8. Aufl., § 470 Rn. 4). Die Kammer schließt sich hingegen der Auffassung an, nach der die Kostenentscheidung gleichwohl angreifbar ist, da sie aufgrund der Sonderstellung des § 470 StPO eine isolierte Entscheidung darstellt (MüKoStPO/Grommes, 1. Aufl., § 470 Rn. 20; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 470 Rn. 8).

Zunächst spricht für diese Bewertung der Umkehrschluss aus den Regelungen der § 467a Abs. 3 und § 469 Abs. 3 StPO. Nach § 467a Abs. 1 StPO trägt die Staatskasse auf entsprechenden Antrag die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten, wenn die Staatsanwaltschaft die öffentliche Klage nach Erhebung zurücknimmt und das Verfahren einstellt. Ein so ergangener Beschluss ist ausdrücklich gemäß § 467a Abs. 3 StPO nicht anfechtbar. Gleiches gilt für eine Entscheidung gemäß § 469 Abs. 1 StPO, wonach dem Anzeigenerstatter, der durch eine unwahre Anzeige leichtfertig oder vorsätzlich die Aufnahme eines Strafverfahrens veranlasst, die Kosten hierfür aufzuerlegen sind. Auch hier wird in Abs. 3 der Norm eine Anfechtbarkeit ausdrücklich verneint (vgl. MüKoStPO/Grommes, 1. Aufl., § 469 Rn. 16). Ein ausdrückliches Anfechtungsverbot findet sich bei § 470 StPO, wonach sich die Kostentragungspflicht alleine aus der Rücknahme des Antrags ergibt und mithin im Hinblick auf den Anlass der Verfahrenseinstellung indifferent ist, gerade nicht, sodass eine gesetzgeberisch gewünschte Gleichstellung mit den Normadressaten der § 467a Abs. 1 und § 469 Abs. 1 StPO nicht anzunehmen ist.

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem systematischen Vergleich zu den Nebenklagerechten (§ 400 StPO, vgl. KK-StPO/Gieg, 8. Aufl., § 470 Rn. 4). Nach der wohl überwiegenden und zutreffenden Ansicht, handelt es sich bei der Vorschrift des § 400 Abs. 1 StPO lediglich um einen gesetzlich geregelten, generellen Ausschluss der Beschwer des Nebenklägers, der die Statthaftigkeit des Rechtsmittels gegen die Hauptentscheidung ebenso wenig wie eine mangelnde Beschwer im Einzelfall beseitigt und damit die Zulässigkeit der Kostenbeschwerde nicht berührt (OLG Köln NStZ-RR 2009, 126; OLG Hamm NStZ-RR 2006, 95 f.; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004, 120 f.; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 400 Rn. 1).

Auch gebieten die dogmatischen Bedenken, die insbesondere das OLG Hamburg in seinem Beschluss vom 23.02.2012 gegen eine isolierte Betrachtung der Kostenauferlegung nach § 470 StPO im Rahmen einer Hauptsacheentscheidung vorbringt, keine andere Bewertung. Nach dieser Auffassung bestehe zwischen Haupt- und Nebenentscheidung ein innerer Zusammenhang, der auch nur eine einheitliche Tatsachenbewertung gebiete. Dieser Erwägung ist entgegenzuhalten, dass das beschriebene Risiko zweier divergierender Entscheidungen auch dann besteht, wenn ein Rechtsmittelbefugter nicht die Hauptentscheidung, sondern nur die Kostenregelung angreift. Auch in diesem Fall ist das Beschwerdegericht angehalten, wegen § 464 Abs. 3 S. 2 StPO bei unzureichenden Feststellungen die Entscheidung zurückzuverweisen (BGH, Beschluss vom 04.12.1974 – 3 StR 298/74, NJW 1975, 699, 700; KK-StPO/Gieg, 8. Aufl., § 464 Rn. 11; Dölling/Duttge/König/Rössner/Meier, Gesamtes Strafrecht, 4. Aufl., StPO § 464 Rn. 17). Wenn das Erstgericht in diesem Fall eine Unwirksamkeit der Antragsrücknahme feststellen würde, blieben die Feststellungen der nunmehr widersprüchlichen, aber rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung ebenfalls unberührt.

Eine Unanfechtbarkeit der Kostenentscheidung nach § 470 StPO wäre schließlich in der hier vorliegenden Konstellation nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 19 Abs. 4 GG und dem Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG vereinbar, da dem Strafantragsteller so die einzige Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung einer Entscheidung, die ihn erheblich belastet, genommen werden würde. Eine solche Möglichkeit muss insbesondere dann gegeben sein, wenn der Strafantragsteller – wie hier – nicht zuvor angehört und über die Kostenfolgen seiner Antragsrücknahme belehrt worden ist (vgl. zur Unbilligkeit der Kostenauferlegung bei Verfahrensfehlern OLG Koblenz, Beschluss v. 22.12.2004 – 2 Ss 312/05, juris).

2. Die Beschwerde wurde fristgemäß eingelegt. Da die Beschwerdeführerin ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nicht anwesend war bei der Urteilsverkündung, wurde ihr die Entscheidung nicht bekannt gemacht nach § 35 Abs. 1 StPO. Daher begann der Fristlauf zur sofortigen Beschwerde frühestens mit Akteneinsichtnahme durch ihren Verteidiger, wobei dahingestellt sein kann, ob hierin eine Zustellung nach § 35 Abs. 2 StPO zu erblicken ist.

3. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet, da die Anforderungen nach § 470 S. 1 StPO nicht vorlagen und somit die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Herrn H. nicht der Beschwerdeführerin hätten auferlegt werden dürfen. Eine Kostentragungspflicht des § 470 S. 1 StPO setzt voraus, dass das Verfahren durch den Strafantrag bedingt war und wegen dessen Zurücknahme eingestellt werden muss.

Hierfür hätte der Strafantrag zunächst wirksam gestellt werden müssen (Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 470 Rn. 2). Die Beschwerdeführerin hatte am 25.11.2019 den Strafantrag für eine Körperverletzungshandlung gestellt, die sich bereits im Juni 2019 zugetragen haben soll. Somit war die dreimonatige Strafantragsfrist aus § 77b StGB nicht gewahrt.

Das Verfahren war mithin nicht bedingt durch den Strafantrag der Beschwerdeführerin, sondern ausschließlich durch die Bejahung des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft nach § 230 StGB. Ein solches Strafverfolgungsinteresse liegt in der Regel vor, wenn der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzten hinaus in besonderer Weise gestört und die Strafverfolgung ein erheblich gesteigertes, gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist. (vgl. Nr. 86 Abs. 2 S. 1 RiStBV MüKoStGB/Hardtung, 3. Aufl., § 230 Rn. 25). Es besteht folglich unabhängig von dem eigenen Verfolgungsinteresse des Verletzten oder seinem Aussageverhalten in der Hauptverhandlung.

Mithin entstand des Verfahrenshindernisses erst mit der Verneinung des besonderen öffentlichen Interesses, sodass die Kostenregelung zulasten der Staatskasse nach § 467 Abs. 1 StPO hätte ergehen müssen.“