So auch hier. Die Zeugin hatte am 25.11.2019 Strafanzeige gegen ihren Ehemann wegen einer Körperverletzungshandlung erstattet, welche sich im Juni 2019 zugetragen haben sollte, und stellte einen entsprechenden Strafantrag. Die Staatsanwaltschaft nahm die Ermittlung auf und bejahte ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung. Sie beantragte am 12.ü2.2020 den Erlass eines Strafbefehls gegen den Ehemann beim AG. Das AG erließ den Strafbefehl am 19.2.2020 und stellte ihn dem Angeklagten zu. Nachdem der vertreten durch seinen Wahlverteidiger fristgerecht Einspruch eingelegt hatte, bestimmte das AG einen Termin zur Hauptverhandlung für den 22.6.2020 und lud die Ehefrau als Zeugin.
In der Hauptverhandlung wurde die Ehefrau als Zeugin vernommen. Sie hat von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Zudem erklärte sie, dass sie ihren Strafantrag zurücknehme. Nachdem sie unvereidigt entlassen worden war, erklärte der Vertreter der Staatsanwaltschaft, dass das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nicht mehr bejaht werde, und beantragte eine Verfahrenseinstellung nach § 260 Abs. 3 StPO sowie eine Auferlegung der Verfahrenskosten auf die Zeugin. Den Anträgen schloss sich der Verteidiger des Ehemanns an. Das AG hat das Verfahren durch Urteil eingestellt und der Zeugin die Kosten auferlegt. Es wurde Rechtsmittelverzicht erklärt.
Der Verteidiger des Ehemannes hat dann die Festsetzung der Kosten gegen die Zeugin beantragt. Die Zeugin hat am 09.03.2021 vertreten durch einen Rechtsanwalt sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des AG vom 22.06.2020 eingelegt. Das Rechtsmittel hatte Erfolg:
„Die zulässige sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin hat auch in der Sache Erfolg.
1. Die sofortige Beschwerde ist zunächst das statthafte Rechtsmittel. Gemäß § 464 Abs. 3 S. 1, 1. HS StPO kann gegen eine Kostenentscheidung die sofortige Beschwerde eingelegt werden. Die Ausnahmeregelung des § 464 Abs. 3 S. 1, 2. HS StPO, wonach dies nicht gilt, wenn die Hauptsacheentscheidung, im Rahmen derer die Kostenentscheidung getroffen worden ist, nicht vom Antragsteller angefochten werden kann, findet hingegen keine Anwendung. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die vorliegende Kostenentscheidung nach § 470 StPO im Urteil zur Hauptsache getroffen worden ist. Gegen das Urteil stünde der Beschwerdeführerin als Strafantragstellerin nach § 300 StPO kein Rechtsmittel zu. Für diese Konstellation wird von der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass die Kostenentscheidung unanfechtbar sein soll (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 23.02.2012 – 2 Ws 80/11, BeckRS 2021, 9698; OLG Düsseldorf NStZ 2014, 424; OLG Rostock, Beschluss vom 14.08.2017 – 20 Ws 226/17, juris; KK-StPO/Gieg, 8. Aufl., § 470 Rn. 4). Die Kammer schließt sich hingegen der Auffassung an, nach der die Kostenentscheidung gleichwohl angreifbar ist, da sie aufgrund der Sonderstellung des § 470 StPO eine isolierte Entscheidung darstellt (MüKoStPO/Grommes, 1. Aufl., § 470 Rn. 20; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 470 Rn. 8).
Zunächst spricht für diese Bewertung der Umkehrschluss aus den Regelungen der § 467a Abs. 3 und § 469 Abs. 3 StPO. Nach § 467a Abs. 1 StPO trägt die Staatskasse auf entsprechenden Antrag die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten, wenn die Staatsanwaltschaft die öffentliche Klage nach Erhebung zurücknimmt und das Verfahren einstellt. Ein so ergangener Beschluss ist ausdrücklich gemäß § 467a Abs. 3 StPO nicht anfechtbar. Gleiches gilt für eine Entscheidung gemäß § 469 Abs. 1 StPO, wonach dem Anzeigenerstatter, der durch eine unwahre Anzeige leichtfertig oder vorsätzlich die Aufnahme eines Strafverfahrens veranlasst, die Kosten hierfür aufzuerlegen sind. Auch hier wird in Abs. 3 der Norm eine Anfechtbarkeit ausdrücklich verneint (vgl. MüKoStPO/Grommes, 1. Aufl., § 469 Rn. 16). Ein ausdrückliches Anfechtungsverbot findet sich bei § 470 StPO, wonach sich die Kostentragungspflicht alleine aus der Rücknahme des Antrags ergibt und mithin im Hinblick auf den Anlass der Verfahrenseinstellung indifferent ist, gerade nicht, sodass eine gesetzgeberisch gewünschte Gleichstellung mit den Normadressaten der § 467a Abs. 1 und § 469 Abs. 1 StPO nicht anzunehmen ist.
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem systematischen Vergleich zu den Nebenklagerechten (§ 400 StPO, vgl. KK-StPO/Gieg, 8. Aufl., § 470 Rn. 4). Nach der wohl überwiegenden und zutreffenden Ansicht, handelt es sich bei der Vorschrift des § 400 Abs. 1 StPO lediglich um einen gesetzlich geregelten, generellen Ausschluss der Beschwer des Nebenklägers, der die Statthaftigkeit des Rechtsmittels gegen die Hauptentscheidung ebenso wenig wie eine mangelnde Beschwer im Einzelfall beseitigt und damit die Zulässigkeit der Kostenbeschwerde nicht berührt (OLG Köln NStZ-RR 2009, 126; OLG Hamm NStZ-RR 2006, 95 f.; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004, 120 f.; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 400 Rn. 1).
Auch gebieten die dogmatischen Bedenken, die insbesondere das OLG Hamburg in seinem Beschluss vom 23.02.2012 gegen eine isolierte Betrachtung der Kostenauferlegung nach § 470 StPO im Rahmen einer Hauptsacheentscheidung vorbringt, keine andere Bewertung. Nach dieser Auffassung bestehe zwischen Haupt- und Nebenentscheidung ein innerer Zusammenhang, der auch nur eine einheitliche Tatsachenbewertung gebiete. Dieser Erwägung ist entgegenzuhalten, dass das beschriebene Risiko zweier divergierender Entscheidungen auch dann besteht, wenn ein Rechtsmittelbefugter nicht die Hauptentscheidung, sondern nur die Kostenregelung angreift. Auch in diesem Fall ist das Beschwerdegericht angehalten, wegen § 464 Abs. 3 S. 2 StPO bei unzureichenden Feststellungen die Entscheidung zurückzuverweisen (BGH, Beschluss vom 04.12.1974 – 3 StR 298/74, NJW 1975, 699, 700; KK-StPO/Gieg, 8. Aufl., § 464 Rn. 11; Dölling/Duttge/König/Rössner/Meier, Gesamtes Strafrecht, 4. Aufl., StPO § 464 Rn. 17). Wenn das Erstgericht in diesem Fall eine Unwirksamkeit der Antragsrücknahme feststellen würde, blieben die Feststellungen der nunmehr widersprüchlichen, aber rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung ebenfalls unberührt.
Eine Unanfechtbarkeit der Kostenentscheidung nach § 470 StPO wäre schließlich in der hier vorliegenden Konstellation nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 19 Abs. 4 GG und dem Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG vereinbar, da dem Strafantragsteller so die einzige Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung einer Entscheidung, die ihn erheblich belastet, genommen werden würde. Eine solche Möglichkeit muss insbesondere dann gegeben sein, wenn der Strafantragsteller – wie hier – nicht zuvor angehört und über die Kostenfolgen seiner Antragsrücknahme belehrt worden ist (vgl. zur Unbilligkeit der Kostenauferlegung bei Verfahrensfehlern OLG Koblenz, Beschluss v. 22.12.2004 – 2 Ss 312/05, juris).
2. Die Beschwerde wurde fristgemäß eingelegt. Da die Beschwerdeführerin ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nicht anwesend war bei der Urteilsverkündung, wurde ihr die Entscheidung nicht bekannt gemacht nach § 35 Abs. 1 StPO. Daher begann der Fristlauf zur sofortigen Beschwerde frühestens mit Akteneinsichtnahme durch ihren Verteidiger, wobei dahingestellt sein kann, ob hierin eine Zustellung nach § 35 Abs. 2 StPO zu erblicken ist.
3. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet, da die Anforderungen nach § 470 S. 1 StPO nicht vorlagen und somit die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Herrn H. nicht der Beschwerdeführerin hätten auferlegt werden dürfen. Eine Kostentragungspflicht des § 470 S. 1 StPO setzt voraus, dass das Verfahren durch den Strafantrag bedingt war und wegen dessen Zurücknahme eingestellt werden muss.
Hierfür hätte der Strafantrag zunächst wirksam gestellt werden müssen (Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 470 Rn. 2). Die Beschwerdeführerin hatte am 25.11.2019 den Strafantrag für eine Körperverletzungshandlung gestellt, die sich bereits im Juni 2019 zugetragen haben soll. Somit war die dreimonatige Strafantragsfrist aus § 77b StGB nicht gewahrt.
Das Verfahren war mithin nicht bedingt durch den Strafantrag der Beschwerdeführerin, sondern ausschließlich durch die Bejahung des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft nach § 230 StGB. Ein solches Strafverfolgungsinteresse liegt in der Regel vor, wenn der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzten hinaus in besonderer Weise gestört und die Strafverfolgung ein erheblich gesteigertes, gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist. (vgl. Nr. 86 Abs. 2 S. 1 RiStBV MüKoStGB/Hardtung, 3. Aufl., § 230 Rn. 25). Es besteht folglich unabhängig von dem eigenen Verfolgungsinteresse des Verletzten oder seinem Aussageverhalten in der Hauptverhandlung.
Mithin entstand des Verfahrenshindernisses erst mit der Verneinung des besonderen öffentlichen Interesses, sodass die Kostenregelung zulasten der Staatskasse nach § 467 Abs. 1 StPO hätte ergehen müssen.“