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Strafvollzug, oder: „Haftkontostatus aktiv“ anfechtbar?

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Und als letzte Vollzugsentscheidung dann noch eine vom KG, nämlich der KG, Beschl. v. 25.09.2017 – 2 Ws 145/17 Vollz. Es geht um die Anfechtbarkeit des „Haftkontostatus“. Auf dem Haftkonto des Antragstellers ist für eine Pfändung der Kosteneinziehungsstelle der Justiz in Höhe von 2.590,58 € der Status „aktiv“ vermerkt. Von seinem „Überbrückungsgeld“ in Höhe von 1.123 € hat er 484 € angespart. Über „Eigengeld“ verfügt er nicht. Die  Vollzugsbehörde hat gegenüber dem Antragsteller mündlich die Löschung des Status „aktiv“ für diese Pfändung abgelehnt. Dagegen beantragt er die gerichtliche Entscheidung. Die StVG hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde hatte auch beim KG keinen Erfolg. Denn:

„Es fehlt bereits an einem zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Der zugrundeliegende Antrag war unzulässig, weil er keine „Maßnahme“ im Sinne des § 109 Abs. 1 StVollzG zum Gegenstand hatte.

Eine „Maßnahme“ im Sinne von § 109 StVollzG ist eine Regelung mit Rechtswirkung. Es muss sich deshalb um den Akt einer Vollzugsbehörde handeln, der in das Rechtsverhältnis zwischen dem Gefangenen und dem Staat gestaltend eingreifen soll, also um eine Regelung einer einzelnen Angelegenheit, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist und diesbezüglich Verbindlichkeit beansprucht (vgl. z.B. Bachmann in LNNV, Strafvollzugsgesetze 12. Aufl., Abschn. P Rdn. 28, 29; Arloth/Krä, StVollzG 4. Aufl., § 109 Rdn. 6, 7, jeweils mit weit. Nachweisen).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs fehlt der als „aktiv“ geführten Pfändung der Kosteneinziehungsstelle, wie sie in der Auskunft der Vollzugsbehörde vom 12. Mai 2016 zum Ausdruck kommt, jedwede rechtliche Außenwirkung gegenüber dem Antragsteller. Dieser Status gibt lediglich im Rahmen der Führung des Haftkontos vollzugsintern (zutreffend) wieder, dass eine Pfändung existiert und diese – sei es in Form von Ratenzahlung – bedient wird. Eine Außenwirkung auf den Antragsteller entwickelt dieser Status nicht. Jedenfalls ist der Antragsteller durch ihn nicht beschwert. Denn er verfügt mangels Bildung des Überbrückungsgeldes/Eingliederungsgeldes nicht über Eigengeld. Entgegen seines Vorbringens stellt dieser Status auch keinen erkennbaren Hinderungsgrund für Geldüberweisungen seiner Familie dar, die bis zur Bildung des Überbrückungsgeldes/Eingliederungsgeldes unpfändbar wären (für das Eingliederungsgeld: § 68 Abs. 2 Satz 2 StVollzG Bln in Verb. mit § 851 ZPO; für das Überbrückungsgeld: § 51 Abs. 4 Satz 1 StVollzG).“

Beförderungserschleichung, oder: Dreimal „Schwarzfahren“ führt zum Strafbefehl

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Nicht nur Saubermachen beim 2. Strafsenat des BGH, sondern auch in meinem Blogordner, in dem einige Entscheidungen hängen, die schon länger auf eine Veröffentlichung warten. Die ist – weil mir andere Entscheidungen wichtiger erschienen – dann immer wieder verschoben worden. So ist es auch dem KG, Beschl. v. 09.03.2016 – 1 VAs 4/16 -, den ich allerdings auch erst später übersandt bekommen habe.

Die Entscheidung „spielt“ auf einem „Nebenkriegsschauplatz“ der Verfolgung von Delikten der Beförderungserschleichung (§ 265a StGB). Die Amtsanwaltschaft Berlin hat dem Antragsteller – wir befinden uns im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG – drei am 16.12.2014, 10.06.2015 und 01.08.2015 begangene Vergehen des Erschleichens von Leistungen zum Nachteil der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zur Last gelegt. In ihrem Antrag auf Erlass eines Strafbefehls hat sie das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht (§ 265a Abs. 3 i.V.m § 248a StGB). Das AG Tiergarten hat den Strafbefehl antragsgemäß erlassen, der Antragsteller hat hiergegen Einspruch eingelegt. Termin zur Hauptverhandlung war auf den 05.04.2016 anberaumt. Mit seinem auf §§ 23 ff. EGGVG gestützten Antrag hat der Antragsteller geltend gemacht, die Entscheidung der Amtsanwaltschaft, dass ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestehe, aufzuheben.

„Das KG hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen:

Nach ganz herrschender Auffassung kann das Gericht im Strafverfahren die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses durch die Staats- bzw. Amtsanwaltschaft nicht nachprüfen (vgl. nur BGHSt 16, 225; BVerfGE 51, 176 [offenlassend für den Fall, dass sich die Annahme des besonderen öffentlichen Interesses angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls als objektiv willkürlich erweist]; Fischer, StGB 63. Aufl., § 230 Rdn. 3 m.w.N.).

Auch im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG ist die Überprüfung einer solchen Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich nicht möglich. Der Rechtsweg nach diesen Vorschriften ist nicht eröffnet. Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann nur auf die Beseitigung, die Vornahme oder die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Justizverwaltungsaktes im Sinne des § 23 Abs. 1 EGGVG gerichtet werden. Maßnahmen der Staats- bzw. Amtsanwaltschaft, die sich – wie hier die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses nach § 265a Abs. 3 i.V.m § 248a StGB – auf die Einleitung, Durchführung, Gestaltung oder Beendigung eines Strafverfahrens beziehen, stellen keine den Einzelfall regelnde Verwaltungsakte, sondern Prozesshandlungen dar, die der richterlichen Kontrolle nur nach Maßgabe der abschließenden Regelungen der Strafprozessordnung unterliegen und damit einer Überprüfung nach den §§ 23 ff. EGGVG grundsätzlich entzogen sind. Dies entspricht – verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG NStZ 1984, 228; NJW 1984, 1451; NJW 1985, 1019) – der ganz herrschenden Meinung (vgl. etwa OLG Hamm, Beschluss vom 11. März 2014 – III-1 VAs 13/14, 1 VAs 13/14 – bei juris; ständige Rechtsprechung des Kammergerichts, vgl. Beschluss vom 12. Februar 2013 – 4 VAs 3/13 – bei juris und Senat StraFo 2010, 428; näher dazu Böttcher in Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 23 EGGVG Rdn. 52 ff., 106 ff. m.w.N.).

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, dass es mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG dazu neigt, eine Ausnahme von dem Grundsatz der Unanfechtbarkeit staatsanwaltschaftlicher Prozesshandlungen zu bejahen, wenn der Antragsteller schlüssig darlegt, dass diese als schlechthin unvertretbar und damit objektiv willkürlich zu qualifizieren sind (vgl. BVerfG NStZ 2004, 447; NJW 1984, 1451; NStZ 1984, 228). Davon kann hier jedoch keine Rede sein.

Die vom Antragsteller geschilderte Praxis der Amtsanwaltschaft, das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu bejahen, ist offensichtlich nicht objektiv willkürlich, sondern im Gegenteil sachgerecht.

a) Erhält die Amtsanwaltschaft durch einen Strafantrag des Verkehrsunternehmens Kenntnis von dem Verdacht, dass ein Beschuldigter in einem überschaubaren Zeitraum dreimal die Beförderung durch ein Verkehrsmittel erschlichen hat, liegt es auf der Hand, dass ihn die mit der Feststellung der ersten beiden Schwarzfahrten einhergehenden Warnungen nicht beeindruckt haben und es nunmehr der vom Gesetzgeber in § 265a StGB vorgesehenen Sanktionen bedarf. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Amtsanwaltschaft in solchen Fällen – naheliegend – von hartnäckigen Verstößen gegen Rechtsvorschriften ausgeht und grundsätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejaht. Die vom Antragsteller vermisste Prüfung des Einzelfalls geschieht dann im gerichtlichen Verfahren bei der Überprüfung des Tatverdachts und der Entscheidung, welche Rechtsfolge angemessen ist.

b) Das Vorbringen des Antragstellers, die Amtsanwaltschaft dürfe das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nicht bejahen, weil dieses durch die (zivilrechtliche) Einforderung eines erhöhten Beförderungsentgelts nicht mehr bestehe, liegt ebenfalls neben der Sache. Der Antragsteller übersieht, dass der Gesetzgeber den Straftatbestand der Beförderungserschleichung – anders z.B. als den Hausfriedensbruch (§ 123 Abs. 2 StGB) – nicht als absolutes, sondern als relatives Antragsdelikt gestaltet und damit die Strafverfolgung auch beim Fehlen eines form- und fristgerecht gestellten Strafantrag des geschädigten Verkehrsunternehmens ermöglicht hat. Dies geschah in Kenntnis des Umstands, dass das sog. Schwarzfahren regelmäßig auch zivilrechtlich durch die Erhebung eines erhöhten Beförderungsentgelts sanktioniert wird. Der Gesetzgeber ist mithin davon ausgegangen, dass allein die zivilrechtliche Sanktion nicht geeignet ist, ein besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung des rechtswidrigen Verhaltens (auch) nach dem Strafrecht entfallen zu lassen.“

M.E. zutreffend.

Darf ich einen „Schreiber“ mit in die Hauptverhandlung nehmen?

© Corgarashu – Fotolia.com

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Darf der Zuhörer einen „Schreiber“ mit in die Hauptverhandlung nehmen, um sich dort Notizen machen zu können? Um die Frage war es im sog. „Gröning“-Verfahren beim LG Lüneburg gegangen und die Frage hat nun auch das OLG Celle beschäftigt.In dem Verfahren hatte der Vorsitzender der Schwurgerichtskammer eine sog. Medienverfügung erlassen. Danach galt im gesamten LG-Gebäude ein absolutes Verbot von Waffen und gefährlichen Werkzeugen. Zeugen hatten sich vor dem Zugang zur Hauptverhandlung einer körperlichen Durchsuchung auf Waffen (auch gefährliche Chemikalien, Messer u.a.), gefährliche Werkzeuge (auch Feuerzeuge und Streichhölzer), zu Film- und Tonaufnahmen geeigneter Gegenstände, insbesondere Mobiltelefonen, Smartphones und Tabletcomputer, sowie Wurfgegenstände (z.B. Flaschen, Dosen, Obst, Eier (…) zu unterziehen. Das Gleiche galt für Flugblätter, Transparente, Trillerpfeifen, Glocken und ähnliche zur Verursachung von Lärm geeignete Gegenstände sowie Kugelschreiber und Füllfederhalter. Die Beschwerdeführerin hatte am ersten Tag ihrer Teilnahme an der Hauptverhandlung u.a.  ein Schreibheft und einen „Schreiber“ mit in den Sitzungssaal nehmen wollen. Die Mitnahme dieser Gegenstände wurde ihr im Rahmen der Einlasskontrolle von den Beamten unter Berufung auf die sitzungspolizeiliche Anordnung verwehrt. In der Folgezeit versuchte die Beschwerdeführerin erfolglos, eine Genehmigung zur Mitnahme von Schreibutensilien für die Teilnahme an der Hauptverhandlung zu erhalten.

Sie hat dann beim OLG Celle Beschwerde eingelegt, die das OLG als unzulässig angesehen hat. Insoweit hat sich das OLG der wohl h.M. in der Rechtsprechung angeschlossen, wonach eine sitzungspolizeiliche Maßnahme dann nicht mit der Beschwerde anfechtbar ist wenn ihr eine über die Dauer der Hauptverhandlung hinausgehende Wirkung nicht zukommt und insbesondere Grundrechte oder andere Rechtspositionen nicht dauerhaft berührt oder beeinträchtigt werden.

Das OLG hat im OLG Celle, Beschl. v. 08.06.2015 – 2 Ws 92/15 – aber auch zur Begründetheit Stellung genommen.:

„Die Versagung der Mitnahme von spitzen Schreibgeräten durch die Zuschauer verfolgt einen zulässigen Zweck. Sie dient dazu, eine Gefährdung der Verfahrensbeteiligten auszuschließen und damit einen störungsfreien Ablauf der Hauptverhandlung zu gewährleisten. Die angeordnete Maßnahme ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des zugrundeliegendes Strafverfahrens, die sich sowohl aus dem erhobenen strafrechtlichen Vorwurf, als auch aus dem Alter und der Konstitution der Verfahrensbeteiligten (konkret der Angeklagten und Nebenkläger/innen) ergeben, verhältnismäßig. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass die Beschwerdeführerin ein nachvollziehbares und berechtigtes (Informations-)Interesse daran hat, sich in der Hauptverhandlung Notizen machen zu können. Allerdings erfährt dieses – auch auf dem Grundsatz der Öffentlichkeit beruhende – subjektive Recht seine Einschränkung durch § 176 GVG. Vorliegend überwiegt im Rahmen der Abwägung die Gewährleistung eines störungsfreien äußeren Sitzungsablaufs und diesem innewohnend der Schutz der Prozessbeteiligten, insbesondere des hochbetagten Angeklagten, vor Wurfattacken das Recht der Beschwerdeführerin. Das hohe Alter der Beteiligten und der erheblich beeinträchtigte Gesundheitszustand des Angeklagten gebieten es, bereits die Möglichkeit einer Störung der Sitzung durch das Werfen von kleineren und bei bestimmungsgemäßem Gebrauch ungefährlichen Gegenständen wie Kugelschreibern, Füllfederhaltern oder anderen spitzen Schreibgeräten zu verhindern. Das Recht der Beschwerdeführerin findet in der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Sitzungsablaufs seine Grenzen.

Darüber hinaus sind die Beeinträchtigungen der Beschwerdeführerin durch die angefochtene Maßnahme – wie unter 1. ausgeführt – zeitlich eng begrenzt. Der Senat hält es für zumutbar und für die Befriedigung des Informationsinteresses ausreichend, dass sich die Beschwerdeführerin unmittelbar nach dem Ende der jeweiligen Sitzung oder nach Beginn einer Sitzungspause Notizen macht.“

Na ja, da muss man schon ein gutes Gedächtnis haben, wenn man sich alle die Notizen machen will, die erforderlich erscheinen.

Kann der Nebenkläger eine falsche Kostengrundentscheidung anfechten?

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Ohne Kostengrundentscheidung klappt das nicht mit der Kostenerstattung. Daher ist bei „Kostenerstattungsfragen“ immer meine erste „Rückfrage“: Haben Sie denn eine Kostengrundentscheidung zu Ihren Gunsten? Und häufig stellt sich dann heraus, dass das (leider) nicht der Fall ist. Manchmal kann man dann noch etwas retten und die Kostengrundentscheidung, in der z.B. ein Verfahrensbeteiligter „übersehen“ worden ist, nach § 464 Abs. 3 StPO anfechten. Häufig läuft die Beschwerdefrist ja nicht bzw. es ist Wiedereinsetzung zu gewähren, weil über die Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung nicht belehrt worden ist.

Ein wenig schwieriger wird es, wenn es sich um den Nebenkläger handelt. Dann ergibt sich nämlich die Frage: Steht der Anfechtung durch den Nebenkläger nicht ggf. § 464 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz StPO entgegen? Mit der Frage hatte sich vor kurzem das OLG Hamburg zu befassen.Das AG hatte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt und die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Nebenklägers dem Angeklagten auferlegt. Die hiergegen vom Angeklagten unbeschränkt geführte Berufung hat dieser dann vor Beginn der Berufungshauptverhandlung zurückgenommen. Durch Beschluss des LG hat dieses dem Angeklagten die in der Berufungsinstanz entstandenen Verfahrenskosten und die ihm entstandenen notwendigen Auslagen nach Rücknahme der Berufung auferlegt, den Nebenkläger und seine Kosten/Auslagen aber übersehen. Dagegen richtete sich das Rechtsmittel des Nebenklägers. Mit Erfolg, denn dazu heißt es im OLG Hamburg, Beschl. v. 09.06.2015 – 1 Ws 69/15:

„c) Der Zulässigkeit steht auch nicht § 464 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 StPO entgegen. Nach dieser Bestimmung ist die sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen unzulässig, wenn eine Anfechtung der § 464 Abs. 1 StPO genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Hierzu müsste die Beschwerde schon nach der Art der Entscheidung schlechthin unzulässig oder der Rechtsmittelführer grundsätzlich nicht zur Einlegung des Rechtsmittels befugt sein (vgl. nur KK/Gieg, 7. Aufl., § 464 Rn. 8 m.w.N.). So lag es hier aber nicht. Das Urteil der Berufungskammer über die unbeschränkt eingelegte Berufung des Angeklagten wäre für den Nebenkläger grundsätzlich mit der Re-vision anfechtbar gewesen (§ 401 StPO). Etwas anderes kann für die Anfechtbarkeit der Hauptentscheidung und die damit einhergehende Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde auch dann nicht gelten, wenn das Rechtsmittel in der Berufungsinstanz zurückgenommen worden ist (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 12. Juli 2001 — 2 Ws 141/2001, BeckRS 2001, 30193309; KG, Beschl. v. 26. Mai 2000 — 3 Ws 112/00, BeckRS 2000, 05184).“

Antwort auf die Frage in der Überschrift also: Ja, er kann 🙂 .

Akteneinsicht verweigert – kein Rechtsmittel!

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Umstritten ist derzeit in Rechtsprechung und Literatur die Frage, ob dem Beschuldigten gegen die Verweigerung von Akteneinsicht durch das Gericht ein Rechtsmittel (dann die Beschwerde) zusteht, oder ob dem § 305 Satz 1 StPO entgegensteht. Während die Rechtsprechung das früher bejaht hat, mehren sich inzwischen die Stimmen, die den Beschuldigten insoweit auf die Revision verweisen. Und das zut seit einiger Zeit auf Meyer/Goßner/Schmitt. Dieser Auffassung angeschlossen hat sich das OLG Nürnberg im OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.05.2015 – 1 Ws 189/15:

Die grundsätzlich nach § 304 Abs. 1 StPO statthafte Beschwerde ist aufgrund § 305 S. 1 StPO unzulässig, § 305 S. 2 StPO greift nicht.

Zu den im Sinne von § 305 S. 1 StPO nicht beschwerdefähigen Entscheidungen zählen auch die Verfügungen des Strafkammervorsitzenden, wenn diese der Urteilsvorbereitung dienen, bei der Urteilsfällung der nochmaligen Überprüfung unterliegen und vom Revisionsgericht unter bestimmten Voraussetzungen überprüft werden können (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 305 Rn. 1 und 3 m. w. N.).

Eine derartige Entscheidung ist vorliegend gegeben. Der Vorsitzende der Strafkammer behandelte den Antrag vom 04.03.2015 auf Zugang zu auf zwei verfahrensgegenständlichen externen Festplatten gesicherten Daten zutreffend als Beweisermittlungsantrag. Die Zurückweisung dieses Antrags durch den Vorsitzenden steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens mit Urteil vom 17.04.2015. Das Urteil konnte nur ergehen, da die Strafkammer die Auswertung des auf den beiden Festplatten gespeicherten Mailverkehrs nicht veranlasst sah, also die Entscheidung des Vorsitzenden vom 10.03.2015 prüfte und für tragfähig erachtete.

Die Verweigerung von Akteneinsicht und von Einsicht in Beweismittel in der Zeit zwischen Eröffnungsbeschluss und Urteilsfällung können vom Angeklagten aufgrund § 305 S. 1 StPO nicht mit der Beschwerde angegriffen werden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss des 3. Strafsenats vom 27.02.2003, StV 2004, 362, 363 m. w. N). Dies würde zu einer unnötigen Aufspaltung des Rechtsweges und zu einem unzulässigen Eingriff in die Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts führen. Die Frage, ob es erforderlich gewesen wäre, die auf den beiden externen Festplatten enthaltenen Daten zu überprüfen und in die Hauptverhandlung einzuführen, ist alleine im Revisionsverfahren im Rahmen einer Verfahrensrüge zu klären.

Die Entscheidung des Vorsitzenden betraf in der vorliegenden Konstellation lediglich den Angeklagten, da die Ablehnung des Antrags auf Einsichtnahme in den Inhalt der Festplatten sich nur auf den Fortgang seines Verfahrens auswirkte und Rechte Dritter gewahrt blieben. § 305 S. 2 StPO ist somit nicht einschlägig.

Anders gelagert war insoweit die Entscheidung des 2. Strafsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 11.02.2015 (StraFo 2015, 102 ff.), da dort die Rechte der am Verfahren nicht beteiligten Telefongesprächspartner betroffen waren, so dass § 305 S. 1 StPO der Zulässigkeit der dortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft wegen § 305 S. 2 StPO nicht entgegenstand. Auch die in der Beschwerdebegründung erwähnte Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (NJW 2012, 2742, 2743) befasste sich mit den Persönlichkeits- und Datenschutzinteressen Dritter, so dass entsprechendes gilt.“

Für mich ist die Auffassung im Hinblick auf das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf rechtliches Gehör nicht so ganz überzeugend. Aber: Was will man machen?