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Durchsuchung I: Anfangsverdacht, oder: Anderes Verfahren nach § 153 StPO eingestellt?

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Zum Start der 37.KW/2020 gibt es hier heute zwei Entscheidungen des BVerfG. Beide zur Durchsuchungsanordnung.

Im BVerfG, Beschl. v. 27.07.2020 – 2 BvR 2132/19 – nimmt das BVerfG erneut zum Anfangsverdacht Stellung. Der Entscheidung liegt etwa folgender Sachverhalt zugrunde:

Es geht um eine Durchsuchung der Wohnung der Beschuldigten wegen des Verdachts der Sachbeschädigung im Zuge eines gegen sie geführten Ermittlungsverfahrens im Jahr 2019. Diesem Ermittlungsverfahren 2019 ging 2018 ein gleichfalls gegen die Beschuldigte geführtes Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung voraus. Anlass dieses Ermittlungsverfahrens war eine Strafanzeige einer Zeugin von Anfang April 2018 zu einem Vorfall am 31.3.2018, nämlich das Aufsprühen von Graffiti, u.a. des Schriftzuges „KLIT“. Das daraufhin gegen die Beschuldigte eingeleitete Strafverfahren ist dann später vom AG § 153 Abs. 2 StPO auf Kosten der Staatskasse und unter Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschuldigten eingestellt worden.

Ausgangspunkt des Ermittlungsverfahrens 2019 war ebenfalls die Strafanzeige einer Zeugin, die angegeben hat, eine Frau beim Sprühen an eine Hauswand beobachtet und im Weggehen von hinten fotografiert zu haben. Die Zeugin hatte die Täterin beschrieben. In dem daraufhin gefertigten Ermittlungsbericht regte die Polizei eine Wohnungsdurchsuchung bei der Beschwerdeführerin an. Zur Begründung führte die Polizei aus, dass in einem umfangreichen Ermittlungsverfahren 2018, das zu einer Einstellung nach § 153 StPO geführt habe, der Beschuldigte „der Schriftzug ‚KLIT‘ als individuelles Tag zugeordnet“ worden sei. Das AG hat die Durchsuchung der Wohnung der Beschuldigten angeordnet. In den Gründen des Beschlusses heißt es, die Beschuldigte sei verdächtig, am 21.7. 2019 in Braunschweig im Windfang eines näher bezeichneten Mehrfamilienhauses den Schriftzug „KLIT“ zweimal auf die Wand aufgesprüht zu haben. Der Tatverdacht beruhe auf den Angaben der Zeugin und den polizeilichen Ermittlungen.

Im Rahmen der Durchsuchung wurden weder Graffitiutensilien noch der Täterinnenbekleidung ähnliche Kleidungsstücke aufgefunden. Zwei Laptops der Beschuldigten wurden beschlagnahmt. Im Anschluss an die Durchsuchung wurde die Beschuldigte erkennungsdienstlich behandelt. Die Zeugin schloss die Beschuldigte in einer kurz darauf durchgeführten sequentiellen Wahllichtbildvorlage als Täterin aus. Auf eine Auswertung der Laptops der Beschwerdeführerin wurde daher verzichtet und das Ermittlungsverfahren gegen sie gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Die Beschuldigte hat gegen die Durchsuchungsanordnung Beschwerde eingelegt, die beim LG keinen Erfolg hatte. Die Verfassungsbeschwerde der Beschuldigten hatte Erfolg.

Ich beschränke mich hier mit den Gründen ein wenig – auch der Sachverhalt ist schon gekürzt. Das BVerfG führt u.a. aus:

„a) Die Angaben der Zeugin B. waren nicht geeignet, einen Anfangsverdacht gegen die Beschwerdeführerin zu begründen. Ihre Zeugenaussage enthielt keine Angaben, die konkret auf die Beschwerdeführerin als Täterin der Sachbeschädigung hingedeutet hätten. Insbesondere die Personenbeschreibung der Zeugin war allgemein und wies keine spezifischen Merkmale auf. Die von ihr beschriebenen Eigenschaften treffen in ihrer Allgemeinheit auf eine große Anzahl von Frauen zu, so dass eine individuelle Zuordnung zu einer bestimmten weiblichen Person auf dieser Grundlage kaum möglich erscheint. Individuelle Merkmale, die selten vorkommen und besonders auffällig sind (beispielsweise Narben, Tätowierungen, Piercings), hat die Zeugin indes nicht beschrieben. Die Beschreibung war jedenfalls ungeeignet, einen Tatverdacht gerade oder ausschließlich gegen die Beschwerdeführerin zu begründen, zumal die Ermittlungsakte im Zeitpunkt der Anordnung der Durchsuchung keine Beschreibung oder Fotoaufnahme der Beschwerdeführerin enthielt.

b) Soweit die Durchsuchungsanordnung zudem auf die polizeilichen Ermittlungen gestützt wurde, waren auch diese nicht geeignet, einen Tatverdacht in Richtung der Beschwerdeführerin zu begründen. Der Ermittlungsbericht vom 31. Juli 2019, auf den das Amtsgericht Braunschweig in seiner Nichtabhilfeentscheidung Bezug genommen hat, enthält neben einer Schilderung der Anzeigeerstattung durch die Zeugin B. lediglich die Bewertung, dass der Beschwerdeführerin im Rahmen eines nach § 153 StPO eingestellten Ermittlungsverfahrens im Jahr 2018 der Schriftzug „KLIT“ als individuelles Tag zugeordnet worden sei. Eine belastbare Tatsachengrundlage für diese Bewertung enthalten allerdings weder der Ermittlungsbericht noch die Ermittlungsakte im Übrigen.

aa) Ungeachtet des Umstandes, dass sich bei näherer Betrachtung der Fotoaufnahmen beider Schriftzüge nicht unerhebliche Unterschiede in der Gestaltung erkennen lassen und die Bewertung, es handele sich um ein individuelles, einer bestimmten Person zuordenbares Tag, bereits deshalb zweifelhaft erscheint, lässt auch ein Vergleich der Fotoaufnahmen der abgebildeten Personen nicht den Schluss zu, es handele sich um dieselbe Täterin. Insofern fehlt es an vergleichbaren individuellen Merkmalen. Anhand der Fotoaufnahmen, die die Täterin jeweils von hinten beziehungsweise von der Seite zeigen, war jedenfalls keine Identifizierung der Beschwerdeführerin möglich.

bb) Die weiter im Ermittlungsbericht enthaltene Feststellung der Polizei, die Täterinnenbeschreibung lasse sich, soweit es Alter, Größe, Haare und das junge Gesicht betreffe, auf die Beschwerdeführerin anwenden, erweist sich aufgrund der Allgemeinheit der Merkmale ebenfalls als ungeeignet, den Verdacht ausgerechnet auf die Beschwerdeführerin zu lenken.

cc) Ebenso ungeeignet ist der im Ermittlungsbericht enthaltene Hinweis auf die Wohnungsdurchsuchung bei der Beschwerdeführerin. Die Feststellung, dass im Rahmen der Durchsuchung im Jahr 2018 bei der Beschwerdeführerin keine Gegenstände aufgefunden worden seien, die mit dem Deliktsfeld Graffiti in Zusammenhang stehen, legt eher nahe, dass die Beschwerdeführerin mit der Tat im Jahr 2018 gerade nicht in Verbindung gebracht werden konnte. Bei der Mutmaßung, die Beschwerdeführerin sei auf die Durchsuchung vorbereitet gewesen, handelt es sich um eine nicht durch Tatsachen gestützte Behauptung der Polizei.

dd) Auch der Umstand, dass 2018 wegen eines gleichgelagerten Delikts ein Ermittlungsverfahren gegen die Beschwerdeführerin geführt und dieses nach § 153 StPO eingestellt wurde, begründet keine tragfähige Grundlage für die Annahme, die Beschwerdeführerin habe die Tat am 21. Juli 2019 begangen. Denn darin kommt lediglich zum Ausdruck, dass zu einem anderen Zeitpunkt durch die Ermittlungsbehörden ein Tatverdacht wegen Sachbeschädigung gegen die Beschwerdeführerin angenommen wurde und welche prozessuale Behandlung dieses Verfahren erfahren hat.

Insbesondere die Verfahrenseinstellung nach § 153 StPO konnte für das Ermittlungsverfahren 2019 keine Aussagekraft entfalten. Eine Einstellung nach § 153 StPO lässt die verfassungsrechtlich garantierte Unschuldsvermutung unberührt. Denn Feststellungen zur Schuld zu treffen und Schuld auszusprechen, ist den Strafgerichten erst gestattet, wenn die Schuld eines Angeklagten in dem mit rechtsstaatlichen Verteidigungsgarantien ausgestatteten, bis zum prozessordnungsgemäßen Abschluss durchgeführten Strafverfahren nachgewiesen ist (vgl. BVerfGE 74, 358 <372>; 82, 106 <116>). Zwar schließt es die Unschuldsvermutung nicht aus, einen verbleibenden Tatverdacht festzustellen und zu bewerten, auch wenn dem Tatverdacht nicht weiter nachgegangen wird und das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren zum Nachweis der Schuld nicht stattgefunden hat. Dabei muss aber erkennbar berücksichtigt werden, dass es sich nicht um eine gerichtliche Schuldfeststellung, sondern lediglich um einen Verdacht handelt (vgl. BVerfGE 82, 106 <117>).

Indem die Fachgerichte den polizeilichen Ermittlungsbericht, wonach der Beschwerdeführerin der Tag „KLIT“ in einem anderen Verfahren zugeordnet worden sei, pauschal in Bezug nahmen, haben sie dieser Unterscheidung zwischen Schuldzuweisung und Verdacht nicht hinreichend Rechnung getragen.

ee) Hiernach fehlte es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage, die geeignet gewesen wäre, den Verdacht der Sachbeschädigung gerade gegen die Beschwerdeführerin zu richten. Die Anordnung der Durchsuchung durch das Amtsgericht Braunschweig sowie die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts erweisen sich als objektiv willkürlich.“

BVerfG II: Durchsuchung wegen Geldwäscheverdachts, oder: Doppelter Anfangsverdacht

Die zweite Entscheidung des BVerfG, der BVerfG, Beschl. v. 31.01.2020 – 2 BvR 2992/14 – man beachte das Aktenzeichen und das Entscheidungsdatum – behandelt mal wieder eine Frage in Zusammenhang mit der Rechtsmäßigkeit einer Durchsuchungsmaßnahme.

Durchsucht worden ist die Wohnung des Beschuldigten wegen des Verdachts der Geldwäsche. Das BVerfG geht von folgendem Sachverhalt aus:

„1. Der Beschwerdeführer wurde in Pakistan geboren und lebt in F…, wo er in dem Restaurant seines Bruders als Oberkellner beschäftigt ist. Aufgrund einer Verdachtsmeldung seiner Bank vom 7. November 2012 nach § 11 GwG a.F. leitete die Staatsanwaltschaft gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche ein. Aus der Verdachtsmeldung ergab sich, dass zwischen Januar 2010 und Anfang November 2012 insgesamt 58.090 Euro auf das Girokonto des Beschwerdeführers eingezahlt worden waren. Die einzelnen Bareinzahlungen waren sowohl am Schalter als auch am Einzahlungsautomaten vorgenommen worden. Im gleichen Zeitraum waren von dem Konto durch vier Überweisungen insgesamt 16.710 Euro auf ein Auslandskonto nach Pakistan transferiert worden, dessen Inhaber offenbar im Geburtsort des Beschwerdeführers wohnt. Außerdem waren Barauszahlungen am Schalter oder Geldautomaten in Höhe von insgesamt rund 35.000 Euro erfolgt und zwischen Mitte Juli und Anfang September 2011 kleinere Beträge von einem Geldautomaten der Citibank in Lahore/Pakistan abgehoben worden. Im Übrigen gingen aus der Meldung und den mit ihr vorgelegten Kontoauszügen nur wenige andere Kontobewegungen hervor.

Die weiteren Ermittlungen ergaben keine polizeilichen Erkenntnisse über den Beschwerdeführer. Nach einer Auskunft der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts, die sich später als falsch herausstellte, konnten für ihn weder Lohndaten noch eine steuerliche Führung im Bundesgebiet festgestellt werden.

2. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete das Amtsgericht Frankfurt (Oder) mit Beschluss vom 9. September 2013 auf der Grundlage von § 102 StPO die Durchsuchung der Wohn- und Nebenräume des Beschwerdeführers sowie seiner Person und seiner Kraftfahrzeuge wegen des Verdachts der Geldwäsche an. Die Durchsuchung sollte der Auffindung von Aufzeichnungen über Art, Umfang und Hintergründe der von ihm veranlassten Geldbewegungen, unter anderem der Transaktionen nach Pakistan, über Reisen nach Pakistan sowie über Kontaktpersonen und mögliche Geldgeber dienen.

Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass der Beschwerdeführer verdächtig sei, in den Jahren 2010 bis 2012 in 75 Fällen Geldmittel, die mutmaßlich aus Katalogtaten der Geldwäsche herrührten, unter Verwendung seiner Kontoverbindung verborgen und verwahrt sowie deren Herkunft verschleiert zu haben, um sie zur Sicherung vor staatlichen Zugriffen in den legalen Finanzkreislauf zu schleusen. Zwar seien die Vortaten im Sinne des Katalogs des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB derzeit nicht bekannt. Für den Anfangsverdacht einer Geldwäsche sei es allerdings ausreichend, dass eine auf kriminalistische Erfahrung gestützte Vermutung dafür spreche, dass jedenfalls eine verfolgbare Straftat begangen worden sei und die Durchsuchung zum Auffinden der Beweismittel führen werde. Die dem Konto des Beschwerdeführers im Tatzeitraum zugeflossenen Gelder ließen sich keinen legalen Einnahmequellen zuordnen. Der Beschwerdeführer habe davon Beträge in einer Größenordnung von 16.500 Euro direkt auf ein Auslands-konto nach Pakistan transferiert und die Gelder im Übrigen unmittelbar nach ihrer Einzahlung in größeren Beträgen wieder abgehoben und sie mutmaßlich während mehrerer Reisen nach Pakistan verbracht. Dies deute darauf hin, dass das Konto zur Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte verwendet worden sei, zumal nicht zu erkennen sei, dass es in irgendeiner Weise für Geschäfte des täglichen Lebens genutzt werde.

3. Die Durchsuchungsanordnung wurde am 14. Januar 2014 vollzogen. Dabei wurden der Arbeitsvertrag des Beschwerdeführers, die Kopie seiner Lohnsteuerkarte für das Jahr 2009, sein Monatsplaner für das Jahr 2011 sowie ein Beleg über einen von einem Dritten veranlassten Bargeldtransfer nach Pakistan in Höhe von 200 Euro sichergestellt. Im Rahmen der Durchsuchung gab der Beschwerde-führer an, dass er wöchentlich etwa 20 Stunden im Restaurant seines Bruders arbeite und 460 Euro im Monat verdiene. Er werde in dem Restaurant verpflegt und wohne in der Wohnung seines Bruders. In Pakistan sei er verheiratet und habe drei Kinder.

Das mit der Durchführung der Durchsuchung betraute Landeskriminalamt vermerkte anlässlich der Rücksendung der Ermittlungsakte an die Staatsanwaltschaft unter anderem, dass davon ausgegangen werden müsse, dass der Beschwerdeführer den Großteil seines Lohns „schwarz“ erhalte. Gegen seinen Bruder, den Betreiber des Restaurants, hätten sich wiederholt Ermittlungen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamts gerichtet. Insbesondere sei unglaubwürdig, dass ein Oberkellner eines an sieben Tagen der Woche und an zwölf Stunden täglich geöffneten Restaurants lediglich 20 Stunden pro Woche für einen Monatslohn von 460 Euro brutto arbeite. Angesichts der Diskrepanz zwischen der Höhe der Einzahlungen und des von dem Beschwerdeführer erklärten Lohns müsse von erheblichen Schwarzlohnzahlungen ausgegangen werden, so dass gegen den Bruder des Beschwerdeführers ein Anfangsverdacht wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) bestehe.

4. Der Beschwerdeführer legte gegen die Durchsuchungsanordnung noch am 14. Januar 2014 Beschwerde ein und erhob zugleich Widerspruch gegen die Sicherstellung. Er machte geltend, dass eine bloße Ausforschung beabsichtigt gewesen sei. Die Begründung des Beschlusses erschöpfe sich in einer Aneinanderreihung von Vermutungen und Spekulationen. Insbesondere existierten keine Anzeichen für Katalogtaten im Sinne des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB.

5. Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin, die Beschlagnahme des Monatsplaners und des Zahlungsbelegs anzuordnen und die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung festzustellen. Zugleich veranlasste sie die Herausgabe des Arbeitsvertrags und der Kopie der Lohnsteuerkarte, denen sie keine Beweisbedeutung zumaß. Sie hielt einen Anfangsverdacht der Geldwäsche für gegeben. Der Umstand, dass die konkreten Vortaten den Ermittlungsbehörden unbekannt seien, lasse diesen nicht entfallen.

6. Der Beschwerdeführer replizierte mit Schriftsatz vom 12. Februar 2014. Er führte aus, dass eine Durchsuchung wegen des Verdachts der Geldwäsche nur zulässig sei, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für sämtliche Tatbestandsmerkmale vorlägen, was gerade auch die in § 261 StGB genannten Vortaten einschließe. Strafverfolgungsmaßnahmen könnten nicht schon durch die Verschleierung der Herkunft von jedem „schmutzigen“ Geld ausgelöst werden, sondern nur durch die Verschleierung von solchen Geldern, die aus den in § 261 StGB genannten Straf-taten stammten, wofür die bloße Vermutung, das Geld rühre aus solchen Taten her, nicht ausreichend sei. Beim Verdacht der Geldwäsche müsse in einem Durch-suchungsbeschluss daher auch die Vortat ausreichend beschrieben werden. Insofern stützte er sich unter anderem auf den Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juli 2006 – 2 BvR 950/05 -.

7. Mit Beschluss vom 10. März 2014 stellte das Amtsgericht Frankfurt (Oder) die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung aufgrund des Beschlusses vom 9. September 2013 fest und ordnete die Beschlagnahme des Monatsplaners und des Zahlungsbelegs an. Die Voraussetzungen der §§ 102, 105 StPO hätten bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses vorgelegen. Insbesondere habe ein Anfangsverdacht für eine Straftat nach § 261 StGB bestanden, auch wenn die konkreten (Vor-)Taten noch unbekannt gewesen seien.“

Der Beschuldigte hat Rechtsmittel eingelegt, die keinen Erfolg hatten. Inzwischen ist nach weiteren Ermittlungen das Ermittlungsverfahren im Januar 2015 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Der Monatsplaner und der Zahlungsbeleg wurden mit Einverständnis des ehemaligen Beschuldigten vernichtet.

Die Verfassungsbeschwerde des ehemaligen Beschuldigten hatte dann aber teilweise Erfolg. Auch diese Entscheidung bitte selbst lesen. Hier nur die maßgeblichen Punkte, die man wie folgt fassen kann:

Für die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung wegen des Verdachts der Geldwäsche ist nicht nur ein Anfangsverdacht für die Geldwäschehandlung erforderlich, sondern auch für das Herrühren des Vermögensgegenstands aus einer Katalogvortat i.S.v. § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB, also quasi ein „doppelter Anfnagsverdacht“.

Es müssen daher auch über bloße Vermutungen hinausgehenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Vortat bestehen. Es genügt nicht, wenn nur angenommen wird, dass das betroffene Geld oder der betroffene Vermögensgegenstand aus irgendeiner Straftat stamme.

EV II: Durchsuchung im BtM-Verfahren, oder: Verhältnismäßig bei geringer Menge?

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Die zweite Entscheidung des Tages, der LG Dresden, Beschl. v. 06.11.2019 – 3 Qs 69/19, den mir der Kollege Stephan aus Dresden übersandt hat, behandelt ebenfalls ein Problem in Zusammenhang mit einer Durchsuchung. Es geht in einem BtM-Verfahren um die Frage der Verhältnismäßigkeit einer durchgeführten Durchsuchung. Das LG hat einen Anfangsverdacht bejaht, die Verhaltnismäßigkeit hingegen verneint:

„1. Voraussetzung jeder auf § 102 StPO gestützten Durchsuchung ist die aufgrund zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte bestehende Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Straftat bereits begangen worden ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 102 IBN 2).

Insofern ergibt sich aus der am 05.07.2018 erfolgten Sicherstellung eines an den Beschwerdeführer adressierten Briefes mit den nachfolgend noch näher beschriebene Substanzen im Zuge einer Kontrolle im „Briefzentrum Köln West“ der Deutschen Post AG, Europaallee 15, 50226 Frechen, aus den Niederlanden und Belgien angelieferter, nicht gestelfungspflichtiger Postsendungen ohne weiteres der Verdacht, dass die Übersendung dieses Briefes an den Beschwerdeführer zuvor durch eine Bestellung seinerseits veranlasst worden ist.

Ferner ergibt sich aus der Kombination von Sicherstellungsbericht, Sicherstellungsprotokoll und Sachverständigengutachten der Generalzolldirektion Köln vom 15.11.2018 der Verdacht, dass es sich bei dem Inhalt der Briefsendung um 49 Tabletten „Flurbromazepam Pellets 8mg“ mit einer Mindestwirkstoffmenge von 0,15 Gramm Flubromazepam, zwei Griptüten mit insge¬samt 2,61 Gramm eines im Wesentlichen aus Dibutylon-Hydrochlorid bestehenden, weißen Pulvers, einer Griptüte mit 1,02 Gramm eines im Wesentlichen aus Methylendioxy-U-47700 bestehenden, weißen Pulvers und einer Griptüte mit 0,33 Gramm eines im Wesentlichen aus N-Benzyl-Furanylfentanyl bestehenden, weißen Pulvers gehandelt hat.

Dibutylon-I-lydrochlorid, Methylendioxy-U-47700 und N-Benzyl-Furanylfentanyl sind ausweislich des Gutachtens vom 15.11.2018 verschiedene, aber jeweils von 2-Phenethylam in abgeleitete Verbindungen im Sinne von 1. der Anlage zum NpSG.

Flubromazepam (chemische Bezeichnung: 7-Brom-5-(2-11uorpheny)-1,3-dihydro-2H-1,4-ben¬zo-diazepin-2-on) ist gemäß § 1 Abs. 1 BtMG i. V. m. Anlage II zum GWG ein verkehrs- aber nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel, dessen Einfuhr und Erwerb ohne Erlaubnis gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 BtMG auch im Versuch strafbar ist.

Da die nicht gestellungspflichtige Briefsendung aus den Niederlanden oder aus Belgien kommend bereits bis in das „Briefzentrum Köln West“ gelangt war, besteht der Verdacht einer vollendeten Einfuhr. In Ermangelung anderslautender Erkenntnisse besteht insoweit allerdings gegen den Beschwerdeführer „nur“ der Verdacht, dass er die durch den unbekannten Versender begangene Einfuhr im Zuge seiner Bestellung veranlasst hat, so dass der Verdacht einer Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit versuchtem unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln gemäß §§ 29 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 BtMG, 26, 52 StGB gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11.10.2017, 5 StR 332/17, zitiert nach Juris).

Von 2-Phenethyiamin abgeleitete Verbindungen im Sinne von 1. der Anlage zum NpSG sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 NpSG neue psychoaktive Stoffe, deren Verbringung in den Geltungs-bereich dieses Gesetzes zum Zweck des lnverkehrbringens gemäß §§ 3, 4 Abs. 1 Nr. 2 b und Abs. 2 NpSG auch im Versuch strafbar ist. Inverkehrbringen ist gemäß § 2 Nr. 4 NpSG das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe sowie das Feilhalten, das Feilbieten, die Abgabe und das Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch an andere.

In Ermangelung sonstiger Ermittlungserkenntnisse stellt die Menge der bestellten, neuen psychoaktiven Stoffe in Verbindung mit der Menge der bestellten, dem Betäubungsmittelgesetz unterfallenden Tabletten den einzigen Anknüpfungspunkt für Schlussfolgerungen auf die seitens des Beschwerdeführers beabsichtigte Verwendung der Stoffe dar insoweit ist zu konstatieren, dass es sich bei den insgesamt 3,96 Gramm an neuen psychoaktiven Stoffen um eine geringe Menge handelt. Unter Berücksichtigung der zusätzlich bestellten 49 Tabletten einerseits und des mit der Bestellung einer Briefsendung aus den Niederlanden oder Belgien verbundenen Aufwands andererseits begründet diese geringe Menge allein keinen, für die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung ausreichend starken Verdacht, dass die Stoffe nicht -verbotenerweise, aber straflos – lediglich zum Eigenkonsum, sondern zum Inverkehrbringen im Sinne des § 2 Nr. 4 NpSG bestellt worden sind.

2. Ausgehend von dem gegen den Beschwerdeführer bestehenden Verdacht, durch die vor dem 05.07.2018 im Ausland erfolgte Bestellung von 49 Tabletten mit einer Mindestwirkstoffmenge von 0,15 Gramm Flubromazepam eine Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit versuchtem unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln gemäß §§ 29 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 BtMG, 26, 52 StGB begangen zu haben, war die angeordnete Wohnungsdurchsuchung vorliegend unverhältnismäßig und deshalb unzulässig.

Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers folgt dies allerdings nicht daraus, dass aufgrund des Zeitablaufs mit dem Auffinden relevanter Beweismittel nicht mehr – ausreichend wahrscheinlich – habe gerechnet werden können. Denn der Kammer ist schon aus zahlreichen eigenen Verfahren bekannt, dass Betäubungsmittelbestellungen zwar keineswegs immer, aber doch häufig unter Verursachung entsprechender „Datenspuren“ unter Verwendung von Computern, Tablets, Handys etc. telefonisch, online, per Chat oder auch per SMS vorgenommen werden und die entsprechende Kommunikation oder Spuren davon oft auch ein Jahr und länger danach noch auf im Besitz der Verdächtigen befindlichen Geräten festgestellt werden. Die durch den Beschwerdeführer unter Verweis auf eine entsprechende Gerichtsentscheidung vorgebrachte, gegenteilige Ansicht ist nach den Erfahrungen der Kammer lebensfremd.

Jedoch entspricht dem mit einer Wohnungsdurchsuchung verbundenen, erheblichen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen ein besonderes Rechtfertigungbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Diesem ist nur Genüge getan, wenn u. a. die Durchsuchung in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere der Straftat steht, was grundsätzlich nur der Fall ist, wenn auch im konkreten Falle die Verurteilung zu einer mehr als geringfügigen Sanktion in Betracht kommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.05.2008, 2 BvR 384/07, RN 12 und 18; Beschluss vom 11.02.2015, 2 BvR 1694/14, RN 23, jeweils zitiert nach Juris). Davon kann aber vorliegend nicht ausgegangen werden, weshalb die angeordnete Durchsuchung nach wertender Gesamtbetrachtung vorliegend unzulässig war.“

EV I: Durchsuchung im KiPo-Verfahren, oder: Kein Anfangesverdacht bei verjährtem Besitz von KiPo

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Heute dann mal ein Tag mit Entscheidungen aus dem Ermittlungsverfahren.

Und ich eröffne mit dem BVerfG, Beschl. v. 20.11.2019 – 2 BvR 31/19 u. 2 BvR 886/19, den mir die Kollegin Jessica Hamed aus Bad Kreuznach geschickt hat. In dem Beschluss geht es um die Frage des Anfangsverdachts für eine Durchsuchung, gegründet auf verjährten Besitz von Kinder-/Jugendpornografie.

Beim Beschwerdeführer ist in in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Besitzes kinder- und jugendpornografischer Schriften durchsucht worden. Dagegen sowie gegen die Sicherstellung und Auswertung der aufgefundenen technischen Geräte und Datenträger wendet er sich.

Zugrunde lag der Durchsuchung Folgendes: Bei der Auswertung sichergestellter Speichermedien in einem gegen zwei andere Personen wegen des Verdachts der Verbreitung, des Erwerbs und des Besitzes kinderpornografischer Schriften geführten Ermittlungsverfahren wurden auf einer der sichergestellten Festplatten 43 E-?Mail-?Nachrichten aus dem Jahr 2009 mit inkriminierten Bild- und Videodateien aufgefunden. Die Absenderadresse einer E-Mail mit zwei Bilddateien konnte aufgrund einer Providerauskunft dem Beschwerdeführer zugeordnet werden. Das AG ordnete daraufhin die Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers zum Zwecke der Auffindung von Computern, Speichermedien, internetfähigen Mobiltelefonen, Multimediaplayern sowie von Unterlagen mit Hinweisen auf Passwörter, externe Datenspeicher oder E-?Mail-?Postfächer an. Der Anfangsverdacht beruhe auf den Angaben des gesondert Verfolgten, der auf die Frage, ob er mit dem Nutzer der in Rede stehenden E-?Mail-?Adresse kinderpornografische Dateien ausgetauscht habe, angegeben habe, dass über den Account „irgendwas gelaufen“ sei, er aber nicht mehr wisse, was. Auf den sichergestellten Datenträgern des gesondert Verfolgten habe festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer zwei Bilddateien verschickt habe, die jeweils dasselbe männliche erigierte Glied eines Jugendlichen zeigten. Die leicht erkennbare Beinbehaarung lasse vermuten, dass es sich um einen Jungen in der Pubertät handele. Es wurden mehrere Computer, Festplatten und ein Smartphone sichergestellt. Der Beschwerdeführer erklärte im Rahmen der Durchsuchung, dass es sich bei dem Glied, das die  versendeten Bilder zeigten, um sein eigenes handeln könne. Das AG bestätigte die vorläufige Sicherstellung der bei der Durchsuchung in Verwahrung genommenen Datenträger zum Zwecke der Durchsicht. Die Beschwerden des Beschwerdeführers bleiben erfolglos. Mit Beschluss vom 23.05.2019 hatte das BVerfG der StA im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers untersagt, die sichergestellten Beweismittel auszuwerten. Das BVerfG hat nunmehr die angegriffenen Beschlüsse aufgehoben und die Sache zurückverwiesen:

„b) Diesen Anforderungen werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 13. März 2018 und des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22. Oktober 2018 nicht gerecht.

aa) Dabei ist die Annahme, der Beschwerdeführer habe sich im Jahr 2009 im Besitz von zumindest jugendpornographischen Schriften befunden und sie an den Empfänger der E-Mail vom 8. September 2009 versandt, allerdings nicht verfassungsrechtlich zu beanstanden.

Diese Annahme konnte aber nicht allein auf die der E-Mail beigefügten Bilddateien gestützt werden. Die Bilder zeigen offensichtlich das Glied einer geschlechtsreifen männlichen Person. Bei geschlechtsreifen Personen fällt eine Altersbestimmung schwer, da sichtbare Anhaltspunkte wie bei Kinderpornographie („vor der Pubertät“) nicht existieren. Achtzehnjährige sind von Siebzehn- oder Sechzehnjährigen optisch nicht zu unterscheiden. Fehlen ausdrückliche oder kontextabhängige Hinweise auf das Alter, kann aber nur auf den körperlichen Entwicklungsstand abgestellt werden (Hörnle, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2017, § 184c Rn. 9). Hier lässt sich aufgrund des körperlichen Entwicklungsstandes ausschließen, dass ein Kind im Sinne von § 184b StGB abgebildet ist. Sowohl die Polizei in ihrem Ermittlungsbericht als auch der Ermittlungsrichter in dem angegriffenen Durchsuchungsbeschluss gehen nachvollziehbar davon aus, dass die auf den Bildern erkennbare Beinbehaarung gegen die Abbildung eines Kindes spricht. Ob es sich um das Glied eines Jugendlichen oder eines Erwachsenen handelt, kann den Bildern aber nicht entnommen werden. Das erigierte Glied und die leichte, aber durchaus erkennbare Beinbehaarung können ebenso auf einen Erwachsenen wie auf einen Jugendlichen hindeuten.

Im vorliegenden Fall kommt jedoch hinzu, dass die Bilddateien an einen Empfänger versandt wurden, der nach eigener Aussage auf der Plattform Gigatribe eine gesamte Datenbank mit kinder- und jugendpornographischem Material zum Tausch bereithielt und mindestens 43 E-Mail-Nachrichten mit kinder- und jugendpornographischem Material empfing oder verschickte. Dieser gab auf die Frage, ob er mit dem Nutzer der dem Beschwerdeführer zugeordneten E-Mail kinderpornographische Dateien ausgetauscht habe, an, dass „irgendwas gelaufen“ sein müsse, wobei er nicht mehr genau wisse, was. Die Angaben des Empfängers sind zwar ausgesprochen vage, was auf den erheblichen Zeitablauf zwischen dem Kontakt im Jahr 2009 und der Vernehmung im Jahr 2017 zurückzuführen sein dürfte. Sie lassen jedoch im Zusammenhang mit dem Versand der E-Mail vom 8. September 2009 und den beigefügten Bilddateien einen Austausch von kinder- oder jugendpornographischem Material zwischen dem Beschwerdeführer und dem Empfänger der E-Mail möglich erscheinen. Dass das Amtsgericht vor diesem Hintergrund angenommen hat, der Beschwerdeführer könne Bilder verschickt haben, dies das erigierte Glied eines Jugendlichen gezeigt hätten, entbehrt nicht jeden sachlichen Grundes.

bb) Weder der Durchsuchungsbeschluss vom 13. März 2018 noch die Beschwerdeentscheidung vom 22. Oktober 2018 legen aber sachlich zureichende, plausible Gründe dafür dar, weshalb sich der Beschwerdeführer auch in nicht verjährter Zeit und insbesondere noch zum Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung im März 2018 im Besitz von jugend- oder gar kinderpornographischen Schriften befunden haben soll. Es fehlt an einer tragfähigen Begründung des Auffindeverdachts und einer hinreichenden Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme.

(1) Eine mögliche, an das Versenden und den Besitz der in Rede stehenden zwei Bilddateien im Jahr 2009 anknüpfende Straftat war zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses im März 2018 nicht mehr verfolgbar, da gemäß § 184c Abs. 2 und 4 StGB a.F. in Verbindung mit § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB Verfolgungsverjährung eingetreten war.

(2) Hinsichtlich einer noch verfolgbaren Straftat vermutet der Durchsuchungsbeschluss lediglich – so auch die Formulierung -, dass der Beschwerdeführer „auch heute noch im Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften“ sei. Worauf das Amtsgericht diese Vermutung stützt, wird nicht erläutert. Den Verdacht, dass der Beschwerdeführer über seine E-Mail-Adresse oder über andere digitale Kommunikationswege in nicht rechtsverjährter Zeit Dateien mit kinderpornographischem Inhalt anderen Nutzern zur Verfügung gestellt haben könnte, formuliert erst das Landgericht und stützt sich auf die von dem gesondert verfolgten Empfänger der E-Mail vom 8. September 2009 beschriebene Funktionsweise der „Tauschbörsen“. Es handele sich – so das Landgericht – um besondere, nicht leicht zugängliche Plattformen, die auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruhten; bereits dies belege den Tatverdacht. Eine schwere Zugänglichkeit der Plattform folgt jedoch aus den Angaben des gesondert Verfolgten nicht. Woher das Landgericht seine Erkenntnisse über die nicht näher beschriebene Funktionsweise der Plattform Gigatribe bezieht, bei der es sich entgegen der Einschätzung des Generalbundesanwalts nicht um eine insgesamt illegale Tauschbörse handeln dürfte, erläutert es nicht. Darüber hinaus bleibt auf der Grundlage der Aussage des gesondert Verfolgten auch unklar, ob der Kontakt zwischen ihm und dem Beschwerdeführer über die Plattform Gigatribe oder auf eine andere Weise hergestellt wurde. Aus seinen Angaben ergibt sich nur, dass der Beschwerdeführer die beiden Dateien per E-Mail versandte.

(3) Wenn das Landgericht meint, es liege nach allgemeiner Lebenserfahrung fern, dass es sich bei dem Versenden der Bilder im Jahr 2009 um einen Einzelfall gehandelt haben könnte, da dies für das beschriebene Tatbild untypisch sei, knüpft es letztlich an die Persönlichkeit des Beschwerdeführers an und schreibt ihm eine generelle, fortbestehende Tatgeneigtheit zu. Das Landgericht berücksichtigt dabei jedoch die Besonderheiten des Einzelfalles nicht ausreichend. Schon der Verdacht des Besitzes und des Besitzverschaffens kinder- oder jugendpornographischer Schriften im Jahr 2009 stützt sich auf eine nur vage Tatsachengrundlage. Die Angaben des gesondert verfolgten Empfängers der E-Mail vom 8. September 2009 sind wenig konkret; die beiden mit der E-Mail versandten Bilder zeigen ein Glied, das auch das eines Erwachsenen sein könnte. Erörterungsbedürftig erscheint zudem, ob und warum aufgrund der bekannten Umstände, der Übersendung von zwei nicht eindeutigen Bildern und dem einmaligen E-Mail-Kontakt mit einer Person, die kinder- und jugendpornographisches Material zum Tausch anbietet, wobei nicht geklärt ist, ob der Zugang zu diesem E-Mail-Verkehr mit besonderen Erschwernissen verbunden ist, schon auf eine auf Kinder und Jugendliche beziehungsweise Kinder- und Jugendpornographie gerichtete fortbestehende Sexualpräferenz und eine dementsprechende generelle Tatgeneigtheit geschlossen werden können soll. In diesem Zusammenhang darf gerade auch der erhebliche Zeitablauf nicht außer Betracht bleiben. Der angegriffene Durchsuchungsbeschluss vom 13. März 2018 wurde erst achteinhalb Jahre nach dem Versand der E-Mail vom 8. September 2009 erlassen. Bei seinem Erlass waren – vorbehaltlich von Unterbrechungsmaßnahmen nach § 78 Abs. 1 StGB, für die jedoch nichts ersichtlich ist – alle eventuellen Taten nach §§ 184b, 184c StGB, die vor dem 13. März 2013 beendet waren, bereits verjährt. Die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen setzen sich dennoch nicht ausreichend mit der Frage auseinander, warum auch mehrere Jahre nach dem Versand der E-Mail vom 8. September 2009 noch der Schluss darauf zulässig sein soll, dass sich der Beschwerdeführer weiterhin im Besitz von kinder- und jugendpornographischem Material befinde und mithin weiter Straftaten begehe. Diese Frage stellt sich nicht zuletzt unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten. Denn rechtfertigte die nicht näher begründete Annahme einer dauerhaften Störung der Sexualpräferenz auch nach Jahren einen Anfangsverdacht für die Begehung von Straftaten nach §§ 184b, 184c StGB, so könnten gegen den Betroffenen über lange Zeiträume hinweg Ermittlungsmaßnahmen ohne das Hinzutreten weiterer Verdachtsmomente angeordnet werden, was auf eine weitreichende Entgrenzung der Strafverfolgung hinausliefe (vgl. Hoven, in: Fischer/Hoven, Verdacht, 2016, S. 117 <126 f.>). Vor diesem Hintergrund hätte es angesichts der besonderen Umstände des Falles einer eingehenderen Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bedurft.“

Grundlage des Anfangsverdacht für eine Durchsuchungsanordnung, oder: Abwägungslehre?

Die zweite Entscheidung, die ich heute vorstelle, ist der BGH, Beschl. v. 06.02.2019 – 3 StR 280/18. Er befasst sich mit einer Entscheidung des KG, in der es u.a. um die Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus G-10-Beschränkungsmaßnahmen ging. Deren Verwertung war mit Verfahrensrügen beanstandet worden. Dazu hatte sich der Angeklagte auf den BGH, Beschl. v. 03.05.2017  – 3 StR 498/16 – bezogen. Der BGH sieht nun (nur) Anlass „zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:

Anders als in jenem Verfahren geht es vorliegend nicht darum, dass aus G-10-Beschränkungsmaßnahmen stammende Erkenntnisse unmittelbar als Beweismittel zur Überführung des Angeklagten verwertet worden sind. Die Erkenntnisse aus den G-10-Beschränkungsmaßnahmen mündeten vielmehr in ein Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz, das – neben weiteren polizeilichen Erkenntnissen – vom Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Tiergarten zur Begründung des Anfangsverdachts einer Straftat nach § 89a StGB und zum Erlass darauf aufbauender Durchsuchungsbeschlüsse herangezogen worden ist. Im Rahmen des Vollzugs dieser Beschlüsse wurden ein Laptop und ein Mobiltelefon des Angeklagten sichergestellt, auf denen sich WhatsApp- und Skype-Chats befanden, die das Kammergericht als Beweismittel verwertet hat, um den Beschwerdeführer wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 129b Abs. 1 i.V.m. § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 Variante 1 StGB zu verurteilen. Für diese Verfahrenskonstellation gilt Folgendes:

1. Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung reicht der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht aus, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer in Betracht kommt (vgl. hierzu: BGH, Beschlüsse vom 12. August 2015 – StB 8/15, BGHR StPO § 102 Tatverdacht 3; vom 18. Dezember 2008 – StB 26/08, BGHR StPO § 102 Tatverdacht 2; LR/Tsambikakis, StPO, 26. Aufl., § 102 Rn. 12, § 105 Rn. 65). Dabei können Behördenzeugnisse zur Begründung eines Anfangsverdachts grundsätzlich herangezogen werden, wobei der konkrete Beweiswert des Zeugnisses von seinem Inhalt und davon abhängig ist, ob es – wie hier – lediglich dem Beleg eines Anfangsverdachts oder der Begründung eines höheren Verdachtsgrades dient (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Februar 2018 – AK 5/18; vom 30. November 2017 – AK 61/17; vom 8. November 2017 – AK 54/17; vom 17. August 2017 – AK 34/17; vom 4. Januar 2013 – StB 10/12; vom 14. Oktober 2011 – AK 17/11; alle Beschlüsse zitiert nach juris).

Es ist danach nicht zu beanstanden, dass der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Tiergarten sich zur Begründung des Anfangsverdachts (auch) auf das Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz gestützt hat. Dieses ging seinem Inhalt nach über die pauschale Behauptung hinaus, der Beschwerdeführer sei Unterstützer des IS und möglicherweise in Anschlagsplanungen in Berlin involviert; die in dem Behördenzeugnis genannten Anhaltspunkte wurden durch polizeilichen Erkenntnisse gestützt, so dass bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte vorlagen, auf die ein Anfangsverdacht gestützt werden konnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. August 2016 – AK 46/16, juris Rn. 17; vom 12. August 2015 – StB 8/15, BGHR § 102 Tatverdacht 3).

2. Angesichts dessen war der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Tiergarten von Rechts wegen nicht gehalten, Informationen über die Rechtmäßigkeit der G-10-Maßnahme einzuholen, etwa die Akten des Bundesamts für Verfassungsschutz anzufordern und nach gegebenenfalls abgegebener Sperrerklärung des Bundesministeriums des Inneren Gegenvorstellung zu erheben. Konkrete Anhaltspunkte, die gegen die Rechtmäßigkeit der G-10-Maßnahme sprachen, lagen nicht vor; ein pauschales Misstrauen gegenüber den in die Beantragung, Anordnung und Kontrolle der Beschränkungsmaßnahmen involvierten Behörden und Gremien, die an Recht und Gesetz gebunden sind, ist nicht angezeigt (so auch: OLG München, Beschluss vom 2. Februar 2018 – 9 St 10/17, BeckRS 2018, 9058 Rn. 17).

3. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Kammergericht verpflichtet gewesen ist, Aufklärungsbemühungen zur Rechtmäßigkeit der G-10-Maßnahmen zu entfalten, kann offen bleiben, weil die von ihm ergriffenen Maßnahmen – wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragschrift zutreffend ausgeführt hat – auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2017 – 3 StR 498/16, juris Rn.14 mwN) jedenfalls ausreichend gewesen sind.

4. In der konkreten Verfahrenskonstellation wäre richtiger Bezugspunkt einer etwaigen Rechtmäßigkeitsprüfung allerdings nicht – wie vom Beschwerdeführer und ihm folgend vom Kammergericht angenommen – die G-10-Maßnahme, sondern die Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten gewesen, weil diese die ermittlungsrichterlichen Entscheidungen darstellten, auf deren Grundlage die verwerteten Beweismittel gewonnen wurden. Für die insoweit vorzunehmende Prüfung gelten die allgemeinen Grundsätze zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit ermittlungsrichterlicher Beschlüsse (vgl. zum Prüfungsmaßstab BGH, Urteil vom 16. Februar 1995 – 4 StR 729/94, BGHSt 41, 30, 31 ff.; Beschlüsse vom 1. August 2002 – 3 StR 122/02, BGHSt 47, 362, 365 f.; vom 26. Februar 2003 – 5 StR 423/02, BGHSt 48, 240, 248; vom 8. Februar 2018 – 3 StR 400/17, NJW 2018, 2809 Rn. 17) und aus einer etwaigen Rechtswidrigkeit gegebenenfalls zu ziehenden Konsequenzen (zur in ständiger Rechtsprechung des BGH vertretenen Abwägungslösung vgl. etwa BGH, Urteile vom 13. Januar 2011 – 3 StR 332/10, BGHSt 56, 127 Rn. 13 mwN; vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 47 ff. mwN; BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09, BVerfGE 130, 1, 29 ff.; zur Frage der sog. Fernwirkung vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2006 – 1 StR 316/05, BGHSt 51, 1 Rn. 21 ff.; zur Begründung eines Anfangsverdachts durch einem Verwertungsverbot unterliegende Beweismittel vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 9. November 2010 – 2 BvR 2101/09, NJW 2011, 2417 Rn. 42).

Der Hinweis zeigt m.E.: Selbst wenn die Rechtsmäßigkeitsprüfung zu dem Ergebnis „Rechtswidrig“ gekommen wäre, der BGH hätte es mit seiner Abwägungslehre schon gerichtet.