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Bestellung des Verteidigers nur für einen Termin, oder: Es gibt alle Gebühren, was denn sonst?

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Und dann heute – wie immer am Freitag – RVG-Entscheidungen. Zunächst ein (schöner) Beschluss des AG Halle zur Frage, welche Gebühren der bur für einen Termin beigeordnete Rechtsanwalt verdient.

In dem zugrunde liegenden Ermittlungsverfahren ist dem Beschuldigten mit Beschluss des AG Halle (Saale) vom 07.04.2022 Rechtsanwalt A. Funck, der mir den Beschluss geschickt hat, gem. § 140 Abs.1 Nr.4 zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Das AG hat wörtlich ausgeführt:

„Dem Beschuldigten wird für den heutigen Termin gemäß § 140 Abs.1 Nr.4 StPO der Rechtsanwalt ´Funck zum Pflichtverteidiger bestellt. Für das weitere Verfahren wird auf ausdrücklichen Wunsch des Beschuldigten der heute verhinderte Rechtsanwalt pp. gemäß § 140 Abs.1 Nr.5 StPO zum Pflichtverteidiger bestellt.“

Der Kollege hat dann die Festsetzung der Pflichtverteidigergebühren in einer Höhe von 709,24 EUR beantragt. Dabei wurde u.a. eine Grundgebühr nach Nr. 4101 VV RVG und eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4103 VV RVG beantragt. Dem Antrag hat der Urkundsbeamte vollumfänglich stattgegeben und die Auszahlung angewiesen.

Die Vertreterin der Landeskasse hat gegen die Festsetzungsentscheidung des Urkundsbeamten natürlich Erinnerung eingelegt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Bestellung des Kollegen ausschließlich für den Termin am 07.04.2022 erfolgt sei. Es sei zwar die Terminsgebühr, nicht jedoch die Grundgebühr und die Verfahrensgebühr entstanden.

Das AG hat auf die Erinnerung den Festsetzungsbeschluss im AG Halle (Saale), Beschl. v. 20.05.2022 – 398 Gs 540 Js 594/22 (259/22) – nicht abgeändert:

„Die Erinnerung gibt keinen Anlass die gerügte Entscheidung abzuändern.

Ob für den nur für einen Termin als Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalt eine Grundgebühr und eine Verfahrensgebühr neben der Terminsgebühr entstehen, ist umstritten:

Nur für das Entstehen einer Terminsgebühr: OLG Celle, Beschluss vom 19. September 2018 —3 Ws 221/18 —, juris; HK-RVG/Ludwig Kroiß, 8. Aufl. 2021, RVG VV 4100 Rn. 34-37.

Für das Entstehen von allen durch die anwaltliche Tätigkeit verwirklichten Gebührentatbeständen: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Juli 2008 — 3 Ws 281/08 —, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 23. März 2006 — 3 Ws 586/05 —, juris; OLG München, Beschluss vom 27. Februar 2014 — 4c Ws 2/14 —, juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 13. November 2014 — 2 Ws 553/14 —, juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 21. Dezember 2010 — 1 Ws 700/10 —, juris; OLG Köln, Beschluss vom 26. März 2010 — 2 Ws 129/10 —, juris;

Der Urkundsbeamte hat sich rechtsfehlerfrei und ermessensfehlerfrei der Auffassung angeschlossen, dass auch dem nur für einen Termin beigeordneten Rechtsanwalt sämtliche im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 VV RVG zustehen. Dies folgt daraus, dass sich der insoweit beigeordnete Pflichtverteidiger in den Rechtsfall selbstständig einarbeiten muss und ihm die vollständige Verantwortung für die Verteidigungstätigkeiten in dem jeweiligen Termin mit allen Rechten und Pflichten obliegt. Die Bestellung erfolgte vorliegend ohne inhaltliche oder gebührenrechtliche Einschränkung. Es ist kein Grund erkennbar, weshalb dem umfassend mit allen Verteidigertätigkeiten für den Termin beigeordneten Rechtsanwalt dies gebührenrechtlich nicht abzugelten sein sollte. Dies gilt nach Auffassung des Urkundsbeamten insbesondere auch für den nach § 140 Abs.1 Nr.4 beigeordneten Rechtsanwalt (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, 25. Aufl. 2021, RVG VV 4100 Rn. 5).

Es sind vorliegend für die erstmalige Einarbeitung des Rechtsanwalts pp. in den Rechtsfall die Grundgebühr nach Nr. 4101 VV RVG in Höhe von 216,00 (netto), für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (vgl. Vorbemerkung 4 Abs.2 VV RVG) die Verfahrensgebühr nach Nr. 4105 VV RVG in Höhe von 177,00 € (netto) und neben der unstreitigen Terminsgebühr nach Nr. 4103 VV RVG, 4102 Nr.3 VV RVG in Höhe von 183,00 € (netto) auch die Postpauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 (netto), für deren Geltendmachung es keines Nachweises bedarf, entstanden und erstattungsfähig. Hinzu kommt die Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG.

Im Übrigen wird angemerkt:

In einem anderen Ermittlungsverfahren, in dem ein Termin zur Verkündung eines Haftbefehls stattgefunden hat, hat die Vertreterin der Landeskasse Erinnerung gegen die festgesetzte Terminsgebühr eingelegt, da nach deren Auffassung in diesem Haftprüfungstermin nicht verhandelt wurde und daher der in Nr. 4102 Nr.3 VV RVG geforderte Gebührentatbestand des „Verhandelns“ nicht erfüllt sei.

Folgte man der Auffassung der Vertreterin der Landeskasse, dass dem nur für einen Termin beigeordneten Rechtsanwalt grundsätzlich lediglich eine Terminsgebühr zusteht, fragt sich, welche gebührenrechtliche Abgeltung einem nur für einen Termin zur Haftbefehlsverkündung beigeordneten Pflichtverteidiger zusteht, in dem der Gebührentatbestand des Verhandelns nicht erfüllt ist und die Terminsgebühr nach Nr. 4102 Nr.3 VV RVG daher nicht entstanden ist. Nach der von der Vertreterin der Landeskasse vertretenen Auffassung wäre die Tätigkeit des Pflichtverteidigers dann eine vergütungsfrei zu erbringende Tätigkeit im öffentlichen Interesse.“

Schöne Argumentation des AG im letzten Absatz. Die Antwort der Landeskasse kann man sich denken: Dann ist es eben Verteidigung zum Nulltarif/Sonderopfer oder: Pauschgebühr.