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Terminsgebühr beim Schöffengericht, oder: Es bleibt bei 150 EUR für 51 Minuten Terminsdauer

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Heute ist RVG-Tag. Da erinnere ich zunächst an mein Posting vom 02.10.2020 zum AG Saarlouis, Beschl. v. 09.09.2020 – 6 Ls 35 Js 1187119 (49/19). Zu der Entscheidung hatte ich unter: Terminsgebühr beim Schöffengericht, oder: Bei nur 51 Minuten Terminsdauer müssen 150 EUR reichen, Stellung genommen. Gegen den Beschluss vom 09.09.2020 hatte der Kollege-Gratz aus Bous, der „Betroffener“ dieser Entscheidung war, Erinnerung eingelegt.

Darüber hat nun das AG Saarlouis entschieden, und zwar im AG Saarlouis, Beschl. v. 15.01.2021 – 6 Ls 35 Js 1187/19 (49/19). Der Amtsrichter hat die Festsetzung von nur 150 EUR als Terminsgebühr bestätigt und die Erinnerung des Kollegen zurückgewiesen. Lapidare Begründung:

„Das Gericht schließ sich der ausführlichen Begründung in dem Beschluss vom 09.09.2020 an, welcher auch die einschlägige Rechtsprechung zitiert. Insbesondere ist nochmals auf die kurze Dauer der Hauptverhandlung von 51 Minuten vor dem Schöffengericht hinzuweisen, welche ein deutliches Indiz dafür ist, dass die Festsetzung der Rahmengebühr nach § 14 RVG i.V.m. Nr. 4108 W RVG auf den Betrag von 150,00 € nicht zu beanstanden ist.“

Wahrscheinlich findet das AG seine Begründung noch toll. „Einschlägige Rechtsprechung“. Welche? Die von 2004? Und welcher Kommentar? Vielleicht zitiert man mal einen aktuellen Kommentar.

Im Übrigen: Ohne (weitere) Worte.

Terminsgebühr beim Schöffengericht, oder: Bei nur 51 Minuten Terminsdauer müssen 150 EUR reichen

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Die zweite Entscheidung stammt vom AG Saarlouis. Das hat im AG Saarlouis, Beschl. v. 09.09.2020 – 6 Ls 35 Js 1187119 (49/19) – zur Höhe der Terminsgebühr in einer beim Schöffengericht anhängigen Verfahren stellung genommen und meint, das 51 Minuten unterdurchschnittlich sind. Der Verteidiger hatte 275,00 EUR geltend gemacht, festgesetzt worden sind 150,00 EUR:

„Bei Rahmengebühren ist es Sache des Rechtsanwaltes, die Gebühren unter Berücksichtigung der in § 14 I RVG aufgestellten Kriterien zu bestimmen.

Gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 RVG ist die Gebührenbestimmung des Rechtsanwalts für die erstattungspflichtige Staatskasse nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. In der Regel werden Abweichungen von bis zu 20 % von der angemessenen Gebühr noch als verbindlich angesehen (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage, § 14 RdNr. 12; Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, § 14 RdNr. 52, 49; Ried& Sußbauer/Fraunholz, RVG-Kommentar, 9. Aufl., § 14 RdNr. 4, Anwaltskommentar, RVG, Gebauer/Schneider (Hrsg.), 2. Aufl., § 14 RdNr. 83).

Ob eine getroffene Gebührenbestimmung unbillig ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber, sowie dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse und dem Haftungsrisiko für den Verteidiger, zu prüfen.

Der Umfang beschreibt den zeitlichen Aufwand, den der Rechtsanwalt in einer Sache aufbringen muss.

Die Schwierigkeit beschreibt die Intensität der Arbeit, maßgebend ist allein die objektive Schwierigkeit. Hierbei muss zwischen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten unterschieden werden. Die Bedeutung der Angelegenheit ist aus der Sicht eines Unbeteiligten, nicht oder nicht so hoch verurteilt zu werden, zu betrachten (LG Koblenz, JurBüro 2010, 32). Dabei ist die Sicht der Angeklagten mit zu berücksichtigen.

Wegen der Schwierigkeit zu bestimmen, wann eine Gebührenfestsetzung unbillig ist, wird nach gefestigter Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, Rn. 10 zu § 14) in den Normalfällen, in denen sämtliche nach § 14 I 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art sind, von der Mittelgebühr ausgegangen, wobei jedes der Bemessungskriterien Anlass geben kann, vom Mittelwert der Gebühr nach oben oder unten abzuweichen (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage, W Vorb. 4, Rdnr, 19).

Hierbei ist die Kompensationstheorie anzuwenden, welche bestimmt, dass das geringere Ge-wicht eines Merkmals das überragende Gewicht eines anderen Merkmals kompensiert. (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage, § 14 RdNr. 11; Saar!. OLG, Beschlüsse vorn 08.07.2004 — 1 Ws 112104 und 24.03.2006 — 1 Ws 52/0630.10.2009 — 1 Ws 198/09, Mayer a. a. O., § 14 Rn. 11 m. w. N.).

Die Mittelgebühr soll eine Vielzahl von vorkommenden Fällen gebührenrechtlich abdecken. Werden diese Grundsätze auf hiesigen Fall übertragen, ergibt sich Folgendes:

1. Hinsichtlich der in Ansatz gebrachten Mittelgebühren für die Grund- und Verfahrensgebühr ergeben sich keine Bedenken.

Bei dem Ansatz der Terminsgebühr für den Termin vom 16,09.2019 liegt hingegen eine unbillige Gebührenbestimmung i.S.d. § 14 RVG vor.

Wesentliches Bemessungskriterium bei der Terminsgebühr ist regelmäßig die Dauer des Termins (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage, W Vorb. 4 Rdnr. 32; Burhoff, a.a.O., Nr. 4108 Rn 19 i.V.m. Nr. 4120 Rn 3; Riedel/Süßbauer, RVG, 9. Auflage, W Teil 4 Abschnitt 1, Rn 55; vgl. Saarl. OLG, B. vom 24.08.10, 1 AR 2/09).

Die mit der Terminsgebühr abgegoltene Vor- und Nachbereitungszeit (vgl. Sean. OLG, B. v, 28.11.2007 — 1 Ws 215/07 — und 29.01.2010 — 1 Ws 203/09) des konkreten Termins darf bei der Bemessung der Terminsgebühr jedoch nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. u.a. Saarl. OLG, B. v. 10.05.2010 — 1 Ws 56/10 , 30.09.2014 —1 Ws 130/14).

Ausweislich des Vermerks in dem Sitzungsprotokoll (BI. 90 d.A.) ergibt sich eine Terminszeit von lediglich 51 Minuten.

Damit liegt die Dauer des Termins deutlich unter dem für vergleichbare Verhandlungen vor dem Schöffengericht geltenden Durchschnittswert von 3 – 4 Stunden (vgl. ständige Rechtsprechung des Saarländischen Oberlandesgerichts Saarbrücken in den Beschlüssen vom 4. April 2000 – 1 AR 2/00 -, vom 7. Juni 2001 – 1 AR 11/01 -, vom 19. November 2002 – 1 AR 24/02 – und vom 3. April 2003 – 1 AR 3/03 -).

Termine mit einer Dauer von 2 Stunden können nur in Einzelfällen gerade noch als durchschnittlich angesehen werden (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 24.08.2010 1 AR 2/09).

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung und unter Berücksichtigung des ebenfalls unter-durchschnittlichen Vor- und Nachbereitungsaufwandes bei zwei geladenen Zeugen ergibt sich eine aus Sicht der Landeskasse angemessene Gebühr von 150,00 EUR. Die von dem Verteidiger in Ansatz gebrachte Terminsgebühr von 275,00 EUR übersteigt die aus hiesiger Sicht angemessene Gebühr jedoch um mehr als 20 %, sodass diese nicht verbindlich ist.

Die Terminsgebühr ist daher auf 150,00 EUR zu reduzieren.“

Ohne Worte/Kommentar.

Unfallschadenregulierung, oder: Wenn der eigene Sachverständige an einer Nachbesichtigung teilnimmt

Und als zweite Entscheidung dann – damit es nicht zu bunt wird – das AG Saarlouis, Urt. v. 01.12.2017 – 28 C 891/17 (70), das mir der Kollege Gratz übersandt hat. Er wird die Entscheidung sicherlich auch noch in seinem VerkehrsrechtsBlog bringen. Es geht um Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall. Der Kläger verlangt Kosten für die Teilnahme seines Sachverständigen an einer Nachbesichtigung des Pkws des Klägers. Insgesamt waren rund 350 € im Streit, die das AG in diesem Fall nicht zuerkennt.

„1. Die Kosten der Teilnahme des Zeugen M an der Nachbesichtigung des PKWs des Klägers in Höhe von 349,50 € sind vorliegend nicht erstattungsfähig.

1.1 Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls darf einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenhöhe an seinem beschädigten Pkw beauftragen und von dem Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (BGH in NJW 2014, 1947). Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadenbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d. h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere seine individuellen Erkenntnis-und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH aaO).

1.2  Dabei ist in der Rechtsprechung der zuständigen Berufungskammer des Landgerichts Saarbrücken auch anerkannt, dass der Geschädigte grundsätzlich die Einholung eines Ergänzungsgutachtens zur Auseinandersetzung mit den erhobenen Einwendungen für sachdienlich halten und die dadurch entstandenen Kosten ersetzt verlangen kann, wenn der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer vorgerichtlich technische Einwendungen gegen das vom Geschädigten eingeholte Kfz-Schadensgutachten erhebt und der Geschädigte ohne sachverständige Hilfe die Berechtigung der Einwendungen nicht beurteilen kann (Landgericht Saarbrücken in NJW-RR 2015,721). Darüber hinaus wird auch die Teilnahme des vom Geschädigten beauftragten Sachverständigen an einer vom Haftpflichtversicherer initiierten Fahrzeuggegenüberstellung als ersatzfähig angesehen (Landgericht Bochum, Urteil vom 8. Juli 1997,9 § 60/97, Landgericht Hamburg, Urteil vom 9. Juli 2015, 323 § 13/15).

1.3 Vorliegend verlangt der Kläger demgegenüber Ersatz der Kosten, die durch die Teilnahme des von ihm beauftragten Sachverständigen zur Überprüfung des von ihm vorgelegten Gutachtens an der verlangten Nachbesichtigung seines Fahrzeuges anfallen. Solche Kosten sind nach Auffassung des Gerichts jedenfalls im vorliegenden Fall nicht erstattungsfähig. Es war weder erforderlich, dass der Sachverständige des Geschädigten bei der Nachbesichtigung möglicherweise auftretende Fragen beantwortet noch dass dieser den Gutachter des Versicherers überwacht. (so Landgericht München I, Schaden-Praxis 2011,188, a.A: Amtsgericht Kaiserslautern, ZfSch 2014,559, Amtsgericht Mainz, Urteil vom 31. Mai 2016,80 C 73/16).

Dabei kann dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen der Schädiger oder sein Versicherer nach der Vorlage eines Schadengutachtens überhaupt einen Anspruch auf Nachbesichtigung haben (FreymannNVellner/Lennartz,jurisPKStrassenverkehrsrecht,119 WG Rn 24,1.A.2016). Denn selbst wenn man einen solchen Anspruch verneint und die Gestattung einer Nachbesichtigung durch den Kläger als ein Entgegenkommen gegenüber dem Haftpflichtversicherer betrachtet, bleibt es für die Ersatzfähigkeit der durch die Beauftragung des eigenen Sachverständigen mit der Teilnahme an der Nachbesichtigung entstandenen Kosten dabei, dass diese nur ersetzt werden müssen, wenn sie erforderlich waren.

Diese Erforderlichkeit ergibt sich vorliegend nicht aus einem Beweissicherungsinteresse des Klägers (Landgericht München aaO). Der Zeuge M hatte für diesen bereits ein Schadensgutachten angefertigt und die Beschädigungen des Fahrzeuges ausführlich durch Lichtbilder dokumentiert. Eine weitere Beweissicherung hat der Zeuge zu diesem Zeitpunkt folglich nicht für notwendig erachtet. Weshalb sich dies durch ein Nach- besichtigungsbegehren des Haftpflichtversicherers geändert haben sollte, ist nicht erkennbar. Dieser beabsichtigte die Nachbesichtigung nach seinen Angaben lediglich, weil das Gutachten des Zeugen M ihm unplausibel erschien und um es demzufolge auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Konkrete Einwendungen gegen die Schadenshöhe hatte der Versicherer zu diesem Zeitpunkt nicht erhoben. Zwar kann Voraussetzung für eine Erforderlichkeit nicht sein, dass der vom Versicherer beauftragte Sachverständige zu einem anderen Ergebnis gelangt als der Sachverständige des Geschädigten, da auf die Sichtweise des Geschädigten im Zeitpunkt der Äußerung des Nachbesichtigungsverlangens abzustellen ist. Es wäre jedoch von vornherein ausreichend gewesen, wenn der Kläger im Falle von Beanstandungen des Sachverständigen der Dekra als Reaktion auf diese nachträglich eine Stellungnahme des Zeugen M      deren Kosten dann gegebenenfalls ersatzfähig gewesen wären, eingeholt hätte. Weitergehende Erkenntnisse, die sich gerade durch eine Teilnahme an einer Nachbesichtigung hätten ergeben können, hat der Kläger weder aufgezeigt noch sind diese für das Gericht ersichtlich. Hieran ändern auch mögliche Zweifel an der Unabhängigkeit und Neutralität des vom Versicherer beauftragten Sachverständigen nichts. Selbst wenn diese zutreffen sollten, kann auf Beanstandungen nachträglich angemessen und ohne Nachteil für den Geschädigten reagiert werden. Auf die vage Hoffnung, dass wegen der Anwesenheit des eigenen Sachverständigen auf Beanstandungen bzw. Nachfragen sofort reagiert und damit die Schadensabwicklung beschleunigt werden kann, kann es ebenfalls nicht ankommen.

Etwas anderes  gilt, wenn der Geschädigte die Teilnahme seines Sachverständigen und diesbezüglich eine Kostenerstattung zur Bedingung für die Zustimmung zur Nachbesichtigung macht, kann offenbleiben, denn der Kläger hat nicht vorgetragen, dies gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Geschädigten im Vorfeld der Nachbesichtigung so kommuniziert oder die beabsichtigte Hinzuziehung des Zeugen M auch nur erwähnt zu haben.

1.4 Soweit die Teilnahme des vom Geschädigten beauftragten Sachverständigen an einer Fahrzeuggegenüberstellung von Teilen der Rechtsprechung und Literatur als ersatzfähig angesehen wird, steht dies nicht im Widerspruch zu den vorstehenden Ausführungen……

„Berührt geführt“, oder: „Benzinklausel“ beim geschobenen Pkw

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In der Justiz gibt es den Spruch „Berührt geführt“. Das bedeutet, derjenige, der ein Verfahren, für das er an sich nicht zuständig ist, „anpackt“, der bleibt auch zuständig. Das ist also in etwa die „Benzinklausel“ der Justiz. :-).

Die Benzinklausel kennen wir sonst ja im Versicherungsrecht. Da dient sie zur Abgrenzung des Bereichs der Privathaftpflichtversicherung von dem der Kfz-Haftpflichtversicherung ab, die die Gefahren des Gebrauchs eines Kfz abdecken soll. Und diese Benzinklausel hat im AG Saarlouis, Urt. v.  24.07.2017 – AZ 28 C 250/17 – eine Rolle gespielt:

Auszugehen ist von folgendem Sachverhalt. Die Klägerin hat bei der beklagten Versicherungsgesellschaft eine private Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Ihr Ehemann ist mitversichert. Dieser verschob den PKW einer Zeugin, die die Klägerin besuchte und ihr Auto vor dem Haus abgestellt hatte, um mit seinem Anhänger besser rangieren zu können.  Dazu griff er in das geöffnete Fenster, löste die Handbremse und schob dann das Auto um einige Zentimeter zur Seite. Er unterließ es aber, die Handbremse danach wieder anzuziehen. Noch während er sich abwandte, setzte sich das Auto wieder in Bewegung, stieß gegen die Gartenmauer eines Nachbarn, beschädigte diese und wurde auch selbst beschädigt. Der Haftpflichtversicherer des KFZ regulierte die Schäden des Nachbarn. Die Zeugin nimmt den Ehemann der Klägering wegen der Schäden am Auto und wegen des Höherstufungsschadens in Anspruch. Die Klägerin verlangt insoweit Versicherungsschutz. Die Beklagte hält sich für leistungsfrei und beruft sich dazu auf den vereinbarten Ausschluss der “Benzinklausel“.  Das AG hat die Klage abgewiesen:

„Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Versicherungsleistungen aus einem zwischen den Parteien bestehenden Allgemeinen Haftpflichtversicherungsvertrag zu.

Die Eintrittspflicht der Beklagten für die Folgen eines Vorfalls vom 20.06.2016 ist auch unter Zugrundelegung der Hergangsschilderung der Klägerin durch die sog. Benzinklausel, die Bestandteil des Versicherungsvertrages wurde, ausgeschlossen. Somit kann dahingestellt bleiben, ob sich der Schaden auch tatsächlich auf diese Art und Weise ereignete.

Nach der Klausel ist u.a. nicht versichert die Haftpflicht des Führers eines Kraftfahrzeuges wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht werden.

Der Ehemann der Klägerin war Führer des Pkws der Zeugin S., als er es nach Lösen der Handbremse wegschob, um Platz für seinen Fahrzeughänger zu schaffen.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, NJW 2017,388, BGH, r +s 2007,102). Bei einem in der Rechtssprache üblichen Begriff ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen (BGH r+s 1986, 148).

So verhält es sich beim verwendeten Begriff des (Fahrzeug-)Führers: Das Führen eines Fahrzeugs zählt zu den zentralen Begriffen des Straßenverkehrsrechtes (vgl. etwa §§ 2,18 StVG, 2 Absatz 3a s. 1 StVO sowie 315c, 316 StGB), so dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer den in der Klausel verwendeten Begriff des Führens ebenso wie in den Straßenverkehrsrechtnormen verstehen darf (Landgericht Hildesheim, Urteil vom 21.12.1999, 3 O 202/98 juris; zum Begriff des Fahrers ebenso: BGH NJW 1963, 43). Dies wird letztlich auch durch die Verwendung weiterer (Rechts-)Begriffe in der Klausel -Besitzer, Halter, Eigentümer- bestätigt.

Danach führt ein Kraftfahrzeug, wer es unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein-oder Mitverantwortung in Bewegung setzt oder unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fortbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenkt. Ein Fahrzeugführer muss sich selbst aller oder wenigstens eines Teiles der wesentlichen Einrichtungen des Fahrzeuges bedienen, die für seine Fortbewegung bestimmt sind (h. M., Vergleiche BGH NJW 2015,1124 Freymann/Wellner, juris PK-StrVerkR, 1. A. 2016 § 18 StVG Rn. 7, Burhoff, VA 2006, 107).

Dabei schließt der Umstand, dass der Zeuge F. nach Hergangsschilderung der Klägerin das Fahrzeug nicht mittels eigener Motorkraft fortbewegte, die Führereigenschaft nicht zwingend aus (Freymann/Wellner jurisPK aaO § 18 StVG Rn. 7, Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs § 4 Rn. 11.

Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es im Haftpflichtrecht anerkannt, dass Führer eines Kraftfahrzeuges(§ 18 StVG) derjenige sein kann, der bei ausgeschaltetem Motor lenkt, seine maschinellen Einrichtungen (Bremsen u.ä.) bedient und auf diese Weise die tatsächliche Gewalt über das Fahrzeug ausübt. (BGHSt 14,185 zu § 24 StVG).

Dabei ist auch die Länge der zurückgelegten Strecke unerheblich für die Feststellung, ob jemand ein Kfz geführt hat oder nicht (BGH aaO), weshalb es auch nicht entscheidungserheblich darauf ankommt, dass der Pkw von dem Zeugen nur wenige Zentimeter nach vorne geschoben worden sein soll.

Der Zeuge hatte nach dem Lösen der Handbremse die tatsächliche Sachherrschaft über das Fahrzeug, die Aufgaben eines Fahrzeugsführers und die ausschließliche Entscheidungsbefugnis über dessen Fortbewegung und die Fahrtrichtung übernommen.

Die Eigenschaft des Zeugen als Fahrzeugführer bestand auch noch zum Zeitpunkt der Schadenentstehung, auch wenn der Zeuge beim – von ihm ungewollten – Losrollen des Fahrzeuges schon wieder im Begriff gewesen sein soll, sich von diesem zu entfernen, der Verschiebevorgang für ihn bereits abgeschlossen war.

Anders als etwa bei § 316 StGB kann die Eigenschaft als Fahrzeugführer in Ansehung (und im Sinne) der Haftungsvorschrift des § 18 Absatz 1 StVG auch nach dem Abstellen des Fahrzeugs noch fortdauern, solange das Fahrzeug sich im Sinne des § 7 Absatz 1 StVG im Betrieb befindet; dies ist etwa der Fall, wenn das Fahrzeug im öffentlichen Verkehrsraum abgestellt worden ist, von ihm betriebstypische Gefahren ausgehen, zu deren Minderung der das Fahrzeug Abstellende Sicherungsmaßnahmen zu treffen hatte, und noch kein anderer die Führung des Fahrzeuges übernommen hat (Freymann/Wellner aaO Rn. 13, König in: Henschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht § 18 StVG Rn. 2).

Dies ist jedoch vorliegend der Fall gewesen, da das Fahrzeug der Zeugin S. vor dem Anwesen der Klägerin, mithin im öffentlichem Verkehr, abgestellt war (so ausdrücklich Schriftsatz vom 7.10.2016 Seite 2: „vor dem Anwesen“) , von dort auch gegen die Nachbarmauer stoßen konnte und Ursache des Schadenseintritts die fehlende Sicherungsmaßnahmen, nämlich das nochmalige Anziehen der Handbremse war.

Der Schaden ist auch beim Gebrauch des Pkws der Zeugin S. verursacht worden.

Der Begriff des Gebrauchs schließt den Betrieb im Sinne des § 7 StVG ein und geht noch darüber hinaus (BGHZ 75,45).

Eine hiernach geforderte typische Fahrerhandlung liegt vor, wenn sie in den gesetzlichen oder durch die Verkehrsauffassung bestimmten Aufgabenkreis des Fahrers fällt und in Zusammenhang mit einer bestimmten Fahrt geschieht (BGHZ 78, 52).

Indem der Zeuge Fritz nach dem von ihm vorgenommenen Positionswechsel des Pkws vergaß, die Handbremse wieder anzuziehen, hat sich eine Gefahr verwirklicht, die dem Fahrzeuggebrauch eigen ist und diesem selbst und unmittelbar zuzurechnen ist (vergleiche Prölss Martin BesBed PHV Nummer 3 Rn. 10, 11, 28 Aufl. 2010).“

(K)eine Frage, oder: Die RSV muss auch das zweite Sachverständigengutachten im OWi-Verfahren zahlen

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Die zweite Entscheidung ist eine erfreuliche, die allerdings die Rechtsschutzversicherungen nicht so freuen wird. Es handelt sich um das AG Saarlouis, Urt. v. 01.02.2107 – 28 C 845/16 (70) -, das auch schon in der zfs 2017 veröffentlicht worden ist und auf das der Kollege Gratz im VerkehrsrechtsBlog ja auch schon hingewiesen hat. Ich wollte daraus an sich ein „RVG-Rätsel“basteln, das hat sich dann aber erledigt.

Es geht um eine Freistellungsklage gegenüber einer RSV. Dem Kläger wurde im Bußgeldverfahren eine Geschwindigkeitsüberschreitung zur Last gelegt. Zur Überprüfung der Messung holte seine Verteidigerin ein Sachverständigengutachten ein. Die Beklagte, mit dem der Kläger einen Rechtsschutzversicherungsvertrag abgeschlossen hat, der u. a. Versicherungsschutz für Ordnungswidrigkeitenverfahren umfasste, hat Deckungszusage für das Verfahren erster Instanz erteilt und die Kosten für das Sachverständigengutachten übernommen. Im gerichtlichen Verfahren hat das AG dann ebenfalls einen Sachverständigen mit der Überprüfung der Messung beauftragt. Nachdem der gerichtlich bestellte Sachverständige sein Gutachten erstattet hatte, hat die Verteidigerin erneut den von ihr bereits beauftragten Sachverständigen mit der Überprüfung des Gerichtsgutachtens beauftragt. Die Übernahme der dadurch entstandenen Kosten hat die beklagte Rechtsschutzversicherung abgelehnt. Die Freistellungsklage des Klägers hatte Erfolg:

„Unstreitig besteht zwischen den Parteien ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, der auch den Versicherungsschutz für Ordnungswidrigkeiten umfasst (6-9 GA).

Nach den diesem Vertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung pp.  trägt der Versicherer u.a. die übliche Vergütung einer rechtsfähigen technischen Sachverständigen –Organisation im Falle der Verteidigung in verkehrsrechtlichen Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren.

Die Üblichkeit der unter dem 21. 08. 2015 mit vorgenanntem Betrag von 577,02 € berechneten ergänzenden Stellungnahme des von dem Kläger beauftragten Sachverständigenbüros steht nicht im Streit. Die Gutachtenprüfung stellt auch inhaltlich ein Gutachten im Sinne der vorzitierten Allgemeinen Versicherungsbedingungen dar.

Zu Recht weist der Kläger auch darauf hin, dass weder die Versicherungsbedingungen – noch die erteilte Deckungszusage – eine zahlenmäßige Beschränkung auf nur ein Gutachten vorsehen.

Zwar regelt § 1 der Versicherungsbedingungen, dass der Versicherer zur Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers lediglich erforderliche Leistungen erbringt. Die Erforderlichkeit ist jedoch aus Sicht des Versicherungsnehmers zu bestimmen.

Hierbei ist vorliegend zu berücksichtigen, dass im Laufe des Gerichtsverfahrens durch das Gerichtsgutachten eine andere Bewertung der Geschwindigkeitsmessung als im zuvor von dem Kläger eingeholten Privatgutachten erfolgte und nunmehr aus Sicht der Verteidigung aufgrund  dieser unterschiedlichen Bewertungen des Messverfahrens durch Sachverständige und hieraus sich ergebenden divergierenden Ergebnissen  wohl zulasten ihres Mandanten, aber auch aufgrund der Komplexität der Materie eine ergänzenden Stellungnahme des Privatgutachters geboten schien. Von der Erforderlichkeit durfte der Kläger hierbei auch deshalb ausgehen, als die Beklagte einschränkungslos  die Kosten des vorzitierten Erstgutachten erstattete, sich hierbei nicht darauf berief, dass aus Schadensminderungsgesichtspunkten die Erstellung dieses Privatgutachtens zur Überprüfung des Messverfahrens vorgerichtlich nicht notwendig sei und in ihrer Deckungszusage, die auf ausdrücklichen Hinweis der ehemaligen Bevollmächtigten des Klägers, wonach um Prüfung und Kostenzusage auch für die einzuholende gutachterliche Bewertung gebeten wird, uneingeschränkte Deckung zusagte.

Im Hinblick auf die aus Sicht des Klägers zu bestimmende Erforderlichkeit und der vorstehenden Erwägungen kann die Beklagte sich deshalb auch nicht auf die Regelungen in § 17 ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen berufen, wonach kostenauslösende Maßnahmen mit dem Versicherer abzustimmen sind und dieser für eine Minderung des Schadens zu sorgen hat, zumal eine ausdrückliche Aufzählung der Beispielsfälle zur Schadenminderung nicht gegeben ist.

(So im Ergebnis auch: Amtsgericht Kirchhain in Zfsch 2015,449).“

Die Entscheidung ist m.E. nicht nur für das Bußgeldverfahren, wo allerdings wohl ihr Hauptanwendungsbereich liegen dürfte, sondern auch für das Strafverfahren von Bedeutung. Denn es kommen damit ggf. die Kosten von drei Sachverständigengutachten auf sie zu. Für den Betroffenen ist es günstig, denn er braucht sich – zumindest nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung und Fassung der Versicherungsbedingungen – um seine Verteidigungsstrategie keine Gedanken zu machen.

M.E. ist der Ansatz des AG auch zutreffend. Denn was soll ich mit einem Sachverständigengutachten mit einem für mich günstigen Ergebnis, wenn ich ein Gegengutachten mit ungünstigem Ergebnis nicht überprüfen können soll.