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OWi II: Hier dann vier OLG-Beschlüsse zum Fahrverbot, oder: Zeitablauf, Gründe, Begründungstiefe

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Im zweiten Posting des Tages kommen dann hier einige Entscheidungen zum Fahrverbot, also § 25 StVG, aber nur die Leitsätze. Die Beschlüsse enthalten nichts weltbewegend Neues, sondern schreiben nur die bisherigen Rechtsprechung fort. Der u.a. Beschluss des BayObLG nimmt darüber hinaus noch zu zwei weiteren Fragen Stellung.

Hier sind dann:

Bei einem Zeitablauf von über zwei Jahren zwischen Tat und Urteil bedarf es besonderer Umstände für die Annahme, dass ein Fahrverbot noch unbedingt notwendig ist.

Ein Absehen von einem Fahrverbot nach § 25 StVG kommt auch dann in Betracht kommt, wenn dessen Verhängung aufgrund Zeitablaufs nicht mehr geboten erscheint, weil dessen Erziehungsfunktion die warnende Wirkung des Fahrverbots nicht mehr erfordert. Voraussetzung hierfür ist, dass die zu ahndende Tat lange (in der Regel mehr als zwei Jahre) zurückliegt, dass die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände außerhalb des Einflussbereiches des Betroffenen liegen und dieser sich in der Zwischenzeit verkehrsgerecht verhalten hat.

1. Für die Verhängung eines Fahrverbots wegen eines beharrlichen Verstoßes gegen die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StVG ist eine hinreichend aussagekräftige Darstellung der Vorahndungslage unerlässlich.
2. Zulässiges Verteidigungsverhalten eines Betroffenen, wie etwa das Bestreiten des Tatvor-wurfs, darf bei der Bemessung der Rechtsfolgen nicht zu seinem Nachteil gewertet werden.
3. Einem Betroffenen, der den Tatvorwurf bestreitet, darf bei der Bemessung der Bußgeldhöhe eine „uneinsichtige Haltung“ nicht angelastet werden.

 

Ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt, d. h. das Verfahren ohne zwingenden Grund für eine nicht unerhebliche Dauer zum Stillstand gekommen ist, hängt von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab. Insoweit verbietet sich eine an feste Zeitgrenzen gebundene generelle Bewertung der bloßen zeitlichen Abläufe. Eine Bearbeitungsdauer von neun Monaten für die Erstellung der Gegenerklärung der Generalstaatsanwaltschaft zur Rechtsbeschwerdebegründung des Verteidigers ist im Hinblick auf eine 82 Seiten lange Rechtsbeschwerdebegründung mit erheblicher Begründungstiefe nicht zu beanstanden. (Kompensation verneint).

Die letzte Entscheidung erstaunt. Das OLG Stuttgart behauptet ernsthaft, dass eine Bearbeitungszeit für eine Rechtsbeschwerde von neun Monaten „unter den gegebenen Umständen — auch im Hinblick auf die aufgeworfenen Rechtsfragen und die gebotene Würdigung der ihrerseits umfangreichen Ausführungen im amtsrichterlichen Urteil — ordnungsgemäß“ ist. Gut. Man kennt die „umfangreichen Ausführungen“ des AG nicht, die Rechtsbeschwerdebegründung war allerdings 82 Seiten lang, woran die GStA sicherlich zu „knacken“ hatte. Aber: So „begründungstief“, wie das OLG behauptet, kann das aber dann doch nicht gewesen sein, wenn das OLG auf die 82 Seiten kein Wort verschwendet, sondern nach § 349 Abs. 2 StPO verwirft.

Nur zur Klarstellung: Damit zweifele ich nicht die Qualität der Rechtsbeschwerdebegründung des Kollegen Gratz an, der mir den OLG-Beschluss geschickt hat, sondern die „Begründungstiefe“ des OLG Beschlusses, die an der Stelle m.E. nicht „passt“.

OWi I: Absehen vom Fahrverbot nach zwei Jahren?, oder: Ja, aber nicht automatisch

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Heute dann ein Tag mit OWi-Entscheidungen. In dem Bereich ist es derzeit aber recht „ruhig“. Ich habe wenig neue Entscheidungen.

Hier dann zunächst etwas zum Fahrverbot, und zwar zwei Entscheidungen des OLG Brandenburg zum Absehen/Entfallen des Fahrverbots bei langer Verfahrensdauer.

Zunächst hier der OLG Brandenburg, Beschl. v.  04.07.2022 – 2 OLG 53 Ss-OWi 260/22 – mit folgendem Leitsatz – der bei dieser Entscsheidung genügt:

Bei einem Zeitablauf von über zwei Jahren zwischen Tat und Urteil bedarf es besonderer Umstände für die Annahme, dass ein Fahrverbot noch unbedingt notwendig ist. Hierbei ist u.a. zu berücksichtigen, worauf die lange Verfahrensdauer zurückzuführen ist, insbesondere ob hierfür maßgebliche Umstände im Einflussbereich des Betroffenen liegen oder Folge gerichtlicher oder behördlicher Abläufe sind.

Und als zweite Entscheidung dann der OLG Brandenburg, Beschl. v. 08.07.2022 – 1 OLG 53 Ss-Owi 241/22. In dem hat das OLG nicht vom Fahrverbot abgesehen. Abgesehen davon, dass der Zeitraum von zwei Jahren noch nicht erreicht war, sieht das OLG auch aus anderen Gründen nicht vom Fahrverbot ab, wobei sich mir nicht so ganz erschließt, warum man die Ausführungen macht:

„Dieser Zeitrahmen führt jedoch nicht automatisch zu einem Absehen von einem Fahrverbot, sondern ist lediglich ein Anhaltspunkt dafür, dass eine tatrichterliche Prüfung, ob das Fahrverbot seinen erzieherischen Zweck im Hinblick auf den Zeitablauf noch erfüllen kann, geboten ist.

Bei einem Zeitablauf von über zwei Jahren zwischen Tat und Urteil – der hier nicht gegeben ist – bedarf es auch nach Auffassung des Senats besonderer Umstände für die Annahme, dass ein Fahrverbot noch unbedingt notwendig ist (s.a. OLG Düsseldorf MDR 2000, 829; zum Ganzen: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl., StVG, § 25, Rn. 24 m.w.N.). Diese Zwei-Jahres-Frist war bei der Entscheidung des Amtsgerichts jedoch noch nicht annähernd abgelaufen. Dessen ungeachtet ist bei der Abwägung der Umstände des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen, worauf die lange Verfahrensdauer zurückzuführen ist, insbesondere ob hierfür maßgebliche Umstände im Einflussbereich des Betroffenen liegen oder Folge gerichtlicher oder behördlicher Abläufe sind (BayObLG NZV 2004, 210). Dabei kann die Ausschöpfung von Rechtsmitteln und der Gebrauch der in der StPO und dem OWiG eingeräumten Rechte dem Betroffenen nicht als eine von ihm zu vertretende Verfahrensverzögerung entgegen gehalten werden (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2006, 25). Anderes gilt dann, wenn die lange Dauer des Verfahrens (auch) auf Gründe beruht, die in der Spähe des Betroffenen liegen (vgl. dazu KG VRS 102, 127; OLG Köln NZV 2000, 430; OLG Rostock DAR 2001, 421; OLG Celle VRS 108, 118; OLG Karlsruhe DAR 2005, 168). Auch bei einer Verfahrensdauer von insgesamt mehr als 2 Jahren – die hier, wie oben erwähnt, im Zeitpunkt der zu überprüfenden Entscheidung noch nicht gegeben war – kann die Anordnung eines Fahrverbots dann noch in Betracht kommen, wenn sich der Betroffene in der Zwischenzeit weitere Ordnungswidrigkeiten hat zuschulden kommen lassen (vgl. BayObLG NStZ-RR 2004, 57).

Auch ein solcher Fall ist hier gegeben. Denn der Betroffene hatte sich ausweislich der Urteilsgründe nach der hier streitgegenständlichen Ordnungswidrigkeit vom 21. Oktober 2020 erneut des erheblichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 30 km/h schuldig gemacht, weshalb gegen ihn durch Bußgeldbescheid der Bußgeldbehörde ZBS Viechtach vom 7. September 2021, rechtskräftig seit dem 29. September 2021, auf eine Geldbuße in Höhe von 120,00 € erkannt wurde. Zwar wird – worauf die Verteidigung zutreffend hinweist – in den Urteilsgründen rechtsfehlerhaft nicht der Tattag der dem Bußgeldbescheid vom 7. September 2021 zugrunde liegenden Verkehrsordnungswidrigkeit mitgeteilt, infolge der Verjährungsfrist des § 26 Abs. 3 StVG ist jedoch davon auszugehen, dass die einschlägige Ordnungswidrigkeit jedenfalls nach der hiesigen Ordnungswidrigkeit begangen worden ist. Dasselbe gilt für den Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums Kassel vom 12. Dezember 2019, rechtskräftig seit dem 31. Dezember 2019, wobei § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV nicht auf das Datum der Tat, sondern auf das Datum der Rechtskraft der voraufgegangenen Entscheidung abstellt.

Das Amtsgericht hat nach alledem zutreffend gegen den Betroffenen auf ein Fahrverbot erkannt; Gründe für ein Absehen von dem Regelfahrverbot sind nicht ersichtlich und von dem Betroffenen auch nicht vorgetragen worden.“

 

Fahrerlaubnis III: Der Amtsrichter als „Teilsatiriker“, oder: Das KG ist „not amused“ – Lachen oder Weinen?

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Und zum Tagesschluss dann noch der KG, Beschl. v. 05.04.2022 – 3 Ws (B) 86/22. In der Entscheidung nimmt das KG zu den Anforderungen an die Urteilsgründe Stellung, wenn der Tatrichter das Absehen vom Fahrverbot verneint. Insoweit nichts Besonderes, aber die Übrigen Ausführungen des KG zur Entscheidung des AG führen dann doch zu der Frage, ob man weinen oder lachen soll. Ich habe mich nicht entscheiden können und überlasse es den Lesern, das für sich zu entscheiden:

Das KG hat nämlich zu der Entscheidung des KG „angemerkt“:

„1. Es kann offen bleiben, ob das Urteil bereits deshalb durchgreifend rechtsfehlerhaft und aufzuheben ist, weil es logisch unverständlich ist. Es scheint so, dass der Abteilungsrichter die Gründe mit einer Software diktiert und den in Teilen ungeordneten und wirren Text hiernach nicht mehr gelesen, sondern nur noch abgezeichnet hat. Dass ein solches Vorgehen den Bestand des Urteils gefährdet, ist dem befassten Bußgeldrichter bereits im Verfahren 3 Ws (B) 211/21 durch einen Beschluss des Senats, ersichtlich ungehört, mitgeteilt worden. Unabhängig davon, ob der Sinn der für sich unverständlichen Passagen durch Auslegung zu ermitteln ist, gefährdet die offenbar eingeschliffene Praxis der Abteilung nach Auffassung des hier entscheidenden Einzelrichters nicht nur den Urteilsbestand, sondern auch das Ansehen der Justiz. Die Urteilsgründe muten in Teilen satirisch an (z. 3. „Schrittgeschwindigkeit von 70 km/h“, „Hauptwarnung“ statt Hauptverhandlung u.v.m.).

2. Im vorgenannten Senatsbeschluss ist auch die Wirksamkeit der Unterschrift des Abteilungsrichters in Frage gestellt worden, die in ihrer geringen Komplexität einen Buchstaben weder erkennen noch erahnen lässt. Auch dies hat zu keiner Abhilfe geführt. Aber auch über die Wirksamkeit der Unterschrift muss hier nicht entschieden werden.“

Dass die Begründung der Fahrverbotsentscheidung dann auch nicht passt, überrascht moch dann nicht:

„3. Denn jedenfalls ist das Urteil aufzuheben, weil die Bemessung der Rechtsfolgen, über die ausschließlich entschieden worden ist, rechtsfehlerhaft begründet ist.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer an den Senat gerichteten Zuschrift Folgendes ausgeführt:

„Der Hinweis darauf, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung massiv gewesen sei, ist nicht geeignet, eine Erhöhung des Regelsatzes um immerhin mehr als 30 % zu begründen. Zwar bilden 40 km/h das Höchstmaß der unter Nr. 11.3.6 erfassten Überschreitung (von 31 km/h bis 40 km/h). Eine Differenzierung innerhalb der laufenden Nummern, die mit Ausnahme von Nr. 11.3.10 (über 70 km/h) jeweils Geschwindigkeitsüberschreitungen mit einer Spanne von maximal 9 km/h betreffen, sieht § 1 BKatV jedoch nicht vor; lediglich bei Nr. 11.3.10, die kein Höchstmaß benennt, mag dies anders zu beurteilen sein. Eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 40 km/h ist gerade ein von Nr. 11.3.6 (noch) erfasster gewöhnlicher Tatumstand im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 BKatV.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen, die das Amtsgericht bei der Bemessung der Geldbuße „auch“ berücksichtigt hat, tragen die Erhöhung des Regelsatzes schon deshalb nicht, weil dazu keine Feststellungen getroffen worden sind.

b) Die Anordnung des einmonatigen. Fahrverbotes unter Wirksamkeitsbestimmung gemäß § 25 Abs. 2a StVG stellt sich gleichfalls als rechtsfehlerhaft dar.

(1) Auch in den Regelfällen des § 4 Abs. 1 BKatV steht dem Tatgericht ein Ermessensspielraum zu, um Verstößen im Straßenverkehr mit der im Einzelfall angemessenen Sanktion zu begegnen. Die Frage, ob die Würdigung der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen besondere Umstände ergibt, nach denen es ausnahmsweise der Warn- und Denkzettelfunktion eines Fahrverbotes im Einzelfall nicht bedarf, liegt grundsätzlich in seinem Verantwortungsbereich. Die tatrichterliche Entscheidung wird durch das Rechtsbeschwerdegericht demzufolge nur daraufhin überprüft, ob das Tatgericht sein Ermessen deshalb fehlerhaft ausgeübt hat, weil es die anzuwendenden Rechtsbegriffe verkannt, die Grenzen des Ermessens durch unzulässige Erwägungen überschritten oder sich nicht nach den Grundsätzen und Wertmaßstäben des Gesetzes gerichtet hat (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Juli 2021 — 3 Ws (B) 182/21).

(2) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil jedenfalls in einer Ge-samtschau der nachfolgenden Erwägungen nicht gerecht:

(aa) Ein ausnahmsweises Absehen von der Anordnung eines Fahrverbotes hat das Amtsgericht zwar geprüft und verneint. Die rechtsfehlerhafte Erhöhung der Regelgeldbuße — wie unter a) dargelegt — ließe sich auf Grundlage der getroffenen Feststellungen jedoch nur mit einer Entscheidung gemäß § 4 Abs. 4 BKatV rechtfertigen.

(bb) Soweit das Gericht zur Begründung auf einen in der Hauptverhandlung eingereichten, in Augenschein genommenen und verlesenen Arbeitsvertrag des Betroffenen Bezug nimmt, ist dem Senat eine Überprüfung der insoweit angestellten Ermessenserwägungen nicht möglich. Eine Verweisung nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO (in Verbindung mit § 71 Abs. 1 OWiG) ist nur auf Ab-bildungen zulässig, nicht auch auf Schriftdokumente (vgl. nur Senat, Beschluss vom 23. April 2021 — 3 Ws (B) 87/21 —).

(cc) Der Zeitablauf von über eineinhalb Jahren zwischen Tat und Urteil allein gibt zwar noch keinen Anlass für eine Entscheidung gemäß § 4 Abs. 4 BKatV. Andere Umstände, die für die Beurteilung der Frage, ob das Fahrverbot seinen erzieherischen Zweck noch zu erfüllen vermag, von Bedeutung sein könnten, etwa ob in der Zwischenzeit weitere verkehrsordnungsrechtliche Zuwider-handlungen des Betroffenen bekannt geworden sind sowie ob und inwieweit ihm die Verzögerung anzulasten ist, gehen aus dem Urteil aber nicht hervor. In der Hauptverhandlung verlesen wurde ausweislich der Gründe lediglich ein Auszug aus dem Fahreignungsregister vom 1. August 2020, also auf dem Stand von kurz nach dem Tattag.

3. Der Senat kann nicht gemäß § 79 Abs. 6 OWiG selbst entscheiden, weil das Urteil hierfür — im Wesentlichen aus den bereits unter 2. b) (2) (bb) und (cc) genannten Gründen — keine hinreichende Grundlage bildet.“

Diesen zutreffenden Ausführungen folgt der Senat.

 

Vollstreckung I: Absehen wegen Therapieabsicht?, oder: Beurteilungsspielraum

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Am letzten Arbeitstag vor Ostern stelle ich hier drei Entscheidungen aus dem Bereich der Vollstreckung vor. Der kommt ja leider immer etwas kurz.

Zunächst etwas aus Bayern vom BayObLG zu § 35 BtMG, und zwar der BayObLG, Beschl. v. 31.01.2021 – 204 VA 536/20. Schon etwas älter, aber das BayObLG hat auch spät geschickt 🙂 .

Der Verurteilte ist mit Urteil vom 16.09.2020 wegen des Erschleichens von Leistungen mit Sachbeschädigung mit Diebstahl mit Beleidigung in sechs tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden. Der Verurteilte verbüßt diese Freiheitsstrafe seit 18.12.2020.  Zwei Drittel der Strafe sind/waren am 17.4.2021 erreicht. Das Strafende ist/war auf den 17.6.2021 notiert.

Mit Anwaltsschreiben vom 15.10.2020 hat der Verurteilte beantragt die Vollstreckung der Freiheitsstrafe gemäß § 35 BtMG zugunsten einer von ihm beabsichtigten Therapie zurückzustellen, da die Taten aufgrund der bei ihm bestehenden Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden seien. Die Staatsanwaltschaft hat das abgelehnt, da die Tat des Verurteilten nicht oder jedenfalls nicht überwiegend aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden sei. Dagegen hat der Verurteilte unter Hinweis auf die im Urteil aufgenommene Vorschrift des § 17 Abs. 2 BZRG Beschwerde eingelegt. Die hatte keinen Erfolg. Dagegen dann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der ebenfalls beim BayObLG keinen Erfolg hatte. Das BayObLG hat seiner Entscheidung folgende Leitsätze vorangestellt:

  1. Der Vollstreckungsbehörde steht hinsichtlich der Feststellung einer Betäubungsmittelabhängigkeit und deren Kausalität für die Tat ein Beurteilungsspielraum zu.

  2. Der Beurteilungsspielraum der Vollstreckungsbehörde ist dann stark eingeschränkt oder im Sinne einer Bindung völlig aufgehoben, wenn sich die Kausalität gemäß § 35 Abs. 1 BtMG „aus den Urteilsgründen“ ergibt, wobei die entsprechenden Feststellungen nur die Bedeutung einer widerleglichen Vermutung haben.

  3. Den Urteilsfeststellungen kommt dann ein hohes Gewicht und ein erheblicher Beweiswert zu, wenn sie sich eingehend mit der Betäubungsmittelabhängigkeit beschäftigen und die entsprechenden Beweise vom Gericht erhoben und gewürdigt werden, insbesondere wenn sie sich auf ein Sachverständigengutachten stützen und das Urteil zur Begründung der richterlichen Überzeugung eine eingehende Darlegung des Vorlebens eines Angeklagten und seiner Drogenkarriere enthält.

  4. Die bloße Nennung von § 17 Abs. 2 BZRG in der Liste der angewendeten Vorschriften ist kein Beleg für die Betäubungsmittelabhängigkeit und deren Kausalität für die abgeurteilte Tat.

Verkehr II: Absehen von der Fahrerlaubnisentziehung, oder: Die Feststellungen müssen stimmen

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Die zweite Entscheidung kommt dann auch vom KG.

Das hat im KG, Urt. v. 10.12.2021 – 3 Ss 56/21 – zu einigen Fragen in Zusammenhang mit der Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung Stellung genommen. Insoweit müssen hier die Leitsätze reichen, und zwar:

  1. Im Zweifel ist eine von der Staatsanwaltschaft eingelegte (Sprung-)Revision (auch) zuungunsten eines Angeklagten eingelegt. Bei Erhebung der allgemeinen Sachrüge wird die uneingeschränkte Überprüfung des tatrichterlichen Urteils begehrt.
  2. Eine Beschränkung des Rechtsmittels auf die Frage des Maßregelausspruchs nach §§ 69 ff. StGB ist dann nicht möglich, wenn im Einzelfall eine untrennbare Wechselwirkung zum Strafausspruch besteht. In einer solchen untrennbaren Wechselwirkung stehen regelmäßig Fahrverbot und Fahrerlaubnisentziehung.

Außerdem hat das KG sich zum Absehen von der Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) geäußert. Vom LG war abgesehen worden. Das hat dem KG nicht gefallen:

„b) Auch das Absehen von der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB ist durchgreifenden rechtlichen Bedenken ausgesetzt.

aa) Entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts greift vorliegend die Regelvermutung für die Fahrerlaubnisentziehung nach § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB.

Danach liegt ein Regelfall der Fahrerlaubnisentziehung wegen charakterlicher Ungeeignetheit vor, wenn der Täter eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort im Sinne von § 142 StGB weiß oder wissen kann, dass an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist.

Ob ein bedeutender Schaden vorliegt, bemisst sich allein nach wirtschaftlichen Kriterien und beurteilt sich nach der Höhe des Betrages, um den das Vermögen des Geschädigten als direkte Folge des Unfalls vermindert wird (vgl. OLG Hamm NZV 2011, 356 m.w.N.). Entscheidend ist der Geldbetrag, der erforderlich ist, den Geschädigten so zu stellen, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten (BGH NStZ 2011, 215). Die Frage, welche Schadenspositionen dabei außer den Reparaturkosten zu berücksichtigen sind, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt, kann aber dahinstehen, da allein die – rechtskräftig festgestellten – Reparaturkosten von 3.096,34 Euro (netto) schon einen bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB darstellen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 17. Dezember 2019 – 204 StRR 1940/19 -, BeckRS 2019, 38522). Auf weitere vom Tatgericht vermisste „genaue Feststellungen zur Schadenshöhe“, die es wegen des unentschuldigten Ausbleibens eines Zeugen nicht aufklären zu können glaubte, kommt es diesbezüglich nicht an.

bb) Die Annahme einer Ausnahme von diesem Regelprinzip durch das Amtsgericht ist rechtsfehlerhaft; die dazu getroffenen Feststellungen erweisen sich ebenfalls als lückenhaft.

Entgegen der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB kann von der Entziehung der Fahrerlaubnis nur dann abgesehen werden, wenn besondere Umstände vorliegen, die den seiner allgemeinen Natur nach schweren und gefährlichen Verstoß in einem anderen Licht erscheinen lassen als den Regelfall oder die nach der Tat die Eignung günstig beeinflusst haben (vgl. BT-Drs. IV/651, 17).

Solche Umstände lassen sich den Urteilsausführungen nicht entnehmen. Diese beschränken sich darauf mitzuteilen, dass – selbst wenn entgegen der Einschätzung des Amtsgerichts die Regelvermutung des § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB greifen sollte, „[u]nter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Fahrerlaubnis bereits seit dem 24. November 2020 vorläufig entzogen war, […] eine Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr angemessen und erforderlich“ (UA S. 2) erscheine. Der bloße Zeitablauf rechtfertigt ein Absehen von der Maßregel indes nicht (vgl. Senat, Urteil vom 1. November 2010 a.a.O.). Da der Eignungsprüfung der Verwaltungsbehörde grundsätzlich nicht vorgegriffen werden soll (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. März 1999 – 1 Ws 191/99 -, juris), bedarf es in aller Regel der Feststellung von zusätzlichen Tatsachen, die über den bloßen Zeitablauf hinaus belegen, dass die Angeklagte zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist (vgl. Senat, Urteil vom 1. November 2010 a.a.O.). Diese zusätzlichen Tatsachen fehlen hier.

Dies gilt gleichermaßen, sollte das Amtsgericht eine Gesamtwürdigung im Rahmen von § 69 Abs. 1 StGB vorgenommen haben wollen.“