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Fahrverbot I: Fahren mit einem fremden Kfz, oder: Die „Einlassung“ hilft nicht

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Der „Vornikolaustag“ 🙂 ist heute Entscheidungen aus dem Bußgeldverfahren gewidmet, und zwar stelle ich drei Entscheidungen zum Fahrverbot vor. Alle drei kommen vom BayObLG.

Die erste Entscheidung ist der BayObLG, Beschl. v. 17.09.2019 – 201 ObOWi 1580/19 – zur Frage des Absehens vom Regelfahrverbot wegen Fahrt mit einem fremden Fahrzeug. Wie imer/häufig reichen bei „den Bayern“ die Leitsätze, und zwar:

1. Die Vorbewertung des Verordnungsgebers, der in § 4 Abs. 1 BKatV bestimmte Verhaltensweisen als grobe Pflichtverletzungen ansieht, bei denen regelmäßig die Anordnung eines Fahrverbotes in Betracht kommt, ist auch von den Gerichten zu beachten. Von einem derartigen Regelfahrverbot kann daher nur bei erheblichen Abweichungen gegenüber dem Normalfall oder bei Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte abgesehen werden.

2. Macht der Betroffene geltend, aufgrund einer Fahrt mit einem ihm fremden Fahrzeug eine Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verkannt zu haben, scheidet eine Ausnahme von einem an sich verwirkten Regelfahrverbot aufgrund besonderer Tatumstände, insbesondere die Anerkennung eines privilegierenden sog. Augenblicksversagens, regelmäßig aus.

Das hatte übrigens das OLG Bamberg im OLG Bamberg, Beschl. v. 17.07.2012 – 3 Ss OWi 944/12 – schon mal entschieden.

OWi II: Absehen vom Fahrverbot bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß, oder: Urteilsgründe

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Die zweite Entscheidung des Tages, der OLG Brandenburg, Beschl. v. 01.07.2019 – (1 B) 53 Ss-OWi 353/19 (210/19) – ist dann noch mal eine „Fahrverbotsentscheidung“. Das AG hat den Betroffenen wegen eines sog. qualifizierten Rotlichtverstoßes verurteilt, von der Verhängung des an sich verwikten Regelfahrverbotes aber abgesehen.

Dagegen die Rechtsbeschwerde der StA, die unzureichende Urteilsgründe rügt. Und Sie hatte damit Erfolg:

2. Das Absehen von dem indizierten Fahrverbot hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

Hierzu führt die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme vom 12. Juni 2019 wie folgt aus:

„Zum unverzichtbaren Inhalt eines bußgeldrichterlichen Urteils gehört unter anderem die Angabe der für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit gesehen werden (§§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 Satz 1 StPO) und außerdem wenn – wie hier – der Sachverhalt Anlass dafür bietet, die Mitteilung derjenigen tatrichterlichen, auf nachvollziehbaren Anknüpfungstatsachen beruhenden Erwägungen, aufgrund derer ein [S. 2] den Verzicht auf das Fahrverbot rechtfertigender Ausnahmefall angenommen worden ist. Diesen Begründungserfordernissen wird die angefochtene Entscheidung nicht hinreichend gerecht.

Hier hat das Gericht das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes in Form des so genannten Augenblicksversagens nicht ausreichend begründet. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. der BKatV und dem Bußgeldkatalog kommt die Anordnung eines Fahrverbotes wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in Betracht, wenn – wie hier – der Kraftfahrzeugführer ein rotes Wechsellichtzeichen bei schon länger als einer Sekunde andauernder Rotphase nicht befolgt hat. Die Erfüllung des Tatbestandes weist auf das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG hin, der zugleich ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr offenbart, dass es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbotes bedarf.

Dass sich die vorliegende Tat in einem solchen Maße zugunsten des Betroffenen von den Regelfällen unterscheidet, dass das Absehen von der Anordnung des Fahrverbotes – etwa wegen eines Augenblicksversagens – gerechtfertigt wäre, lassen die tatrichterlichen Feststellungen nicht mit der erforderlichen Klarheit erkennen.

Die Anordnung eines Fahrverbotes ist auch dann nicht angezeigt, wenn ein Verkehrsverstoß nicht auf einer groben Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers, sondern lediglich auf einer augenblicklichen Unachtsamkeit beruht, die jedem sorgfältigen und pflichtbewussten Verkehrsteilnehmer einmal unterlaufen kann (grundlegend BGHSt 43, 241 ff.; OLG Hamm NZV 2005, 489). In solchen Fällen des Augenblicksversagens indiziert zwar der in der Bußgeldkatalogverordnung beschriebene Regelfall das Vorliegen einer groben bzw. beharrlichen Pflichtverletzung im Sinne des § 25 Abs. 1 StVG, es fehlt jedoch an einer ausreichenden individuellen Vorwerfbarkeit.

Nach den getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Betroffene hinter einem anderen Fahrzeug hergefahren ist, das kurz zuvor auf seinem Fahrstreifen gewechselt war, und das Rotlicht nicht rechtzeitig wahrgenommen hat. Ob dieser Wahrnehmungsfehler den Betroffenen entlastet, kann anhand der Urteilsfeststellungen jedoch nicht abschließend festgestellt werden. Der Wahrnehmungsfehler könnte nämlich seinerseits als grob pflichtwidrig angesehen werden. Auf nur einfache Fahrlässigkeit kann sich derjenige nicht berufen, welcher die an sich gebotene Aufmerksamkeit in grob pflichtwidriger Weise unterlassen hat (BGHSt 43, 241; OLG Karlsruhe VRs 111, 489). Vorliegend müsste der Betroffene zusätzlich zur Rotphase auch die vorherige 3 Sekunden dauernde Gelbphase der Lichtzeichenanlage über-[S.3]sehen haben, was sich durch den einfachen Spurwechsel eines voranfahrenden Fahrzeugs ohne weitere Feststellungen nicht erklären lässt. Dem Betroffenen könnte insoweit zum Vorwurf gemacht werden, dass er keine hinreichenden Anstrengungen unternommen hat, sich selbst von der Ampelschaltung in Kenntnis zu setzen.

Da Fahrverbot und Geldbuße in einer Wechselwirkung zueinanderstehen (vgl. BbgOLG Beschluss vom 02.03.2016 – (1B) 53 Ss-OWi 44/18 (30/16)) ist der Rechtsfolgenausspruch insgesamt aufzuheben.“

Der Senat tritt diesen Ausführungen bei, sie entsprechen der Sach- und Rechtslage. Die Urteilsgründe lassen besorgen, dass das Tatgericht keine eigenen, die Annahme eines Ausnahmefalls rechtfertigenden Feststellungen getroffen, sondern im Wesentlichen die Ausführungen des Betroffenen repliziert hat, ohne diese in das Zeitfenster von 4,1 Sekunden zu stellen, in denen der Betroffene auf die Lichtzeichenanlage infolge des Farbenwechsels hätte aufmerksam geworden sein müssen. Die Überschreitung des Schwellenwertes von 0,1 Sekunden kann hierbei keine besondere Bedeutung erlangen.“

OWI I: Poliscan Speed, Vorsatz, Absehen vom Fahrverbot, oder: Dann machen wir es eben selbst

Den heutigen OWi-Tag eröffne ich mit dem  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 05.09.2019 – IV-4 RBs 96/19. Er hat die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung zum Gegenstand, bei der das AG von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen hat. Dagegen die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die zum Erfolg führt. Das OLG hat selbst wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt und ein Fahrverbot verhängt:

Hier zunächst die beiden ersten Leitsätze zu der Entscheidung:

  1. Bei einer Geschwindigkeitsmessung mittels des Geschwindigkeitsüberwachungsgeräts Typ PoliScan Speed handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren.
  2. Bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um fünfundsechzig Prozent kann regelmäßig von vorsätzlicher Tatbegehung ausgegangen werden.

Und zum Fahrverbot führt das OLG dann u.a. aus:

„c) Bei Zugrundelegung dieser Voraussetzungen ist ein Absehen vom Fahrverbot nicht gerechtfertigt.

Die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls, in dem entgegen der Regel von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden könnte, liegen nicht vor. Weder weicht nach den vom Amtsgericht festgestellten objektiven Gegebenheiten die Gefährlichkeit des konkreten Verstoßes des Betroffenen von der typischen Gefahrensituation ab, die Anlass für die gesetzlich geregelte außerörtliche Geschwindigkeitsbegrenzung ist, noch ist das Maß seines Verschuldens besonders gering. Der Betroffene hat die zulässige Geschwindigkeit vorsätzlich überschritten. Auch sonst sind keine besonderen Ausnahmeumstände in seiner Person gegeben.

Existenzgefährdende Auswirkungen des Fahrverbotes für den Betroffenen sind nicht ersichtlich. Angesichts der verkehrstechnisch guten Lage seines Wohnortes bedarf es nicht einmal der Heranziehung eines Fahrers.

Von seinem Wohnsitz in der Stadt Meerbusch (Ortsteil Strümp) ist die benachbarte Landeshauptstadt Düsseldorf mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder unter Inanspruchnahme von Taxis oder Mietwagen in angemessener Zeit erreichbar.

Dort hat der Betroffene unmittelbaren Anschluss an ein Verkehrsnetz von nationaler und internationaler Bedeutung. Vom Flughafen Düsseldorf stehen ihm Direktverbindungen in mehrere große deutsche Städte und Wirtschaftsregionen zur Verfügung. Die Stadt Düsseldorf ist des Weiteren über ihren Hauptbahnhof und Zentralen Omnibusbahnhof an das Eisenbahn- und Fernbusliniennetz angeschlossen. Insbesondere die Anbindung an das ICE-Liniennetz der Deutschen Bahn ermöglichen es dem Betroffenen, alle Regionen Deutschlands in angemessener Zeit zu erreichen. Soweit der Betroffene abseits der so erreichbaren Wirtschaftsmetropolen und großen Städte Kunden zu betreuen hat, ist ihm zuzumuten, zur Weiterfahrt den dortigen öffentlichen Personennahverkehr in Anspruch zu nehmen oder sich der Benutzung eines Taxis oder Mietwagens zu bedienen. Nach Ansicht des Senats kann so in angemessener Zeit – auch im Vergleich zum Automobilverkehr – jeder Ort in Deutschland erreicht werden. Im Übrigen dürfte eine vorausschauende Planung der Reisen zu einer Optimierung der Geschäftstermine führen. Die Kosten für den Gebrauch der öffentlichen Verkehrsmittel werden durch den Wegfall der Kosten für den Einsatz des PKW kompensiert. Angesichts dessen vermag der Senat auszuschließen, dass der Betroffene durch ein zweimonatiges Fahrverbot in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht wäre oder nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigungen seiner Berufsausübung unterläge.“

OWi II: Kein Absehen vom Fahrverbot, oder: Hausbesuche eines Zahnarztes?

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Und als zweite Entscheidung dann der schon etwas ältere KG, Beschl. v. 13.05.2019 – 3 Ws (B) 111/19 – 162 Ss 46/19 – zum Absehen vom Fahrverbot bei einem Zahnarzt.

Das KG hat den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt und ein Fahrverbot verhängt. Dagegen die Rechtsbeschwerde, die ohne Erfolg geblieben ist:

„c) Die Verhängung des einmonatigen Fahrverbots begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Denn der Gesetzgeber sieht für innerorts begangene Geschwindigkeitsüberschreitungen von 33 km/h ausweislich der § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG, gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV in Verbindung mit Nr. 11.3.6 des Anhangs (Tabelle 1) zur laufenden Nr. 11 der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV regelmäßig die Anordnung eines einmonatigen Fahrverbots neben der Verhängung einer Geldbuße vor. Soweit die Rechtsbeschwerdeschrift ausführt, der Betroffene sei aus beruflichen Gründen auf den Führerschein angewiesen, ist anzumerken, dass er sich hierauf grundsätzlich nicht berufen kann, wenn er den Führerschein in Kenntnis der Bedeutung, die dieser für ihn hat, infolge mangelnder Verkehrsdisziplin leichtfertig riskiert (std. Rspr. des Senats, vgl. Beschluss vom 18. Februar 2019 – 3 Ws (B) 33/19 – m.w.N.). Von der Anordnung eines Fahrverbots kann vielmehr nur dann abgesehen werden, wenn der Sachverhalt so erheblich vom Regelfall abweicht und deswegen Ausnahmecharakter besitzt, dass die Verhängung der regelhaften Sanktionen der BKatV – insbesondere die Anordnung eines Fahrverbots – eine unangemessene Härte darstellt (vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2019 – 3 Ws (B) 53/19 –, juris m.w.N.). Dass die Anordnung des Fahrverbots für den Betroffenen eine solche ganz außergewöhnliche Härte darstellen würde, die er auch nicht durch ihm zumutbare Maßnahmen abfedern kann (vgl. Senat NJW 2016, 1110 m.w.N.), ist nicht ersichtlich.

Das Amtsgericht hat sich im angefochtenen Urteil mit dieser Frage umfangreich auseinandergesetzt und kam rechtsfehlerfrei zu der Einschätzung, dass mit der Verhängung des Fahrverbotes – auch unter Berücksichtigung seiner beruflichen Tätigkeit – keine unangemessene Härte für den Betroffenen einhergehe. Zwar nimmt er als freiberuflich tätiger Zahnarzt – außerhalb der Sprechzeiten seiner Praxis – unter Nutzung seines Pkws Hausbesuche bei Patienten wahr. Dies macht jedoch nach den Urteilsgründen nicht den Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit aus, sodass der Kernbereich seiner Berufsausübung durch das Fahrverbot nicht tangiert wird und eine Bedrohung seiner wirtschaftlichen Existenz durch das Fahrverbot nicht ersichtlich ist. Angesichts dessen sowie der Dauer des angeordneten Fahrverbotes von einem Monat ist es ihm auch unter Berücksichtigung seiner vom Amtsgericht festgestellten wirtschaftlichen Verhältnisse zuzumuten, das Fahrverbot durch eine entsprechende Urlaubsplanung zu überbrücken (vgl. Senat, Beschluss vom 22. September 2004 – 3 Ws (B) 418/04 -, juris m.w.N.) oder in anderer Weise Vorkehrungen zu treffen, was ihm überdies durch die ausgesprochene Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG erleichtert wird.

Schließlich lassen die Urteilsgründe auch ausdrücklich erkennen, dass sich die Bußgeldrichterin der Möglichkeit bewusst war, nach § 4 Abs. 4 BKatV von der Anordnung des Fahrverbots abzusehen, falls der notwendige Warneffekt durch eine angemessene Erhöhung der Geldbuße zu erreichen gewesen wäre.“

OWi III: Rotlichtverstoß/Frühstarterfall, oder: „von dem Arsch der Radfahrerin abgelenkt“.

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Lupus in Saxonia, +Fahrradspur in Dresden – mit Radfahrerin auf Rennrad – Bild 001, CC BY-SA 4.0

Mit einer sicherlich nicht so häufigen Einlassung musste sich KG im KG, Beschl. v. 25.07.2019 – 3 Ws (B) 228/19, den ich heute als dritte Entscheidung vorstelle, auseinandersetzen.

Dem Betroffenen war ein sog. atypischer Rotlichtverstoß zur Last gelegt worden. In den Fällen muss ich das AG in der Regel mit der Einlassung des Betroffenen, warum es z.B. zu einem Frühstart gekommen ist, auseinander setzen. Nur in Ausnahmefällen kann davon abgesehen werden. Und einen solchen Ausnahmefall hat das AG angenommen. Denn der Betroffene, ein Taxifahrer, hatte geltend gemacht, er sei „von dem Arsch der Radfahrerin abgelenkt“ worden. Das hat ihm beim KG nicht geholfen:

„2. An der Rechtsfolgenentscheidung ist im Ergebnis nichts zu erinnern.

Zwar ist richtig, dass von verschiedenen Oberlandesgerichten und auch vom Kammergericht (vgl. VRS 140, 60; Beschluss vom 3. Februar 2014 – 3 Ws (B) 15/14) in sog. „Frühstarterfällen“ unter bestimmten Voraussetzungen ein atypischer Rotlichtverstoß gesehen wurde, der es dem Tatgericht erlaubt, vom Fahrverbot abzusehen. Üblicherweise gehen solche Verstöße entweder mit der direkten Verwechslung einer Lichtzeichenanlage einher (vgl. OLG Bamberg OLGSt StVG § 25 Nr. 64; OLG Düsseldorf NZV 1993, 320; OLG Karlsruhe NJW 2003, 372). Oder die Kraftfahrer unterliegen einem Mitzieheffekt, weil andere auch anfahren (vgl. Senat NZV 2002, 50). Insgesamt ist die Behandlung dieser Fälle uneinheitlich (so König in Hentschel/König/Dauer, StVR 45. Aufl., § 37 StVO Rn. 55). So hat das OLG Karlsruhe jüngst ausdrücklich von seiner zuvor eher großzügigen Behandlung der Frühstarter Abstand genommen (vgl. DAR 2019, 215). Grundsätzlich und auch unter dem Regime der BKatV gilt, dass der Tatrichter bei der Verhängung des Fahrverbots ein Ermessen hat, das durch das Rechtsbeschwerde nur eingeschränkt überprüfbar ist. Namentlich wenn er von der Regelwirkung des Bußgeldkatalogs abweicht, muss er seine Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht – ggf. sehr ausführlich – begründen. Erhöhte Begründungsanforderungen können sich allerdings auch dann ergeben, wenn zwar – wie hier – ein Regelfall vorliegt, dieser aber vom Üblichen signifikant abweicht und auf merklich verringertes Handlungsunrecht (Fahrlässigkeit) oder Erfolgsunrecht (Gefährdung) schließen lässt.

Die Urteilsfeststellungen legen hier zunächst nahe, dass es sich in der Grundkonstellation um einen solchen (Frühstarter-) Fall handelt, denn sie weisen aus, dass der betroffene Taxifahrer an der roten Ampel des Nachts um 1.21 Uhr zunächst anhielt und sodann bei noch rotem Ampellicht in den Kreuzungsbereich einfuhr. Nach dem zuvor Ausgeführten sind bei einer solchen Sachlage trotz der Indizwirkung des Bußgeldkatalogs im Hinblick auf das gegenüber dem Regelfall gegebenenfalls verringerte Handlungsunrecht vom Tatrichter grundsätzlich Ausführungen dazu zu erwarten, warum es der Verhängung des Fahrverbots auch in diesem Fall bedurfte. Denn dass der Betroffene bei rotem Ampellicht zunächst anhielt, kann unter Umständen nahelegen, dass er sich jedenfalls rechtstreu verhalten wollte.

Solcher Ausführungen bedurfte es hier aber ausnahmsweise nicht, weil die Urteilsgründe ohne weiteres erkennen lassen, dass dem Betroffenen neben dem groben Verkehrsverstoß auch ein grober Verstoß gegen seine Sorgfaltspflichten zur Last fällt. Denn seine Unachtsamkeit beruhte hier nicht auf einer einfachen Verwechslung der Ampelregister oder einem Mitzieheffekt, sondern schlicht darauf, dass er, wie er gegenüber den Polizeibeamten vor Ort erklärte, „von dem Arsch der Radfahrerin abgelenkt“ war (UA S. 4). Erweiterte Darlegungsanforderungen bestanden bei dieser Sachlage nicht.“