Schlagwort-Archive: Ablehnung

Bedeutungslos – das muss man eingehend begründen

© Martin Fally – Fotolia.com

Die Ablehnung eines Beweisantrages wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache unterliegt nach der Rechtsprechung des BGH besonderen Anforderungen. In dem Bereich ist die Rechtsprechung des BGH verhältnismäßig streng, wie der BGH, Beschl. v. 27.11.2012 – 5 StR 426/12 – noch einmal zeigt.

Zum Sachverhalt: In einem BtM-Verfahren hatten die Angeklagten „die Vernehmung der Zeugen O. und L. – ersteren als Zeugen vom Hörensagen, letzteren als unmittelbaren Zeugen – zum Beweis der Tatsache begehrt, dass der Mitangeklagte P. in der Justizvollzugsanstalt T. , in der er als Vollzugsbeamter tätig war, mit Drogen gehandelt habe. Zur Begründung hat das Tatgericht ausgeführt, die Beweistatsache lasse keine zwingenden Schlüsse auf die „Glaubwürdigkeit“ des Mitangeklagten zu. Sie beträfe lediglich einen Randbereich seiner Aussage. Im Übrigen hätten die Angeklagten selbst eine Tatbeteiligung eingeräumt.

Dem BGH reichte das nicht:

Dies genügt nicht den Anforderungen, die an die Begründung der Ablehnung eines auf eine Indiztatsache gerichteten Beweisantrags zu stellen sind. Der Beschluss, mit dem die Erhebung eines Beweises wegen Unerheblichkeit der Beweistatsache abgelehnt wird, ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Gericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Entscheidungsbildung ohne Einfluss blieb (BGH, Urteil vom 7. April 2011 – 3 StR 497/10, NStZ 2011, 713 mwN). Dies nötigt zu einer Einfügung der Beweistatsache in das bisher gewonnene Beweisergebnis (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2011 – 5 StR 397/11, NStZ-RR 2012, 82)…..“

Wie weit geht die eigene Sachkunde des Gerichts? Nicht so weit wie manche Richter meinen…

© Thomas Becker – Fotolia.com

Wie weit geht die eigene Sachkunde des Gerichts? Die Antwort auf die Frage hat häufig Bedeutung, wenn es um die Einholung von Sachverständigengutachten geht und dann insbesondere, wenn es um Glaubwürdigkeitsgutachten geht. Das nehmen die Tatgerichte häufig eigene Sachkunde für sich in Anspruch, die der BGH ihnen auch einräumt, aber: Nicht immer und nicht immer so weit, wie die Tatgerichte meinen. Das zeigt noch einmal der BGH, Beschl. v. 09.10.2012 – 5 StR 428/12 – ergangen in einem Vergewaltigungsverfahren, in dem die Strafkammer den Beweisantrag der Verteidigerin auf Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachten mit eigener Sachkunde abgelehnt hatte. Das hat dem BGH gar nicht gefallen:

„c) Die Rüge hat in der Sache Erfolg. Mit der gegebenen Begründung durfte der Beweisantrag nicht abgelehnt werden. Zwar kann sich das Gericht bei der Beurteilung von Zeugenaussagen grundsätzlich eigene Sachkunde zutrauen; anderes gilt aber, wenn besondere Umstände vorliegen, deren Würdigung eine spezielle Sachkunde erfordert, die dem Gericht nicht zur Verfügung steht (BGH, Beschlüsse vom 1. März 1994 – 5 StR 62/94, StV 1994, 634, vom 29. Oktober 1996 – 4 StR 508/96, NStZ-RR 1997, 106, vom 28. Oktober 2008 – 3 StR 364/08, NStZ 2009, 346, 347, und vom 28. Oktober 2009 – 5 StR 419/09, NStZ 2010, 100, 101). Solche Umstände liegen hier vor.
Die Strafkammer legt ihrer Beweiswürdigung zugrunde, dass der Nebenklägerin der Zugang zu ihrer Erinnerung in Bezug auf die weitere Beziehung mit dem Angeklagten sowie hinsichtlich einiger sehr markanter Gegebenheiten in deren Verlauf aufgrund von „Verdrängungsmechanismen“ bis hin zu vollständiger Amnesie verschlossen war. Betroffen ist insoweit unter anderem der gemeinsame Besuch im Swingerclub im August 2010, den die Nebenklägerin sogar noch bestritten hatte, nachdem ihr die Aufzeichnung eines Telefongesprächs vorgespielt worden war, in dem sie sich beim Angeklagten für den schönen Abend bedankt und es als besonders wichtig be-zeichnet hatte, dass „er gekommen sei“. Mangels – im Urteil nicht dargelegter – besonderer Sachkunde durfte das Landgericht aber nicht davon ausgehen, ein Zustand gänzlicher Erinnerungslosigkeit an derartige Ereignisse bei andererseits voll erhaltenem Erinnerungsvermögen betreffend die Details viel weiter zurückliegender Ereignisse sei möglich und bei der Nebenklägerin eingetreten. Das Landgericht hätte daher entsprechend dem Beweisbegehren des Angeklagten sachverständige Hilfe zuziehen müssen, um diesen Aspekt in Verbindung mit den weiteren Auffälligkeiten im (Aussage-) Verhal-ten der Nebenklägerin und dessen Auswirkungen auf die Beurteilung der Aussagetüchtigkeit insgesamt sachgerecht beurteilen zu können.

Im Übrigen: Gerade noch einmal gut gegangen mit der Verfahrensrüge:

„Mit dem Generalbundesanwalt geht der Senat trotz Nichtvorlage einiger im Beweisantrag benannter Schriftstücke von der Zulässigkeit der Ver-fahrensrüge im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO aus. Denn das Urteil befasst sich eingehend mit den maßgebenden, auch von der Verteidigerin benannten Anknüpfungstatsachen in Bezug auf eine Beeinträchtigung der Aussagetüchtigkeit der Nebenklägerin, womit dem Senat die uneingeschränkte Sachprüfung der Verfahrensbeanstandung eröffnet ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1990 – 1 StR 693/89, BGHSt 36, 384, 385 mwN, Be-schluss vom 23. Mai 2012 – 5 StR 174/12, StraFo 2012, 268).

Mit Verlaub Herr Verteidiger…. da muss man doch konkretisieren…

© Gina Sanders – Fotolia.com

Wenn es in einem Verfahren schief läuft, dann meist aber auch richtig. Ich hatte ja gestern schon auf den BGH, Beschl. v.30.08.2012 – 4 StR 108/12 – hingewiesen (vgl. hier: Der Wechsel in der Verteidigung – auf jeden Fall Aussetzungsantrag stellen) und mich über den fehlenden  Aussetzungsantrag gewundert.

Mit Verlaub: So ganz viel Ahnung hat der Verteidiger von der StPO offenbar nicht gehabt. Denn sonst hätte es m.E. nicht zu einem weiteren Fehler in Zusammenhang mit einem Zeugenbeweisantrag kommen können/dürfen. Den hatte das LG zurückgewiesen. Der BGH hat es nicht beanstandet:

„.. 4. Die Rüge, das Landgericht habe entgegen § 244 Abs. 3 und 6 StPO einen am 12. Oktober 2011 gestellten Beweisantrag auf Einvernahme der Zeugin D. weder erledigt noch verbeschieden, deckt keinen Rechtsfehler auf.

Der Antrag auf Einvernahme der Zeugin war kein Beweisantrag im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil die Zeugin nur durch die Angabe ihres Namens und ihres Wohnortes (Köln) bezeichnet worden ist. Eine eindeutige Ermittlung ihrer genauen Anschrift aus den weiteren im Antrag enthaltenen An-gaben war nicht möglich (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1993 – 3 StR 446/93, BGHSt 40, 3, 6 f.). Dementsprechend hatte der Vorsitzende den Verteidiger darauf hingewiesen, dass die Zeugin geladen werden soll, wenn ihre Anschrift bekannt ist. In dem von der Revision herangezogenen Rechtsanwaltsschreiben vom 24. August 2004 wurde eine Frau zwar mit vollständiger Anschrift, aber unter einem anderen Namen bezeichnet. Der Antrag vom 12. Oktober 2011 enthielt weder einen Hinweis auf dieses Schreiben, noch die Information, dass die benannte Person früher einen anderen Namen führte und es sich bei ihr um die nunmehr benannte Zeugin handelte. Unter diesen Umständen drängte sich die Ladung der Zeugin dem Gericht auch nicht auf.“

Bei der Nachfrage und dem Hinweis des Gerichts müssen doch alle Alarmglocken klingeln. Da muss ich doch konkretisieren…

Ablehnter Führerschein – Löschung von Punkten?

© Ellie Nator – Fotolia.com

Im Verwaltungsverfahren streiten Beteiligten um die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Kosten für eine auf § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG gestützte Verwarnung des Klägers. Nach dieser Regelung hat die Fahrerlaubnisbehörde den Inhaber einer Fahrerlaubnis zu verwarnen, wenn sich acht, aber nicht mehr als 13 Punkte im Verkehrszentralregister ergeben. Die Behörde war der Auffassung, der Kläger habe wegen strafgerichtlicher Verurteilungen in den Jahren 2001 und 2002 einen Stand von zwölf Punkten erreicht. Demgegenüber meinte der Kläger, diese Punkte seien nicht zu berücksichtigen, da im Jahr 2004 ein von ihm gestellter Antrag auf Fahrerlaubniserteilung abgelehnt worden sei. § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG, wonach dann, wenn die Fahrerlaubnis entzogen oder eine Sperre nach § 69a StGB angeordnet worden ist, die Punkte für die vor dieser Entscheidung begangenen Zuwiderhandlungen gelöscht werden, sei zumindest entsprechend anzuwenden.

Das Verfahren ist vis zum BVerwG gegangen Das hat die Revision des Klägers, der in allen Vorinstanzen unterlegen war, zurückgewiesen. § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG ist nach dem urt. des Bverw. v. 27.09.2012 – 3 C 33.11 – weder unmittelbar noch entsprechend auf den Fall der Ablehnung einer beantragten Fahrerlaubnis anwendbar. Eine unmittelbare Anwendung der Regelung scheitere bereits daran, dass dieser Fall in § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG nicht genannt wird. Darin sei keine planwidrige Regelungslücke, sondern – wie sich u.a. aus der Gesetzesbegründung ergibt – eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zu sehen, so dass auch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift ausscheidet. Abgesehen davon bestehe keine vergleichbare Interessenlage. In den Fällen der Fahrerlaubnisentziehung und der Erteilungssperre nach § 69a StGB sei die Punktelöschung das Korrelat für die mit diesen Maßnahmen erfolgte Sanktion; eine solche Verknüpfung fehle bei der Nichterteilung einer Fahrerlaubnis. Außerdem würde eine erweiternde Auslegung Manipulationsmöglichkeiten eröffnen.

Quelle: PM 95/12 des BVerwG v. Urteil des BGH vom 27.09.2012

Wo ist der Unterschied zwischen Rotlichtverstoß und Handyverstoß?

© froxx – Fotolia.com

Dann will ich zu der zu erwartenden Entscheidung des OLG Düsseldorf betreffend §§ 73, 74 OWiG gleich ein weitere Entscheidung zu der Problematik hinterher schicken. nämlich den OLG Düsseldorf, Beschl. v.22.08.2012 – IV 1 RBs 121/12. Wenn die Amtsrichterin die Ablehnung des Entbindungsantrages in dem Verfahren gegen Sidney Sam ebenso begründet hat wie der Amtsrichter in dem dem OLG Düsseldorf zugrunde liegenden Verfahren, hätte die  gute Aussicht auf Erfolg. Wird aber wohl nicht der Fall sein

Allerdings: Die vom AG in dem hier vorgestellten Fall gewählte Begründung trifft man immer wieder an, obwohl sie immer wieder auch von OLG als unzulässig/Rechtsfehlerhaft beanstandet wird. Allein die theoretische Möglichkeit, der Betroffene werde seinen Entschluss zum Schweigen in der Hauptverhandlung überdenken, reicht eben nicht aus, ihm die Befreiung von seiner Verpflichtung zum Erscheinen zu verweigern. So auch das OLG Düsseldorf.

Interessant ist, dass das OLG sich von seinem Beschl. v. 14. 12.2011 (IV-1 RBs 144/11 (vgl. dazu hier) abgrenzt. Frage zu Recht?

Im vorliegenden Fall wurde dem Betroffenen in Rotlichtverstoß zur Last gelegt. Den hatte der Betroffene gegenüber den Polizeibeamten am Vorfallsort bestritten. Das AG hatte seinen Entbindungsantrag (§ 73 OWiG) mit der Begründung abgelehnt, das Erinnerungsvermögen der Zeugen sei größer, wenn sie den Betroffenen zu Gesicht bekämen. Das OLG hat das als Begründung nicht gelten lassen. Das werde nicht durch einzelfallbezogene konkrete Tatsachen gestützt. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Erinnerung der polizeilichen Zeugen an den Vorfall notwendig an den optischen Eindruck von dem Betroffenen geknüpft sei.

In dem Zusammenhang verweist das OLG eben auf seinen Beschl. v. 14. 12. 2011 (IV-1 RBs 144/11). In dem hatte das OLG in einem Verfahren wegen des Vorwurfs der verbotswidrigen Benutzung eines Mobiltelefon die Ablehnung des Antrags auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der vier Monate nach der Tat stattfindenden Hauptverhandlung nicht beanstandet. Das hatte es damit begründet, dass der Polizeibeamter den Tatvorwurf bezeugen solle, und somit die Feststellung, ob der Betroffene verbotswidrig mobiltelefoniert habe, maßgeblich davon abhänge, ob sich der Zeuge konkret daran erinnere, dass er gesehen habe, dass der Betroffene ein Mobiltelefon bedient habe. Dazu müsse er den Betroffenen unmittelbar identifizieren. Bereits dieser Umstand rechtfertigte damals für das OLG die Annahme, die Anwesenheit des Betroffenen sei erforderlich.

Mir erschließt sich der Unterschied zum Rotlichtverstoß nicht.