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Täteridentifizierung und kein Ende, oder: So geht es jetzt – einfacher (?)

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Die ordnungsgemäße Bezugnahme auf ein Lichtbild, mit dem ggf. der Betroffene als Führer/Fahrer eines Kraftfahrzeuges zum Vorfallszeitpunkt identifiziert werden kann, beschäftigt im Moment mal wieder die obergerichtliche Rechtsprechung. Dabei geht es um die Frage, wann der Tatrichter ordnungsgemäß im Sinne von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf eine bei den Akten befindliche Abbildung verwiesen hat. Damit hat sich jetzt auch das OLG Hamm noch einmal befasst. Es geht unter Hinweis auf die neuere Rechtsprechung des BGH davon aus, dass eine Bezugnahme deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck zu bringen gebracht werden muss, wofür die Angabe der bloßen Fundstelle des Lichtbildes in der Akte genügen könne. Eine wirksame Bezugnahme auf Abbildungen liege aber dann nicht vor, wenn lediglich der Beweiserhebungsvorgangs in allgemeiner Form (etwa zu Beginn der Beweiswürdigung im Rahmen einer übersichtsartigen Benennung der Beweisgrundlagen) geschildert wird. So der OLG Hamm, Beschl. v. 23.03.2017 – 4 RVs 30/17, der zwar in einem Revisionsverfahren ergangen ist, der aber auch für das Bußgeldverfahren gilt.

Die Rechtsprechung zur ordnungsgemäßen Bezugnahme auf Lichtbilder weicht im Hinblick auf das auch vom OLG Hamm angeführte BGH, Urt. v. 28.01.2016 – 3 StR 425/15 auf. In der Vergangenheit ist man teilweise davon ausgegangen, dass der bloße Hinweis, dass bestimmte Lichtbilder, die ggf. noch mit Blattzahl der Akten benannt werden, in Augenschein genommen wurden, nicht hinreichend deutlich den Willen zur Inbezugnahme i.S.v. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO erkennen lasse (u.a. OLG Bamberg NZV 2008, 211). Inzwischen schwenkt die OLG-Rechtsprechung jedoch auf den „weicheren“ Kurs des BGH ein. So dann auch schon OLG Bamberg, Beschl. v. 14.11.2016 – 3 Ss OWi 1164/16 und dazu Täteridentifizierung, oder: Mainstream vom OLG Bamberg und OLG Bamberg, Beschl. v. 06.02.2017 – 3 Ss OWi 156/17 und dazu Nochmals Täteridentifizierung, oder: Wie muss die Lichtbildbezugnahme aussehen?). Etwas einschränkender wird das vom OLG Düsseldorf gesehen (vgl. den OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.05.2017 – 1 RBs 55/16, auf den ich vorhin ja schon in andererem Zusammenhang hingewiesen habe). Danach soll bloße Mitteilung der Fundstelle in den Akten nicht ausreichen, wenn im Urteil auch die Fundstellen verschiedener in der Hauptverhandlung verlesener Urkunden angegeben werden, die keinesfalls durch Bezugnahme Bestandteil der Urteilsgründe werden können.

Verweisung im Urteil auf das Messsprotokoll – zulässig oder nicht?

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Sind Messprotokolle bzw. Eichscheine Abbildungen, so dass auf sie bzw. die enthaltenen Daten im Urteil nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen werden könnte, oder sind es Urkunden, die nach § 249 StPO in der Hauptverhandlung verlesen werden müssen? Die Frage scheint – zumindest teilweise – in der Rechtsprechung der OLG streitig zu werden (vgl. dazu einerseits den OLG Hamm, Beschl. v. 21.01.2016 – 4 RBs 324/15 und andererseits den KG, Beschl. v. 12. 11. 15 – 3 Ws (B) 515/15 – 122 Ss 111/15).

Dazu aus dem OLG Hamm, Beschl. v. 21.01.2016 – 4 RBs 324/15, der der h.M. entspricht:

„Im Hinblick auf den Verweis nach § 46 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO in der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils bzgl. der aus der im Datenfeld des Lichtbildes dokumentierten Messgeschwindigkeit weist für zukünftige Fälle vorsorglich darauf hin, dass ein solcher Verweis nur auf die Abbildung selbst, nicht aber auf die Informationen im eingeblendeten Messprotokoll möglich ist. Hierbei handelt es sich um urkundliche Informationen, nicht um Abbildungen (vgl. nur: OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.11.2004 – 1 Ss (OWi) 210 B/04; OLG Hamm, Beschl. v. 20.03.2012 – III – 3 RBs 438/11 m.w.N.). Soweit das KG Berlin – bei grundsätzlicher Anerkennung dessen, dass es sich bei dem in ein Radarfoto eingeblendeten Datenfeld um eine Urkunde handelt – meint, eine Verweis sei in solchen Fällen „ausnahmsweise zulässig“, wenn sich – wie hier – der gedankliche Inhalt der Urkunde „auf einen Blick erfassen“ lässt (KG Berlin, Beschl. v. 12.11.2015 – 3 Ws (B) 515/15122 Ss 111/15), vermag der Senat diese Auffassung nicht zu teilen. Eine gesetzliche Grundlage für eine solche Ausnahme kann er in den o.g. Vorschriften nicht erblicken. Eine solche Rechtspraxis müsste dann konsequenterweise auch in anderen Fällen gelten (etwa, wenn in einem Brief neben – kurzen – beleidigenden Textzeilen auch noch beleidigende Zeichnungen enthalten sind). Sie birgt dann aber die Gefahr, dass die Grenzen eines noch zulässigen Verweises nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verschwimmen, denn es hinge dann letztendlich von der Auffassungsgabe des jeweiligen Tatrichters und davon ab, ob diese vom Richter des Rechtsbeschwerde- oder Revisionsgerichts geteilt wird, ob ein „ausnahmsweise“ noch zulässiger Verweis (im o.g. Beispiel: auch bzgl. des Textes) vorliegt.“

So übrigens auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.01.2016 – 3 RBs 132/15.

Lichtbild mit Beifahrerin?, oder: Da braucht man ggf. auch einen FA für Familienrecht…

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Eine im Bußgeldverfahren sicherlich immer mal wieder auftauchende Frage hat das OLG Oldenburg im OLG Oldenburg, Beschl. v. 09.02.2015 – 2 Ss (OWi) 20/15 entschieden. Nämlich: Unterliegt ein Lichtbild, das im Rahmen einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme von einem Verkehrsverstoß gefertigt worden ist, auf dem nicht nur der Fahrer, sondern auch der Beifahrer erkennbar ist, einem Verwertungsverbot, wenn dieses Foto ohne Unkenntlichmachung des Beifahrers in die Gerichtsakte gelangt und darf/kann das Amtsgericht aus der Person des Beifahrers Schlüsse auf die Identität des Fahrzeugführers ziehen? Das AG hatte ein solches Lichtbild verwertet, in dem es seine Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen u. a. auch damit begründet hatte, dass die auf dem Lichtbild erkennbare Beifahrerin „mit großer Wahrscheinlichkeit die Tochter des Betroffenen“ sei.

Das OLG Oldenburg lässt offen, ob es zulässig ist, das Lichtbild ohne Unkenntlichmachung der Person des Beifahrers in die Akte der Verwaltungsbehörde und später des Gerichtes zu übernehmen , hat aber gegen die Beweiswürdigung des AG keine Bedenken:

„Der Betroffene hat insoweit gerügt, dass ein Beweisverwertungsverbot bestehe, da das Persönlichkeitsrecht der Beifahrerin tangiert sei.

Das Bundesverfassungsgericht (NJW 2010, 2717 f) hat es als verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden angesehen, dass die Gerichte als Rechtsgrundlage für die Anfertigung von Bildaufnahmen § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO angesehen haben. In diesem Zusammenhang hat es ausgeführt, dass bei einer Bildaufnahme, bei der Fahrer und Kennzeichen identifizierbar seien, allerdings ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung vorliege. Die Maßnahme ziele aber nicht auf Unbeteiligte, sondern ausschließlich auf Fahrzeugführer, die selbst Anlass zur Anfertigung von Bildaufnahmen gegeben hätten, da der Verdacht eines bußgeldbewehrten Verkehrsverstoßes bestehe.

Zwar bestand hier kein Verdacht gegen die Beifahrerin. Bereits das Bundesverfassungsgericht hat aber auf § 100h Abs. 3 StPO verwiesen, wonach andere Personen nur betroffen sein dürfen, wenn dies unvermeidbar sei.

Da es nach Auffassung des Senates unvermeidbar ist, dass bei Anfertigung eines Fotos im Rahmen einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme auch der Beifahrer mit abgebildet wird, sieht er die Anfertigung des Lichtbildes als durch § 100h Abs. 3 StPO gedeckt an (so auch bereits Amtsgericht Herford, DAR 2010, 592 f).

Der Senat lässt offen, ob es zulässig ist, das so gefertigte Lichtbild ohne Unkenntlichmachung der Person des Beifahrers in die Akte der Verwaltungsbehörde und später des Gerichtes zu übernehmen. Geschieht dies, führt dieses zumindest nicht zu einem Beweisverwertungsverbot, wenn das Amtsgericht Schlüsse von der Person des Beifahrers auf den Fahrer zieht.

Das Bundesverfassungsgericht (NJW 2009, 3293 f) hatte bei einem Sachverhalt, in dem von einem Fahrzeugführer eine verdachtsunabhängige Videoaufzeichnung gefertigt worden war und die Fachgerichte als Rechtsgrundlage einen Ministerialerlass herangezogen hatten, es (nur) als zumindest möglich angesehen, dass die Fachgerichte einen Rechtsverstoß annähmen, der ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehe.

Im Beschluss vom 07.12.2011 (2 BvR 2500/09) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass ein Beweisverwertungsverbot eine begründungsbedürftige Ausnahme darstelle und insbesondere nach schwerwiegenden, bewussten oder objektiv willkürlichen Rechtsverstößen, bei denen grundrechtliche Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden seien, geboten sein könne (juris Rn. 117).

Von einer derartigen Eingriffsintensität ist die Vorgehensweise des Amtsgerichts weit entfernt.

Das Lichtbild ist zunächst aufgrund einer ausreichenden Rechtsgrundlage gefertigt worden. Es ist dann im Rahmen des Verfahrens, das sich gegen die Person richtete, von der verdachtsabhängig ein Lichtbild gefertigt worden ist, verwertet worden. Die Rechtsbeschwerde macht auch (lediglich) geltend, dass das Persönlichkeitsrecht der Beifahrerin tangiert sei. Demgegenüber ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen durch die Auswertung des Lichtbildes der Beifahrerin nicht in einem Maße berührt, dass insofern von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen werden müsste.

Der BGH (St 11, 213 ff) hatte in einem Fall, in dem ein Zeuge nicht über sein Auskunftsverweigerungsrecht belehrt worden war, darauf abgestellt, dass diese Vorschrift ausschließlich auf der Achtung vor der Persönlichkeit des Zeugen beruhe. Durch den Konflikt des Zeugen werde der Rechtskreis des Beschuldigten nicht so berührt, dass ihm wegen unterbliebener Belehrung ein Revisionsrügerecht zugestanden werden könne.

So liegt es auch hier: Dass der Rechtskreis des Betroffenen hier dadurch berührt wäre, dass durch Bekanntwerden der Person der Beifahrerin seine Interessen verletzt sein könnten, macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend. Darüber hinaus gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass „planmäßig oder systematisch“ (BVerfG vom 7.12.2011, s.o.), Fotos der Beifahrer, auf denen diese erkennbar sind, zum Zwecke der indirekten Identifizierbarkeit des Fahrers zum Gegenstand der Bußgeldakten gemacht werden.“

Aufgehoben hat das OLG dann aus einem ganz anderen Grund: Das Lichtbild war nämlich nicht Gegenstand der Hauptverhandlung (§ 261 StPO).

Im Übrigen: In einer solchen Sache braucht man – je nachdem, wer auf dem Lichtbild abgebildet ist – hier war es zum Glück 🙂 ja die Tochter – ggf. nicht nur einen Fachanwalt für Verkehrsrecht, sondern möglicherweise auch einen für Familienrecht. 🙂

Wem gehörte der Koffer in Düsseldorf? – dazu keine „Foto-Fahndung“

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Manche Vorschriften führen ein Schattendasein, ja, manchmal hat man ganz vergessen, dass es sie überhaupt gibt. So der § 131b StPO, der die Zulässigkeit der Veröffentlichung von Abbildungen eines Beschuldigten regelt, wenn es um eine Straftat von erheblicher Bedeutung geht.

Die Vorschrift ist jetzt aber in den Focus gerückt. Die Ermittler im Fall des Großeinsatzes am Düsseldorfer Flughafen am 24.09.2013, der den Flughafen über Stunden lahm gelegt hatte, wollten nämlich nach dem Kofferbesitzer mit einer Veröffentlichung einer Abbildung aus einer Überwachungskamera fahnden. Das hat das AG Düsseldorf gestern (02.10.2013) gestoppt (vgl. hier die NRW/dpa-Meldung). Da heißt es:

„Ein Richter hat die Foto-Fahndung nach dem Verursacher des Großeinsatzes am Düsseldorfer Flughafen gestoppt. Die Ermittler wollten ein Bild des Kofferbesitzers aus einer Überwachungskamera veröffentlichen. Dessen mit Mehl und Gewürzen gefülltes Gepäckstück hatte zu einer stundenlangen Sperrung des drittgrößten deutschen Airports und zum Ausfall von 140 Flügen geführt. Doch das Amtsgericht Düsseldorf lehnte den Antrag der Staatsanwaltschaft am Mittwoch ab.

Es gebe keine ausreichenden Verdachtsmomente für das Vorliegen einer erheblichen Straftat, teilte ein Gerichtssprecher auf .“

M.E. nicht nur keine erhebliche Straftat, es wird m.E. schon schwierig überhaupt eine Straftat zu finden, wenn man mal im Katalog der §§ 315 ff. StGB sucht.