Und im zweiten Posting dann den LG Karlsruhe, Beschl. v. 20.06.2024 – KO 3 Qs 20/24. In der Entscheidung geht es mal wieder um die Problematik/Frage: Gebühren(erstattung( für den Rechtsanwalt, wenn die StA ihr Rechtsmittel vor Begründung zurücknimmt, der Verteidiger aber schon tätig geworden ist.
Die gibt es – so auch das LG Karlsruhe mal wieder – nicht:
„Allein streitig war im vorliegenden Fall die Frage, inwieweit auch Gebühren für das Berufungsverfahren erstattungsfähig sind, nachdem die am 08.12.2023 eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe am 16.01.2024 zurückgenommen wurde, ohne dass in der Zwischenzeit eine Begründung erfolgt war. Im Ergebnis handelte es sich bei den hierfür geltend gemachten Kosten nicht um notwendige Auslagen.
Dabei verkennt die Kammer nicht, dass diese Frage in Literatur und Rechtsprechung umstritten ist. Während große Teile der Literatur die Meinung vertreten, dass jedes Tätigwerden des Verteidigers in diesem Verfahrensstadium notwendig ist, besteht in der Rechtsprechung jedenfalls für die Revision überwiegend Einigkeit, dass ein Handeln des Verteidigers vor Eingang der Revisionsbegründung nicht angezeigt ist (vgl.: OLG Stuttgart, Beschluss vom 22.02.2021, Az.: 2 Ws 246/20 m. w. N.). Der letztgenannten Auffassung schließt sich die Kammer an, da in diesem Verfahrensstadium ein Tätigwerden des Verteidigers zwecklos ist. Für eine sachgerechte und sinnvolle Tätigkeit besteht in dieser Zeit regelmäßig keine Veranlassung, eine Beratung kann sich allenfalls auf hypothetische Angriffsziele des Rechtsmittels beziehen. Allein das subjektive Bedürfnis des Verurteilten nach einer Beratung lässt eine solche nicht als notwendig erscheinen.
Diese Maßstäbe gelten auch für die Berufung. Die Kammer hält insoweit an ihrer Auffassung aus dem Beschluss vom 26.03.2012, Az.: 3 Qs 22/12 KO, fest. Zwar sieht § 344 StPO eine Begründungspflicht nur für das Rechtsmittel der Revision vor, während das Rechtsmittel der Berufung nach S 317 StPO eine Begründung nicht zwingend vorsieht. Gleichwohl ist die Staatsanwaltschaft nach Nr. 156 Abs. 1 RiStBV zur Begründung eingelegter Berufungen verpflichtet, ihre Einlegung und Begründung sind dem Verteidiger zuzustellen. Daher ist es einem Angeklagten grundsätzlich auch bei der Berufung zumutbar, auf die Rechtsmittelbegründung zu warten, um erst anschließend mit seinem Verteidiger die notwendigen Maßnahmen zur Verfolgung seiner Interessen zu ergreifen (so auch: OLG Stuttgart, a. a. O. m. w. N.).“
Mich überzeugt das nicht – hat es übrigens noch nie. Natürlich ist ein Handeln des Verteidigers als Beistand des Angeklagten gerade auch in diesen Fällen „angezeigt“. Denn gerade in diesen Fällen wird beim Verteidiger ja Rat gesucht, wie es weitergeht. Und den gen Rat gibt es dann kostenlos? Nein, das ist falsch. Ich weiß auch nicht, warum LG und OLG diese falsche Ansicht dauernd wiederholen. Die sind doch dort alle so schlau, jedenfalls tut man so.
Und hier ist/war es m.e. besonders frech. Denn hier hatten wir – so die Mitteilung der Kollegin, die mir die falsche Entscheidung geschickt hat – folgende „Zwischengeschehen“.
„Hintergrund war Folgendes: Mein Mandant, dem ich als PfV beigeordnet war, wurde erstinstanzlich freigesprochen. Die StA wollte eine Verurteilung wegen Betrugs zu 2 J 10 M und die Einziehung iHv 181.500 EUR. Nach dem Freispruch kündigte die StA lauthals an, Rechtsmittel hiergegen einlegen zu wollen. Das LG würde dieses Urteil sicher nicht halten, hieß es.
Nachdem die Begründung des Urteils vom AG pp. kam, habe ich ein Schreiben dorthin geschickt und gegenüber der StA die Rücknahme der Berufung anheim gestellt. Dass die StA tatsächlich zurücknehmen würde, hätte ich niemals erwartet.
Dem Mandanten ging der A… auf Grundeis, insbesondere wegen der drohenden Einziehung. Dementsprechend erfolgte naturgemäß auch eine Beratung, wie das Ganze nun weitergeht.
Tatsächlich nahm die StA aber die Berufung nach meinem Schreiben zurück.“
Das war also nicht ein „sachgerechte und sinnvolle Tätigkeit“? Man versteht die Ignoranz der Kammer nicht. Sie ist in meinen Augen frech, zumal die Begründung mit keinem Wort auf den Verfahrensverlauf eingeht. Man hätte auch schreiben können: Gibt es nicht, haben wir immer schon so gemacht. Dann wäre man noch schneller mit „ander Leuts“ Einnahmen „fertig gewesen“.