Dokumetenpauschale für Einscannen von Unterlagen, oder. Wann kommt die erforderliche Reform der Reform

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Am heutigen Gebührenfreitag dann zunächst eine OLG Bamberg-Entscheidung, und zwar der OLG Bamberg, Beschl. v. 02.04.2024 – 1 W 12/24 e – zum Anfall der Dokumentenpauschalefür das Einscannen von Dokumenten. Gibt es nicht mehr, sagt das OLG Bamberg:

„Das Erstgericht hat zu Recht die vom Kläger beanspruchten Digitalisierungkosten als nicht kostenrechtlich festsetzungsfähig angesehen und dies auch zutreffend begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses vom 15.01.2024 und die der Nicht-Abhilfeentscheidung vom 08.03.2024 Bezug genommen und nur noch ergänzend folgendes ausgeführt:

1. Zutreffend hat das Erstgericht zugrunde gelegt, dass es sich bei den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers hinsichtlich der angesetzten Kosten für die Digitalisierung der beklagtenseits in Papierform übergebenen Unterlagen nicht um gemäß Nr. 7000 Abs. 2 i.V.m. Ziffer 2 und Ziffer 1 lit. c) VV-RVG kostenrechtlich erstattungsfähige Auslagen (Dokumentenpauschale) handelt.

Denn allein für das Einscannen von Dokumenten fällt seit der Neufassung der Nr. 7000 VV-RVG durch das 2. KostRMoG zum 01.08.2013 keine Vergütung mehr an, weil der Gesetzgeber durch die Ersetzung des Begriffs „Ablichtung“ durch den Begriff „Kopie“ in Nr. 7000 Ziffer 1V VV-RVG klarstellen wollte, dass ein eingescanntes Dokument entgegen der früheren h.M. keine „Ablichtung“ ist und es sich auch nicht um eine Kopie i.S.v. Nr. 7000 Ziffer 1 VV-RVG handelt (vgl. BT-Drucks 17/11471). Demnach ist eine Kopie im Sinne des Kostenrechts die Reproduktion einer Vorlage auf einem körperlichen Gegenstand, bspw. Papier, Karton oder Folie, was beim Speichern eines Dokuments auf einem externen Datenträger wie einem USB-Stick, einer externen Festplatte, einer CD-ROM oder auf der Festplatte eines Computers nicht der Fall ist (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 28.08.2015, 1 Ws 51/15; Gerold/Schmidt, RVG, 25. Auflage RVG-VV Nr. 7000 Rn. 15 ff. m.w.N.).

Das Einscannen eines Dokuments wird somit nur nach dem durch das 2. KostRMoG eingeführten Nr. 7000 Anm. Abs. 2 VV-RVG bei der Berechnung der Dokumentenpauschale berücksichtigt, d.h. nur dann, wenn auch die Voraussetzungen nach Nr. 7000 Ziffer 2 i.V.m. Ziffer 1 lit. d) VV-RVG vorliegen. Nachdem es in Nr. 7000 Anm. Abs. 2 VV-RVG um die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien geht, kann sich diese Regelung – entgegen der Ansicht des Klägers – allein auf die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Ziffer 2 i.V.m. Ziffer 1 lit. d) VV-RVG beziehen. Die Regelung der Nr. 7000 Ziffer. 2 VV-RVG tritt damit nur an die Stelle der Nr. 7000 Ziffer 1 lit. d) VV-RVG und gilt demnach in den Fällen der Nr. 7000 Ziffer 1 lit a) bis lit. C) VV-RVG nicht (Gerold/Schmidt, RVG, 25. Auflage RVG-VV Nr. 7000 Rn. 200 ff.; Schneider/Volpert, AnwK RVG, 9. Auflage, VV 7000, Rn. 159ff; KG Berlin, aaO; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 9. August 2018, Az. L 12 SF 296/18e).

2. Abgesehen davon, dass demnach schon kein Anspruch auf Erstattung einer Kostenpauschale für die Digitalisierung nach § 2 RVG, Nr. 7000 VV-RVG besteht, ist im übrigen hier auch nicht festzustellen, dass die Digitalisierung der beklagtenseits in Papierform übergebenen Unterlagen zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war (§ 91 Abs. 1 ZPO).

a) Erstattungsfähig sind gemäß § 91 Abs. 1 ZPO nur diejenigen Kosten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung notwendig waren. Ob eine Maßnahme notwendig war, richtet sich zunächst grundsätzlich danach, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Die Partei ist verpflichtet, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie bei einem Obsiegen vom Gegner erstattet haben will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2012, Az. VI ZB 7/12; Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl., § 91 Rn. 12, jeweils m.w.N.). § 91 ZPO bringt insoweit das Gebot einer sparsamen bzw. ökonomischen Prozessführung zum Ausdruck mit der Folge, dass der prozessuale Erstattungsanspruch nur in den Grenzen einer sparsamen, nicht aber der einer optimalen Prozessführung besteht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat sich die Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren, daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt (ex ante) als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte tun. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleichgearteten Maßnahmen die kostengünstigere auszuwählen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. April 2006 – VI ZB 66/04, VersR 2006, 1089 Rn. 6 und vom 13. Juli 2010 – VI ZB 61/09, VersR 2010, 1470 Rn. 6; BGH, Beschlüsse vom 26. Januar 2006 – III ZB 63/05, BGHZ 166, 117 Rn. 20; vom 16. Oktober 2002 – VIII ZB 30/02, NJW 2003, 898, 900 und vom 20. Oktober 2005 – VII ZB 53/05, NJW 2006, 446 Rn. 12). Die aus der Sicht einer wirtschaftlich denkenden Partei nicht als erforderlich erscheinenden Aufwendungen sind dagegen grundsätzlich nicht zu erstatten (OLG Karlsruhe, NJW-RR 1999, 85).

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze scheidet eine Erstattungspflicht der geltend gemachten Digitalisierungskosten gleichfalls aus.

Das seit 2018 rechtshängige Verfahren wurde vom Landgericht Coburg in Papierform geführt, sodass der Vortrag des Prozessbevollmächtigten, die gegenständlichen papiernen Unterlagen zur Vereinfachung und Vereinheitlichung entsprechend seiner bisherigen digitalen Aktenführung und Korrespondenz mit dem Kläger gleichfalls für sich (und den Kläger) digitalisiert zu haben, schon kein ausreichender Grund für eine erstattungsfähige Maßnahme seiner Prozessführung ist. Denn bei der hier vorgenommenen Digitalisierung handelt es sich nur um eine nach Ansicht der Klägerseite der individuellen Arbeitserleichterung dienende Maßnahme, die in den Grenzen einer sparsamen Prozessführung (s.o.) nicht erstattungsfähig ist.

Im Übrigen hätte es dem Kläger in jedem Fall oblegen, zuvor gegenüber dem Gericht und der Beklagten die Übermittlung einer entsprechend beklagtenseits erstellten digitale Version dieser Unterlagen spätestens im Termin vom 16.11.2021 zu verlangen, was offensichtlich nicht geschehen ist. Ohne dies anzusprechen, wurde vielmehr sogar noch auf den ausdrücklichen Wunsch des Prozessbevollmächtigten im Termin vom 16.11.2021 das umfangreiche Aktenkonvolut (bestehend aus 5 Aktenbänden mit über 6000 Seiten) vom Landgericht in dessen Kanzlei postalisch übersandt – offensichtlich auch, um es dort selbst (unter anschließender Geltendmachung von Auslagen in Höhe von 1.020,70 €) zu digitalisieren. Das ist jedoch mit dem Gebot der sparsamen Prozessführung, die eigenen Kosten so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung eigener berechtigter Belange vereinbaren lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Mai 2007 – XII ZB 156/06, NJW 2007, 2257 Rn. 12; Zöller/Herget, aaO), nicht ansatzweise in Einklang zu bringen.“

Ist leider seit dem 2. KostRMoG so. Und da ist dringend eine Reform der Reform erforderlich, die ja kommen soll. Nur: Wann. Man hört nichts.

StGB III: (Erweiterte) Einziehung von Taterträgen, oder: Kontokorrentgutschrift und Ursprungsort

entnommen openclipart.org

Und dann habe ich hier noch zwei Entscheidungen zur Einziehung (§§ 73 ff. StGB), und zwar:

Die Gutschrift auf einem im Kontokorrent geführten Girokonto stellt einen Gegenstand dar, der Grundlage für die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen sein kann.

Die Vorschrift des § 73a StGB ist wie seine Vorgängervorschrift § 73d StGB a.F. gegenüber § 73 StGB subsidiär und kann erst dann zur Anwendung gelangen, wenn nach Ausschöpfung aller zulässigen Beweismittel ausgeschlossen werden kann, dass die Voraussetzungen des § 73 StGB erfüllt sind. Dies schließt es aus, Gegenstände der erweiterten Einziehung zu unterwerfen, die der Angeklagte aus anderen, von der Anklageschrift nicht erfassten, aber konkretisierbaren Straftaten erlangt hat; denn diese Taten können und müssen zum Gegenstand eines gesonderten Strafverfahrens gemacht werden, in dem die Voraussetzungen des vorrangig anwendbaren § 73 StGB zu prüfen sind.

StGB II: Günstige Sozialprognose wegen der Therapie?, oder: Nur bei erfolgreichem Therapieabschluss

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Im zweiten Posting dann das BayObLG, Urt. v. 19.02.2024 – 203 StRR 571/23 – zur Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung

Das LG hatte den Angeklagten u.a. wegen Diebstahls zu einer eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt und die Vollstreckung der festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, die sich ihrem Inhalt nach ausschließlich gegen die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung richtete. Die Revision hatte Erfolg.

„2. Die Entscheidung des Landgerichts, die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr wird gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Nach Absatz 2 der Vorschrift kann das Gericht unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen.

b) Bei der insoweit anzustellenden Gesamtwürdigung, insbesondere der in § 56 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Umstände, kommt dem Tatgericht ein weiter Bewertungsspielraum zu; dessen Entscheidung ist daher vom Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 28. März 2018 – 2 StR 516/17- und vom 12. Mai 2021 – 5 StR 120/20-, jeweils juris; BayObLG, Urteil vom 02. Dezember 2022 – 202 StRR 108/22-, juris Rn. 3). Auch ein Bewährungsbruch schließt eine günstige Kriminalprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB nicht von vornherein aus (BGH, Urteil vom 14. April 2022 – 5 StR 313/21 –, juris Rn. 23 m.w.N.; BayObLG, Urteil vom 15. September 2023 – 202 StRR 47/23 –, juris Rn. 5; BayObLG, Urteil vom 02. Dezember 2022 – 202 StRR 108/22-, juris Rn. 6). Bei Straftätern, die in der Vergangenheit bereits eine längere Freiheitsstrafe verbüßt haben oder vorsätzliche Straftaten in der Bewährungszeit begehen, kommt es für die Annahme einer günstigen Legalprognose darauf an, ob sich in den Lebensverhältnissen des Angeklagten nach der Begehung der Taten Änderungen ergeben haben, die den Schluss zulassen, dass die Ursachen für die bisherige Delinquenz beseitigt sind (BayObLG, Urteil vom 15. September 2023 – 202 StRR 47/23 –, juris Rn. 5).

Die Ausführungen des Landgerichts für seine Erwartung, der nach den Feststellungen erheblich vorbestrafte, unter laufender Bewährung stehende und strafhafterfahrene Angeklagte werde sich nunmehr schon allein die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen (§ 56 Abs. 1 Satz 1 StGB), genügen den Anforderungen der Rechtsprechung nicht. Dass sich der Angeklagte am 28. Juni 2023, also knappe zwei Monate vor der anstehenden Berufungshauptverhandlung, auf eine von der Berufungskammer bezüglich ihrer Ausgestaltung nicht näher dargestellte stationäre Soziotherapie eingelassen hat, vermag eine günstige Legalprognose nicht zu stützen. Nach der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung könnte eine Therapie nur dann eine positive Prognose rechtfertigen, wenn eine solche erfolgreich abgeschlossen wäre, nicht aber, wenn der Eintritt des erhofften Behandlungserfolgs im maßgeblichen Zeitpunkt des Endes der Hauptverhandlung noch völlig ungewiss ist; dies gilt auch dann, wenn aus der Sicht des Tatrichters gute Gründe dafür sprechen, dass die Therapie zukünftig eine positive Veränderung bei dem Angeklagten bewirken könnte (vgl. BayObLG, Urteil vom 2. Dezember 2022 – 202 StRR 108/22 –, juris Rn. 10; OLG Bamberg, Urteil vom 12. November 2013 – 3 Ss 106/13 –, juris; KG Berlin, Urteil vom 5. Oktober 2007 – (4) 1 Ss 307/07 (191/07) –, juris Rn. 6).

c) Da das angefochtene Urteil schon die Annahme einer günstigen Legalprognose nicht belegt, kommt es nicht mehr darauf an, dass sich die Kammer mit den Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 und 3 StGB rechtsfehlerhaft in ungenügender Weise auseinandergesetzt hat.“

StGB I: Missbrauch im Arzt-Patienten-Verhältnis, oder: Berufsverbot?

entnommen wikimedi.org
Urheber Rieser Bauernmuseum Maihingen

Vor dem morgien Gebührenfreitag heute dann StGB-Entscheidungen, und zwar zu Nebenrechtsfolge,

Hier zunächst etwas vom BGH zum Berufsverbot (§ 70 StGB), und zwar der BGH, Beschl. v. 26.03.2024 – 4 StR 416/23. Das LG hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Ferner hat es ihm für die Dauer von fünf Jahren untersagt, den Beruf des Arztes auszuüben. Dagegen die Revision, die wegen des Berufsverbots Erfolg hatte:

„1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte ist von Beruf Arzt. Er absolvierte erfolgreich zwei Facharztausbildungen. Nachdem er seit 2006 – unter anderem als leitender Oberarzt – in verschiedenen Krankenhäusern tätig gewesen war, gründete er im Jahr 2018 eine eigene orthopädische Praxis. Am 16. Oktober 2020 suchte die unter Depressionen leidende Nebenklägerin wegen anhaltender starker Rückenschmerzen absprachegemäß die Praxis des Angeklagten auf und wurde zur manuellen Therapie in ein dafür vorgesehenes Behandlungszimmer geführt. Nach Schmerzmittelgabe mittels Injektion massierte der Angeklagte die auf der Seite liegende und ihm den Rücken zuwendende Nebenklägerin am Gesäß, nachdem er hierzu ihre Hose ein Stück heruntergezogen hatte. Anschließend verließ er den Raum. Nach einer Weile kehrte er zurück, zog die in unveränderter Position liegende Nebenklägerin an ihrer Hüfte zu sich an den Rand der Liege und trat so dicht an sie heran, dass die Nebenklägerin – hiervon völlig überrascht – seinen erigierten Penis spürte. Nach einem erneuten kurzzeitigen Verlassen des Behandlungszimmers zog der Angeklagte die Nebenklägerin, die in der Zwischenzeit versucht hatte, von der Kante der Liege abzurücken, wieder zu sich heran. Er öffnete seine Hose und drückte seinen erigierten Penis zwischen die Pobacken der perplexen Nebenklägerin. Anschließend schob er ihren Slip zur Seite und begann Stoßbewegungen zu vollziehen. Sodann zog der Angeklagte ihr Bein hoch und rieb seinen Penis bis zur Ejakulation zwischen den Gesäßhälften der Nebenklägerin, die das Geschehen „wie paralysiert“ weitestgehend wort- und regungslos über sich ergehen ließ. Der Angeklagte setzte sich dabei über den entgegenstehenden Willen der Nebenklägerin hinweg und hatte zudem erkannt, dass diese wegen der „Überrumpelung“ in der Behandlungssituation zu keiner Abwehr in der Lage war.

2. Der Maßregelausspruch hat keinen Bestand, weil das Landgericht bei der Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 70 Abs. 1 StGB nicht alle maßgeblichen Gesichtspunkte in die gebotene Gesamtwürdigung eingestellt hat.

a) Das Berufsverbot ist ein schwerwiegender Eingriff, mit dem die Allgemeinheit, sei es auch nur ein bestimmter Personenkreis, vor weiterer Gefährdung geschützt werden soll. Es darf nur dann verhängt werden, wenn die Gefahr besteht, dass der Täter auch in Zukunft den Beruf, dessen Ausübung ihm verboten werden soll, zur Verübung erheblicher Straftaten missbrauchen wird. Voraussetzung hierfür ist, dass eine – auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung abgestellte – Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat(en) das Tatgericht zu der Überzeugung führt, dass die Wahrscheinlichkeit künftiger ähnlicher erheblicher Rechtsverletzungen durch den Täter besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2023 – 2 StR 144/23 Rn. 5; Beschluss vom 9. Oktober 2018 – 1 StR 418/18 Rn. 8, jew. mwN). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass an die Annahme einer weiteren Gefährlichkeit im Sinne des § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB ganz besonders strenge Anforderungen zu stellen sind, wenn der Täter erstmalig wegen einer Anlasstat straffällig wird; insbesondere ist zu prüfen, ob bereits die Verurteilung zur Strafe den Täter von weiteren Taten abhalten wird (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2013 – 4 StR 296/12 Rn. 7; Beschluss vom 12. September 1994 – 5 StR 487/94, NStZ 1995, 124).

b) Zur Gefährlichkeitsprognose hat das Landgericht ausgeführt, dass es auch künftig zu vergleichbaren Kontakten mit psychisch labilen Patientinnen kommen werde, bei denen das Risiko einer Aufdeckung und Aburteilung etwaiger Sexualstraftaten reduziert erscheinen könnte. Im Lichte der festgestellten Tatmodalitäten und der Persönlichkeit des Angeklagten lägen daher zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung ähnlich erhebliche Rechtsgutsverletzungen in der Zukunft nahe.

Damit hat das Landgericht maßgebliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen. So hat es nicht bedacht, dass der Angeklagte zur Zeit der Begehung der hier abgeurteilten Tat strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten war. Das Landgericht lässt weiter unerörtert, dass gegen ihn mit dem angefochtenen Urteil eine empfindliche Freiheitsstrafe verhängt worden ist und es daher naheliegt, dass die Verurteilung und die (bevorstehende) Vollstreckung den Angeklagten bereits nachhaltig beeindrucken. Auch hat es insoweit nicht in den Blick genommen, wie der 50 Jahre alte und seit 2006 als Arzt tätige Angeklagte seinen Beruf im Übrigen ausgeübt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2018 – 1 StR 418/18 Rn. 8).“

VerkehrsR III: Unfallbegriff bei der Unfalllflucht, oder: Panisches Öffnen der Autotür wegen Spinnenphobie

Entnommen wikimedia.org
Author Rainer Lippert

Und dann noch das AG Calw, Urt. v. 07.03.2024 – 8 Cs 33 Js 364/24 -, das ja auch schon den Weg in die NJW gefunden hat (NJW 2024, 1283).

Folgender Sachverhalt:

„Nach der durchgeführten Hauptverhandlung hat das Gericht folgenden Sachverhalt festgestellt:

Am 21.10.2023 gegen 21:49 Uhr saß die Angeklagte bei geschlossener Türe auf dem Rücksitz des PKW … mit dem amtlichen Kennzeichen pp., welcher sich geparkt im Parkhaus pp. des pp, befand. Die Zeugin pp. war in das Fahrzeug auf den Fahrersitz eingestiegen und wollte später mit der Angeklagten und den weiteren beiden Zeuginnen, die sich noch außerhalb des PKW befanden, aus dem Parkhaus ausfahren, um jeweils nach Hause zu fahren. Der PKW befand sich, so wie die Fahrerin, die Zeugin pp. diesen am Morgen dort geparkt hatte, in Ruhestellung und war vollständig ausgeschaltet und mit Handbremse gesichert.

Plötzlich vermeinte die Angeklagte, die an einer schweren Arachnophobie leidet, auf ihrem Körper ein Krabbeln, welches sie einer Spinne zuordnete. In Panik stieß sie darauf die hintere rechte Fahrzeugtüre auf, so dass diese, wie von ihr aufgrund ihrer Erregung nicht vorhergesehen und wahrgenommen, gegen den auf dem rechts daneben gelegenen Parkplatz ordnungsgemäß abgestellten und verlassenen PKW pp. mit dem amtlichen Kennzeichen pp. des Geschädigten pp. stieß und dort wohl eine helle Lackantragung und eine kleine Delle verursachte, was die Angeklagte aufgrund ihrer Phobie in diesem Augenblick nicht bemerkte.

Nachdem die Angeklagte sich beruhigt hatte, als sie festgestellt hatte, dass es sich um keine Spinne gehandelt hatte, begutachtete sie unter anderem mit der Zeugin … die von ihr geöffnete Türe des … und fand dort keinerlei Schäden oder Auffälligkeiten. Daraufhin fuhr die Zeugin … mit der Angeklagten in deren Einvernehmen und den weiteren beiden Zeuginnen davon, ohne dass sie bzw. die Angeklagte auf eine feststellungsbereite Person wartete oder ohne dass die Angeklagte sonst die Feststellung ihrer Person und Unfallbeteiligung ermöglicht hätte.

III.

Die Angeklagte war – vorrangig – aus rechtlichen Gründen freizusprechen, da das festgestellte Verhalten bereits aus rechtlichen Gründen den Tatbestand des § 142 StGB und einer anderen Strafnorm nicht erfüllt, weshalb es auf den wohl auch aus tatsächlichen Gründe zum Freispruch führenden nicht nachweisbaren Vorsatz bezüglich eines Unfalls im Straßenverkehr, eines relevanten Fremdschadens und der eigenen Unfallbeteiligung nicht mehr ankommt.“

Da das AG sein Urteil umfangreich begründet hat, hier nur der Leitsatz, Rest bitte im Volltext nachlesen:

Bei einem Schaden durch „panisches“ – hier: infolge einer schweren Arachnophobie getätigtes – Öffnen der Türe eines in einem Parkhaus stehenden, ausgeschalteten Kraftfahrzeugs liegt ein „Unfall im Straßenverkehr“ im Sinn von § 142 StGB fern, da sich in dem Ereignis keine straßenverkehrsspezifische Gefahr verwirklicht hat.