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StPO III: Bindungswirkung an Geständnis I. Instanz, oder: Zumindest Fair-Trial beim Landgericht

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Und zum Tagesschluss etwas vom OLG Naumburg. Das hat im OLG Naumburg, Beschl. v. 24.09.2024 – 1 ORs 112/24 – zur „Bindungswirkung“ an ein erstinstanzliches Geständnis in den Verständigungsfällen Stellung genommen.

„Das AG hatte den Angeklagten, gestützt auf dessen geständige Einlassung, u.a. wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil haben sich der Angeklagte mit zunächst unbeschränkter Berufung sowie die Staatsanwaltschaft mit einer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Berufung gewendet. Im Berufungshauptverhandlungstermin beim LG beschränkte der Angeklagte seine Berufung ebenfalls auf den Rechtsfolgenausspruch. Daraufhin änderte das LG unter Annahme einer beiderseitigen wirksamen Beschränkung der Berufung den Rechtsfolgenausspruch des AG-Urteils ab und verurteilte den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten. Diese hatte mit der Sachrüge Erfolg:

„Die Revision des Angeklagten hat bereits mit der Sachrüge Erfolg und führt zur Aufhebung des Urteils.

Die Beschränkung der Berufung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch war nicht wirksam, so dass das Landgericht nicht über alle Teile des amtsgerichtlichen Urteils entschieden hat, die seiner Prüfungskompetenz unterlagen.

Die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung hatte der Senat von Amts wegen im Freibeweis zu prüfen (vgl. KG Berlin, Urteil vom 17. August 2022 – (3) 161 Ss 129/22 (44/22) – , Rn. 14; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 16. Juni 2021 – 206 StRR 226/21 – , Rn. 4, 8; OLG Celle, Beschluss vom 23. November 2020 – 3 Ss 48/20 – , Rn. 23; jeweils zitiert nach juris; Paul in Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Auflage, § 318 Rn. 11 m. w. N).

Aufgrund der substanziierten Angaben des Angeklagten in seiner Revisionsbegründungsschrift, denen die Staatsanwaltschaft nicht entgegengetreten ist, der mit der Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft mitgeteilten Erklärung des erstinstanzlichen Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, die mit den Angaben des Angeklagten (jedenfalls soweit es die Absprache der Verhängung einer Gesamtstrafe unter Einbeziehung von Vorstrafen betrifft) in Einklang steht, sowie der im Protokoll festgehaltenen Vorgänge in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung geht der Senat davon aus, dass vor der erstinstanzlichen Hauptverhandlung zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten eine – wenn auch informelle und damit unzulässige – Verständigung jedenfalls dahingehend getroffen worden ist, dass für den Fall eines Geständnisses des Angeklagten unter Einbeziehung der Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Köthen vom 3. Mai 2023 und vorn 19. Oktober 2022 eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr und neun Monaten verhängt wird.

Die Staatsanwaltschaft war durch die vorangegangene Verständigung nicht an der Einlegung der Berufung gehindert (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 22. November 2017 – 111-1 RVs 79/17 -, Rn. 16; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage, vor § 312 Rn. 1e).

Jedoch hat die Staatsanwaltschaft ausweislich der Berufungsbegründung mit ihrer Berufung das Ziel verfolgt, die verhängten Einzelstrafen zu erhöhen und von der Gesamtstrafenbildung mit den erwähnten Strafen aus den vorangegangenen Urteilen abzusehen. Dieses verfolgte Ziel bedeutete für den Angeklagten in jedem Fall eine Überschreitung des Verständigungsstrafrahmens. Denn mit dem Urteil des Amtsgerichts Köthen vom 3. Mai 2023 war unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Köthen vom 19. Oktober 2022 eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verhängt worden. Selbst bei Beibehaltung der erstinstanzlich verhängten beiden Einzelstrafen von vier und fünf Monaten hätte aus diesen zwingend eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet werden müssen, mit der sich ohne die Bildung einer Gesamtstrafe mit den Strafen aus den genannten Vorverurteilungen die Gesamthöhe der Strafen gegenüber der nach dem Inhalt der Verständigung höchstmöglichen, aus allen Strafen gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe erhöht.

Das erstinstanzlich aufgrund einer getroffenen Verständigung erfolgte Geständnis des Angeklagten darf in der Berufungsinstanz aber jedenfalls dann nicht verwertet werden, wenn – wie hier – das Berufungsgericht den Angeklagten zu einer Strafe über der erstinstanzlich vereinbarten Strafobergrenze verurteilten will. Denn der Schutz des Angeklagten, welcher in dem Grundsatz des fairen Verfahrens (Art 6 Abs. 1 S. 1 EMRK) manifestiert ist, verlangt, dass ein verständigungsbasiertes Geständnis bei einer fehlgeschlagenen Verständigung unverwertbar ist, weil er dieses im Vertrauen auf die Einhaltung der vereinbarten Strafobergrenze abgelegt hat (BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 – 5 StR 484/20 BGHSt 66, 37-48, Rn. 20; OLG Hamm, Beschluss vom 22. November 2017 – 111-1 RVs 79/17 Rn. 19; OLG Naumburg, Urteil vom 16. März 2017 2 Rv 3/17 -, Rn. 7; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Oktober 2010 – 111-4 RVs 60/10 -, Rn. 12; jeweils zitiert nach juris; Meyer-Goßner/Schmitt a. a. O.).

Das Verbot, das Geständnis zu verwerten, führt hier dazu, dass Schuldspruch und Rechtsfolgenausspruch rechtlich und tatsächlich nicht mehr selbstständig beurteilt werden können (vgl. OLG Hamm a. a. O. Rn. 20; OLG Naumburg a. a. O. Rn. 8; KG Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2020 – (4) 161 Ss 121/20 (166/20) – , Rn. 9; zitiert nach juris; Meyer-Goßner/Schmitt a. a. O.). Dem fair-trial-Grundsatz widerspräche es, wenn Gericht, Staatsanwaltschaft und Angeklagter sich – sei es unter den Voraussetzungen des § 257c StPO oder im Rahmen einer unzulässigen informellen Absprache – auf einen bestimmten Strafrahmen verständigt hätten, der Angeklagte mit Rücksicht darauf ein Geständnis abgibt, das Gericht absprachegemäß verurteilt, die Staatsanwaltschaft sodann aber gegen das Urteil Rechtsmittel mit dem Ziel einer höheren Bestrafung einlegt, welche dann – letztlich auf der Grundlage des erstinstanzlichen Geständnisses – erfolgt (OLG Düsseldorf a. a. O.).

Wegen der fehlenden Trennbarkeit von Schuld- und Rechtsfolgenausspruch war daher die Beschränkung der Berufung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam.

Das Landgericht hätte daher nicht von der Wirksamkeit der Beschränkung der Berufung der Staatsanwaltschaft ausgehen dürfen und das erstinstanzliche Urteil umfassend im Schuldspruch mit eigenen Feststellungen überprüfen müssen.

Daran ändert in der vorliegenden Konstellation auch nichts, dass es in der Berufungshauptverhandlung ebenfalls zu einer – diesmal formal ordnungsgemäßen -Verständigung der Verfahrensbeteiligten nach § 257c StPO gekommen ist. Diese Verständigung hatte zum Inhalt, dass bei Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen neun Monaten und einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung, verhängt wird, woraufhin der Angeklagte seine Berufung entsprechend beschränkt hat. Zu einem Geständnis, das zur Grundlage der Überprüfung des Schuldspruches hätte gemacht werden können, kam es aufgrund der Verständigung bereits nicht. Ferner hätte ein solches Geständnis aufgrund der vom Landgericht angenommen wirksamen Beschränkung der Berufungen auf den Rechtsfolgenausspruch auch keine Bedeutung für die Entscheidungsfindung betreffend den Schuldspruch mehr entfalten können (vgl. OLG Düsseldorf a. a. O. Rn. 15). Nur wenn das Berufungsgericht den Schuldspruch auch tatsächlich überprüft, kann eine aufgrund der neu zu treffenden Verständigung abgegebene geständige Einlassung des Angeklagten Grundlage für eine Verurteilung sein (s. a. OLG Hamm a. a. O. Rn. 22).“

Im Ergebnis richtig. Bei der Begründung ist mir nicht so ganz klar, ob das OLG auf § 257c Abs. 4 und 5 StPO abstellt, zumindest „konkludent“ 🙂 . Das wäre m.E. aber nicht richtig. Denn die vom OLG entschiedene Frage ist (zunächst) keine Problematik des § 257c Abs. 4 und 5 StPO, der die Bindungswirkung bei einer formellen Absprache regelt. Denn eine formelle Absprache nach § 257c hat hier beim AG nicht vorgelegen. Im Übrigen wäre das LG aber auch an eine solche Absprache nicht gebunden gewesen, da die Bindungswirkung nur bei dem Gericht besteht, bei dem die Absprache zustande gekommen ist. Und das war das AG. Das OLG argumentiert hier daher ja auch mit dem fair-trial-Grundsatz, was letztlich nicht zu beanstanden ist, obwohl sich das OLG nicht mit der Frage der Bindungswirkung der informellen Absprache befasst.

Und zur Bindungswirkung kann man nachlesen <<Werbemodus an“ bei vgl. Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 11. Aufl., 2025, Rn 305 ff. m.w.N.).; das Werk kann man hier bestellen. <<Werbemodus aus>>.

StPO II: Versuch der Protokollberichtigung misslungen, oder: Hatte Angeklagte noch einmal das letzte Wort?

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Als zweite Entscheidung dann der BGH, Beschl. v. 14.08.2024 – 5 StR 206/24 -, der (auch) mit dem Dauerbrenner „letztes Wort“ zu tun. Das LG hat den Angeklagten wegen Totschlags verurteilt.

Der Angeklagte macht mit seiner Revision geltend, dass das Schwurgericht, nachdem es vor Urteilsverkündung erneut in die Beweisaufnahme eingetreten war, ihm unter Verstoß gegen § 258 Abs. 2 StPO nicht erneut das letzte Wort gewährt. In der Hauptverhandlung hatten nach Schluss der Beweisaufnahme die Vertreterin der Staatsanwaltschaft sowie der Verteidiger ihre Schlussanträge gestellt. Der Angeklagte hatte das letzte Wort. Nach Unterbrechung der Hauptverhandlung zur Urteilsberatung trat die Strafkammer erneut in die Beweisaufnahme ein. Auf Frage des Vorsitzenden gab der Angeklagte dort eine Erklärung ab, wonach er auf die Herausgabe mehrerer sichergestellter Gegenstände verzichte. Sodann erhielten die Vertreterin der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger erneut das Wort; erstere hielt an ihrem gestellten Antrag fest, letzterer bezog sich auf seinen schon gehaltenen Schlussvortrag. Danach verkündete die Strafkammer ihr Urteil, ohne dass dem Angeklagten erneut das letzte Wort erteilt worden wäre.

Um das Letzte: „ohne dass dem Angeklagten erneut das letzte Wort erteilt worden wäre“ ist gestritten worden. Das Schwurgericht hat versucht, das Protokoll zu berichtigen. Aber: Soll ich sagen: Aller Anfang ist schwer? Egal, jedenfalls hat das nicht geklappt. Dazu der BGH:

„b) Nach Eingang der Revisionsbegründung, mit der unter Vortrag des vorgenannten Verfahrensablaufs die Verletzung von § 258 Abs. 2 StPO gerügt worden war, fanden folgende weitere Verfahrensschritte statt:

Es wurde ein vom Vorsitzenden der Strafkammer und der Protokollführerin unterzeichneter Vermerk zur Akte genommen, wonach das Protokoll der Hauptverhandlung vom 22. Dezember 2023 dahingehend berichtigt werde, dass an näher bezeichneter Stelle folgende Sätze einzufügen seien: „Der Angeklagte erhielt das Wort. Der Angeklagte hatte das letzte Wort.“ In einem weiteren Vermerk in der zugehörigen Verfügung wurde ausgeführt, dass sich „die Unterzeichner“ des Protokolls sicher seien, dass dem Angeklagten das letzte Wort nochmals erteilt worden sei; in der tagesaktuellen Mitschrift der Berichterstatterin sei dies sogar ausdrücklich aufgeführt. Diese Verfügung wurde allein vom Vorsitzenden unterschrieben. Die Protokollführerin erklärte in einer dienstlichen Stellungnahme, dass dem Angeklagten das letzte Wort erteilt worden sei. In ihrer Revisionsgegenerklärung trat die Staatsanwaltschaft der „Auffassung der Unterzeichner“ des Protokolls bei und führte zur Begründung aus, dass bei unterbliebener Gewährung des letzten Wortes die Sitzungsvertreterin auf das Versäumnis hingewiesen hätte, was aber nicht geschehen sei.

Durch den Generalbundesanwalt wurden die Akten im Revisionsverfahren zur Durchführung eines Protokollberichtigungsverfahrens an das Landgericht zurückgegeben. Dabei wurde auf die hierfür in der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 23. April 2007 (GSSt 1/06, BGHSt 51, 298) formulierten Grundsätze hingewiesen.

Der Vorsitzende der Strafkammer gab daraufhin erneut eine dienstliche Stellungnahme ab, in welcher er seine frühere Äußerung um den Hinweis ergänzte, dass sich die Erteilung des letzten Wortes auch aus der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft ergebe, welche von der Sitzungsvertreterin gefertigt worden sei. Zur beabsichtigten Protokollberichtigung erhielten der Verteidiger und der Angeklagte Gelegenheit zur Stellungnahme. Ersterer trat der Berichtigung entgegen, wobei er insbesondere darauf verwies, dass kein Verfahrensbeteiligter eine konkrete Erinnerung an die erneute Erteilung des letzten Wortes bekundet habe und auch der Inhalt der entsprechenden Ausführungen des Angeklagten nicht geschildert worden sei. Sodann verfügte der Vorsitzende erneut die genannte Protokollberichtigung, wobei er die bisherige Begründung wiederholte und um einen Satz ergänzte, wonach der Verteidiger nicht im Einzelnen dargelegt habe, weshalb er sich sicher sei, dass das ursprüngliche Protokoll richtig sei. Auch diese Verfügung wurde nur durch ihn unterschrieben. Die Protokollberichtigung wurde durch ihn und die Protokollführerin unterzeichnet.

c) Die zulässig erhobene Rüge ist begründet. Durch das Protokoll der Hauptverhandlung, welches keine erneute Erteilung des letzten Wortes verzeichnet, wird der Verstoß des Landgerichts gegen § 258 Abs. 2 StPO bewiesen (negative Beweiskraft, § 274 StPO). Zu der durch den Vorsitzenden der Strafkammer intendierten Berichtigung des Protokolls ist es – auch wenn Verteidiger und Angeklagter nunmehr zur beabsichtigten Änderung angehört wurden – nicht gekommen, weil die für eine solche Maßnahme bestehenden weiteren Anforderungen nicht erfüllt worden sind. Eine nachträgliche Protokollberichtigung, mit der zum Nachteil des Beschwerdeführers einer bereits ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge die Tatsachengrundlage entzogen wird („Rügeverkümmerung“), setzt sichere Erinnerung beider Urkundspersonen voraus. Nehmen sie gemeinsam eine Protokollberichtigung vor, so haben sie ihre Entscheidung mit Gründen zu versehen. Darin sind die Tatsachen anzugeben, welche die Erinnerung der Urkundspersonen belegen. Die Gründe der Berichtigungsentscheidung unterliegen im Rahmen der erhobenen Verfahrensrüge der Überprüfung durch das Revisionsgericht (BGH, Beschluss vom 23. April 2007 – GSSt 1/06, BGHSt 51, 298).

Vorliegend verhält sich die Entscheidungsbegründung jedoch ebenso wenig wie die vorangegangenen dienstlichen Erklärungen dazu, auf welche Umstände die Urkundspersonen ihre sichere Erinnerung gründen. Dabei kann dahinstehen, ob hierfür – wie seitens des Vorsitzenden geschehen – genügen kann, allein auf indizielles Verhalten anderer Verfahrensbeteiligter zu verweisen (Mitschrift der Beisitzerin, Unterlassen einer Intervention durch die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft). Denn jedenfalls ist für die Protokollführerin nicht ersichtlich, woran sie ihre sichere Erinnerung an die Gewährung des letzten Wortes festmacht.

Zudem ist nicht erkennbar, dass die Begründung der Berichtigungsentscheidung durch beide Urkundspersonen verantwortet worden wäre. Enthalten ist eine solche nur in der zugehörigen Verfügung des Vorsitzenden der Strafkammer, der diese allein unterschrieben hat. Zwar hat die auch für das Protokoll tätig gewesene Urkundsbeamtin die dort verfügten Maßnahmen abgezeichnet, damit aber nur deren Abarbeitung dokumentiert. Dagegen hat sie hierdurch nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie sich die Begründung – auch in Ansehung der Einwände des Verteidigers – als Protokollführerin inhaltlich zu eigen gemacht hätte (vgl. zur Notwendigkeit der Mitwirkung der protokollführenden Person BGH, Urteil vom 12. Mai 2022 – 4 StR 197/21, NStZ-RR 2022, 286; Beschluss vom 27. April 2021 – 2 StR 1/21, NStZ-RR 2021, 254).

2. Das Urteil beruht im Schuldspruch nicht auf dem Verfahrensverstoß. Insoweit kann der Senat ausschließen, dass eine erneute Erteilung des letzten Wortes Auswirkungen auf den Schuldspruch gehabt hätte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. August 2022 – 5 StR 101/22; vom 11. Mai 2017 – 1 StR 35/17, NStZ 2018, 290, 291). Dies folgt nicht allein aus dem Umstand, dass der Angeklagte unmittelbar vor dem thematisch wie zeitlich eng begrenzten Wiedereintritt in die Beweisaufnahme sein letztes Wort bereits wahrgenommen hatte, sondern vor allem daraus, dass sich das Landgericht auf eine dichte Beweislage sowie auf die Einlassung des Angeklagten stützen konnte, mit der dieser sich zwar teils auf Erinnerungslücken berufen, jedoch an keiner Stelle entgegen der Feststellungen geäußert hat.

Der aufgezeigte Rechtsfehler führt jedoch zur Aufhebung des Urteils im Strafausspruch samt den zugehörigen Feststellungen, da der Angeklagte bei erneuter Erteilung des letzten Wortes möglicherweise Ausführungen gemacht hätte, die die Sanktionsentscheidung hätten beeinflussen können.“

StPO I: Beginn der 2-wöchigen Urteilsverkündungsfrist, oder: Das letzte Wort schließt die Hauptverhandlung

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Und auf geht es. Heute mit StPO-Entscheidungen.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 30.09.2024 – 1 StR 334/24 – zum Schluss der Hauptverhandlung. Ergangen ist die Entscheidung in einem Verfahren, in dem der Angeklagte wegen Mordes verurteilt worden ist. Mit seiner Verfahrensrüge hatte der Angeklagte geltend gemacht, die Zweiwochenfrist des § 268 Abs. 3 Satz 2 StPO – die sog. Urteilsverkündungsfrist – sei überschritten worden. Ohne Erfolg:

„Die Verfahrensrüge ist bereits deswegen unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil der Angeklagte den Inhalt des vorletzten Verhandlungstages (17. November 2023) nicht vollständig mitteilt. Daraus hätte sich ergeben, dass der Vorsitzende dem Angeklagten am 17. November 2023 noch nicht das letzte Wort (§ 258 Abs. 2 zweiter Halbsatz, Abs. 3 StPO) gewährt hatte. Solange war die Verhandlung aber noch nicht im Sinne des § 268 Abs. 3 Satz 1 StPO geschlossen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Mai 2014 – 3 StR 130/14 Rn. 2 f.; vom 12. März 2014 – 1 StR 605/13 Rn. 6 und vom 20. Juni 2007 – 1 StR 58/07 Rn. 2 f.; Urteile vom 30. Mai 2007 – 2 StR 22/07, BGHR StPO § 268 Abs. 3 Verkündung 5 Rn. 3 und vom 12. November 1986 – 3 StR 260/86 Rn. 13); damit galt die Dreiwochenfrist des § 229 Abs. 1 StPO.“

StPO II: Mal wieder Klageerzwingungsantrag unzulässig, oder: Die Zulässigkeitshürden liegen hoch

Und dann als zweite Entscheidung der OLG Brandenburg. Beschl. v. 08.08.2024 – 2 Ws 88/24 – zu den Anforderungen eines sog. Klageerzwingungsantrages (§ 172 StPO). Auch immer wieder eine „beliebte“ Thematik.

Das OLG hat den Antrag als unzulässig angesehen:

„Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig, weil er nicht der gesetzlichen Formvorschrift des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügt.

Danach ist ein Antrag gemäß § 172 Abs. 2 StPO ist nur dann zulässig gestellt, wenn in ihm die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage bzw. die Anordnung der Aufnahme von Ermittlungen begründen sollen, und die Beweismittel angegeben werden (§ 172 Abs. 3 Satz 1 StPO). Nach der ständigen Rechtsprechung auch des Senats bedeutet dieses Formerfordernis, dass ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht nur eine aus sich selbst heraus verständliche Schilderung des zugrunde liegenden Sachverhaltes enthalten muss, sondern die Sachdarstellung auch in groben Zügen den Gang der Ermittlungen, den Inhalt der angegriffenen Bescheide und die Gründe deren behaupteter Unrichtigkeit wiederzugeben hat. Dadurch soll der jeweils erkennende Senat in die Lage versetzt werden, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten eine Schlüssigkeitsprüfung vornehmen zu können (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, 67. Aufl. § 172 Rn. 27a/27b m.w.N.). Eine Bezugnahme auf beigefügte Schriftstücke bedeutet eine Umgehung der Formvorschrift des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, wenn erst durch die Kenntnisnahme vom Inhalt der Anlagen die erforderliche geschlossene Sachdarstellung erreicht wird (OLG Düsseldorf StV 1983, 498; KG NStE StPO § 172 Nr. 28).

Ferner muss dem Antrag nach Maßgabe des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO zu entnehmen sein, dass die Fristen gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO und § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO eingehalten worden sind (BVerfG, NJW 1988, 1773). Das Oberlandesgericht ist zu einer Sachentscheidung nur berechtigt, wenn auch die zweiwöchige Frist der Beschwerde gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft eingehalten wurde (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15. Januar 2019, 4 Ws 223/18, BeckRS 2019, 782, Rn. 3 m. w. N.; Senat, Beschluss vom 28. Juli 2022 – 2 Ws 97/22 [S]; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 67. Aufl. § 173 Rn. 27b m. w. N.). Da das Antragsvorbringen das Gericht in die Lage versetzen soll, ohne Rückgriff auf die Akten oder Anlagen eine Schlüssigkeitsprüfung der Erfolgsaussicht des Begehrens in formeller und materieller Hinsicht vorzunehmen, ist auch die Zulässigkeit der Vorschaltbeschwerde vollständig darzulegen.

Den danach geltenden Anforderungen wird die Antragsbegründung nicht gerecht.

Ob eine Frist gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO in Lauf gesetzt worden und eine solche gewahrt worden ist, lässt sich der Antragsschrift nicht hinreichend konkret entnehmen, denn darin werden lediglich die Daten eines Bescheids der Staatsanwaltschaft (22. Januar 2024) sowie der Einlegung einer Beschwerde (10. Februar 2024) mitgeteilt (S. 4). Ob die Beschwerde innerhalb einer laufenden Frist rechtzeitig angebracht wurde, ergibt sich daraus nicht.

Darüber hinaus ist der Antrag jedenfalls deshalb unzulässig, wie er den Inhalt der (Vor)Ermittlungen und die Gründe für die Ablehnung eines Tatverdachtes nur oberflächlich schildert und der Senat auf Grundlage dieses nur lückenhaften Vorbringens ohne Rückgriff auf den Akteninhalt oder Anlagen zum Schriftsatz nicht hinreichend zu überprüfen vermag, ob ein Tatverdacht zu Unrecht verneint worden ist. Insbesondere werden die Aussage der als Zeugen vernommenen Polizisten („Name 01“) und („Name 02“), die Auswertung des Funkverkehrs, der Bericht über waffen- und munitionstechnische Untersuchungen vom 12. April 2023, sowie der Inhalt des Bescheids der Staatsanwaltschaft vom 22. Januar 2024 zum Vorliegen einer Notwehrlage nur unzureichend – und nicht wie geboten dem wesentlichen Inhalt nach – dargetan. Zur gebotenen Darstellung des Verfahrensganges und der angefochtenen Entscheidungen genügt es nicht, nur auf einzelne Erkenntnisse aus Zeugenbefragungen und Würdigungen der Ermittlungsbehörden einzugehen, etwa diejenigen, die das Antragsbegehren stützen. Vielmehr ist das gesamte für die objektive und subjektive Tatseite bedeutsame Ermittlungsergebnis einschließlich der Tatsachen, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten, mitzuteilen (OLG Koblenz NStZ-RR 2007, 317). Daran fehlt es.“

Nichts Neues. Und auch nicht neu ist <<Werbemodus an>, dass die mit dem Klageerzwingungsverfahren zusammenhängenden Fragen eingehend von mir sowohl in Burhoff (Hrsg. Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, 3. Aufl., 2024, als auch in Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 10. Aufl., 2025, behandelt sind. Die Bücher sind natürlich neu 🙂 und man kann sie hier bestellen. Und das erklärt auch das Bild zu dem Posting 🙂 . Wenn man die (abgebildete) Trilogie bestellt, spart man übrigens recht ordentlich .<<Werbemodus aus>>.

StPO I: Geheimdienstliche Agententätigkeit in der BRD, oder: Keine Immunität bei Spionage

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In die neue Woche geht es dann mit zwei Entscheidungen zu Fragen, mit denen man als Verteidiger/Rechtsanwalt wahrscheinlich nicht so häufig zu tun hat.

Ich stelle zunächst den BGH, Beschl. v. 27.08.2024 – StB 54/24 – vor. Ich denke, die dort vom BGH entschiedene Frage wird mit zunehmender Verschärfung der (außen)politischen Lage und daraus folgend zunehmender geheimdienstlicher Tätigkeit in Deutschland an Bedeutung zunehmen Der BGH hat nämlich Stellung genommen zur  geheimdienstlichen Tätigkeiten und der damit ggf. verbundenen völkerrechtlichen Immunität. In dem Verfahen geht es um die Festnahme und Untersuchungshaft eines Beschuldigten, der sich der geheimdienstlichen Agententätigkeit für einen fremden Geheimdienst schuldig gemacht haben soll ( § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB an).

Ich beschränke mich hier auf den Leitsatz der Entscheidung, wegen der Einzelheiten verweise ich auf die umfangreiche Begründung des BGH:

Die allgemeine Funktionsträgerimmunität gilt bei Spionage und geheimdienstlichen Gewaltakten nicht; § 20 Abs. 2 Satz 2 GVG steht dem nicht entgegen.