Archiv der Kategorie: Urteilsgründe

StGB III: Bewaffnetes Handeltreiben mit BtM, oder: Mitsichführen

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Und zum Schluss des Tages dann noch eine Entscheidung des BGH, und zwar der BGH, Beschl. v. 12.05.2020 – 5 StR 111/20. Thema: Dauerbrenner „bewaffnetes Handeltreiben mit BtM“:

„Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe und mit unerlaubtem Besitz von Munition zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Zudem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Das auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsmittel des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils.

1. Die Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Das Landgericht hat insoweit im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Der Angeklagte lagerte gut 1 kg eines ursprünglichen Vorrats von 11 kg Cannabis zum gewinnbringenden Verkauf in einer Nische des Balkons seiner Einzimmerwohnung. Zum Verpacken der Betäubungsmittel nutzte er ein in der Küche stehendes Laminiergerät. Im Badezimmer verwahrte er in einer Tüte hinter dem losen und leeren Waschbeckenunterschrank einen Revolver und in einem verknoteten Zellophanbeutel eingewickelte Patronen verschiedener Kaliber. Sowohl vom Balkon als auch aus der Küche war das Badezimmer „mit wenigen Schritten binnen Sekunden“ zu erreichen.

Das Landgericht hat daraus den Schluss gezogen, dass der Angeklagte die Schusswaffe „ohne nennenswerten Zeitaufwand“ hätte laden und einsetzen können, und daher die Voraussetzungen des Qualifikationstatbestandes des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG bejaht.

b) Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Das Mitsichführen einer Schusswaffe im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG liegt vor, wenn der Täter diese bei der Tatbegehung bewusst gebrauchsbereit bei sich hat. Ein Tragen am Körper ist hierfür nicht zwingend erforderlich. Es genügt vielmehr, dass die Schusswaffe sich so in der räumlichen Nähe des Täters befindet, dass er sich ihrer jederzeit – also ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne besondere Schwierigkeiten – bedienen kann. Dies kann zwar auch der Fall sein, wenn Betäubungsmittel und Schusswaffe innerhalb derselben Wohnung in unterschiedlichen Räumen aufbewahrt werden. Allerdings muss das Tatgericht in einer solchen Konstellation die konkreten Umstände des Einzelfalls in der Weise darlegen, dass dem Revisionsgericht die Nachprüfung möglich ist, ob der Täter die Schusswaffe tatsächlich jederzeit verwenden kann (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2019 – 2 StR 294/19, NStZ 2020, 233, 234 mwN). Dies gilt umso mehr, wenn wie hier der sofortige Zugriff auf die – zudem noch nicht gebrauchsbereite – Waffe nur nach Überwindung weiterer Hindernisse möglich ist.

Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht in vollem Umfang gerecht. Zwar hat das Landgericht sowohl die räumlichen Verhältnisse als auch den jeweiligen Aufbewahrungsort der Betäubungsmittel und des Revolvers hinreichend konkret beschrieben. Sein Schluss, der Angeklagte habe das Badezimmer und damit den Aufbewahrungsort des Revolvers von jedem anderen Ort der Wohnung „binnen Sekunden“ erreichen können, ist von daher nicht zu beanstanden. Es fehlt aber an den weiteren zur rechtlichen Beurteilung erforderlichen Feststellungen dazu, welcher zeitliche Aufwand damit verbunden gewesen wäre, die Waffe aus dem Versteck hervorzuholen, die passenden Patronen aus dem Zellophanbeutel auszusortieren und den Revolver zu laden. Der Senat kann daher nicht überprüfen, ob der Angeklagte sich des Revolvers tatsächlich „ohne nennenswerten Zeitaufwand“ bedienen konnte.“

SV-Gutachten II: Urteilsgründe, oder: DNA-Mischspur und Werkzeugspurengutachten

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In der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, dem BGH, Beschl. . v. 29.07.2020 – 6 StR 211/20 -, nimmt der BGH zum Umfang der Urteilsgründe in den Fällen, in denen das Urteil auf ein Sachverständigengutachten gestützt ist, Stellung.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Einbruchdiebstahls in drei Fällen, versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls in zwei Fällen und Diebstahls in zwei Fällen verurteilt. In einigen der Urteilsfälle hat der BGH das landgerichtliche Urteil wegen nicht ausreichender Feststellungen bzw. Darlegungen in den Urteilsgründen aufgehoben:

„1. In den von der Aufhebung umfassten Fällen hat das Landgericht bei der auf die Ergebnisse von Sachverständigengutachten gestützten Feststellung der Täterschaft der durchweg schweigenden Angeklagten seiner Darlegungspflicht nicht genügt.

a) In den Fällen 1 bis 7 hat die Strafkammer ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten V. , im Fall 12 von derjenigen des Angeklagten P. auf der Grundlage von DNA-Mischspuren gewonnen, die an den Einbruchsobjekten gesichert wurden. Das Urteil beschränkt sich dabei auf die Mitteilung der (hohen) biostatistischen Wahrscheinlichkeit einer Spurenlegung durch die jeweiligen Angeklagten.

Dies genügt nicht den Anforderungen, die an die Darstellung von DNA-Gutachten bei Mischspuren zu stellen sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. August 2019 – 5 StR 419/19, und vom 20. November 2019 – 4 StR 318/19, NJW 2020, 350, jeweils mwN). Insbesondere erörtert die Strafkammer nicht, wie viele DNA-Systeme untersucht wurden und in wie vielen davon Übereinstimmungen mit den DNA-Merkmalen der Angeklagten festgestellt wurden. Zwar kann im Urteil die DNA-Analyse der Hauptkomponente einer Mischspur nach den für die Einzelspur entwickelten Grundsätzen dargestellt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187, Rn. 10 ff.), wenn die Peakhöhen von Hauptkomponente zu Nebenkomponente durchgängig bei allen heterozygoten DNA-Systemen im Verhältnis 4:1 stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2020 – 6 StR 183/20). Dass diese Voraussetzungen vorliegen, ist dem Urteil jedoch nicht zu entnehmen. Der Senat kann daher nicht den Beweiswert überprüfen, den die Strafkammer den DNA-Spuren beigemessen hat.

Im Fall 12 der Urteilsgründe war auch der Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten V. aufzuheben, weil die Feststellung seiner Täterschaft insbesondere auf telefonische Kontakte zwischen den beiden Angeklagten im Tatzeitraum und mithin auf derjenigen der Täterschaft des Angeklagten P. beruht.

b) Im Fall 13 stützt das Landgericht die Feststellung der Täterschaft des Angeklagten P. auf Hebelspuren an Terrassentür und Esszimmerfenster des angegangenen Hauses, weil diese durch den Schraubendreher dieses Angeklagten verursacht worden seien. Nach den für überzeugend erachteten Ausführungen des kriminaltechnischen Sachverständigen stehe „aus formenkundlicher Sicht aufgrund übereinstimmender Spurenbreite und übereinstimmender Oberflächenmerkmale als individualisierende Gebrauchsmerkmale an der Schaufelspitze“ fest, dass die gesicherten Prägespuren mit dem sichergestellten Schlitzschraubendreher verursacht worden seien.

Ein Vergleichsgutachten betreffend Werkzeugspuren ist indes kein standardisiertes Verfahren, bei dem eine derart auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränkte Darstellung der tatgerichtlichen Überzeugungsbildung ausreichen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2010 – 5 StR 345/10, BGHR StPO § 261 Sachverständiger 11; LR-StPO/Sander, 26. Aufl., § 261 Rn. 90b). Vielmehr gelten weitergehende Darlegungsanforderungen; es sind so viele Anknüpfungstatsachen und vom Sachverständigen gezogene Schlussfolgerungen wiederzugeben, dass das Revisionsgericht die Schlüssigkeit des Gutachtens überprüfen kann (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1992 – 1 StR 494/92, BGHR StPO § 261 Sachverständiger 4). Diese Anforderungen sind vorliegend nicht erfüllt.“

Rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung von 2 Jahren 9 Monaten, oder: Urteilsgründe

Die zweite Entscheidung zur (zu langen) Verfahrensdauer kommt vom KG. Das LG war im Berufungsurteil von einer Verfahrensverzögerung von zwei Jahren und neun Monaten ausgegangen und hatte davon vier Monate als vollstreckt angesehen. Dagegen die Revision des Angeklagten, die das KG im KG, Urt. v. 22.07.2020 – (4) 161 Ss 66/20 (91/20) zurückgewiesen hat.

Hier nur die Leitsätze zu der Entscheidung:

  1. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass sich der Tatrichter bei der Feststellung von Belastungen des Angeklagten durch die lange Verfahrensdauer in den Urteilsgründen mit den Gesichtspunkten ausdrücklich auseinandersetzt, die der Angeklagte in der Hauptverhandlung geltend gemacht hat oder die sich nach den Urteilsgründen aufdrängten.

  2. Eine Belastung aufgrund der langen Verfahrensdauer liegt nicht bereits dann vor, wenn einem inhaftierten Angeklagten keine Vollzugslockerungen gewährt wurden, sondern erst dann, wenn die Haftanstalt Vollzugslockerungen gewährt hätte, wenn das weitere Verfahren zu einem früheren Zeitpunkt beendet gewesen wäre.

  3. An Umfang und Genauigkeit der Verfahrensrüge ungenügender Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung sind hohe Anforderungen zu stellen, da dem Revisionsgericht ein detailliertes und wirklichkeitsgetreues Bild des wirklichen Verfahrensablaufs zu bieten ist. Nur dann ist es in der Lage, allein anhand der Revisionsrechtfertigung zu prüfen, ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt und welche Folgen diese hat. Die Anforderungen dürfen hiernach zwar nicht überspannt werden, so dass es insbesondere bei einem jahrelang währenden Verfahren nicht erforderlich ist, jeden Ermittlungsschritt anzuführen. Es muss aber ein realistischer Überblick gewährt werden.

  4. Der Grundsatz, dass die Anforderungen an die Darstellung des Verfahrensgangs nicht überspannt werden dürfen, gilt nicht nur für die Revisionsbegründungschrift, sondern auch für die Urteilsgründe.

Rest bitte selbst lesen 🙂 .

Aussage-gegen-Aussage II: Keine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation bei Vorliegen weiterer Beweismittel

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Die zweite Entscheidung, die ich vorstelle, stammt vom KG. Das hat im KG, Beschl. v. 06.11.2019 – (3) 121 Ss 160/19 (93/19) – das Vorliegen einer Aussage-gegen-Aussage-Konstelattion verneint. Verurteilt worden ist der Angeklagte wegen Körperverletzung. Das KG hat keine Einwände:

2. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, der die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache gebietet.

a) Insbesondere hält die Beweiswürdigung der Strafkammer rechtlicher Nachprüfung stand.

……

Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts gerecht. Dieses hat sich insbesondere sehr detailliert mit der – bereits in sich unschlüssigen – Einlassung des Angeklagten auseinandergesetzt, fand diese jedoch vor dem Hintergrund der Angaben des als Zeugen gehörten Nebenklägers K sowie der Zeugen S, J und S widerlegt. Dabei hat das Gericht insbesondere die Angaben des Nebenklägers einer kritischen Prüfung unterzogen.  Angesichts der Ausführungen des medizinischen Sachverständigen Dr. E gewann die Strafkammer – wie sie in den Urteilsgründen ausführlich begründet – ferner die Überzeugung, dass das Verletzungsbild des Nebenklägers mit dessen Schilderungen des Geschehensablaufes in Einklang steht.

Es ist auch – anders als die Revision meint – kein Fall einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation gegeben. Eine solche liegt vor, wenn die Beweissituation dadurch geprägt ist, dass eine Tatschilderung des Zeugen von jener des Angeklagten abweicht, ohne dass ergänzend auf weitere unmittelbar tatbezogene Beweismittel, etwa belastende Indizien wie Zeugenaussagen über Geräusche oder Verletzungsmuster zurückgegriffen werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 7. August 2019 – (3) 121 Ss 99/19 (58/19) -, juris; KG, Beschluss vom 12. Dezember 2018 – (2) 161 Ss 150/18 (53/18) -, juris; OLG Hamburg NStZ 2015, 105; Sander StV 2000, 45; ders. in Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 261 Rn. 83d, Schmandt StraFo 2010, 446). Dies ist hier nicht der Fall, da der Strafkammer in Gestalt der Angaben der Zeugen sowie des festgestellten Verletzungsmusters, zu dem auch der Sachverständige gehört wurde, sachliche Beweismittel zur Verfügung standen, die die Angaben des Geschädigten bestätigten. Die von der Rechtsprechung für Aussage-gegen-Aussage-Konstellation aufgestellten besonderen Anforderungen an die Beweiswürdigung, wonach insbesondere eine sorgfältige Inhaltsanalyse der Angaben, eine möglichst genaue Prüfung der Entstehungsgeschichte der belastenden Aussage, eine Bewertung eines gegebenenfalls feststellbaren Aussagemotivs sowie eine Prüfung von Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben zu fordern ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2019 – 2 StR 462/18 –, juris m.w.N.), finden daher hier keine Anwendung.“

Aussage-gegen-Aussage I: Würdigung des Glaubwürdigkeitsgutachtens, oder: Handreichungen

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In die 38. KW. starte ich hier mit zwei Entscheidungen zu einer Beweiswürdigungsfrage, und zwar zur Aussage-gegen-Aussage-Problematik.

Den Beginn macht der BGH, Beschl. v. 19.05.2020 – 2 StR 7/20. Der Entscheidudng liegt ein Urteil des LG Gera zugrunde, durch das der Angeklagte u.w. wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt worden ist. Der BGh hebt auf und beanstandet die Beweiswürdigung:

„Die den Feststellungen zugrundeliegende Beweiswürdigung hält – auch unter Berücksichtigung des beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. nur BGH, Urteil vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 402) – sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Nach den Feststellungen missbrauchte der Angeklagte seinen im Dezember 2008 geborenen Stiefsohn M. in drei Fällen sexuell. Die Strafkammer stützt dies allein auf die Angaben des Jungen bei seiner ersten polizeilichen Vernehmung, die dieser später widerrufen hat. Dabei hat sich die Strafkammer hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Tatopfers und der Glaubhaftigkeit seiner Angaben sachverständig beraten lassen.

2. In Fällen, in denen – wie hier – Aussage gegen Aussage steht, hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung besondere Anforderungen an die Darlegung einer zur Verurteilung führenden Beweiswürdigung formuliert. Die Urteilsgründe müssen in einem solchen Fall erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, welche die Entscheidung zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten zu beeinflussen geeignet sind, erkannt, in seine Überlegungen einbezogen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 1987 – 3 StR 141/87, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 1; Beschluss vom 22. April 1997 – 4 StR 140/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 13; Senat, Urteil vom 3. Februar 1993 – 2 StR 531/92, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Beweiswürdigung 15; Urteil vom 6. April 2016 – 2 StR 408/15, Rn. 11) und auch in einer Gesamtschau gewürdigt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 30. August 2012 – 5 StR 394/12, NStZ-RR 2013, 19; Senat, Urteil vom 6. April 2016 – 2 StR 408/15, Rn. 11 mwN). Erforderlich sind vor allem eine sorgfältige Inhaltsanalyse der Angaben, eine möglichst genaue Prüfung der Entstehungsgeschichte der belastenden Aussage (BGH, Beschluss vom 21. April 2005 – 4 StR 98/05, NStZ-RR 2005, 232, 233), eine Bewertung des feststellbaren Aussagemotivs (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2003 – 4 StR 73/03, Rn. 8), sowie eine Prüfung von Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben (Senat, Urteil vom 7. März 2012 – 2 StR 565/11, Rn. 9; Urteil vom 7. Februar 2018 – 2 StR 447/17, Rn. 8).

3. Den sich hieraus ergebenden Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Insbesondere ist die Würdigung des eingeholten Glaubwürdigkeitsgutachtens widersprüchlich und lückenhaft.

a) Ausweislich der in die Urteilsgründe einkopierten Auszüge aus dem schriftlich abgefassten aussagepsychologischen Gutachten (welches die Sachverständige „entsprechend mündlich inhaltlich referiert“ habe), hat die Sachverständige ausgeführt, dass die Nullhypothese, die Angaben von M. enthielten keine hinreichenden Hinweise auf eine Erlebnisfundiertheit und dementsprechende Glaubwürdigkeit, nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zurückgewiesen werden könne. Es seien erhebliche Einschränkungen in seinem Bemühen um die Objektivität seiner Angaben erkennbar und er zeige die Bereitschaft zu Falschaussagen. Dies begründe nachhaltige Zweifel an seiner Zeugentauglichkeit.

b) Hierzu führen die Urteilsgründe sodann aus: „Den grundsätzlichen Darlegungen der Sachverständigen nicht zu folgen, hatte die Kammer keine Veranlassung. Wie bereits ausgeführt, geht die Kammer davon aus, dass das geschädigte Kind jedenfalls noch bei seiner ersten Befragung […], da völlig unbeeinflusst und teils spontan mit unerwarteten Details aufwartend sowie unter Schilderung von originellen Details und Interaktionen, von tatsächlich mit dem Angeklagten erlebten sexuellen Erfahrungen berichtet hat.“ Dies lässt besorgen, dass die Strafkammer das Ergebnis der aussagepsychologischen Begutachtung missverstanden und folglich unzutreffend in eine Gesamtwürdigung einbezogen hat, oder dass sie sich ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gutachten über dessen Ergebnis hinweggesetzt hat. Beides ist rechtsfehlerhaft. Zwar ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter eine von einem Sachverständigengutachten abweichende eigene Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Belastungszeugen vornimmt, denn er ist im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung stets zu einer eigenen Beurteilung verpflichtet. Weicht der Tatrichter mit seiner Beurteilung von einem Sachverständigengutachten ab, muss er sich jedoch konkret mit den Ausführungen des Sachverständigen auseinandersetzen und seine Auffassung tragfähig sowie nachvollziehbar begründen, um zu belegen, dass er mit Recht das bessere Fachwissen für sich in Anspruch nimmt, nachdem er zuvor glaubte, sachverständiger Beratung zu bedürfen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 16. September 2008 – 3 StR 302/08, Rn. 5 mwN). Jedenfalls dies ist im gegebenen Fall nicht in ausreichender Weise geschehen.“

Und dann gleich noch ein paar Handreichungen für das Schreiben von Urteilen, nach dem Motto: So hätten wir es gern.

„a) Eine wörtliche Wiedergabe umfangreicher Vernehmungsprotokolle in den Urteilsgründen allein auf der Grundlage von Vorhalten gegenüber dem jeweiligen Vernehmungsbeamten ist schon für sich genommen rechtlich bedenklich. Mit Blick auf den Inhalt der über mehrere Seiten referierten Angaben des Tatopfers auf entsprechende Fragen des Vernehmungsbeamten (UA 17 bis 19) besteht im vorliegenden Fall ferner Anlass zu dem Hinweis, dass die Wertung des Landgerichts, die Mitteilungen des Geschädigten (gegenüber dem Vernehmungsbeamten) seien „teils überraschend und spontan erfolgt und daher glaubhaft“, näherer Erläuterung bedurft hätte.

b) Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, ein auch im Übrigen den Anforderungen des § 267 StPO genügendes Strafurteil abzufassen (zur gebotenen Klarheit in Sprache und Darstellung vgl. Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 29. Aufl., Rn. 207 ff., 228 ff.). Insbesondere bei einer umfangreicheren Beweiswürdigung ist darauf Bedacht zu nehmen, diese durch eine erkennbare Struktur – etwa eine Gliederung – klar und nachvollziehbar zu machen; ist eine Beweiswürdigung unstrukturiert, kann allein dies den Bestand eines Urteils gefährden (BGH, Beschluss vom 12. August 1999 – 3 StR 271/99). Die schriftlichen Urteilsgründe sollen in allgemein verständlicher und sachlicher Form abgefasst sein (Senat, Urteil vom 3. Dezember 2008 – 2 StR 435/08, NStZ-RR 2009, 103, 104). Ein klarer sprachlicher Ausdruck dient – wie eine Gliederung – der notwendigen intersubjektiven Vermittelbarkeit der bestimmenden Beweisgründe (vgl. bereits BGH, Beschluss vom 18. April 1994 – 5 StR 160/94, NStZ 1994, 400; vgl. auch Senat, Beschluss vom 11. März 2020 – 2 StR 380/19, Rn. 4). So finden auch Eigentümlichkeiten in Sprache und Gedankenführung in tatrichterlichen Urteilen (hier z.B. UA 23 mittlerer Absatz) ihre Grenzen in den aus den §§ 261, 267 StPO folgenden gesetzlichen Anforderungen.“