Im zweiten Posting komme ich dann noch einmal auf das BGH-Urt. v. 17.07.2025 – 4 StR 298/24 – zurück, das och schon mal vorgestellt hatte (s. hier: StPO I: Protokollverlesung zur Gedächtnisstützung, oder: Fehlerhafte Verlesung bei der Verhörsperson).
Das LG hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Jugendstrafe verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, mit der Verfahrens- und Sachrüge erhoben hat. Beide hatten keinen Erfolg. Zur Sachrüge führt der BGH aus:
„2. Das angefochtene Urteil weist zudem in sachlich-rechtlicher Hinsicht keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
a) Der Schuldspruch wird von den Feststellungen getragen. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Angeklagte ungeachtet der nacheinander verwirklichten Tatvarianten des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB und des § 177 Abs. 1 StGB nur einer Gesetzesverletzung der Vergewaltigung (§ 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB) schuldig ist (vgl. näher dazu BGH, Urteil vom 13. Februar 2019 – 2 StR 301/18 Rn. 31 f. mwN).
b) Die den Feststellungen zugrundeliegende Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung ebenfalls stand (vgl. zum Prüfungsmaßstab BGH, Urteil vom 17. August 2023 – 4 StR 29/23 Rn. 19 mwN).
Das Landgericht hat erkannt, dass es sich im vorliegenden Fall um eine „Aussage gegen Aussage“-Konstellation handelt, und hat die besonderen Anforderungen erfüllt, die in solchen Fällen für die Darstellung der Beweiswürdigung gelten. Denn die Urteilsgründe lassen erkennen, dass die Jugendkammer alle Umstände, welche die Entscheidung zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten beeinflussen können, in ihre Überlegungen einbezogen und in einer Gesamtschau gewürdigt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2025 – 2 StR 340/24 Rn. 9; Beschluss vom 7. Mai 2024 – 4 StR 197/23 Rn. 7; Beschluss vom 16. Januar 2024 – 4 StR 428/23 Rn. 13). Sie hat die erforderliche gründliche Inhaltsanalyse, die Prüfung der Entstehungsgeschichte der belastenden Aussage, die Bewertung des Aussagemotivs sowie die Prüfung von Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben vorgenommen. Hierzu ist näher auszuführen nur das Folgende:
aa) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei die Aussagetüchtigkeit der Nebenklägerin bejaht. Dabei hat es erörtert, dass die Nebenklägerin nach ihren Angaben vor dem Tatgeschehen geschlafen habe. Eine Beeinträchtigung ihrer Wahrnehmungsfähigkeit nach dem geschilderten Erwachen hat das Landgericht mit der nicht zu beanstandenden Erwägung ausgeschlossen, sie sei durch die mit der Penetration verbundenen Schmerzen plötzlich erwacht. Hierzu ist es weder ein Widerspruch noch drängte sich die Erörterung auf (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2024 – 5 StR 588/24 Rn. 14), dass die Nebenklägerin auch angegeben hat, im Schlaf mit geöffneten Augen zu reden und in Situationen, in denen ihr Vater sie dann wecke, sie mit diesem rede, ohne hieran am nächsten Tag eine Erinnerung zu haben. Denn die Nebenklägerin hat eine anders gelagerte Konstellation, die nicht durch ein plötzliches schmerzbedingtes Erwachen geprägt ist, mit diesen weiteren Ausführungen beschrieben.
Soweit der Generalbundesanwalt hieran anknüpfend die Erörterung vermisst, ob es in der Zeit vor dem Erwachen der Nebenklägerin infolge der von ihr empfundenen Schmerzen zu Äußerungen gekommen sein könnte, die der Angeklagte als Zustimmung zum Geschlechtsverkehr interpretieren konnte und an die sich die Nebenklägerin nicht mehr erinnert, ist dem nicht zu folgen. Der Jugendkammer musste sich auch eine solche Erörterung nicht aufdrängen. Dagegen spricht schon die Verschiedenheit der Situationen. Darüber hinaus will sich der Angeklagte zwar vor dem vollzogenen Geschlechtsverkehr wiederholt der Zustimmung der Nebenklägerin versichert haben. Dies soll aber selbst nach seiner – vom Landgericht rechtsfehlerfrei als der Validität ihrer Zeugenaussage nicht entgegenstehend bewerteten – Einlassung zu einem früheren Zeitpunkt geschehen sein. Denn die bei seinem Aufwachen wach gewesene Nebenklägerin soll nach wechselseitigen Liebesbekundungen und Küssen seine Frage und Nachfrage, ob sie für Geschlechtsverkehr bereit sei, bejaht haben.
bb) Das Landgericht hat zudem die Bekundungen der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung, ihrer polizeilichen Anzeige und ihren polizeilichen Vernehmungen jeweils in einer geschlossenen Darstellung wiedergegeben und eine eingehende Konstanzanalyse ihrer Angaben vorgenommen. Dabei ist es rechtsfehlerfrei zu der – überprüfbaren – Überzeugung gelangt, dass die Nebenklägerin das gesamte Tatgeschehen in allen Vernehmungssituationen gleichbleibend geschildert hat, namentlich ihr Einschlafen, das schmerzbedingte Erwachen aufgrund der Penetration, ihre eigene Körperposition (auf der Seite liegend) und ihre Reaktion in Form von ablehnenden Äußerungen und Abwehrhandlungen. Der von der Revision herangezogene Umstand, die Nebenklägerin habe nur in ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung und in ihrer zweiten polizeilichen Vernehmung bekundet, gleich mehrfach „nein“ gesagt zu haben, stellt die Würdigung der Jugendkammer nicht in Frage. Denn die Bewertung des Landgerichts, es liege eine hohe Aussagekonstanz vor, trägt schon mit Blick auf die jeweils von der Nebenklägerin bekundete Verbalablehnung. Darüber hinaus musste es sich mit der genauen Anzahl des „Nein-Sagens“, die hier im Gesamtgeschehen ersichtlich von untergeordneter Bedeutung ist, nicht ausdrücklich befassen.“





