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SV-Gutachten II: Urteilsgründe, oder: DNA-Mischspur und Werkzeugspurengutachten

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In der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, dem BGH, Beschl. . v. 29.07.2020 – 6 StR 211/20 -, nimmt der BGH zum Umfang der Urteilsgründe in den Fällen, in denen das Urteil auf ein Sachverständigengutachten gestützt ist, Stellung.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Einbruchdiebstahls in drei Fällen, versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls in zwei Fällen und Diebstahls in zwei Fällen verurteilt. In einigen der Urteilsfälle hat der BGH das landgerichtliche Urteil wegen nicht ausreichender Feststellungen bzw. Darlegungen in den Urteilsgründen aufgehoben:

„1. In den von der Aufhebung umfassten Fällen hat das Landgericht bei der auf die Ergebnisse von Sachverständigengutachten gestützten Feststellung der Täterschaft der durchweg schweigenden Angeklagten seiner Darlegungspflicht nicht genügt.

a) In den Fällen 1 bis 7 hat die Strafkammer ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten V. , im Fall 12 von derjenigen des Angeklagten P. auf der Grundlage von DNA-Mischspuren gewonnen, die an den Einbruchsobjekten gesichert wurden. Das Urteil beschränkt sich dabei auf die Mitteilung der (hohen) biostatistischen Wahrscheinlichkeit einer Spurenlegung durch die jeweiligen Angeklagten.

Dies genügt nicht den Anforderungen, die an die Darstellung von DNA-Gutachten bei Mischspuren zu stellen sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. August 2019 – 5 StR 419/19, und vom 20. November 2019 – 4 StR 318/19, NJW 2020, 350, jeweils mwN). Insbesondere erörtert die Strafkammer nicht, wie viele DNA-Systeme untersucht wurden und in wie vielen davon Übereinstimmungen mit den DNA-Merkmalen der Angeklagten festgestellt wurden. Zwar kann im Urteil die DNA-Analyse der Hauptkomponente einer Mischspur nach den für die Einzelspur entwickelten Grundsätzen dargestellt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187, Rn. 10 ff.), wenn die Peakhöhen von Hauptkomponente zu Nebenkomponente durchgängig bei allen heterozygoten DNA-Systemen im Verhältnis 4:1 stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2020 – 6 StR 183/20). Dass diese Voraussetzungen vorliegen, ist dem Urteil jedoch nicht zu entnehmen. Der Senat kann daher nicht den Beweiswert überprüfen, den die Strafkammer den DNA-Spuren beigemessen hat.

Im Fall 12 der Urteilsgründe war auch der Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten V. aufzuheben, weil die Feststellung seiner Täterschaft insbesondere auf telefonische Kontakte zwischen den beiden Angeklagten im Tatzeitraum und mithin auf derjenigen der Täterschaft des Angeklagten P. beruht.

b) Im Fall 13 stützt das Landgericht die Feststellung der Täterschaft des Angeklagten P. auf Hebelspuren an Terrassentür und Esszimmerfenster des angegangenen Hauses, weil diese durch den Schraubendreher dieses Angeklagten verursacht worden seien. Nach den für überzeugend erachteten Ausführungen des kriminaltechnischen Sachverständigen stehe „aus formenkundlicher Sicht aufgrund übereinstimmender Spurenbreite und übereinstimmender Oberflächenmerkmale als individualisierende Gebrauchsmerkmale an der Schaufelspitze“ fest, dass die gesicherten Prägespuren mit dem sichergestellten Schlitzschraubendreher verursacht worden seien.

Ein Vergleichsgutachten betreffend Werkzeugspuren ist indes kein standardisiertes Verfahren, bei dem eine derart auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränkte Darstellung der tatgerichtlichen Überzeugungsbildung ausreichen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2010 – 5 StR 345/10, BGHR StPO § 261 Sachverständiger 11; LR-StPO/Sander, 26. Aufl., § 261 Rn. 90b). Vielmehr gelten weitergehende Darlegungsanforderungen; es sind so viele Anknüpfungstatsachen und vom Sachverständigen gezogene Schlussfolgerungen wiederzugeben, dass das Revisionsgericht die Schlüssigkeit des Gutachtens überprüfen kann (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1992 – 1 StR 494/92, BGHR StPO § 261 Sachverständiger 4). Diese Anforderungen sind vorliegend nicht erfüllt.“