Archiv der Kategorie: Urteilsgründe

Corona II: Anzeige der Versammlung zu Coronazeiten, oder: Kunstfreiheit und faktischer Versammlungsleiter

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Das zweite Posting des Tages stellt den OLG Celle, Beschl. v. 28.08.2021 – 3 Ss (OWi) 156/21 – vor. Er behandelt zwar nicht unmittelbar eine „Corona-Frage“, es geht aber um eine Versammlung, bei der die Pandemiefrage zumindest wohl auch eine Rolle gespielt hat.

Das AG hat den Betroffenen wegen „Nichtanzeigens einer Versammlung unter freiem Himmel als Versammlungsleiter bei der zuständigen Behörde“ zu einer Geldbuße von 100 EUR verurteilt und dazu folgende Feststellungen getroffen:.

„Nach den Feststellungen trafen sich der Betroffene, die Zeuginnen W. und T. sowie sechs weitere Personen am 9. Januar 2021 gegen 10:00 Uhr auf dem Parkplatz am …platz in G., um – wie einige Tage zuvor während eines Treffens der Bürgerinitiative „Aufklärung und Menschlichkeit“ geplant – durch eine Aktion auf die von ihnen als negativ empfundenen Auswirkungen der Pandemiepolitik aufmerksam zu machen. Sie zogen weiße Malerkittel an, setzten Theatermasken auf und bewegten sich – angeführt von dem Betroffenen und der Zeugin W. – in einer zweireihigen Formation im Gleichschritt und mit marionettenartigen Bewegungen über den …weg, wo gerade der Wochenmarkt stattfand, in Richtung …straße. Dabei spielten sie über eine Lautsprecheranlage auf einem von ihnen mitgeführten Handwagen eine Computerstimme ab, die mitteilte: „Impfen ist Nächstenliebe“, „Schützt die Ungeborenen, verzichtet auf ihre Zeugung“, „Verratet eure Nachbarschaft“. Ferner wurden aufgezeichnete Redebeiträge dritter Personen abgespielt. Nach etwa 50 m stoppte die Formation auf ein Handzeichen des Betroffenen und formierte sich zu einem Kreis. Der Betroffene, die Zeugin W. und eine weitere Person erhielten von den anderen Teilnehmern Plakate überreicht, auf denen zu lesen war: „Wie viele traumatisierte Kinder sind für euch akzeptabel?“, „Wie viel bedeutet dir deine Freiheit?“, „Wer bestimmt dein Leben?“, „Wenn nicht du, wer dann?“, „Jetzt ist die Zeit gekommen uns zu erheben“, „Wie viele Tote durch Maßnahmen sind für dich akzeptabel?“. Nach dem Zeigen der Plakate nahmen die Teilnehmer unter Führung des Betroffenen und der Zeugin W. wieder ihre zweireihige Formation ein, zogen einige Meter weiter, hielten auf Handzeichen des Betroffenen erneut an, bildeten einen Kreis und zeigten die Plakate. Anschließend nahmen sie wieder die ursprüngliche Formation ein und bewegten sich weiter. Nach ca. 30 Minuten trafen sie auf Polizeibeamte. Der Betroffene erklärte diesen den Grund und Zielrichtung der Aktion. Ferner teilte er ihnen mit, dass die Aktion an dieser Stelle beendet sei. Eine vorherige Anzeige der Aktion bei der Stadt G. war nicht erfolgt.

Gegen das Urteil hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt. Das OLG hat die als unbegründet verwofen. Dazu gibt es folgende Leitsätze:

  1. Die Anzeigepflicht nach § 5 Abs. 1 NVersG gilt auch für Versammlungen, die zugleich in den Schutzbereich der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG fallen. Eine einschränkende Auslegung ist insoweit bereits deshalb nicht geboten, weil die bloße Anzeigepflicht die künstlerische Ausgestaltung der Versammlung nicht einschränkt.

  2. Da nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 NVersG nicht die unterbliebene Anzeige, sondern die Durchführung einer Versammlung unter freiem Himmel ohne vorherige Anzeige geahndet wird und aufgrund der fehlenden Anzeige ein Versammlungsleiter nicht bestimmt worden ist, wird der „faktische Versammlungsleiter“ von dem Bußgeldtatbestand erfasst.

  3. „Faktischer Versammlungsleiter“ ist, wer – persönlich bei der Veranstaltung anwesend – die Ordnung der Versammlung handhabt und den äußeren Gang der Veranstaltung bestimmt, insbesondere die Versammlung eröffnet, unterbricht und schließt. Auf der Seite des Leiters ist dabei weiterhin erforderlich, dass er diese Funktionen übernommen hat, auf Seiten der Teilnehmer hingegen, dass sie mit deren Ausübung durch ihn einverstanden sind.

 

Corona I: Maskenpflicht in Bayern, oder: Verfassungsmäßig, Befreiung und Tragen in der Hauptverhandlung

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Heute zum Beginn der 38. KW. dann mal wieder einige Entscheidungen zu Corona bzw. zu den verfahrensmäßigen Auswirkungen der Maskenpflicht.

Die ersten drei Beschlüsse kommen vom BayObLG, und zwar:

Gegen die in § 13 Abs. 4 Satz 2 der 6. BayIfSMV v. 19.06.2020 in der Gastronomie für Gäste angeordnete Maskenpflicht bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Schon etwas älter, aber erst jetzt vom BayObLG veröffentlicht.

1. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Betroffene zum Tatzeitpunkt gegen die Maskenpflicht auf stark frequentierten öffentlichen Plätzen nach § 27 Nr. 18 i.V.m. § 24 Abs. 1 Nr. 1 der 8. BayIfSMV v. 30.10.2020 (BayMBl. 2020 Nr. 616) verstoßen hat, kommt es ausschließlich darauf an, ob der Betroffene aus der Sicht des Tatrichters zum Zeitpunkt der behördlichen Kontrolle an Ort und Stelle Umstände glaubhaft gemacht hat, die eine Befreiung von der Maskenpflicht nach § 2 Nr. 2 der 8. BayIfSMV begründeten.

2. Soweit und solange der Verordnungsgeber keine konkreten Vorgaben zum Inhalt und zu den Mitteln der Glaubhaftmachung normiert hat, gehört die Frage, ob das Amtsgericht im konkreten Fall zu Recht von einer hinreichenden Glaubhaftmachung einer Befreiung von der Maskenpflicht ausgegangen ist, zum Kern tatrichterlicher Beweiswürdigung. Die Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht beschränkt sich deshalb darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen ist, was nur dann angenommen werden kann, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt.

1. Die Anordnung des Vorsitzenden, in der Hauptverhandlung aus Gründen des Infektionsschutzes eine Mund-Nasen-Schutz-Bedeckung zu tragen, ist als sitzungspolizeiliche Maßnahme nach § 176 Abs. 1 GVG zulässig. Das allgemeine Verhüllungsverbot nach § 176 Abs. 2 GVG steht dem nicht entgegen.

2. Wird ein Betroffener wegen ordnungswidrigen Benehmens gemäß § 177 GVG aus dem Sitzungssaal entfernt, rechtfertigt dies nicht die die Verwerfung seines gegen den Bußgeldbescheid gerichteten Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG. Vielmehr ist in einem solchen Fall nach § 231b Abs. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG zu verfahren.

Das betreffend die Anordnung der Maske-Tragens in der Hauptverhandlung das OLG Celle im OLG Celle, Beschl. v. 15.04.2021 – 3 Ws 91/21 – ja schon ebenfalls entschieden (vgl. dazu: Corona II: Wenn der Verteidiger in der HV keine Maske tragen will, oder: Trennung, Aussetzung, Kostentragung).

OWi I: Verweisung auf Lichtbild in den Urteilsgründen, oder: 2 x KG, 1 x OLG Hamm

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Heute dann noch einmal drei OWi-Entscheidungen, aber aus dem Bereich des Verfahrensrechts.

Zunächst hier dann drei Entscheidungen zu Lichtbildern bzw. zur Verweisung, zwei vom KG, eine vom OLG Hamm. Die vom OLG Hamm ist zwar nicht in einem Bußgeldverfahren ergangen, die angesprochenen Fragen können aber gerade auch dort Bedeutung erlangen. Alle drei Entscheidungen enthalten keine neuen „Aussagen“, zeigen aber noch einmal, worauf man achten muss als Verteidiger.

KG, Beschl. v. 17.06.2021 – 3 Ws (B) 144/21 – zur Verweisung nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO

  1. Die Praxis, eine Abbildung im Urteil einfach nur zu benennen und in Klammern die Blattzahl als Aktenfundstelle zu bezeichnen, stellt jedenfalls ihrem unmittelbaren Wortlaut nach keine Verweisung dar.
  2. Zumindest zur Vermeidung von Unklarheiten sollte das Lichtbild in Augenschein genommen, die Datenzeile aber verlesen werden. Dass, was im Einzelnen umstritten ist, bei einer sehr kurzen Buchstaben- oder Zahlenfolge der Augenschein ausnahmsweise ausreichen kann (vgl. KG VRS 133, 138 m. w. N. [Dauer des Rotlichtverstoßes]), sollte im Grundsatz keinen Anlass geben, auf die Verlesung zu verzichten.

OLG Hamm, Beschl. v. 22.06.2021 – 4 RVs 40/21 – ebenfalls zur Verweisung nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO

Der bloße Hinweis auf die Durchführung einer Inaugenscheinnahme eines Lichtbildes in der Hauptverhandlung – ohne Angabe einer Fundstelle und Angabe seines wesentlichen Aussageinhalts – ist nicht ausreichend, um die Voraussetzungen einer Bezugnahme auf die Einzelheiten i.S.v. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO zu erfüllen.

KG, Beschl. v. 21.06.2021 – 3 Ws (B) 145/21 – zur Verweisung auf „einzelne Abbildungen“ eines Films

  1. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der zufolge auf Filme nicht nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen werden kann (vgl. BGHSt 57, 53), kann nicht dadurch umgangen werden, dass auf „einzelne Abbildungen … der Videoaufnahmen“ Bezug genommen wird.
  2. Etwas anderes gilt für zur Akte genommene Videoprints, also körperliche Bilder.

Beweiswürdigung III: „Aussage-gegen-Aussage“ oder: Besondere Anforderungen an die Beweiswürdigung

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Die dritte Entscheidung zur Beweiswürdigung kommt dann vom BayObLG. Das hat im BayObLG, Beschl. v. 12.07.2021 – 202 StRR 76/21 (noch einmal) zu den besonderen Anforderungen an die Beweiswürdigung bei einer „Aussage-gegen-Aussage-Konstellation“ Stellung genommen.

Das LG hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, der bestritten hat. Das BayObLG hebt auf. Es beanstandet die Beweiswürdigung.

Hier dann – war schon so viel zu lesen heute 🙂 – die Leitsätze zu der Entscheidung:

1. Bei einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation sind besondere Anforderungen an die Beweiswürdigung zu stellen. Der Tatrichter muss in derartigen Fällen den entscheidenden Teil der verschiedenen Aussagen des Belastungszeugen, auch solchen, die im Ermittlungsverfahren erfolgt sind, im Urteil wiedergeben, weil dem Revisionsgericht sonst die rechtliche Überprüfung der für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit relevanten Aussagekonstanz nicht möglich ist. Dies gilt vor allem, soweit es um die Schilderung von Details zum Kerngeschehen geht und auch die Plausibilität der Zeugenaussage hiervon abhängt.

2. Die Wertung des Tatrichters, der Belastungszeuge habe „ohne Übertreibungen ausgesagt“, stellt einen Zirkelschluss dar, wenn der Tathergang mangels anderer Beweismittel allein aufgrund des Inhalts der Aussage dieses Zeugen festgestellt wurde.

3. Zwar ist es nicht von vornherein unzulässig, aus einer Lüge des Angeklagten im Rahmen der Beweiswürdigung Schlüsse zu ziehen. Allerdings muss sich der Tatrichter bewusst sein, dass der Widerlegung einer Einlassung nur ein begrenzter Beweiswert zukommt, weil auch ein Unschuldiger, wenn er befürchtet, er könnte zu Unrecht verurteilt werden, gegebenenfalls die Zuflucht zur Lüge nehmen kann.

Beweiswürdigung II: Wiedererkennensproblematik, oder: Sprachliche Auffälligkeit nicht erörtert

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In der zweiten Entscheidung, dem BGH, Beschl. v. 03.03.2021 – 2 StR 11/21 – geht es um eine sog. Wiedererkennungsproblematik. Das LG hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung verurteilt. Der Angeklagte hat Revision eingelegt, mit der er Erfolg hatte. Dem BGH gefallen die Ausführungen des LG zum Wiedererkennen des Angeklagten durch eine Zeugin nicht:

„b) Das Landgericht hat die Verurteilung des Angeklagten im Wesentlichen auf die Schilderung des Tathergangs und die Identifikation des Angeklagten durch die Zeugin D. gestützt. Diese hatte am Tattag das äußere Erscheinungsbild eines zwischen 35 und 40 Jahre alten, vermutlich deutschen, sehr ungepflegten Täters („Junkietyp“) mit schmaler Statur bei einer Größe von ca. 1,70 m, hellblauen Augen, keinen Bart, braunen kurzen Haaren und dreckigen Händen beschrieben. In der Hauptverhandlung hat sie zum Erscheinungsbild des Täters dargestellt, dieser sei ca. 1,70 m groß gewesen, habe dreckige Hände gehabt, so dass sie gedacht habe, dass es sich um einen Drogenabhängigen aus dem Bahnhofsviertel gehandelt habe. Auch sei ihr ein „leichter deutschsprachiger Akzent“ bei dem Täter aufgefallen. Sie glaube, ihn mehrere Wochen nach der Tat im Dunkeln erneut im Bahnhofsviertel gesehen zu haben, da sie „auch kurz seine Stimme und seinen Gang“ erkannt habe. Einige Wochen später habe sie ihn direkt vor dem Kiosk gesehen. Bei diesem Treffen − das zur Verhaftung des Angeklagten durch die von der Zeugin herbeigerufenen Polizeibeamten führte − habe sie ihn sofort an „seinem Gesicht und seinen Augen“ erkannt. Um sich zu vergewissern, sei sie auf ihn zugelaufen und habe ihn „insbesondere an seiner Stimme“ wiedererkannt. Die Person habe mit „leichtem deutschsprachigen Akzent“ gesprochen, was ihr bei dem Täter im Kiosk ebenfalls aufgefallen sei. Auch in der Hauptverhandlung war die Zeugin „absolut sicher“, dass es sich bei dem Angeklagten um den Täter aus dem Kiosk handele.

c) Die Strafkammer hat ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten darauf gestützt, dass dessen Erscheinungsbild in der Hauptverhandlung wie auch auf einem in Augenschein genommenen Lichtbild seiner letzten erkennungsdienstlichen Behandlung zu der Beschreibung der Zeugin mit einer „schmale[n] Statur, braune[n] kurzen Haare[n], vermutlich Deutscher, Junkietyp und sehr ungepflegt“, passe. Zudem hat die Strafkammer die subjektive Überzeugung der Zeugin von der Täterschaft des Angeklagten in einer Gesamtschau für verlässlich erachtet. Sie hat dabei berücksichtigt, dass die Zeugin gegenüber der die Festnahme durchführenden Beamtin erklärt habe, dass sie den Angeklagten „zu 100% an seinem Gesicht erkannt habe und sich sehr sicher sei“. Die hohe Zuverlässigkeit der Identifizierung werde dadurch belegt, dass die Zeugin anlässlich einer Lichtbildrecherche aus ca. 300 Bildern, unter denen sich kein Foto des Angeklagten befunden habe, keinen Täter erkannt habe, was dafür spreche, dass die Zeugin nur dann eine Zuordnung vornehme, wenn sie in hohem Maße sicher sei. Ferner werde die Täterschaft des Angeklagten dadurch gestützt, dass bei dem Angeklagten eine Visitenkarte ‒ weiße Karte mit schwarzer Schrift − gefunden worden sei, die die Zeugin am Tag der Verhaftung als diejenige erkannt habe, die der Täter bei dem ersten Aufenthalt im Kiosk vorgelegt habe. Der Angeklagte habe sich zur Tatzeit auch im Bahnhofsgebiet aufgehalten, sei drogensüchtig, habe an Geldnot gelitten und bereits bei früheren Taten ein Messer als Tatmittel eingesetzt.

Seine Körpergröße von 1,80 m spreche nicht gegen seine Täterschaft, weil der Zeuge F. , der beim ersten Betreten des Kiosks durch den Täter hinter diesem in der Reihe gestanden habe, den Täter als etwas größer als sich selbst (1,78 m) beschrieben habe. Soweit der Angeklagte braune und keine hellblauen Augen habe, liege hierin nur eine unwesentliche Abweichung bei der ansonsten zutreffenden Täterbeschreibung durch die Zeugin.

2. Diese Beweiswürdigung trägt die Verurteilung nicht.

a) Es ist allein die Aufgabe des Tatrichters, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsrechtliche Überprüfung ist auf die Frage beschränkt, ob dem Tatrichter dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht etwa dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft ist, namentlich dann, wenn sie nicht sämtliche Umstände, die dazu geeignet waren, die Entscheidung zu beeinflussen, in ihre Überlegungen einbezogen und wesentliche Feststellungen in der vorzunehmenden umfassenden Gesamtwürdigung nicht berücksichtigt hat (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2018 ‒ 2 StR 451/18, StV 2019, 317, 318; BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 ‒ 1 StR 385/16, juris Rn. 15; Urteil vom 3. Dezember 2015 ‒ 4 StR 387/15, StV 2017, 538, 539; jeweils mwN).

Besondere Darlegungsanforderungen bestehen in schwierigen Beweislagen, zu denen auch Konstellationen zählen, in denen der Tatnachweis im Wesentlichen auf einem Wiedererkennen des Angeklagten durch einen Tatzeugen beruht (BVerfG, NJW 2003, 2444, 2445 mwN). Konnte ein Zeuge eine ihm vorher unbekannte Person nur kurze Zeit beobachten, darf sich der Tatrichter nicht ohne Weiteres auf die subjektive Gewissheit des Zeugen beim Wiedererkennen verlassen, sondern muss aufgrund objektiver Kriterien nachprüfen, welche Beweisqualität dieses Wiedererkennen hat, und dies in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen (Senat, Beschluss vom 8. Dezember 2016 ‒ 2 StR 480/16, StraFo 2017, 111, 112). Der Tatrichter ist daher aus sachlich-rechtlichen Gründen regelmäßig verpflichtet, die Angaben des Zeugen zur Täterbeschreibung zumindest in gedrängter Form wiederzugeben und diese Täterbeschreibung zum Erscheinungsbild des Angeklagten in der Hauptverhandlung in Beziehung zu setzen (Senat, Beschluss vom 29. November 2016 ‒ 2 StR 472/16, NStZ-RR 2017, 90; BGH, Beschluss vom 17. Februar 2016 ‒ 4 StR 412/15, StraFo 2016, 154, 155). Darüber hinaus sind in den Urteilsgründen auch diejenigen Gesichtspunkte darzulegen, auf denen die Folgerung des Tatrichters beruht, dass insoweit eine tatsächliche Übereinstimmung besteht (BGH, Beschluss vom 17. Februar 2016 ‒ 4 StR 412/15, aaO).

b) Hieran gemessen erweist sich die Beweiswürdigung der Strafkammer als lückenhaft und damit als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Denn die Urteilsgründe verhalten sich nicht zu den von der Zeugin D. geschilderten Auffälligkeiten im sprachlichen Ausdruck des Angeklagten. Dies war hier aber deshalb unerlässlich, weil dessen „deutschsprachige[m] Akzent“ aus Sicht der Zeugin ein maßgeblicher Wiedererkennungswert zukam. Diese „glaubte“, den Täter erstmalig mehrere Wochen nach der Tat gesehen zu haben, wobei sie „kurz seine Stimme und seinen Gang“ erkannt habe. Am Tag seiner Verhaftung identifizierte sie den Angeklagten auf offener Straße als Täter des Überfalls anhand dessen „Gesicht und seinen Augen“ sowie „insbesondere an seiner Stimme“. Letzteres begründete sie damit, der Angeklagte habe mit „leichtem deutschsprachigen Akzent“ gesprochen, was ihr bei dem Täter im Kiosk ebenfalls aufgefallen sei“.

Bei dieser Beweissituation oblag der Strafkammer zum einen die Erörterung, wie sich der aus Sicht der Zeugin „leichte deutschsprachige Akzent“ des Täters in dessen Sprachgewohnheit, möglicherweise in dessen Phonetik, Intonation, Betonungsmuster oder Satzrhythmus ausdrückte. Zudem bedurfte es der Feststellung, ob sich die so ‒ anhand der Angaben der Zeugin ‒ objektivierte Auffälligkeit im Ausdrucksverhalten des Täters bei dem Angeklagten, der sich in der Hauptverhandlung zu seiner Person und zur Sache eingelassen hat, wiederfindet. Hierzu schweigen die Urteilsgründe in Gänze. Ein ‒ wie auch immer gearteter ‒ „Akzent“ in der Sprachgewohnheit des Angeklagten versteht sich auch nicht von selbst. Dieser ist in Deutschland geboren und aufgewachsen.

Dem Vorliegen bzw. dem Fehlen einer solchen sprachlichen Auffälligkeit im Sprachausdruck des Angeklagten kommt angesichts der Darstellung der Zeugin ein erheblicher Beweiswert zu. Denn dieser war sowohl beim ersten Wiedererkennen wenige Wochen nach der Tat wie auch am Tag der Verhaftung des Angeklagten insbesondere auch dessen „Stimme“ aufgefallen. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass der Strafkammer bei der von ihr vorgenommenen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung dieses zusätzlichen Indizes ‒ das Fehlen einer sprachlichen Auffälligkeit beim Angeklagten unterstellt ‒ trotz der weitgehenden Übereinstimmung im äußeren Erscheinungsbild sowie der weiteren belastenden Indizien, insbesondere der bei dem Angeklagten aufgefundenen Visitenkarte, Zweifel an dessen Täterschaft verblieben wären.

c) Der Senat kann offenlassen, ob das angefochtene Urteil im Übrigen den aufgezeigten Darstellungsanforderungen gerecht wird. Bedenken ergeben sich insoweit, als sich die Urteilsgründe nicht zu der Frage verhalten, anhand welcher objektiven Kriterien die Zeugin den Angeklagten wenige Wochen nach der Tat auf offener Straße erkannte. Die Angabe der Zeugin, sie habe den Angeklagten „sofort an seinem Gesicht und seinen Augen erkannt“, wird nicht weiter unterlegt. Hierzu hätte jedoch möglicherweise deshalb Anlass bestanden, weil die Zeugin ausweislich ihrer ersten Vernehmung die Augenfarbe des Täters mit hellblau bezeichnet hatte und der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen über braune Augen verfügt. Weitere objektive Merkmale, die belegen könnten, aufgrund welcher Signifikanz die Zeugin den Angeklagten an „seinem Gesicht und seinen Augen“ erkannte, werden im Urteil jedoch nicht mitgeteilt.“