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Und heute dann noch einmal Entscheidungen zur Strafzumessung. Es ist manchmal wie verhext. Da tut sich zu einer Thematik lange nichts und dann auf einmal gibt es zahlreiche Entscheidungen. So ist es im Moment mit dem Thema „Strafzumessung“. Dazu hängen einige Entscheidungen in meinem Blogordner.
Ich eröffne den Reigen heute mit einigen Entscheidungen zum Doppelverwertungsverbot beim Missbrauch, und zwar zunächst mit dem BGH, Beschl. v. 26.04.2022 – 4 StR 34/22. Es geht um die Strafzumessung im „Münsteraner Missbrauchsfall“. Das LG hat die Angeklagte, die Mutter des Missbrauchsopfers, unter Freisprechung im Übrigen wegen Beihilfe durch Unterlassen zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Dagegen die Revision der Angeklagten, die Erfolg hatte:
„Nach den Feststellungen missbrauchte der gesondert verfolgte Lebensgefährte der Angeklagten den zur Tatzeit zwischen neun und elf Jahre alten Nebenkläger, indem er zweimal pro Woche u. a. an ihm den Oralverkehr ausübte oder an sich von dem Nebenkläger vornehmen ließ. Die Angeklagte, die als leibliche Mutter allein sorgeberechtigt für den Nebenkläger war, unternahm nichts, um diese Handlungen des gesondert Verfolgten zu beenden, zu erschweren oder zu minimieren. Vielmehr ließ sie zu, dass der gesondert Verfolgte mit dem Nebenkläger allein war und diesen zu einer Vielzahl von Tagesausflügen oder mehrtägigen Aufenthalten mit Übernachtungen mitnahm. Dabei rechnete sie zu Beginn des Tatzeitraums damit, dass der gesondert Verfolgte ihre Abwesenheit zum Missbrauch ausnutzte, und fand sich damit ab. Spätestens nach einem Jahr hatte sie positive Kenntnis von den fortlaufenden Missbrauchshandlungen. Durchgehend war sie sich ihrer Pflicht als Mutter und ihrer vielfältigen Handlungsmöglichkeiten bewusst.
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3. Dagegen kann der Strafausspruch keinen Bestand haben, weil die Strafkammer die Art der Garantenstellung der Angeklagten rechtsfehlerhaft strafschärfend berücksichtigt hat ( § 46 Abs. 3 StGB ).
a) Das Landgericht hat die Strafe dem nach § 27 Abs. 2 Satz 2 , § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 176a Abs. 2 StGB (in der ab 27. Januar 2015 geltenden Fassung) entnommen; eine nochmalige Milderung des Strafrahmens gemäß § 13 Abs. 2 , § 49 Abs. 1 StGB hat es abgelehnt. Bei der Prüfung eines minder schweren Falls gemäß § 176a Abs. 4 StGB aF und bei der konkreten Strafbemessung hat die Strafkammer dabei der Angeklagten die Qualität der Garantenstellung angelastet, die sich aus ihrer Eigenschaft als allein sorgeberechtigter leiblicher Mutter des Nebenklägers ergebe, und zur Begründung angeführt, dass diese Garantenstellung ein deutlich „anderes“ Gewicht habe als beispielsweise eine Garantenstellung aus Gefahrengemeinschaft.
b) Damit hat die Strafkammer gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoßen.
aa) Danach dürfen die Merkmale des Tatbestands, welche die Strafbarkeit begründen und der Bestimmung des gesetzlichen Strafrahmens zugrunde liegen, nicht nochmals bei der Strafzumessung berücksichtigt werden. Dies gilt in gleicher Weise für deliktsübergreifende strafbarkeitsbegründende Umstände aus dem Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2007 – 3 StR 497/06 Rn. 10 [zum Unterlassen]; Beschluss vom 25. September 2002 – 1 StR 347/02 Rn. 6 [zum unterbliebenen Rücktritt] und Beschlüsse vom 18. März 2003 – 4 StR 83/03 Rn. 3, vom 13. September 2001 – 4 StR 322/01 Rn. 4 und vom 16. August 2000 – 3 StR 253/00 Rn. 5) und damit auch für die Gesichtspunkte, die eine Garantenstellung im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB begründen (vgl. Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 46 Rn. 45b mwN).
bb) Mit der strafschärfenden Berücksichtigung der Eigenschaft der Angeklagten, die alleinerziehende Mutter des Tatopfers zu sein, hat die Strafkammer einen Umstand zu Lasten der Angeklagten gewürdigt, der ihre Garantenstellung gemäß § 13 Abs. 1 StGB i. V. m. § 1626 Abs. 1 BGB und ihre sich daraus ergebende Handlungspflicht überhaupt erst begründet. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann dem Hinweis auf die „Qualität der Garantenstellung“ auch nicht entnommen werden, dass die Strafkammer damit aufzeigen wollte, dass die Angeklagte eine weit unter der Zumutbarkeitsschwelle liegende und von ihr deshalb „regelhaft“ zu erwartende Handlung nicht vorgenommen habe (vgl. dazu Roxin, Strafrecht AT Bd. 2 § 31 Rn. 242; krit. dazu LK-StGB/Weigend, 13. Aufl., § 13 Rn. 101). Denn die Strafkammer hat sich an anderer Stelle mit der Zumutbarkeit eines Eingreifens gesondert auseinandergesetzt.
c) Der Senat kann trotz des erheblichen Gewichts des Untätigbleibens letztlich nicht ausschließen, dass sich der Rechtsfehler bei der Strafbemessung ausgewirkt hat.“
Ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot hat der BGH auch angenommen im BGH, Beschl. v. 17.06.2022 – 5 StR 110/22. Da hatte die Strafkammer Die Strafkammer „straferschwerend gewertet, dass die Geschädigten für den Angeklagten „nur Sexualobjekte“ seien, „deren von ihm erkannte entgegenstehende Willen er rücksichtslos beiseiteschiebt“.“ Anders der BGH, Beschl. v. 06.09.2022 – 6 StR 274/22 Die Erwägung, der Angeklagte „habe „durch seine Taten eine unbefangene sexuelle Entwicklung der Geschädigten verhindert“, “ hat der BGH nicht als Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB) beanstandet. Denn: “ Während der Tatbestand von §§ 176, 176a StGB der Gefahr von Entwicklungsschäden auf sexuellem Gebiet begegnen soll und diese damit keinen tauglichen Strafzumessungsumstand darstellt, können tatsächlich eingetretene Schäden strafschärfend berücksichtigt werden….“