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Beweiswürdigung III: Aussage-gegen-Aussage, oder: Was ist, wenn ein „sächliches Beweismittel“ vorliegt

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Und als letzte Entscheidung dann noch der KG, Beschl. v. 07.08.2019 – (3) 121 Ss 99/19 (58/19), auch zu einer Beweiswürdigungsproblematik. Nämlich der Frage: Aussage-gegen-Aussage Konstellation, ja oder nein?

Der Angeklagte hat das gegenüber seiner Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung geltend gemacht und Fehler bei der Beweiswürdigung gerügt. Das KG verneint die Aussage-gegen-Aussage-Konstellation und sagt: Beweiswürdigung ist ok.

„a) Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden.

(1) Entgegen dem Vortrag der Revision ist hier kein Fall einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation gegeben. Eine solche liegt vor, wenn die Beweissituation dadurch geprägt ist, dass eine Tatschilderung des Zeugen von jener des Angeklagten abweicht, ohne dass ergänzend auf weitere unmittelbar tatbezogene Beweismittel, etwa belastende Indizien wie Zeugenaussagen über Geräusche oder Verletzungsmuster zurückgegriffen werden kann (vgl. KG StraFo 2019, 164; OLG Hamburg NStZ 2015, 105; Sander StV 2000, 45; ders. in LR, StPO 26. Aufl., § 261 Rn. 83d, Schmandt StraFo 2010, 446). Dies ist hier nicht der Fall, da in Form des Krankenhausberichtes des Humboldtklinikums vom 16. Juni 2015, der sich zu den Verletzungen der Zeugin verhält, ein sachliches Beweismittel vorliegt, welches die Angaben der Zeugin bestätigt. Die von der Rechtsprechung für Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen aufgestellten besonderen Anforderungen an die Beweiswürdigung, wonach insbesondere eine sorgfältige Inhaltsanalyse der Angaben, eine möglichst genaue Prüfung der Entstehungsgeschichte der belastenden Aussage, eine Bewertung eines gegebenenfalls feststellbaren Aussagemotivs sowie eine eingehende Prüfung von Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben zu fordern ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2019 – 2 StR 462/18 –, juris m.w.N.), finden daher keine Anwendung. Heranzuziehen sind somit die allgemeinen Grundsätze der Beweiswürdigung.

(2) Das Revisionsgericht hat die Beweiswürdigung des Tatrichters grundsätzlich hinzunehmen und sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Urteilsgründe Rechtsfehler enthalten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 62. Aufl., § 337 Rn. 26 m.w.N.). Rechtsfehler sind in sachlich-rechtlicher Hinsicht dann gegeben, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH NJW 2019, 945 m.w.N). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 05. September 2017 – 1 StR 365/16 -, juris m.w.N.). Aus den Urteilsgründen muss sich ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH NJW 2008, 2792 m.w.N), dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und dass die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 1994 – 5 StR 453/94 -; Senat, Beschluss vom 8. Juli 2015 – (3) 121 Ss 69/15 (47/15) –, juris m.w.N.). Auf die Sachrüge hin prüft das Revisionsgericht, ob das Gericht alle wesentlichen Tatsachen und Beweisergebnisse, die dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu entnehmen sind, erschöpfend in einer Gesamtschau gewürdigt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2011, 214 m.w.N.). Lückenhaft ist eine Beweiswürdigung insbesondere dann, wenn sie wesentliche Feststellungen nicht erörtert (vgl. BGH StraFo 2016, 110 m.w.N.).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hält die Beweiswürdigung des Landgerichts sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand; sie stellt sich insbesondere nicht als lückenhaft dar. Die Strafkammer hat sich die Überzeugung von den Taten sowie der Täterschaft des Angeklagten rechtsfehlerfrei aufgrund einer Gesamtwürdigung aller für die Beweiswürdigung bedeutsamen Umstände verschafft. Das Landgericht hat sowohl die Einlassung des Angeklagten als auch die Aussage der Zeugin X in den Urteilsgründen umfassend dargestellt, einer kritischen Würdigung unterzogen und sie mit anderen Beweisergebnissen in Beziehung gesetzt. Die Angaben der Zeugin fand das Landgericht durch das ärztlich attestierte Verletzungsbild objektiv bestätigt. Soweit die Revision sich gegen diese Schlussfolgerung wendet, unternimmt sie den Versuch, die Beweiswürdigung der Strafkammer durch eine eigene zu ersetzten. Damit kann sie nicht gehört werden.

Die Urteilsgründe lassen ferner erkennen, dass das Gericht alle Umstände, die die Entscheidung zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten zu beeinflussen geeignet sind, erkannt und in seine Gesamtwürdigung einbezogen hat. Insbesondere hat sich die Strafkammer mit der Motivlage sowohl des Angeklagten als auch der Zeugin eingehend auseinandergesetzt, hat diese gegenübergestellt und auf dieser Grundlage in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die Überzeugung gewonnen, dass das Verhalten der Zeugin keine Anhaltspunkte dafür bot, dass diese den Angeklagten wahrheitswidrig belastet hätte. Bei dem Vortrag der Revision, der Angeklagte habe als Grund für seine Anzeige gegen die Zeugin angegeben, diese habe ihn bereits zuvor verletzt, handelt es sich um urteilsfremdes Vorbringen, welches – ebenso wie die hierauf aufbauende abweichende Beweiswürdigung – im Revisionsverfahren unbeachtlich ist.

Beweiswürdigung II: Beweise sind zu würdigen, oder: Warnschuss vom BGH

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Die zweite Entscheidung zur Beweiswürdigung kommt auch vom 4. Strafsenat des BGH. Der BGH, Beschl. v. 10.09.2019 – 4 StR 398/19 – ist im Grunde ein Klassiker, denn es ist mal wieder einer dieser „versteckten Hilfeschreie“ des BGH betreffend unübersichtliche und zu lange Beweiswürdigungen:

„Die sehr unübersichtliche und zu weiten Teilen aus einer nicht auf die getroffenen Feststellungen bezogenen Aneinanderreihung von Zeugenaussagen bestehende Beweiswürdigung stellt den Bestand des Urteils noch nicht in Frage (vgl. dazu Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 29. Aufl., Rn. 351 und 814). Denn der Senat kann dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend entnehmen, auf welche Beweisgründe die Strafkammer ihre Überzeugung gestützt und wie sie die mitgeteilten Beweisergebnisse gewürdigt hat. Die sehr knapp gehaltenen Ausführungen zum bedingten Tötungsvorsatz, insbesondere zu dessen voluntativem Element (vgl. zu den Darlegungserfordernissen BGH, Urteil vom 14. August 2014 – 4 StR 163/14, NStZ 2015, 266, 267 mwN), sind mit Rücksicht auf die Besonderheiten des Falles (mehrere von oben ausgeführte Würfe mit Stühlen auf den an der Fassade eines Hauses in großer Höhe kletternden Geschädigten) noch ausreichend. Soweit das Landgericht davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte (auch) in seiner Einsichtsfähigkeit „im Sinne des § 21 StGB beeinträchtigt“ war, ohne ausdrücklich darüber zu befinden, ob bei ihm in den Tatsituationen tatsächlich eine Unrechtseinsicht vorhanden war (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 5. Juli 2016 – 4 StR 215/16, Rn. 6 mwN), ergeben die Urteilsgründe noch ausreichend, dass die Strafkammer mit Rücksicht auf das Leistungsverhalten des Angeklagten und den allenfalls für möglich erachteten „mittelschweren Rausch“ das Fehlen einer Unrechtseinsicht im Ergebnis ausgeschlossen hat.“

Ich weiß, es ist nicht einfach den Anforderungen des BGH an die Beweiswürdigung gerecht zu werden. Einerseits darf nicht zu wenig geschrieben werden, andererseits aber auch nicht zu viel. Eins ist aber sicher: Die Betonung liegt auf „….. würdigung“, nicht auf „…. mitteilung des Beweisergebnisses“.

Beweiswürdigung I: Unzulässige nachteilige Schlüsse aus anfänglichem Schweigen, oder/aber: Nicht tragend

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Heute mache ich dann einen „Beweiswürdigungstag“ 🙂 . Und den eröffnet der BGH, Beschl. v. 17.09.2019 – 4 StR 150/19. In dem beanstandet der BGH eine Erwägung des LG, weil damit unzulässiger Weise aus dem anfänglichen Schweigen des Angeklagten nachteilige Schlüsse gezogen worden sind. Aber: Dann das „übliche Spiel“: Ersichtlich nicht tragend. Na ja.

„Zwar begegnet die im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägung, der Angeklagte habe sich „weder im Anschluss an seine Verhaftung gegenüber den Beamten De.     und D.   noch bei der Eröffnung des Haftbefehls auf ein Alibi berufen“, „obwohl es sich aus seiner Sicht geradezu aufgedrängt hätte, ein solches sofort nach der Konfrontation mit dem Vorwurf den Beamten und/oder dem Haftrichter zu präsentieren“, rechtlichen Bedenken. Ausweislich der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte erstmals in der Hauptverhandlung durch eine Verteidigererklärung zur Sache eingelassen und zuvor von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Mit der angestellten Beweiserwägung hat das Landgericht in unzulässiger Weise aus dem anfänglichen Schweigen des Angeklagten nachteilige Schlüsse gezogen. Diesem steht es frei, ob er sich zur Sache einlässt oder nicht zur Sache aussagt (§ 136 Abs. 1 Satz 2, § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO). Der unbefangene Gebrauch dieses Schweigerechts wäre nicht gewährleistet, wenn der Angeklagte die Prüfung und Bewertung der Gründe für sein Aussageverhalten befürchten müsste. Deshalb dürfen aus der Aussageverweigerung keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2014 – 3 StR 196/14, NStZ 2014, 666 mwN). Der Senat schließt jedoch ein Beruhen des Urteils auf dieser ersichtlich nicht tragenden, rechtlich bedenklichen Erwägung aus.“

Urteil II: Abweichen vom Sachverständigengutachten, oder: Das muss man begründen…

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Die zweite Entscheidung des Tages, der BGH, Beschl. v. 10.04.2019 – 2 StR 338/18 – behandelt aus dem Bereich „Urteilsgründe/Beweiswürdigung“ einen Dauerbrenner, der den BGH, aber auch die OLG, immer wieder beschäftigt. Nämlich: Wie müssen die Urteilsgründe beschaffen sein, wenn das Tatgericht einem Sachverständigen, der in der Hauptverhandlung von einem ursprünglichen Gutachten abweicht, nicht (mehr) folgen will.

Hier hatte das LG den Angeklagten u.a. wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen verurteilt. Der Angeklagte hatte die Taten bestritten. Das LG hat sich seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten vor allem auf Grund der Angaben der Nebenklägerin verschafft. Die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage werde durch eine Tagebucheintragung vom 26. Januar 2014 und einen Brief an ihre Großmutter aus dem Jahre 2016 gestützt. Der BGH beanstandet die Beweiswürdigung der Strafkammer:

„b) Gemessen daran erweist sich die Beweiswürdigung des Landgerichts als rechtsfehlerhaft. Sie weist Lücken auf.

aa) Das Landgericht hat es versäumt, nachvollziehbar darzulegen, warum es der Sachverständigen T., die in ihrem mündlichen Gutachten in der Hauptverhandlung – abweichend von ihrem schriftlichen Gutachten – nicht mehr von der Erlebnisbasiertheit der Angaben der Nebenklägerin ausgegangen ist, nicht gefolgt ist.

(1) Zwar ist das Tatgericht nicht gehalten, einem Sachverständigen zu folgen. Kommt es aber zu einem anderen Ergebnis, so muss es sich konkret mit den Ausführungen des Sachverständigen auseinander setzen, um zu belegen, dass es über das bessere Fachwissen verfügt. Es muss insbesondere auch dessen Stellungnahme zu den Gesichtspunkten wiedergeben, auf die es seine abweichende Auffassung stützt und unter Auseinandersetzung mit diesen seine Gegenansicht begründen, damit dem Revisionsgericht eine Nachprüfung möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2017 – 2 StR 323/16, NStZ-RR 2017, 222; vom 14. September 2017 – 4 StR 45/17, juris Rn. 10 mwN).

(2) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht teilt zwar mit, dass die Sachverständige in ihrem schriftlichen Gutachten zunächst von der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin ausgegangen sei und dass sie ihre Meinung in der Hauptverhandlung geändert habe. Auch legt es noch dar, dass sich die Sachverständige im Hinblick auf das Näheverhältnis zwischen Mutter und Tochter und die erst im Rahmen der Hauptverhandlung erkennbar gewordene Intensität, mit der die Nebenklägerin in die Beziehung ihrer Mutter zu dem Angeklagten einbezogen gewesen sei, zu einer Überprüfung der im schriftlichen Gutachten angestellten Hypothesen veranlasst gesehen habe. Dabei erläutert das Landgericht weiter, dass es nach Ansicht der Gutachterin zu einer „Art Rollenumkehr“ zwischen Mutter und Tochter gekommen sein könne und die Nebenklägerin möglicherweise das Gefühl gehabt habe, die Mutter zu beschützen. In diesem Zusammenhang könnten die von ihr geschilderten „Kuschelsituationen“, die jeweils Ausgangspunkt der sexuellen Übergriffe durch den Angeklagten gewesen sein sollen, in sexuelle Handlungen umgedeutet worden sein (sog. Umdeutungshypothese), wofür die wenig detailreichen Angaben der Nebenklägerin, die alles nur angerissen hätte, ein Beleg seien. Schließlich teilt die Strafkammer noch mit, warum sie sich der Einschätzung der Sachverständigen nicht anschließt, indem sie sich vor allem darauf beruft, dass die Angaben der Nebenklägerin durch die Tagebucheintragung und den Brief an die Großmutter gestützt würden und sich deshalb der Rückschluss auf eine Falschbelastung als nicht tragfähig erweise, zumal der Gutachterin schon bei Erstellung des vorläufigen Gutachtens bekannt gewesen sei, dass die Nebenklägerin Zeugin von Gewalttätigkeiten des Angeklagten gegenüber der Mutter gewesen sei und daraufhin zu ihrem Schutz die Polizei gerufen habe.

Diese Ausführungen in den Urteilsgründen versetzen den Senat zum einen nicht hinreichend in die Lage, das Abweichen der Strafkammer vom mündlichen Gutachten der Sachverständigen nachzuvollziehen. Denn das Landgericht versäumt es, das schriftliche Gutachten, dem sich das Landgericht der Sache nach anschließt, in den für den zugrunde liegenden Fall maßgeblichen Punkten darzulegen. Die Strafkammer beschränkt sich insoweit darauf, schlagwortartig ohne nähere Erläuterung darzutun, dass die Sachverständige unter Heranziehung verschiedener Hypothesen (Nullhypothese, Phantasiehypothese, Wahrnehmungsübertragungshypothese, Personenübertragungshypothese) zur Annahme einer erlebnisbasierten Aussage der Nebenklägerin gekommen sei. Sie teilt aber nicht mit, ob die Umdeutungshypothese, die in der Hauptverhandlung für die Gutachterin Anlass war, von ihrem schriftlichen Gutachten abzuweichen, dort schon erörtert worden ist und ob dabei gegebenenfalls das „Näheverhältnis zwischen Mutter und Tochter“ Berücksichtigung gefunden hat. Aufgrund dessen lässt sich weder nachvollziehen, ob die Gutachterin mit ihren Hinweisen auf die in der Hauptverhandlung deutlich gewordene Intensität der Mutter-Tochter-Beziehung einen tragfähigen Anlass hatte, von ihrem schriftlichen Gutachten abzuweichen, noch lässt sich erkennen, ob das Landgericht unter Berufung auf das schriftliche Gutachten eine hinreichend sachkundige Einschätzung hatte, auf die es die Annahme einer erlebnisbasierten Aussage stützten konnte.

bb) Die landgerichtliche Entscheidung ist zum anderen auch deshalb lückenhaft, weil sie die Widerlegung der Umdeutungshypothese auf die schriftliche Bestätigung von Tatgeschehen im Tagebuch der Nebenklägerin und in einem Brief an ihre Großmutter gestützt hat (vgl. UA S. 17), ohne sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob nicht auch diese Schriftstücke schon Ausdruck einer vorangegangenen Umdeutung durch die Nebenklägerin sein könnten. …..“

Beweiswürdigung II: Freispruchsurteil und Standardbeweiswürdigung, oder: Warum diese Fehler?

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Bei der zweiten Entscheidung aus dem Themenkreis „Beweiswürdigung“, die ich vorstelle, handelt es sich um das BGH, Urt. v. 22.05.2019 – 5 StR 36/19. Ergangen ist es in einem Verfahren mit dem Vorwurf der Vergewaltigung. Das LG hatte den Angeklagten vom Vorwurf zweier Vergewaltigungen zum Nachteil der Nebenklägerin freigesprochen. Gegen diesen Freispruch richtete sich die Revision der Nebenklägerin, die dann mit der der Sachrüge Erfolg hat, und zwar aus zwei Gründen:

Der BGH beanstandet zunächst einen Verstoß gegen § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO:

„1. Das Urteil des Landgerichts entspricht bereits nicht den Anforderungen, die gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind.

Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss die Begründung des Urteils so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht überprüfen kann, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Deshalb hat es im Urteil in der Regel nach dem Tatvorwurf zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen zum objektiven Tatgeschehen festzustellen, die es für erwiesen hält, bevor es in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen – zusätzlichen – Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite nicht getroffen werden konnten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Oktober 2011 – 1 StR 134/11 mwN).

Diese Mindestanforderungen an die Darstellung eines freisprechenden Urteils sind hier nicht erfüllt. Lediglich ganz knapp und nur mit einem Satz im Rahmen der Beweiswürdigung teilt das Landgericht mit, dass am Stattfinden der sexuellen Handlungen ebensowenig Zweifel bestünden wie an den inneren Vorbehalten der Nebenklägerin dagegen (UA S. 13); es habe lediglich keine eindeutige Kundgabe ihres entgegenstehenden Willens gegeben. Wie sich der Angeklagte und die Nebenklägerin ganz konkret in den jeweiligen Tatsituationen nach Auffassung der Strafkammer verhalten haben, bleibt demgegenüber offen.“

Diese Vorgehensweise leuchtet mir auf den ersten Blick nicht ein. Denn, wenn man frei spricht, muss man m.E. das Urteil auch so begründen, dass „es hält“. Und zwar auch dann, wenn man sich ggf. in der Beratung mit seinem Vorschlag: Verurteilung, ggf. nicht hat „durchsetzen können“.

Die zweite Beanstandung des BGH richtet sich gegen die Beweiswürdigung. Die „Vorhalte“ betreffen aber Standardfragen….

„2. Auch die Beweiswürdigung weist Rechtsfehler auf.

a) Diese ist zwar Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Spricht es einen Angeklagten frei, weil es Zweifel nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatgerichts durch seine eigene zu ersetzen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich somit darauf, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie Lücken aufweist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden. Ferner ist die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden oder sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 11. April 2013 – 5 StR 261/12 und vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 253/16, je mwN).

b) Lückenhaft ist die Beweiswürdigung zur Feststellung möglicher Falschangaben der Nebenklägerin gegenüber der Polizei bezüglich eines angeblichen Übergriffs zu Lasten des Zeugen L. Die Nebenklägerin hat hierzu angegeben, sie könne sich nicht daran erinnern, gegenüber der Polizei behauptet zu haben, bei einem solchen Übergriff anwesend gewesen zu sein. Es bleibt unklar, aufgrund welcher Beweismittel sich die Strafkammer davon überzeugt hat, dass die Nebenklägerin entgegen ihrer Aussage in der Hauptverhandlung diese Angaben vor der Polizei doch wie festgestellt getätigt und damit im Ergebnis gelogen hat.

Schließlich fehlt es auch an der erforderlichen Gesamtwürdigung aller für und gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin sprechenden Aspekte. Unberücksichtigt bleibt etwa, dass die Nebenklägerin auch ihren Eltern gegenüber angegeben hat, der Angeklagte habe während ihrer Beziehung mehrfach ihren Willen missachtet, keinen Geschlechtsverkehr zu haben.“

Auch insoweit m.E. kaum nachvollziebare Anfängerfehler, die zu dem Schluss führen könn(t)en, das LG habe es auf eine Aufhebung des Freispruchs angelegt.