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BtM II: Zurückstellung der Vollstreckung nach § 35 BtMG, oder: Gesetzesänderung übersehen

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In der zweiten Entscheidung, dem OLG Naumburg, Beschl. v. 10.08.2021 – 1 VAs 4/21 -, den mir der Kollege Reulecke geschickt hat, geht es um die Frage der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG. Ein entsprechender Antrag des Verurteilten war abgelehnt worden. Der Verurteilte hatt dann im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG Erfolg:

„Auch in der Sache hat der Antrag – vorläufig – Erfolg. Die Bescheide der Staatsanwaltschaft Halle – Zweigstelle Naumburg – vom 27. April 2021 und der Generalstaatsanwaltsehaft Naumburg vom 30. Juni 2021 sind rechtswidrig und verletzten den Antragsteller in seinen Rechten (§ 28 Abs. 1 Satz 1 EGGVG),

1. …..

2. Vorliegend haben die Staatsanwaltschaften den Antrag des Verurteilten auf Zurückstellung der Strafvollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Halle vom 4. Januar 2018 nach § 35 BtMG zurückgewiesen, da eine weitere Freiheitsstrafe – hier die sechsmonatige Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bernburg vom 19. August 2020 – als Anschlussvollstreckung einer Zurückstellung entgegenstehe (§ 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG). Eine Änderung der Vollstreckungsreihenfolge – wie von dem Verurteilten beantragt ¬hat die Generalstaatsanwaltschaft abgelehnt, da die §§ 43 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 StVollstrO die Reihenfolge der Vollstreckung bestimmten.

Bei der Prüfung des Antrages des Verurteilten hat die Staatsanwaltschaft indes nicht in ihr Ermessen eingestellt, dass eine Änderung der Vollstreckungsreihenfolge nach §§ 43 Abs. 2 und 3 bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 43 Abs. 4 StVollstrO zur Änderung festgelegten Vollstreckungsreihenfolge führen kann.

Ein wichtiger Grund im Sinne des § 43 Abs. 4 StVollstrO, die Vollstreckungsreihenfolge zu ändern, ist hier nicht von vorneherein ausgeschlossen. Der vom Antragsteller beantragten Änderung der Vollstreckungsreihenfolge und der (Vorweg-)Vollzug der gesamten sechsmonatigen – nicht nach § 35 BtMG zurückstellungsfähigen – Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bernburg steht die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Vermerk der Staatsanwaltschaft Halle – Zweigstelle Naumburg – vom 20. Juni 2021, BI. 137 Bd. II d. VH) nicht mehr entgegen. Zwar habe der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine Vorabvollstreckung der nicht zurückstellungsfähigen Strafe unter Änderung der Vollstreckungsreihenfolge nach § 43 Abs. 4 StVollstrO selbst auf Antrag des Verurteilten nicht in Betracht komme, dies deshalb, weil auch eine nach § 454b Abs. 2 StPO unterbrochene Strafe eine im Sinne des § 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG zu vollstreckende Strafe sei, die die Zurückstellung der weiteren Strafen nach § 35 BtMG hindere (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2010 — 5 AR (VS) 23/10 -, juris). Hierauf hat der Gesetzgeber in § 454b Abs. 3 StPO indes reagiert. Die Vorschrift wurde durch Art. 3 Nr. 36 Buchst. a des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 (BGBl. I S, 3202), in Kraft getreten am 24. August 2017, eingeführt, um therapiewilligen Verurteilten die Zurückstellung einer suchtbedingten Freiheitsstrafe unter den Voraussetzungen des § 35 BtMG auch bei gleichzeitigem Vorliegen nicht suchtbedingter Freiheitsstrafen zu ermöglichen. Nicht suchtbedingte Freiheitsstrafen können damit auf Antrag des Verurteilten – und ein solcher liegt hier vor – vor der Zurückstellung suchtbedingter Freiheitsstrafen und vor Antritt der Therapie vollständig verbüßt werden (vgl. Appl in Karlsruher-Kommentar, StPO, 8. Aufl. 2019, § 454b, Rn. 4a).

Dieser – durch die Gesetzesänderung – neu ins Gesetz eingeführte Gesichtspunkt hat bei der Entscheidung der Staatsanwaltschaft erkennbar keine Rolle gespielt. Er wird aber bei der nunmehr zu treffenden Entscheidung der Vollstreckungsbehörde, ob ein wichtiger Grund im Sinne des § 43 Abs. 4 StVollstrO vorliegt, der eine Änderung der Vollstreckungsreihenfolge – wie von dem Verurteilten begehrt – gebietet, zu berücksichtigen sein.“

BtM I: Erwerb/Aufzucht von Cannabissetzlingen, oder: Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

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Schon etwas älter ist der BGH, Beschl. v. 27.05.2021 – 5 StR 337/20 -, den ich als ersten unter dem Tages-Thema „BtM“ vorstelle.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Seine Revision hatte teilweise Erfolg:

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

a) Die angeklagten Eheleute begannen ab etwa April 2018 damit, in einem in ihrem Eigentum stehenden unbewohnten Haus eine Cannabis-Plantage einzurichten, um durch den Verkauf der erwarteten Ernte notwendige Mittel für eine Renovierung zu erwirtschaften. Die erforderlichen Arbeiten wurden überwiegend vom Angeklagten durchgeführt, die Mitangeklagte arbeitete teilweise mit oder besorgte benötigte Materialien.

Zum Zeitpunkt der polizeilichen Durchsuchung am 27. November 2019 lagerten sie im Eingangsbereich des Hauses in zwei Tragetaschen 342 Cannabis-Stecklinge mit einer Höhe zwischen 10 und 15 cm, die in Steinwolle-Blöcke gepflanzt waren. Es handelte sich um 74,69 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 3,08 %, mithin 2,3 g Tetrahydrocannabinol (THC). Nur wenige Schritte entfernt war ein funktionsfähiger Raum für den Anbau der Cannabispflanzen mit Pflanzbänken und 65 Pflanzschalen hergerichtet worden. Darin sollten die Stecklinge nach der Vorstellung der Angeklagten heranwachsen und abgeerntet werden. Bei einem erwarteten Ertrag von etwa 6,84 kg Cannabisblüten (mit einem Wirkstoffgehalt von 10 %) und einem Kilopreis von mindestens 3.500 Euro hatten die Angeklagten mit einem Erlös von mindestens 23.940 Euro gerechnet (Fall 1).

Das Landgericht hat ein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG angenommen. Die Setzlinge hätten bereits einen relevanten THC-Gehalt gehabt und seien durch die räumliche Nähe zu den Pflanzbänken „in die Plantage im weiteren Sinne eingebracht“ gewesen….

….

2. Während Schuld- und Strafausspruch im Fall 2 der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten aufweisen, hält der Schuldspruch im Fall 1 rechtlicher Prüfung nicht stand. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht.

a) Handeltreiben im Sinne des 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256). Hiervon sind solche Handlungen abzugrenzen, „die lediglich typische Vorbereitungen darstellen, weil sie weit im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes liegen“ (BGH, aaO, 265 f.). Dabei ist auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles abzustellen.

Die Aufzucht von Cannabispflanzen erfüllt den Tatbestand des Handeltreibens, wenn der Anbau auf die gewinnbringende Veräußerung der herzustellenden Betäubungsmittel zielt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 2011 – 3 StR 491/10, NJW 2011, 1461; Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 407/12, BGHSt 58, 99, 101 mwN). Allein der Erwerb von Setzlingen zum Zweck des anschließenden Anbaus stellt dabei aber noch keine auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit dar (BGH, Urteil vom 15. März 2012 – 5 StR 559/11, NStZ 2012, 514; vgl. MüKo-StGB/O?lakc?o?lu, 3. Aufl., BtMG § 29 Rn. 455; aA Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 29 Teil 4 Rn. 198; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 29 Rn. 598; Patzak, NStZ 2012, 514, 515; Patzak/Goldhausen, NStZ 2014, 384; offengelassen von BGH, Beschlüsse vom 15. Februar 2011 – 3 StR 491/10, NStZ 2011, 459, 460, und vom 29. September 2016 – 2 StR 591/15). In derartigen Fällen entfaltet vielmehr der (verdrängte) Straftatbestand des Anbaus von Betäubungsmitteln insoweit eine Begrenzungsfunktion für den Tatbestand des Handeltreibens, als er den Versuch erst mit dem unmittelbaren Ansetzen zur Aussaat oder zum Anpflanzen beginnen lässt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. August 2011 – 2 StR 228/11, NStZ 2012, 43, und vom 15. März 2012 – 5 StR 559/11, NStZ 2012, 514), wobei sich die Abgrenzung zwischen Vorbereitungsstadium und Versuch nach allgemeinen Kriterien anhand der Umstände des Einzelfalls richtet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Februar 2011 – 3 StR 491/10 aaO; vom 3. August 2011 – 2 StR 228/11, NStZ 2012, 43, und vom 15. März 2012 – 5 StR 559/11, NStZ 2012, 514, 515). Eine Vollendung des Handeltreibens tritt regelmäßig erst mit dem Anbau in Verkaufs- und Gewinnerzielungsabsicht, also mit Anpflanzung der Setzlinge ein (vgl. BGH, Beschluss vom 3. August 2011 – 2 StR 228/11, aaO; BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 407/12, BGHSt 58, 99, 101), denn der (vollendete) Anbau erfordert das Einpflanzen der Setzlinge in die dazu bestimmten Gefäße (vgl. Körner/Patzak/Volkmer, 9. Aufl., BtMG § 29 Teil 2 Rn. 24; Weber, 5. Aufl., BtMG § 29 Rn. 54; MüKo-StGB/O?lakc?o?lu, 3. Aufl., BtMG § 29 Rn. 23).

b) Nach diesen Maßstäben belegen die Feststellungen eine Vollendung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht. Die Setzlinge befanden sich zwar bereits im Flur des Hauses, waren aber noch nicht zur Anpflanzung in die hierfür vorgesehenen Pflanzbänke bzw. Pflanzschalen gelangt. Ob die Schwelle zum Versuch bereits überschritten wurde oder – wie der Generalbundesanwalt meint – lediglich eine Verbrechensverabredung vorliegt, lässt sich den auf eine andere rechtliche Bewertung abzielenden Urteilsfeststellungen nicht hinreichend entnehmen.“

Bewährung III: Widerruf einer Strafe nach Jugendrecht, oder: Wenn der Verurteilte inzwischen erwachsen ist

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Die dritte Entscheidung betreffend Widerruf stammt aus dem Bereich des Jugendrechts.

Der Verurteilte ist durch Urteil des Jugendschöffengerichts wegen gemeinschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Jugendstrafe verurteilt worden, der Rest der Jugendstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Nachdem der Verurteilte dann wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden war, hat das AG die Bewährung widerrufen. Auf die sofortige Beschwerde hat das LG Traunstein im LG Traunstein, Beschl. v. 31.03.2021 – Qs 70/21 jug – den Widerrfsbeschluss wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben:

„Die zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten ist begründet.

Es fehlt vorliegend an der gemäß § 58 Abs. 1 Satz 3 JGG erforderlichen Gelegenheit des Verurteilten zur mündlichen Äußerung. Das Amtsgericht Rosenheim hat den Verurteilten mit Schreiben vom 25.01.2021 auf den Antrag der Staatsanwaltschaft Traunstein, die Restjugendstrafe zu widerrufen, hingewiesen und Gelegenheit gegeben, sich zu dem Antrag der Staatsanwaltschaft binnen zwei Wochen ab Zugang dieses Schreibens zu äußern.

Die Vorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 3 JGG findet gemäß § 109 Abs. 2 Satz 1 JGG auch in Verfahren, wie dem vorliegenden, Anwendung, in dem gegen einen Heranwachsenden Jugendstrafrecht angewandt wurde; dass der Verurteilte mittlerweile erwachsen ist, ändert hieran nichts (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 08.11.2016 – 3 Ws 396/16). Soweit die Ansicht vertreten wird, dass das Erfordernis der mündlichen Anhörung seine Grenze darin findet, dass der Verurteilte mittlerweile deutlich das Erwachsenenalter erreicht hat, so dass eine erzieherische Einwirkung gar nicht mehr möglich ist, wird auf die Vollendung des 24. bzw. 26. Lebensjahres abgestellt (vgl. BeckOK JGG, 20. Edition, § 6, Rz. 35). Der Verurteilte ist erst 23 Jahre alt. Dem Anhörungserfordernis ist mit dem Anschreiben vom 25.01.2021 nicht Genüge getan, da dieses lediglich als Aufforderung zu einer schriftlichen Stellungnahme verstanden werden kann (vgl. OLG Hamm, a.a.O.).

Der Verstoß gegen die Gewährung der Möglichkeit einer mündlichen Anhörung verhilft der sofortigen Beschwerde gegen den Widerruf zum Erfolg. Ein Nachholen der Anhörung in der Beschwerdeinstanz ist nicht möglich, da der Verurteilte ansonsten eine Instanz verliert (vgl. BeckOK, a.a.O., Rz. 36).“

„Hätten Sie es gewusst?“ 🙂

StGB III: Tatobjekt bei der Geldwäsche n.F., oder: Durch Steuerhinterziehung ersparte Aufwendungen?

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Und als letzte Entscheidung der OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.05.2021 – 4 Ws 53/21 – zur Steuerhinterziehung und oder Geldwäsche. Das Fazit der Entscheidung: Durch Steuerhinterziehung ersparte Aufwendungen sind kein taugliches Tatobjekt im Sinne des § 261 Abs. 1 StGB i.d.F. des Gesetzes zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche vom 09.03.2021.

Auszugehen war von folgendem Sachverhalt:

„In dem gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts der Geldwäsche geführten Ermittlungsverfahren hat das Amtsgericht Saarbrücken auf Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 21. Dezember 2020 gemäß §§ 111e Abs. 1, 111j Abs. 1 StPO zur Sicherung der Vollstreckung des staatlichen Anspruchs auf Einziehung des Wertes von Taterträgen einen Vermögensarrest in Höhe von 485.000 € in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Beschuldigten und der D. Immobilien GmbH, S., als Gesamtschuldner angeordnet. Zur Begründung des Verdachts der Geldwäsche ist in dem Beschluss ausgeführt, dass der Beschuldigte verdächtig sei, im Zeitraum von 2012 bis 2020 Geldbeträge aus Steuerhinterziehungen über sein Firmenkonsortium mit Firmen in der Schweiz in andere, bereits gelöschte Unternehmen verschoben zu haben, um diese Geldbeträge scheinbar zu legalisieren und die inkriminierten Vermögenswerte vor den Behörden zu verbergen, indem er Gewinne seines Unternehmens „J. Grundstücksverwaltungs GmbH & Co. KG“ dadurch reduzierte, dass er Aufwendungen in Bezug auf Verbindlichkeiten zu seinem Unternehmen „T. AG“ in der Schweiz zum Schein generierte und damit seine Steuerpflicht verkürzte, sodann Geldbeträge aus der Steuerhinterziehung auf Konten der T. AG und der ebenfalls von ihm beherrschten „S. AG“ ? bei beiden Gesellschaften soll es sich um sogen. Domizilgesellschaften handeln ? transferierte und am 16.06.2020 einen Betrag von 485.000 € von der zu diesem Zeitpunkt bereits liquidierten S. AG an die ebenfalls bereits liquidierte D. Immobilien GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Liquidator er war, überwies.“

Das LG hat die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde des Beschuldigten verworfen. Er hatte beim OLG aber Erfolg:

„Der gemäß § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO statthaften und auch im Übrigen zulässigen weiteren Beschwerde kann der Erfolg in der Sache nicht versagt bleiben. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie des Beschlusses des Amtsgerichts Saarbrücken vom 21. Dezember 2020, da die Voraussetzungen für die Anordnung eines Vermögensarrestes gemäß § 111e Abs. 1 StPO nicht (mehr) vorliegen.

Nach § 111e Abs. 1 Satz 1 StPO kann zur Sicherung der Vollstreckung der Vermögensarrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Betroffenen angeordnet werden, wenn die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz vorliegen. Die Anordnung des Vermögensarrestes setzt danach – neben einem erforderlichen Sicherungsbedürfnis (vgl. Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 111e Rn. 5) – voraus, dass bestimmte Tatsachen die Annahme (im Sinne einer gewissen Wahrscheinlichkeit) begründen, dass die Voraussetzungen für eine spätere gerichtliche Anordnung der Wertersatzeinziehung vorliegen (vgl. Köhler, a.a.O., § 111e Rn. 4), mithin, dass ein einfacher Tatverdacht der Begehung einer Straftat besteht und Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Einziehung von Wertersatz in dem Urteil wegen der Tat oder im selbständigen Einziehungsverfahren (§ 76a StGB, §§ 435, 436 StPO) angeordnet werden wird (Köhler, a.a.O., § 111e Rn. 4; Hanseat. OLG Hamburg, Beschl. v. 26.10.2018 – 2 Ws 183/18, juris; KG Berlin, Beschl. v. 02.06.2020 – 4 Ws 21/20 -, juris).

Vorliegend besteht – anders als zum Zeitpunkt der Anordnung des Vermögensarrestes durch das Amtsgericht – der Verdacht eines Vergehens der Geldwäsche gemäß § 261 StGB nicht mehr. Das dem Beschuldigten in dem Vermögensarrest vorgeworfene Verhalten rechtfertigt nach der Neufassung des § 261 StGB durch das am 18.03.2021 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche vom 9. März 2021 (BGBl. 2021 Teil 1, S. 327 ff.) nicht mehr die Annahme, dass sich der Beschuldigte wegen Geldwäsche strafbar gemacht habe. Denn nach § 261 Abs. 1 StGB in der seit dem 18.03.2021 geltenden Fassung handelt es sich bei dem Betrag von 485.000 € nicht (mehr) um einen Gegenstand, der aus einer rechtswidrigen Vortat herrührt. Macht der Vortäter – wie es hier dem Beschuldigten vorgeworfen wird – gegenüber der Finanzbehörde falsche Angaben und erreicht hierdurch, dass gegen ihn ein zu niedriger Steuerbetrag festgesetzt wird, handelt es sich bei den insoweit ersparten Aufwendungen in Höhe des Verkürzungsbetrags nicht um „illegal erworbene“ Vermögenswerte, sondern lediglich um einen rechnerischen Vorteil im Gesamtvermögen, der zwar konkret bezifferbar ist, sich aber nicht in einem bestimmten, von diesem abtrennbaren Vermögensbestandteil niederschlägt (amtl. Begründung BT-Drs. 19/24180, S. 17 und 14/7471, S. 9; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 261 Rn. 11 m.w.N.). Um solche Vermögenswerte im Rahmen des Geldwäschetatbestands zu erfassen, sah § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB in der bis zum 17.03.2021 gültigen Fassung für bestimmte Delikte eine Erweiterung des Kreises der Tatobjekte gegenüber § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB vor und erstreckte ihn bei gewerbsmäßiger oder bandenmäßiger Steuerhinterziehung nach § 370 AO auch auf die durch die Steuerhinterziehung ersparten Aufwendungen. Diese Regelung ist in der seit dem 18.03.2021 gültigen Neufassung des § 261 StGB weggefallen. In der Gesetzesbegründung ist insoweit ausgeführt, dass wegen der mit dem Wegfall eines selektiven Vortatenkatalogs verbundenen erheblichen Ausweitung der Geldwäschestrafbarkeit an den bisher in § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB für bestimmte Steuerdelikte vorgesehenen Erweiterungen des Tatobjektsbegriffs nicht festgehalten werden soll (BT-Drs. 19/24180, S. 17). Der Wegfall des bisherigen § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB widerspreche auch nicht Art. 2 Nr. 1 Buchstabe q der Richtlinie (EU) 2018/1673 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2018 über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche (ABl. L 284 vom 12.11.2018), wonach Steuerstraftaten im Zusammenhang mit direkten und indirekten Steuern Vortat der Geldwäsche sein sollen, da es sich bei den durch die Steuerhinterziehung ersparten Aufwendungen gerade nicht um Fälle von Geldwäsche nach den Vorgaben der Richtlinie oder der Financial Action Task Force (FATF) handele. Als geldwäscherelevant würden sowohl nach der Richtlinie als auch nach der Empfehlung 3 der FATF Vermögensgegenstände bezeichnet, die aus einer kriminellen Tätigkeit stammen bzw. Erträge aus Straftaten sind. Ersparten Aufwendungen fehlte aber genau dieser kriminelle Ursprung, denn es handele sich regelmäßig um legal erworbenes Vermögen, das wegen der Tat nur weiterhin in der Vermögensgesamtheit des Täters als rechnerischer Vorteil verbleibe. Damit werde er aber nicht zu einem tauglichen Geldwäscheobjekt (BT-Drs. 19/24180, S. 18).

Werden danach durch eine Steuerhinterziehung ersparte Aufwendungen durch § 261 StGB in der seit dem 18.03.2021 gültigen Fassung nicht mehr erfasst, führt dies vorliegend dazu, dass der Beschuldigte sich nach diesem Gesetz, das vorliegend gemäß § 2 Abs. 3 StGB als das mildeste Gesetz – hierunter ist auch ein Gesetz zu verstehen, nach dem die Tat straflos ist (vgl. BGHSt 20, 119; Fischer, a.a.O., § 2 Rn. 10) – anwendbar ist, nicht wegen Geldwäsche strafbar gemacht hat.

Da der Senat im vorliegenden Beschwerdeverfahren auch nicht berufen ist, dem angeordneten Vermögensarrest eine andere, in einem weiteren Strafverfahren verfolgte Tat, namentlich die im Verfahren 5 Js 16/20 der Staatsanwaltschaft Saarbrücken verfolgten – bei Anordnung des Vermögensarrestes als Vortaten der Geldwäsche gewerteten – Taten der Steuerhinterziehung zugrunde zu legen, waren der angefochtene Beschluss und der – den Vermögensarrest anordnende – Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 21. Dezember 2020 aufzuheben.“

 

JGG III: Jugendlicher Beschuldigter aus Guinea nennt Polizeibeamte „Rassisten“, oder: Pflichtverteidiger

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Die dritte JGG-Entscheidung behandelt u.a. Pflichtverteidigungsfragen, sie hätte also auch ganz gut an einem „Pflichti-Tag“ vorgestellt werden können. Aber ich bringe sie heute, damit sie nicht „untergeht“. Denn es handelt sich bei dem LG Bremen, Beschl. v. 28.06.2021 – 41 Qs 243/21 – um eine „sehr schöne“ Entscheidung, die der Kollege Sürig aus Bremen erstritten hat.

Es geht in dem umfangreiche begründeten Beschluss insbesondere um eine Rückwirkungsproblematik. In dem Zusammenhang nimmt das LG aber auch zu einigen anderen Fragen Stellung. Die Entscheidung, die ich wegen ihre Umfangs hier nicht voll einstelle, ist lesenswert. Vor allem auch, weil das LG zur Frage der rückwirkenden Bestellung eines Plfichtverteidigers eine andere Auffassung als das „übergeordnete“ OLG Bremen vertritt. Es geht also 🙂 .

Also: Hier nur die Leitsätze zu der Entscheidung, und zwar:

  1. Die Bezeichnung von Polizeibeamten als „Rassisten“ anlässlich eines konkreten Einsatzes stellt weder eine Verletzung der Menschenwürde noch eine Formalbeleidigung noch eine Schmähkritik dar.

  2. Bei einem zur Tatzeit jugendlichen Beschuldigten ist eine extensive Auslegung des § 140 Abs. 2 StPO geboten.

  3. Einem aus einem fremden Kulturkreis stammenden, nicht gerichtserfahrenen und nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfügenden Jugendlichen führt die Frage, ob die Bezeichnung eines anderen als „Rassist“ eine Beleidigung ist, zu einer schwierigen Rechtslage und macht die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach § 140 Abs. 2 StPO erforderlich.

  4. Liegt im Zeitpunkt der Antragstellung eine Pflichtverteidigerbeiordnung bereits ein Fall notwendiger Verteidigung vor, ist dem Angeschuldigten unverzüglich ein Verteidiger zu bestellen.

  5. Ein Pflichtverteidiger kann dann nachträglich, insbesondere nach Einstellung des Verfahrens bestellt werden, wenn der Antrag auf Beiordnung bereits rechtzeitig vor Verfahrensabschluss gestellt wurde, bereits zuvor eine Bestellung hätte erfolgen müssen und die Entscheidung allein aufgrund justizinterner Vorgänge unterblieben ist, auf die der Beschuldigte keinen Einfluss hatte.