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BtM I: Erwerb/Aufzucht von Cannabissetzlingen, oder: Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

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Schon etwas älter ist der BGH, Beschl. v. 27.05.2021 – 5 StR 337/20 -, den ich als ersten unter dem Tages-Thema „BtM“ vorstelle.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Seine Revision hatte teilweise Erfolg:

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

a) Die angeklagten Eheleute begannen ab etwa April 2018 damit, in einem in ihrem Eigentum stehenden unbewohnten Haus eine Cannabis-Plantage einzurichten, um durch den Verkauf der erwarteten Ernte notwendige Mittel für eine Renovierung zu erwirtschaften. Die erforderlichen Arbeiten wurden überwiegend vom Angeklagten durchgeführt, die Mitangeklagte arbeitete teilweise mit oder besorgte benötigte Materialien.

Zum Zeitpunkt der polizeilichen Durchsuchung am 27. November 2019 lagerten sie im Eingangsbereich des Hauses in zwei Tragetaschen 342 Cannabis-Stecklinge mit einer Höhe zwischen 10 und 15 cm, die in Steinwolle-Blöcke gepflanzt waren. Es handelte sich um 74,69 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 3,08 %, mithin 2,3 g Tetrahydrocannabinol (THC). Nur wenige Schritte entfernt war ein funktionsfähiger Raum für den Anbau der Cannabispflanzen mit Pflanzbänken und 65 Pflanzschalen hergerichtet worden. Darin sollten die Stecklinge nach der Vorstellung der Angeklagten heranwachsen und abgeerntet werden. Bei einem erwarteten Ertrag von etwa 6,84 kg Cannabisblüten (mit einem Wirkstoffgehalt von 10 %) und einem Kilopreis von mindestens 3.500 Euro hatten die Angeklagten mit einem Erlös von mindestens 23.940 Euro gerechnet (Fall 1).

Das Landgericht hat ein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG angenommen. Die Setzlinge hätten bereits einen relevanten THC-Gehalt gehabt und seien durch die räumliche Nähe zu den Pflanzbänken „in die Plantage im weiteren Sinne eingebracht“ gewesen….

….

2. Während Schuld- und Strafausspruch im Fall 2 der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten aufweisen, hält der Schuldspruch im Fall 1 rechtlicher Prüfung nicht stand. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht.

a) Handeltreiben im Sinne des 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256). Hiervon sind solche Handlungen abzugrenzen, „die lediglich typische Vorbereitungen darstellen, weil sie weit im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes liegen“ (BGH, aaO, 265 f.). Dabei ist auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles abzustellen.

Die Aufzucht von Cannabispflanzen erfüllt den Tatbestand des Handeltreibens, wenn der Anbau auf die gewinnbringende Veräußerung der herzustellenden Betäubungsmittel zielt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 2011 – 3 StR 491/10, NJW 2011, 1461; Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 407/12, BGHSt 58, 99, 101 mwN). Allein der Erwerb von Setzlingen zum Zweck des anschließenden Anbaus stellt dabei aber noch keine auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit dar (BGH, Urteil vom 15. März 2012 – 5 StR 559/11, NStZ 2012, 514; vgl. MüKo-StGB/O?lakc?o?lu, 3. Aufl., BtMG § 29 Rn. 455; aA Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 29 Teil 4 Rn. 198; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 29 Rn. 598; Patzak, NStZ 2012, 514, 515; Patzak/Goldhausen, NStZ 2014, 384; offengelassen von BGH, Beschlüsse vom 15. Februar 2011 – 3 StR 491/10, NStZ 2011, 459, 460, und vom 29. September 2016 – 2 StR 591/15). In derartigen Fällen entfaltet vielmehr der (verdrängte) Straftatbestand des Anbaus von Betäubungsmitteln insoweit eine Begrenzungsfunktion für den Tatbestand des Handeltreibens, als er den Versuch erst mit dem unmittelbaren Ansetzen zur Aussaat oder zum Anpflanzen beginnen lässt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. August 2011 – 2 StR 228/11, NStZ 2012, 43, und vom 15. März 2012 – 5 StR 559/11, NStZ 2012, 514), wobei sich die Abgrenzung zwischen Vorbereitungsstadium und Versuch nach allgemeinen Kriterien anhand der Umstände des Einzelfalls richtet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Februar 2011 – 3 StR 491/10 aaO; vom 3. August 2011 – 2 StR 228/11, NStZ 2012, 43, und vom 15. März 2012 – 5 StR 559/11, NStZ 2012, 514, 515). Eine Vollendung des Handeltreibens tritt regelmäßig erst mit dem Anbau in Verkaufs- und Gewinnerzielungsabsicht, also mit Anpflanzung der Setzlinge ein (vgl. BGH, Beschluss vom 3. August 2011 – 2 StR 228/11, aaO; BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 407/12, BGHSt 58, 99, 101), denn der (vollendete) Anbau erfordert das Einpflanzen der Setzlinge in die dazu bestimmten Gefäße (vgl. Körner/Patzak/Volkmer, 9. Aufl., BtMG § 29 Teil 2 Rn. 24; Weber, 5. Aufl., BtMG § 29 Rn. 54; MüKo-StGB/O?lakc?o?lu, 3. Aufl., BtMG § 29 Rn. 23).

b) Nach diesen Maßstäben belegen die Feststellungen eine Vollendung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht. Die Setzlinge befanden sich zwar bereits im Flur des Hauses, waren aber noch nicht zur Anpflanzung in die hierfür vorgesehenen Pflanzbänke bzw. Pflanzschalen gelangt. Ob die Schwelle zum Versuch bereits überschritten wurde oder – wie der Generalbundesanwalt meint – lediglich eine Verbrechensverabredung vorliegt, lässt sich den auf eine andere rechtliche Bewertung abzielenden Urteilsfeststellungen nicht hinreichend entnehmen.“