Archiv der Kategorie: Strafrecht

StGB I: Falsche „Impfbescheinigung“, aber zu Masern, oder: Unrichtiges Gesundheitszeugnis

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Und dann auf in den Wonnemonat (?) Mai. Heute hier mit StGB-Entscheidungen.

Ich beginne mit einer Entscheidung zum „Impfen“, und zwar noch einmal zu Impfbescheinigungen, allerdings nicht zu Corona/Covid 19, sondern zu einer Masernimpfung, die verweigert worden ist. Dazu stelle ich das OLG Celle, Urt. v. 09.04.2024 – 2 ORs 29/24  vor. Für dieses reichen m.E. aber die Leitsätze, da wir die Problematik ja auch bei Corona hatten und das dort eingehend erörtert worden ist. Die Leitsätze lauten:

1. Eine individualisierte, ärztlich ausgestellte (vorläufige) Impfunfähigkeitsbescheinigung ist ein Gesundheitszeugnis im Sinne des § 278 StGB.

2. Unrichtig im Sinne des § 279 StGB ist das Gesundheitszeugnis bereits dann, wenn die miterklärten Grundlagen der Beurteilung in einem wesentlichen Punkt nicht der Wahrheit entsprechen. Dies ist in der Regel dann gegeben, wenn die für die Beurteilung des Gesundheitszustands erforderliche ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt wurde.

3. Für eine Strafbarkeit nach § 279 StGB ist es hingegen nicht erforderlich, dass das Gesundheitszeugnis eine unwahre Aussage über den Gesundheitszustand als solchen enthält (abweichend: BayOLG, Urteil vom 18.07.2022, Az. 2 StR 179/22).

Rechtsfolge III: Ist Betroffener Fahrerlaubnisinhaber?, oder: Keine „vorsorgliche“ Fahrerlaubnisentziehung

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Und dann noch etwas zu den Nebenfolgen, und zwar Entziehung der Fahrerlaubnis. Im LG Mönchengladbach, Beschl. v. 28.03.2024 – 24 Qs 34/24 – geht es zwar um eine vorläufige Entziehung nach § 111a StPO. Aber die entschiedene Frage hat/hätte auch Bedeutung, wenn es um die endgültige Entziehung geht.

Das AG hat die Fahrerlaubnis (vorläufig) entzogen. Dagegen die Beschwerde, die Erfolg hatte:

„Sowohl die vorläufige als auch die endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO bzw. § 69 StGB setzen voraus, dass der hiervon Betroffene eine Fahrerlaubnis hat. Dies gilt auch dann, wenn es um die (vorläufige) Entziehung einer ausländischen Fahrerlaubnis nach § 1 I la Abs. 3 S. 2, Abs. 6 StPO und § 69b StGB geht. Eine „vorsorgliche“ Entziehung der Fahrerlaubnis beim Vorliegen eines auch nur vagen Verdachts, der Täter könne im Besitz einer ausländischen Fahrerlaubnis sein, ist nicht zulässig (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 23.10.2010 – 5 Ss 471/10 -, Rn. 9, juris; Berz/Burmann StraßenverkehrsR-I-IdB, 16. A. Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Strafgerichte Rn. 301, beck-online). Diese Konstellation ist vergleichbar mit der Situation, dass der Betroffene nicht mehr im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, weil ihm diese bereits vorher (z.B. im Verwaltungswege) entzogen worden ist. Auch in diesem Fall ist eine vorläufige Maßnahme nach § 111a StPO unzulässig (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 21.06.1999 – 1 AR 681/993 Ws 315/99 -, juris).

So ist es hier: Der einzige Anhaltspunkt für eine ausländische Fahrerlaubnis des Beschwerdeführers ergibt sich aus der VIVA Personenabfrage der Polizei, in der es heißt, der Beschwerdeführer habe einen Führerschein unter seinen Aliaspersonalien pp. Österreich, österreichischer Staatsangehöriger“ vorgelegt (B. 82 f. GA). Die Daten stammen aus unbekannter Quelle aus dem polizeilichen Informationssystem INPOL. Der Beschwerdeführer bestreitet, im Besitz einer (deutschen oder ausländischen) Fahrerlaubnis zu sein. Weiterführende, die Annahme einer österreichischen Fahrerlaubnis aufklärende Ermittlungen haben bisher nicht stattgefunden. Damit ergeben sich allenfalls vage Verdachtsmomente, die die angeordnete vorläufige Entziehung nicht zu stützen vermögen.

Sollten weitere Ermittlungen (z.B. über Verbindungsbeamte zur österreichischen Polizei oder im Wege der Rechtshilfe) ergeben, dass der Beschwerdeführer im Besitz einer deutschen, österreichischen oder sonstigen ausländischen Fahrerlaubnis ist, so wird über die Frage der vorläufigen Entziehung nach § 111a StPO erneut zu entscheiden sein. Am Vorliegen der weiteren, vom Amtsgericht detailliert und zutreffend geprüften, Voraussetzungen einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung nach § 111a StPO hat auch die Kammer nach gegenwärtiger Aktenlage keine Zweifel. Darüber hinaus dürfte sich nach gegenwärtiger Aktenlage – der Anfangsverdacht eines vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 StVG ergeben.“

Rechtsfolge II: Strafrahmenwahl/konkrete Zumessung, oder: Gesamtwürdigung fehlerhaft

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Und dann noch eine Entscheidung zur Strafzumessung, aber nichts vom BGH, sondern der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.02.2024 – 1 ORs 340 SRs 86/24. Über den Beschluss habe ich schon einmal berichtet, und zwar wegen der „beA-Frage“ (s. hier: beA II: beA/elektronisches Dokument im Strafrecht, oder: Wiedereinsetzung, Ersatzeinreichung, Email ).

Nun also noch einmal wegen der Strafzumessung. Das AG hatte den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandencomputerbetrugs in 305 Fällen, gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in 10 Fällen und versuchten gewerbsmäßigen Bandencomputerbetrugs in 58 Fällen unter Einbeziehung der Strafe von einem Jahr und 6 Monaten aus einem Urteil des AG Frankfurt am Main zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 4 Monaten. Die gegen dieses Urteil vom Angeklagten eingelegte Berufung hat das LG verworfen, wobei es die Gesamtfreiheitsstrafe auf 2 Jahre und 10 Monate reduzierte.

Nach den Feststellungen des LG schloss sich der Angeklagte mit drei weiteren Personen im Jahr 2015 zusammen, um künftig organisiert und arbeitsteilig Krankenkassen betrügerisch zu schädigen und auf diese Weise dauerhaft Einnahmen zu erwirtschaften. Nach dem „Geschäftsmodell“ gründeten die Mitglieder der Gruppierung zwischen 2015 und 2018 eine Vielzahl von oft nur kurze Zeit existierenden Scheinfirmen, bei welchen fiktive Arbeitnehmer zu einem Monatsgehalt zwischen 3.400,- EUR und 5.600,- EUR eingestellt und bei verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen (pflicht)versichert wurden. Mit den von den Kassen auf die nichtexistierenden Arbeitnehmer ausgestellten Ausweisen konsultierten Mitglieder der Gruppierung verschiedene Ärzte und erwirkten bei diesen unter dem Namen der Scheinmitarbeiter die Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Diese reichten sie bei den Krankenkassen ein und erlangten in 305 Fällen im vollautomatisierten Verfahren Aufwendungsersatzleistungen nach dem AAG, Wobei es in weiteren 58 Fällen beim Versuch geblieben sein soll, da die Erstattung durch Verrechnung mit den Beitragsforderungen erfolgte. In 10 Fällen erlangte die Gruppierung Krankengeld, dessen Auszahlung nicht automatisiert, sondern durch Verfügung der Sachbearbeiter der Krankenkassen erfolgte. Auf diese Weise erwirtschaftete die Gruppierung insgesamt mehr als 391.000,- EUR.

Das OLG beanstandet die tatsächlichen Feststellungen als lückenhaft. Zur Strafzumessung heißt es dann:

„2. Auch die Rechtsfolgenentscheidung weist durchgreifende Rechtsfehler auf. Sowohl die Ausführungen des Landgerichts zur Strafrahmenwahl wie auch im Rahmen der konkreten Strafzumessung lassen besorgen, dass das Gericht die erforderliche Gesamtwürdigung nicht in rechtsfehlerfreier Weise vorgenommen hat, weil ein wesentlicher die Taten prägender Gesichtspunkt erkennbar nicht berücksichtigt wurde, zudem in rechtsfehlerhafter Weise Umstände zu Lasten des Angeklagten in die Abwägung eingeflossen sind.

Bei der Prüfung eines minderschweren Falles gem. § 263 Abs. 5 S. 1 2. Alt. StGB und auch – nach dessen Verneinung – bei der konkreten Strafzumessung hat die Kammer zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er die Taten über einen langen Zeitraum und mit einem sehr hohen Gesamtschaden begangen hat, wobei dieser noch in voller Höhe bestehe und nicht einmal teilweise wiedergutgemacht worden sei. Diese Erwägungen lassen nicht nur besorgen, dass dem Angeklagten rechtsfehlerhaft (vgl. Schönke-Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 46 Rn. 57i) das Fehlen eines Milderungsgrundes (Schadenswiedergutmachung) angelastet wurde, sondern auch, dass entgegen § 46 Abs. 3 StGB die Gewerbsmäßigkeit seines Vorgehens als ein die Qualifikation des § 263 Abs. 5 StGB begründendes Merkmal zu seinen Lasten berücksichtigt wurde. Zwar können bei der Strafzumessung Abstufungen bei den Tatbestands- bzw. Qualifikationsmerkmalen nach der individuellen tatschuld vorgenommen werden. Doch hat die Kammer nicht bedacht, dass die gewerbsmäßig begangenen Taten Bestandteil einer Tatserie waren (dieser Aspekt findet lediglich bei der Gesamtstrafenbildung Erwähnung), weshalb eine sinkende Hemmschwelle zu einer Verminderung des Schuldgehalts der Folgetaten führen kann (BGH Urt. v. 20.7.2016 – 2 StR 18/16, NStZ-RR 2016, 368; BGH Urt. v. 28.3.2013 – 4 StR 467/12, BeckRS 2013, 6623), auch wenn diese über einen langen Zeitraum begangen werden. Die Fortsetzung gleichförmig ausgeführter, nicht notwendig von vornherein geplanter Serienstraftaten in großer Zahl und über einen längeren Zeitraum ist daher nicht stets als Hinweis auf eine erhöhte bzw. sich steigernde krimineller Energie zu verstehen. Für eine Herabsetzung der Hemmschwelle des Angeklagten spricht, dass dieser – nach Auffassung der Kammer glaubhaft – bekundet hat, das Ganze sei schleichend immer größer geworden. Als sie gesehen hätten, wie einfach das gegangen sei, hätten sie weitergemacht. Es habe genug Ärzte gegeben, die mit Krankmeldungen schnell dabei gewesen seien, sie seien überrascht gewesen, wie das so einfach funktioniert habe.

Im Übrigen muss die Zumessung der Einzelstrafen bezogen auf das jeweilige durch das begangene Delikt verwirklichte Unrecht erfolgen. Dabei hätte insbesondere die Höhe der Einzelschäden in den Blick genommen werden müssen. Dies ist offensichtlich nicht geschehen, da die Kammer die Einzeltaten durch Festsetzung von Einzelstrafen in identischer Art und Höhe – festgesetzt wurden Einzelfreiheitsstrafen von je einem Jahr und zwei Monaten für die vollendeten Fälle und 58 Einzelgeldstrafen von je 120 Tagessätzen zu je 60,-€ für die versuchten Fälle – „über einen Kamm gebürstet“ hat ohne zu berücksichtigen, dass die Schäden teilweise (wie etwa im Fall 17 mit 67,09 €) im nur zweistelligen, teilweise (wie etwa im Fall 22 mit 7.349,17 €) im vierstelleigen Bereich liegen.

Auch hat die Kammer nicht bedacht, dass die Würdigung der Gesamtheit der Taten bei Bemessung der Einzelstrafen keine Rolle spielt, sondern erst auf der Ebene der Gesamtstrafenbildung zu berücksichtigen ist (BGH Beschl. v. 18.7.2023 – 2 StR 423/22, NStZ-RR 2024, 9). Deshalb hätte die Kammer bei der Strafrahmenfindung und der konkreten Strafzumessung nicht auf den verursachten Gesamtschaden von über 391.000,-€ abstellen dürfen.“

Rechtsfolge I: Mildere Strafe bei versuchtem Mord, oder: Keine Strafmilderung nur bei Erschwerungen

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Und heute dann am letzten Tag im April – vier Monate des Jahres 2024 liegen also schon hinter uns – einige Entscheidungen zu Rechfolgen. Das war schon länger nicht mehr Thema.

Ich eröffne den Reigen mit dem BGH, Urt. v. 01.02.2024 – 4 StR 287/23, über das ich schon einmal berichtet habe (StGB II: Hat der Angeklagte „heimtückisch“ gehandelt?, oder: Überraschen in einer hilflosen Lage). Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Dagegen die  Revision des Angeklagten, der u.a. auch die Strafzumessung beanstandet. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und macht Erörterungsmängel im Rahmen der Strafzumessung und Maßregelanordnung geltend. Beide Rechtsmittel waren unbegründet:

„….

2. Entgegen der Auffassung der Revision weist die Strafzumessung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Zwar ist im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne nicht ausdrücklich strafmildernd aufgeführt, dass der Angeklagte sich zur Tat aufgrund der vorangegangenen „Provokation“ durch den Geschädigten entschloss. Der Senat schließt unter den hier gegebenen Umständen jedoch aus, dass dem Tatgericht dieser in den Urteilsgründen mehrfach erwähnte Gesichtspunkt im Rahmen der Strafzumessung aus dem Blick geraten sein könnte. Anderenfalls wäre die mit vier Jahren und neun Monaten eher milde bemessene Freiheitsstrafe nicht verständlich.

III.

Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg. Strafzumessung und Maßregelanordnung weisen weder einen den Angeklagten begünstigenden noch einen ihn beschwerenden (vgl. § 301 StPO) Rechtsfehler auf.

1. Die Strafrahmenwahl begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht den Strafrahmen des § 211 Abs. 1 StGB gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB zugunsten des Angeklagten gemildert hat, halten einer rechtlichen Nachprüfung stand. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft liegt ein den Bestand des Strafausspruchs gefährdender Erörterungsmangel nicht vor.

a) Nach § 23 Abs. 2 StGB kann der Versuch milder bestraft werden als die vollendete Tat. Ob eine Strafrahmenverschiebung wegen Versuchs gemäß § 23 Abs. 2 StGB in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB in Betracht kommt, ist vom Tatgericht auf der Grundlage einer Gesamtschau aller Tatumstände und der Persönlichkeit des Täters zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 2. August 2023 ‒ 4 StR 98/23 Rn. 5; Urteil vom 25. Januar 2023 ‒ 1 StR 284/22 Rn. 16; Beschluss vom 22. Oktober 2019 ‒ 5 StR 449/19 Rn. 8). Dabei ist zu beachten, dass das Vorliegen des vertypten Milderungsgrunds regelmäßig eine geringere Schuld indiziert (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 922). Eine Versagung der Strafmilderung setzt deshalb erschwerende Umstände voraus, die in den Urteilsgründen im Einzelnen festgestellt und dargelegt werden müssen. Den wesentlichen versuchsbezogenen Umständen (Nähe der Tatvollendung, Gefährlichkeit des Versuchs und aufgewandte kriminelle Energie) kommt im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau aller tat- und täterbezogenen Umstände besonderes Gewicht zu (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. September 1988 ‒ 4 StR 352/88, BGHSt 35, 347, 355). Eine sorgfältige Abwägung und umfassende Begründung ist insbesondere in Fällen geboten, in denen die Versagung der Strafmilderung wegen Versuchs die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Folge hat (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2023 ‒ 4 StR 286/23 Rn. 12; Urteil vom 25. Januar 2023 ‒ 1 StR 284/22 Rn. 16; Beschluss vom 22. Oktober 2019 ‒ 5 StR 449/19 Rn. 8; Urteil vom 15. Juni 2004 ‒ 1 StR 39/04).

b) Den sich hieraus ergebenden Darlegungsanforderungen ist das Schwurgericht mit dem knappen, aber tragfähigen Hinweis auf die fehlende Vollendungsnähe gerecht geworden. Die hiergegen von der Revision erhobenen Einwände verfangen nicht. Eine weitere Begründung war unter den hier gegebenen Umständen von Rechts wegen nicht geboten.

2. Die Strafzumessung im engeren Sinne weist ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf. Insbesondere vermag der Senat den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, dass das Landgericht ‒ rechtlich bedenklich ‒ die erlittene Untersuchungshaft strafmildernd berücksichtigt hat. Es hat vielmehr zugunsten des Angeklagten bedacht, dass er als Erstverbüßer besonders haftempfindlich ist. Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2021 ‒ 4 StR 457/20 Rn. 12).“

KCanG I: Peinlicher Lapsus (?) beim BGH zum KCanG, oder: Neufestsetzung JGG-Weisungen/Jugendstrafe

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Und dann heute zum Beginn der 18. KW. wie immer besondere Kategorien, und zwar etwas zum KCanG.

Vorab ein kleiner (?) Nachtrag.: Ich hatte am vergangenen Montag über den BGH, Beschl. v. 18.04.2024 – 1 StR 106/24 berichtet (KCanG III: „Nicht geringe Menge“ bleibt bei 7,5 g, oder: Auch beim BGH: Neuer Wein in alten Schläuchen).  In dem macht der BGH ja erste Ausführungen zur „nicht geringen Menge“ bei BtM nach Inkrafttreten des KCanG.

So weit, aber nicht so gut. Denn, wer jetzt den Link in dem Beitrag anklickt, erhätl als Meldung: „Das gewünschte Dokument steht nicht zur Verfügung. Eventuell ist es nicht mehr oder noch nicht freigegeben.“ Nun, richtig ist wohl, dass der BGG das Dokument „nicht mehr …. freigegeben“ hat. Denn er hat es geändert, und zwar an entscheidenden Stellen (vgl. dazu hier bei de legisbus und auch bei LTO). 

Wer die Entscheidung jetzt sucht, findet den BGH, Beschl. v. 18.04.2024 – 1 StR 106/24  zwar auch noch auf der Homepage des BGH, allerdings mit dem Hinweis: „Ursprünglich war versehentlich eine nicht beschlossene Fassung eingestellt; 
siehe auch: Pressemitteilung Nr. 93/24 vom 22.4.2024„. Wer meint, in der PM eine Erklärung des BGH zu finden, ist enttäuscht. M.E. mehr als peinlich für den 1. Strafsenat und ohne weitere Worte.

Dies vorausgeschickt, dann jetzt der AG Eilenburg, Beschl. v. 18.04.2024 – 8 VRJs 144/23 jugzur Neufestsetzung drogenbezogener Weisungen nach Inkrafttreten des CanG bei tatmehrheitlichen Verurteilungen und Anwendung von Jugendstrafrecht. Die heranwachsende Verurteilte iwar im JGG-Verfahren u,a, angewiesen worden, sich in eine stationäre Entgiftungsbehandlung  zu begeben und von dort aus eine Langzeittherapie zu beantragen. Die Verurteilte hatte die drogenbezogene Weisung bislang nicht umgesetzt, was mit auch in einem Anhörungstermin thematisiert worden war. Das AG hat nach Inkrafttreten des KCanG von einer Neufestsetzung der ausgesprochenen Ahndung abgesehen:

„2. Unter Zugrundelegung der nunmehr einschlägigen Regelungen, wäre der rechtskräftig abgeurteilte Sachverhalt vom 24.11.2022 straflos geblieben. Obgleich sich das Verfahren noch in der Vollstreckung befindet, ist von einer Neufestsetzung der ausgesprochenen Ahndung abzusehen. Unter Beachtung des erzieherischen Gedankens im Jugendstrafrecht und der Einheitlichkeit der Rechtsfolgenentscheidung ist im vorliegenden Fall maßgebend, dass der zum Zeitpunkt der Tatbegehung unerlaubte Besitz des Betäubungsmittels Cannabis am 24.11.2022 nur einen nicht ins Gewicht fallenden Beitrag der erkannten Rechtsfolge ausmacht und die Verurteilte Mischkonsumentin auch härterer Drogen (Methamphetamin, GHB, etc.) war und ist. Nicht zuletzt ist dies, nachdem die Verurteilte bereits die angewiesene stationäre Entgiftungsbehandlung nicht angetreten hat, im Rahmen der Anhörung deutlich geworden.“

Und als zweite KCanG-Entscheidung ein weiterer AG-Beschluss, nämlich der AG Heinsberg, Beschl. v. 26.04.2024 – 42 VRJs 79/23 – zur Ermäßigung einer Einheitsjugendstrafe nach dem Inkrafttreten des KCanG. Das AG hat in ihm von einer Ermäßigung einer Einheitsjugendstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten abgesehen:

„Eine Ermäßigung der Einheitsjugendstrafe kommt nicht in Betracht. Der Verurteilte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Köln vom 23.03.2023, Az. 647 Ls 486/22 wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall in insgesamt 13 Fällen schuldig gesprochen, wobei es in 3 Fällen beim Versuch blieb. Einbezogen wurde das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 11.07.2022, Az: 647 Ds 101/22. Dort wurde der Verurteilte wegen versuchten und vollendeten Diebstahls in einem besonders schweren Fall und illegalen Besitzes von Betäubungsmitteln in 3 Fällen schuldig gesprochen. In zwei Fällen ging es um den Besitz von Amphetamin, davon in einem Fall im Rahmen einer natürlichen Handlungseinheit mit einem Joint und damit keiner Tateinheit i.S.d. Art. 313 Abs. 3 EGStGB. Beide Fälle bleiben nach dem CanG auch weiterhin strafbar. In einem weiteren Fall des illegalen Besitzes ging es um den Besitz von nur 0,06g netto Marihuana sowie einen Joint. Angesichts dieser lediglich geringen Mengen und des Tatunrechts der Vielzahl an übrigen Taten war keine relevante Auswirkung auf das Strafmaß gegeben.“

Interessant in dem Zusammenhang ist ein weiterer Beschluss des AG vom gleichen Tag. In dem hat das AG (s. AG Heinsberg, Beschl. v. 26.04.2024 – 42 VRJs 79/23) dem Verurteilten einen Pflichtverteidiger bestellt. Das hat das AG allerdings – leider – nicht näher begründet. Im Beschluss heißt es nur: „§ 140 Abs. 2 SIPO analog„.