Archiv der Kategorie: Strafvollzug

Auf den Rollstuhl angewiesen – „„keine Notwendigkeit einer Besuchsüberstellung“ im Einzeltransport

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Der Antragsteller verbüßt in der Justizvollzugsanstalt in Niedersachsen eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Da seine Ehefrau in Bayern wohnt, beantragt er eine Besuchsüberstellung nach Bayern. Diesen Antrag lehnte die JVA. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass für eine Überstellung des Antragstellers wegen seines Gesundheitszustandes ein Einzeltransport nötig wäre und die vom Antragsteller angeführten Gründe für die Überstellung, nämlich die große Entfernung, die Berufstätigkeit seiner Ehefrau und die Schulpflicht des Kindes, den damit verbundenen personellen, zeitlichen und finanziellen Aufwand für die Antragsgegnerin nicht rechtfertigten. Da die Entfernung zum Wohnort der Ehefrau ca. 430 km betrage und mit dem Auto in etwa viereinhalb Stunden zu bewältigen sei, bestehe „keine Notwendigkeit einer Besuchsüberstellung“.

Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der von der StVK als unbegründet zurückgewiesen wird, weil der Aufwand für eine Besuchsüberstellung nach Bayern unverhältnismäßig hoch sei. Der Antragsteller sei auf den Rollstuhl angewiesen und daher nicht sammeltransportfähig. Die Ehefrau habe zwar weder ein Auto noch eine Fahrerlaubnis. Mit dem im gerichtlichen Verfahren gemachten Angebot, dem Antragsteller mehrere Sonderbesuche an einem Wochenende zu gewähren, so dass seine Ehefrau mit einer Anreise gleich mehrere Besuchstermine wahrnehmen könne, und der Alternative einer Besuchsüberstellung in die für seine Ehefrau näher gelegene Justizvollzugsanstalt H. habe die Antragsgegnerin ihrer Pflicht, Lösungswege zu prüfen und anzubieten, genügt

Das sieht das OLG Celle im OLG Celle, Beschl. v. 22.11.2012 – 1 Ws 458/12 (StrVollz) – anders und hebt auf, weil

  1. (schon) nicht ausreichend geklärt/dargelegt, ob ein wichtiger Grund i.S. des § 10 Abs. 2 NJVollzG, wonach der Gefangene in eine andere Anstalt überstellt werden darf, sofern ein Besuch in der zuständigen Anstalt nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten möglich ist, vorliegt,
  2.  nicht erkennbar ist, ob die Vollzugsbehörden dann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, das ihnen eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt haben.
  3. der Bescheid der JV nicht erkennen lässt, dass den grundrechtlich geschützten Belangen des Antragstellers – Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 und Art. 3 Abs. 3 Satz 3 GG im Verhältnis zu den vollzugsorganisatorischen Gründen das gebotene Gewicht beigemessen worden ist.

Zum letzteren heißt es:

Rechtlichen Bedenken unterliegt der Bescheid auch im Hinblick auf eine mögliche Verletzung von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG; danach darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Mit der Erwägung, dass beim Antragsteller aufgrund seines „Gesundheitszustandes“ ein Einzeltransport von Nöten sein werde, der einen unzumutbaren Aufwand erfordere, lässt der Bescheid jedoch besorgen, dass die Ablehnung der Überstellung letztendlich zum Nachteil des Antragstellers an seine Behinderung anknüpft.

Briefe ohne Marken muss die JVA ggf. nicht befördern

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Was das (Rechts)Leben nicht alles so bietet: Ein Verurteilter verbüsst eine Freiheitsstrafe in der JVA Tegel. Der Postverkehr ist in der Anstalt so geregelt, dass das dortige Briefamt die abgehende Gefangenenpost zur Beförderung an die deutsche Post AG übergibt. Der Verurteilte verfasst eine Vielzahl von Schreiben, die er regelmäßig entgegen den allgemeinen Postbestimmungen nicht frankiert und dennoch der JVA zur Postbeförderung übergibt. In der Zeit zwischen dem 23. 04.bis 03. 05. 2012 hat die Haftanstalt die Weiterleitung von zwölf unfrankierten (an verschiedene Gerichte, Verfassungsorgane und Behörden adressierte) Briefsendungen des Gefangenen verweigert und ihm die Sendungen zurückgegeben, um ihn an ein ordnungsgemäßes Verhalten zu gewöhnen. Dagegen wendet sich der Verurteilte. Die Strafvollstreckungskammer untersagt daraufhin dem Leiter der JVA Tegel, die der Haftanstalt zur Beförderung übergebene Post des Verurteilten Nicht- oder Unterfrankierung anzuhalten. Dagegen die Rechtsbeschwerde des Leiters der JVA, die mit dem KG, Beschl. v. 12.10.2012 – 2 Ws 357/12 Vollz – Erfolg hat:

 …Die Frage, ob die Haftanstalt daher grundsätzlich die Weiterleitung eines einzelnen Briefes nicht verweigern darf, nur weil er unfrankiert ist (vgl. OLG Zweibrücken NStZ-RR 2001, 188; Callies/Müller-Dietz a.a.O. § 30 Rdn 1), braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. Denn so liegt der Fall hier nicht.

b) Der Rechtsanspruch des Gefangenen auf Briefverkehr kann nur durch gesetzliche Einschränkungen begrenzt werden (vgl. Callies/Müller-Dietz a.a.O., § 28 Rdn. 2). Es ist auch anerkannt, dass einzelne Schreiben nur aus den in § 31 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 StVollzG abschließend aufgezählten Gründen angehalten werden dürfen. Damit trägt der Gesetzgeber hinsichtlich der ausgehenden Schreiben der Gefangenen insbesondere dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG Rechnung (vgl. OLG Thüringen, Beschluss vom 2. Oktober 2007 – 1 Ws 285/07 – bei juris; Senat, Beschluss vom 14. Dezember 2006 – 5 Ws 480/06 Vollz – bei juris; OLG Koblenz NStZ 2004, 610; Callies/Müller-Dietz a.a.O., § 31 Rdn. 1; Arloth a.a.O., § 31 Rdn. 1).

Vorliegend durften die Briefe auf Grundlage des § 31 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG angehalten werden.

„Eine Gefährdung des Vollzugsziels (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG) liegt bei einer Gefahr für die Eingliederung des Gefangenen in die Gesellschaft vor; der Anhaltegrund ist somit mit § 25 Nr. 2 StVollzG identisch. Ziel des Vollzugszieles ist es, den Strafgefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (§ 2 Satz 1 StVollzG). Dies gebietet es, dem Gefangenen ein Mindestmaß an Achtung der Rechtsgüter anderer zu vermitteln (vgl. Böhm/Jehle in SBJL a.a.O., § 2 Rdn. 12) und ihn an ein geordnetes Zusammenleben zu gewöhnen (vgl. Arloth a.a.O. Rdn. 3, Schwind in SBJL a.a.O., § 30 Rdn. 2). 

Dieses wird hier dadurch gestört, dass der Antragsteller eine Vielzahl von unfrankierten Briefen an unterschiedliche Adressaten versendet hat. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die auf den Umschlägen genannten Adressaten, hier sämtlich öffentliche Institutionen, kein Interesse daran haben, das mit der Entgegennahme der Sendungen notwendigerweise verbundene Nachentgelt zu leisten, mit der Folge, dass die Schreiben an den Absender zurückzugeben sind. Der durch die  Weiterleitung unfrankierter Schreiben für die Anstalt entstehende Aufwand ist daher, wie auch dem Antragsteller bewusst ist, von vornherein sinnlos; sein Handeln bezweckt nicht, von dem ihm zustehenden Recht aus Art. 5 Abs. 1 GG Gebrauch zu machen, sondern der Anstalt unnützen Aufwand zu verursachen, und ist somit ersichtlich rechtmissbräuchlich. Seine Forderung, die Schreiben gleichwohl zu transportieren, ist daher mit dem Vollzugsziel, den Gefangenen an ein geordnetes Zusammenleben zu gewöhnen, nicht zu vereinbaren.“

 

Strafvollzug: Ich will meinen Weichspüler haben! Nein, ist BtM-fähig….

Während meiner richterlichen Tätigkeit habe ich Strafvollzugssachen nie machen müssen. Daher finde ich Strafvollzugsentscheidungen  immer wieder überraschend und daher interessant; zeigen sie doch häufig, um welche Dinge im Strafvollzug „gekämpft“ werden muss. So auch im OLG Celle, Beschl. v. 12.11.2012 – 1 Ws 459/12 (StrVollz) – in dem es letztlich um den Widerruf  der Genehmigung zum Erwerb und Besitz von Weichspüler, den der Gefangene zuvor beim Anstaltskaufmann erworben hatte, geht.

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Zum Sachverhalt: Der Gefangene verlangt  die Herausgabe eines von ihm in der Anstalt gekauften Weichspülers, den die JVA beschlagnahmt hat. Die JVA verweigert die Herausgabe mit der Begründung, dass Weichspüler in flüssiger Form in der Anstalt nicht mehr zugelassen seien, nachdem 2011 bei verschiedenen Justizvollzugsanstalten in dort verwendeten Weichspülern Gamma?Butyrolacton (GBL) – eine Substanz, die der dem Betäubungsmittelrecht unterliegenden Gamma?Hydroxy-buttersäure (GHB) verwandt ist – nachgewiesen worden sei und sich Gefangene mittels Nasensprühflasche Weichspüler über die Nasenschleimhaut zugeführt hätten. Bislang habe nicht geklärt werden können, welche Firmen im Einzelnen in ihren Weichspülern GBL verwenden würden; bereits der Umstand aber, dass sich Gefangene mittels Nasensprühflasche Weichspüler zuführen, sei aus gesundheitsfürsorgerischen Erwägungen zu unterbinden.

Das OLG hat in seiner Entscheidung dem Gefangenen  zunächst mal Recht gegeben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an die StVK zurückverwiesen:

„Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin und der Kammer kommt § 21 Satz 2 NJVollzG vorliegend nicht als Rechtsgrundlage in Betracht. § 21 NJVollzG regelt den Besitz eigener Sachen nämlich nicht abschließend und wird durch speziellere Vorschriften ergänzt. Da vorliegend der Weichspüler vom Antragsteller gemäß § 25 NJVollzG über den Einkauf der Antragsgegnerin erworben wurde und die Erlaubnis zum Erwerb von Gegenständen regelmäßig auch die Erlaubnis zum Besitz beinhaltet, solange sich die Vollzugsbehörde keinen entsprechenden Vorbehalt einräumt (vgl. OLG Celle, NStZ?RR 2011, 31) und ein solcher vorliegend nicht erkennbar ist, konnte die Beschlagnahme des Weichspülers, die den Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsaktes darstellt, allein auf der Grundlage von § 100 NJVollzG i. V. m. § 1 NdsVwVfG i. V. m. den §§ 48, 49 VwVfG erfolgen (vgl. OLG Celle, NStZ 2011, 704). Da Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit der zunächst erteilten Genehmigung nicht gegeben sind, kam nur ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 VwVfG in Betracht. Auf § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG konnte dieser dabei nicht gestützt werden, weil dieser nur bei nachträglich eingetretenen Tatsachen Anwendung findet, ohne dass es auf den Zeitpunkt der Kenntnis dieser Tatsachen durch die Antragsgegnerin ankommt (vgl. OLG Celle, NStZ?RR 2011, 31). Allein § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG, der zur Verhütung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl den Widerruf einer begünstigenden Maßnahme ermöglichen kann, kam als Rechtsgrundlage für die Beschlagnahme in Betracht. Denn hierzu zählen auch das Leben und die Gesundheit Einzelner, deren Schutz unter Berücksichtigung von Art. 1 und Art. 2 GG eine vorrangige Aufgabe der Gemeinschaft ist (vgl. Kopp/Ramsauer, 13. Aufl., § 49 VwVfG, Rdnr. 56).

 Ob die Beschlagnahme insoweit den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG entspricht, kann dem angefochtenen Beschluss nicht entnommen werden. Zwar mag es keiner labortechnischen Aufwendungen bedürfen, um bei der Zuführung von GBL in den menschlichen Organismus eine annähernd gleiche Wirkung wie bei der Zuführung von GHB zu erzielen (vgl. de.wikipedia.org, Stichwort GBL). Es steht aber nicht fest, ob der vom Antragsteller begehrte Weichspüler überhaupt eine entsprechende Substanz enthält. Insoweit hätte es einer Aufklärung des Sachverhaltes durch die Kammer bedurft. Dass sich der Antragsteller Weichspüler allein in der Annahme, dieser enthalte möglicherweise GBL, über die Nasenschleimhaut zuführen könnte, wird ebenfalls nicht substantiell begründet und steht zudem im Widerspruch zur Feststellung im angefochtenen Beschluss, dass der Antragsteller den Weichspüler zum Waschen seiner Wäsche verwenden möchte. Die Entscheidung lässt zudem auf der Rechtsfolgenseite eine Berücksichtigung der Betroffenheit von Grundrechtspositionen des Antragstellers vermissen. Vielmehr deutet der angefochtene Beschluss darauf hin, dass die Antragsgegnerin von einem strikten Vorrang der Gefahrenabwehr ausgegangen ist. Ob weitere Erwägungen, insbesondere auch dahingehend, ob die Gefahr auf mildere Weise abgewendet werden kann, erfolgt sind, ist mangels Darstellung der von der Antragsgegnerin insoweit vertretenen Begründung für den Senat nicht erkennbar.

 

Urinprobe verweigert – Vollzugslockerungen weg?

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Der Verurteilte ist gem. § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt untergebracht. Seit August 2011 erhält er dort Lockerungen in Form von täglichen Ausgängen. Am 06.01.2012 trat in der Maßregelvollzugsklinik eine neue „Dienstanweisung zur Durchführung von Drogenscreening“ in Kraft, die seit dem 09.01.2012 umgesetzt wird. Diese sieht vor, dass der Untergebrachte sich vor Abgabe der Urinprobe für das Screening teilweise entkleidet. Die Hose ist bis zu den Knien herunterzulassen und das T-Shirt ist bis zur Brust hochzuziehen. Die Abgabe der Probe soll unter Aufsicht zweier Mitarbeiter erfolgen, die dem gleichen Geschlecht angehören wie der Unter­gebrachte. Zumindest ein Mitarbeiter muss anwesend sein. Dieser muss den Patien­ten auch auf Mittel zur Manipulation, z.B. Beutel mit Fremdurin, Kunstpenisse oder Schläuche, untersuchen. Sofern ein Patient unter direkter Sichtkontrolle keinen Urin abgeben kann, muss er sich vollständig entkleiden und darf nach abgeschlossener Kontrolle ein abgeteiltes WC zur Urinabgabe nutzen.

In einem Gespräch wurde dem Verurteilten seitens der Maßregelvollzugsklinik angekündigt, dass ihm Lockerungsstufen entzogen würden, wenn er den Anforderungen gemäß der Dienstanweisung vom 06.01.2012 nicht nachkomme.

Dagegen wendet er sich mit dem Widerspruch. Er hat beim OLG Hamm keinen Erfolg. Der OLG Hamm, Beschl. v. 11.09.2012 – III-1 Vollz (Ws) 360/12 – segnet die Androhung ab:

Es ist aber auch nicht zu beanstanden, wenn die Vollzugsbehörde die Abgabe der Urinprobe in einer Weise verlangt, die eine Manipulation durch den Gefangenen möglichst ausschließt. Deshalb bestehen keine Bedenken, dass der Betroffene die Urinprobe in unbekleidetem Zustand im Beisein eines Voll­zugsbeamten abgeben sollte, der den Vorgang beobachtete (vgl. dazu OLG Zweibrücken, a.a.O.). Dabei handelt es sich um keinen Umstand, durch den in den vom Gebot der Unverletzlichkeit der Menschenwürde verbürgten Schutz vor solchen Verletzungen der Persönlichkeitssphäre, durch die zugleich der Mensch als solcher in seinem eigenen Wert, in seiner Eigenständigkeit berührt ist, eingegriffen wird. Zwar mag der Vorgang als solcher das Schamgefühl berühren und kann mit Unannehmlichkeiten verbunden sein. Durch die ein­geforderte Abgabe von Urin wird der Betroffene aber nicht zu einem bloßen „Schauobjekt“ erniedrigt. Die Maßnahme dient weder der Herabwürdigung noch sonstigen rechtlich zu missbilligenden Zwecken, sondern unmittelbar der Resozialisierung des Straftäters, an der die Allgemeinheit ein überragendes Interesse hat.“

 Zutreffend bewertet die Strafvollstreckungskammer das Vorgehen der Maßregelvollzugsanstalt nicht als ermessensfehlerhaft. Diese hat insoweit die Grenzen ihres Ermessens nicht überschritten. Sie hat die Grundrechte des Betroffenen in ihre Abwägung mit einbezogen, aber gerade auch die konkrete Art und Weise der Abgabe der Urinprobe zur Vermeidung von Manipulation für erforderlich gehalten. Nach der Rechtsprechung des Bundes­verfassungsgerichts zur Abgabe von Urinproben ist die Tatsache, dass bei der Ab­gabe von Urin ein Mindestmaß an ärztlicher Aufsicht unerlässlich ist, um Manipu­lationen auszuschließen, kein Umstand, durch den in den vom Gebot der Unverletz­lichkeit der Menschenwürde verbürgten Schutz vor solchen Verletzungen der Per­sönlichkeitssphäre eingegriffen wird. Zwar mag der Vorgang als solcher das Scham­gefühl berühren und kann mit Unannehmlichkeiten verbunden sein. Für die mit der erteilten Weisung eingeforderte Abgabe von Urin wird der Betroffene aber nicht zu einem bloßen „Schauobjekt“ erniedrigt. Die Maßnahme dient weder der Herabwürdi­gung noch sonstigen rechtlich zu missbilligenden Zwecken, sondern unmittelbar der Resozialisierung des Straftäters, an der die Allgemeinheit ein überragendes Interesse hat (BVerfG, Beschl. v. 17.02.2006 – 2 BvR 204/06 –, juris).

Na ja, man sich „bessere“ Situationen denken/vorstellen.

 

Gefesselt auf die Beerdigung der Mutter?

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Der Leitsatz des OLG Hamm, Beschl. v. 31.07.2012 – III – 1 Vollz (Ws) 278/12 – kommt verhältnismäßig harmlos daher, der sachverhalt ist aber schon von Gewicht.

„Die Fesselung eines im Vollzug der Maßregel nach § 63 StGB Untergebrachten im Rahmen einer Ausführung kann auf § 18 Abs. 3 MRVG NW i.V.m. § 5 Abs. 2 MRVG NW als Rechtsgrundlage gestützt werden.

Für Lockerungsmaßnahmen erlaubt § 18 Abs. 3 MRVG NW ihre Verbindung mit Auflagen und Weisungen. Die Aufzählung in § 18 Abs. 3 MRVG NW ist nur beispielhaft und nicht abschließend. Eine Fesselung kann eine zulässige Auflage sein.“

In der Sache ging es um den Wunsch des Betroffenen, an der „Beerdigung seiner Mutter  teilnehmen zu können. Dies wurde ihm durch die Maßregelvollzugsein­richtung ermöglicht, die allerdings auf einer Fesselung (sog. halbe Hamburger Fes­selung, bei der ein Fuß und eine Hand mit einer Kette verbunden werden, was bei geschickter Kleidung kaum sichtbar ist) bestand. Neben der Beerdigung konnte der Betroffene auch das anschließende familiäre Beisammensein aufsuchen. Anlass für die Fesselungsentscheidung war, dass die Maßregelvollzugseinrichtung vor dem Hintergrund des Krankheitsbildes, insbesondere der Kontrollschwäche, Erregbarkeit und Neigung zu dysfunktionalem, teilweise ungesteuertem Verhalten einen erhöhten Sicherungsbedarf sah. Noch am 17.06.2011 hatte der Betroffene im Rahmen einer BPK in einer Frustrationssituation gleich zu Anfang so reagiert, dass er unvermittelt aufsprang, die beteiligten Mitarbeiter verbal attackierte, seinem Stuhl einen heftigen Stoß versetzte und Türen knallend den Raum verließ.“
Da schluckt man schon, wenn man das liest. Gefesselt zur Beerdigung der Mutter? Nun das OLG hat aufrgund des Krankheitsbildes diese Entscheidung der StVK gehalten:

Die Auflage war für Sicherheit auch unerlässlich. Bei dem Betroffenen besteht ein Krankheitsbild, aufgrund dessen er zu hoher Impulshaftigkeit, Kontrollschwächen und Erregbarkeit neigt. Ein solches Verhalten hatte sich erst wenige Tage vor der Ausfüh­rung des Betroffenen im Rahmen der BPK vom 17.06.2011 gezeigt. Auch wenn es dabei nicht zur Gewaltanwendung gegen Menschen gekommen ist, so bestand doch angesichts des Krankheitsbildes des Betroffenen, angesichts der von ihm begange­nen Anlasstaten und angesichts des Umstandes, dass sich bei einer solchen Ausfüh­rung, noch dazu in einer solchen Sondersituation, wie der Beerdigung der eigenen Mutter, nicht vorhersehbare Anreize für plötzliche Impulsdurchbrüche ergeben könnten, welche schließlich doch zu einer Schädigung anderer Menschen oder zur Flucht des Betroffenen hätten führen können. Angesichts der zu gewärtigenden Plötzlichkeit und Heftigkeit solcher Impulsdurchbrüche ist es – unter dem hier zu Grunde zu legenden Maßstab des § 115 Abs. 5 StVollzG – nicht als ermessensfeh­lerhaft zu beanstanden, wenn die Maßregelvollzugseinrichtung die Sicherheit nicht schon durch die die Ausführung begleitende Person gewahrt sieht, sondern nur durch eine zusätzliche Fesselung. Warum die Annahme lebensfremd sein sollte, dass der Betroffene die Beerdigung seiner Mutter zur Flucht nutzen könnte (wie der Betroffene meint), erschließt sich bei dieser Sachlage nicht.