Gefesselt auf die Beerdigung der Mutter?

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Der Leitsatz des OLG Hamm, Beschl. v. 31.07.2012 – III – 1 Vollz (Ws) 278/12 – kommt verhältnismäßig harmlos daher, der sachverhalt ist aber schon von Gewicht.

„Die Fesselung eines im Vollzug der Maßregel nach § 63 StGB Untergebrachten im Rahmen einer Ausführung kann auf § 18 Abs. 3 MRVG NW i.V.m. § 5 Abs. 2 MRVG NW als Rechtsgrundlage gestützt werden.

Für Lockerungsmaßnahmen erlaubt § 18 Abs. 3 MRVG NW ihre Verbindung mit Auflagen und Weisungen. Die Aufzählung in § 18 Abs. 3 MRVG NW ist nur beispielhaft und nicht abschließend. Eine Fesselung kann eine zulässige Auflage sein.“

In der Sache ging es um den Wunsch des Betroffenen, an der „Beerdigung seiner Mutter  teilnehmen zu können. Dies wurde ihm durch die Maßregelvollzugsein­richtung ermöglicht, die allerdings auf einer Fesselung (sog. halbe Hamburger Fes­selung, bei der ein Fuß und eine Hand mit einer Kette verbunden werden, was bei geschickter Kleidung kaum sichtbar ist) bestand. Neben der Beerdigung konnte der Betroffene auch das anschließende familiäre Beisammensein aufsuchen. Anlass für die Fesselungsentscheidung war, dass die Maßregelvollzugseinrichtung vor dem Hintergrund des Krankheitsbildes, insbesondere der Kontrollschwäche, Erregbarkeit und Neigung zu dysfunktionalem, teilweise ungesteuertem Verhalten einen erhöhten Sicherungsbedarf sah. Noch am 17.06.2011 hatte der Betroffene im Rahmen einer BPK in einer Frustrationssituation gleich zu Anfang so reagiert, dass er unvermittelt aufsprang, die beteiligten Mitarbeiter verbal attackierte, seinem Stuhl einen heftigen Stoß versetzte und Türen knallend den Raum verließ.“
Da schluckt man schon, wenn man das liest. Gefesselt zur Beerdigung der Mutter? Nun das OLG hat aufrgund des Krankheitsbildes diese Entscheidung der StVK gehalten:

Die Auflage war für Sicherheit auch unerlässlich. Bei dem Betroffenen besteht ein Krankheitsbild, aufgrund dessen er zu hoher Impulshaftigkeit, Kontrollschwächen und Erregbarkeit neigt. Ein solches Verhalten hatte sich erst wenige Tage vor der Ausfüh­rung des Betroffenen im Rahmen der BPK vom 17.06.2011 gezeigt. Auch wenn es dabei nicht zur Gewaltanwendung gegen Menschen gekommen ist, so bestand doch angesichts des Krankheitsbildes des Betroffenen, angesichts der von ihm begange­nen Anlasstaten und angesichts des Umstandes, dass sich bei einer solchen Ausfüh­rung, noch dazu in einer solchen Sondersituation, wie der Beerdigung der eigenen Mutter, nicht vorhersehbare Anreize für plötzliche Impulsdurchbrüche ergeben könnten, welche schließlich doch zu einer Schädigung anderer Menschen oder zur Flucht des Betroffenen hätten führen können. Angesichts der zu gewärtigenden Plötzlichkeit und Heftigkeit solcher Impulsdurchbrüche ist es – unter dem hier zu Grunde zu legenden Maßstab des § 115 Abs. 5 StVollzG – nicht als ermessensfeh­lerhaft zu beanstanden, wenn die Maßregelvollzugseinrichtung die Sicherheit nicht schon durch die die Ausführung begleitende Person gewahrt sieht, sondern nur durch eine zusätzliche Fesselung. Warum die Annahme lebensfremd sein sollte, dass der Betroffene die Beerdigung seiner Mutter zur Flucht nutzen könnte (wie der Betroffene meint), erschließt sich bei dieser Sachlage nicht.

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