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Haft III: Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe, oder: Kann der Verurteilte die Geldstrafe nicht sofort zahlen?

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Und zum Schluss des Tages dann noch der OLG Hamm, Beschl. v. 13.04.2023 – 3 Ws 99/23 – zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe.

Wegen der Einzelheiten des (umfangreichen) Sachverhalts verweise ich auf den verlinkten Volltext. Es geht um eine durch einen Strafbefehl wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis festgesetzte Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 10 EUR, die der Verurteilte nicht gezahlt hat, so dass die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet worden ist. Dagegen die sofortige Beschwerde, die keinen Erfolg hatte:

„Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

1. Die sofortige Beschwerde hat bereits deshalb keinen Erfolg, weil nach Beginn der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe – wie von dem Landgericht Bielefeld in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt – für die Anwendung der §§ 459a Abs. 1 StPO, 42 S. 1 StGB kein Raum mehr ist. Vielmehr kann die weitere Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nur aus den in § 459e Abs. 4 StPO genannten Gründen unterbleiben, vorliegend also namentlich dann, wenn der Verurteilte die nach der inzwischen bereits weitgehend erfolgten Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe verbleibende Restgeldstrafe entrichtet.

Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe ist in § 459e StPO geregelt. Dabei setzt die Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch die Vollstreckungsbehörde gemäß § 459e Abs. 2 StPO voraus, dass die Geldstrafe nicht eingebracht werden kann oder die Vollstreckung nach § 459c Abs. 2 StPO unterbleibt (was wiederum dann der Fall ist, wenn zu erwarten ist, dass die Beitreibung der Geldstrafe in absehbarer Zeit zu keinem Erfolg führen wird). Werden dem Verurteilten Zahlungserleichterungen gemäß §§ 459a Abs. 1 StPO, 42 S. 1 StGB bewilligt, fehlt es an der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30. September 2015 – 2 Ws 472/15 -, BeckRS 2015, 16545), was der Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe entgegensteht. Ist die Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe demgegenüber erfolgt und der Verurteilte bereits inhaftiert, findet die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nach dem eindeutigen Wortlaut des § 459e Abs. 4 StPO ausschließlich dann nicht statt, wenn die Geldstrafe entrichtet oder beigetrieben wird oder – was vorliegend ersichtlich nicht in Betracht kommt – die Vollstreckung nach § 459d StPO unterbleibt (a.A. Appl in: Karlsruher Kommentar, StPO, 9. Auflage 2023, § 459a, Rn. 3, der die Gewährung von Zahlungserleichterungen gemäß § 459 Abs. 1 StPO auch nach Beginn der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe noch für möglich hält, sich indessen aber nicht mit dem entgegenstehenden Wortlaut des § 459e Abs. 4 StPO auseinandersetzt). Abgesehen von dem eindeutigen Wortlaut des § 459e Abs. 4 StPO sprechen darüber hinaus aber auch Erwägungen der Effektivität der Strafverfolgung gegen die Möglichkeit, auch noch nach Beginn der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe Zahlungserleichterungen zu gewähren. So stehen dem Verurteilten im Zuge der Vollstreckung der Geldstrafe – was durch den Verlauf des vorliegenden Vollstreckungsverfahrens eindrucksvoll verdeutlicht wird – umfangreiche Spielräume dahingehend zu, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch die Beantragung von Zahlungserleichterungen und/oder der Tilgung der Geldstrafe durch freie Arbeit abzuwenden. Würde dem Verurteilten, der diese Spielräume nicht erfolgreich nutzt, auch noch nach Beginn der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe die Möglichkeit eingeräumt, (gegebenenfalls – wie vorliegend – auch noch wiederholt) Zahlungserleichterungen zu beantragen, würde dies die repressiv erforderliche Spürbarkeit der ausgeurteilten Strafe in einem mit dem Strafzweck nicht mehr zu vereinbarenden Maße reduzieren. Denn in diesem Fall hätte der inhaftierte Verurteilte die Möglichkeit, die weitere Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe im Ausgangspunkt jederzeit durch die erfolgreiche Beantragung von Zahlungserleichterungen zu verhindern, da er sodann unmittelbar aus der Haft zu entlassen wäre und – gegebenenfalls über Monate hinweg erfolglos – abgewartet werden müsste, ob der Verurteilte nunmehr doch noch gewillt ist, die ausgeurteilte Geldstrafe ratenweise zu entrichten. Einem derart zerstückelten Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe käme nach Auffassung des Senats indessen kein ausreichend spürbarer Strafcharakter mehr zu.

Dahinstehen kann vorstehend im Übrigen, ob der Ansicht des OLG Karlsruhe (Beschluss vom 30. September 2015 – 2 Ws 472/15 -, BeckRS 2015, 16545) zu folgen ist, dass in Abweichung von dem eingangs dargestellten abschließenden Charakter des § 459e Abs. 4 StPO eine Gewährung von Zahlungserleichterungen gemäß §§ 459a Abs. 1 StPO, 42 S. 1 StGB auch nach Beginn der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe ausnahmeweise dann in Betracht kommt, wenn die Staatsanwaltschaft es vor der Anordnung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe fälschlicherweise unterlassen hat, die Bewilligung von Zahlungserleichterungen zu prüfen. Denn vorliegend hat der Verurteilte bereits am 08. Juni 2022 einen Antrag auf Gewährung von monatlichen Ratenzahlungen gestellt, welcher von der Staatsanwaltschaft geprüft und am 27. Juli 2022 (abschlägig) beschieden worden ist.

2. Abgesehen davon ist aber auch nicht festzustellen, dass dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, die Geldstrafe sofort zu zahlen.

Gemäß § 42 S. 1 StGB gestattet das Gericht dem Verurteilten, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, wenn dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, die Geldstrafe sofort zu zahlen. Nach Rechtskraft des Urteils entscheidet gemäß § 459a Abs. 1 StPO die Vollstreckungsbehörde über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen bei Geldstrafen. Dabei ist die Zahlungserleichterung schon nach dem eindeutigen Wortlaut des § 42 S. 1 StGB zwingend zu gewähren, wenn die sofortige Zahlung der Geldstrafe unzumutbar ist (OLG Stuttgart, Beschluss vom 27.04.1993 – 3 Ws 48/93 -, LSK 1993, 410316; Appl, a.a.O., § 459a, Rn. 3 f.; Coen in: BeckOK, 46. Edition Stand 01.01.2023, § 459a, Rn. 2; Nestler in: Münchener Kommentar, StPO, 1. Auflage 2019, § 459a, Rn. 8 f.). Dabei gilt der Amtsaufklärungsgrundsatz, eine Vortrags- oder Beweislast des Verurteilten besteht nicht (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.09.2015 – 2 Ws 472/15 -, BeckRS 2015, 16545; Appl, a.a.O.; Coen, a.a.O.; Nestler, a.a.O.). Allerdings braucht die Vollstreckungsbehörde nicht zu Gunsten des Verurteilten Unzumutbarkeitsgründe zu unterstellen, für deren tatsächliches Vorliegen sie keine konkreten Anhaltspunkte hat (Coen, a.a.O.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist zu konstatieren, dass der Verurteilten nach dem von ihm eingereichten Bescheid der Stadt A. vom 01. April 2022 jedenfalls bis zu einer Inhaftierung Leistungen nach SGB II i.H.v. monatlich 1.112 Euro bezog. Konkrete Anhaltspunkte für hiervon – mit Blick auf die Frage der Zumutbarkeit der sofortigen Zahlung der Geldstrafe – etwaig in Abzug zu bringende Belastungen liegen nicht vor; insbesondere hat der Verurteilte weder das seinem Verteidiger übersandte Formular „Einkommensauskunft“ ausgefüllt noch an anderer Stelle (selbst und/oder über seinen Verteidiger) irgendwie geartete konkrete Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht. Schon angesichts dessen fehlt es in Anbetracht der Höhe des Leistungsbezugs des Verurteilten an konkreten Anhaltspunkten dahingehend, dass der Verurteilte bis zu seiner Inhaftierung nicht in der Lage gewesen sein könnte, die Geldstrafe zu zahlen. Dabei ist mit Blick auf die Prüfung der Zumutbarkeit der sofortigen Zahlung nämlich zu berücksichtigen, dass es zur Vollstreckung der Geldstrafe erfahrungsgemäß erst geraume Zeit nach Rechtskraft der Entscheidung kommt, da es wegen der Nachbearbeitung bei Gericht etwas Zeit in Anspruch nimmt, bis die Akten an die Vollstreckungsbehörde zurückgelangen, von der dann erst die Vollstreckung eingeleitet werden kann (OLG Hamm, Beschluss vom 05. Juni 2014 – III-1 RVs 48/14 -, juris; Urteil vom 06. Januar 2015 – III-1 RVs 112/14 -, juris). Insoweit kann berücksichtigt werden, ob der Verurteilte – wenn er Kenntnis von seiner (rechtskräftigen) Zahlungsverpflichtung erhält – die Möglichkeit hat, die Geldstrafensumme bis zur voraussichtlichen Vollstreckung anzusparen; hat er diese Möglichkeit, so ist ihm die Zahlung der Gesamtsumme zumutbar (OLG Hamm, a.a.O.). Vorliegend ist der Strafbefehl des Amtsgerichts Essen seit dem 22. Februar 2022 rechtskräftig, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe hat demgegenüber erst am 15. Dezember 2022 begonnen. Da zwischen der Rechtskraft der Verurteilung und dem Beginn der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe mithin ein Zeitraum von knapp zehn Monaten lag, ist in Anbetracht der Höhe des Leistungsbezugs des Verurteilten nicht anzunehmen, dass es dem Verurteilten nicht möglich gewesen sein soll, die Geldstrafensumme inzwischen anzusparen.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist die Entscheidung, dem Verurteilten keine Zahlungserleichterungen gemäß §§ 459a Abs. 1 StPO, 42 S. 1 StGB zu bewilligen, nicht zu beanstanden. Dies gilt zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Senats umso mehr, als nach dem vorliegenden Vollstreckungsblatt der Justizvollzugsanstalt J. (Bl. 117 der Akte) die Ersatzfreiheitstrafe von 140 Tagen am 03. Mai 2023, mithin in 20 Tagen, vollständig verbüßt sein wird. Da gemäß § 43 S. 2 StGB ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe einem Tagessatz Geldstrafe entspricht, zur Abwendung der weiteren Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 459e Abs. 4 S. 1 StPO also aktuell nur noch eine Restgeldstrafe von 200 Euro zu entrichten wäre, ist es auf der Basis der behördlichen bzw. gerichtlichen Erkenntnisse zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verurteilten erst recht fernliegend anzunehmen, dass es ihm bis zu seiner Inhaftierung nicht einmal möglich gewesen sein soll, diesen verbleibenden Restbetrag anzusparen.“

Haft III: Überlanger Vollzug von Organisationshaft, oder: Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit

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Und als dritte Entscheidung dann noch der OLG Bremen, Beschl. v. 07.09.2023 – 1 Ws 89/23 – zur Abwägung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit mit dem Freiheitsrechten und Interessen des Verurteilten bei überlanger Organisationshaft.

Dazu hat das OLG Bremen, Beschl. v. 07.09.2023 – 1 Ws 89/23 – in einem umfangreich begründeten Beschluss Stellung genommen, von dem ich hier nur die Leitsätze einstelle, und zwar:

  1. Der überlange Vollzug von Organisationshaft zur Vorbereitung des Vollzugs einer angeordneten Maßregel begründet eine Verletzung des Freiheitsgrundrechts des Verurteilten.

  2. Ob eine festgestellte Rechtsverletzung durch einen überlangen Vollzug von Organisationshaft zu einer Entlassung aus der Haft zu führen hat, ist anhand einer Abwägung zu beurteilen, für die es maßgeblich ankommt einerseits auf die Gefährlichkeit des Verurteilten und die dadurch tangierten Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit sowie andererseits auf Ausmaß und Intensität der Rechtsgutsverletzung durch die verzögerte Sachbehandlung und überlange Dauer der Organisationshaft.

  3. Die zuständige Strafvollstreckungsbehörde hat grundsätzlich bereits ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Verurteilung Bemühungen um die Aufnahme des Verurteilten aus der Organisationshaft in den Maßregelvollzug einzuleiten und es ist nicht das Vorliegen der Akten oder der schriftlichen Urteilsgründe abzuwarten.

  4. Die Regelung des § 121 StPO hat keine auch nur indizielle Bedeutung für die Frage, ob als Ergebnis dieser Abwägungsentscheidung jedenfalls nach einem sechsmonatigen Vollzug von Organisationshaft eine Entlassung aus der Haft zu erfolgen hat.

Haft II: Langzeitbesuch der Ehefrau im Strafvollzug, oder: Ablehnung wegen drohenden Missbrauchs?

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Als zweite Haft-Entscheidung dann etwas aus dem Vollzugsrecht.

Gestritten wird/wurde um einen Langzeitbesuch der Ehefrau des Verurteilten. Der Verurteilte verbüßte zwei Gesamtfreiheitsstrafen wegen Betruges bzw. wegen versuchter Hehlerei vom 17. März 2020. Die Anstalt hat einen Antrag des Gefangenen auf Gewährung von Langzeitbesuch seiner Ehefrau ab mit dern Begründung abgelehnt, dass der Antragsteller für die Zulassung von Langzeitbesuch nicht geeignet sei. Der Antragsteller unterliege einer Cannabisabhängigkeit i.S.v. ICD-10 F12.2. Daneben bestehe ein gegenwärtig abstinenter Alkoholmissbrauch. Des Weiteren verwies sie auf ein im Jahr 2019 zur Frage der Voraussetzungen nach §§ 20, 21 und 64 StGB eingeholtes psychiatrisches Sachverständigengutachten.

Der dagegen eingelegte Antrag auf gerichtliche Entscheidung hatte bei der StVK keinen Erfolg. Die Rechtsbeschwerde war dann aber beim OLG mit dem OLG Celle, Beschl. v. 19.09.2023 – 1 Ws 228/23 (StrVollz) – erfolgreich:

„…. Denn die Entscheidung der Antragsgegnerin auf Versagung von Vollzugslockerungen war ermessensfehlerhaft.

1. Das Besuchsrecht eines Gefangenen ist in § 25 NJVollzG geregelt. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift darf der Gefangene regelmäßig mindestens zwei Stunden im Monat Besuch empfangen. Darüber hinaus sollen gemäß § 25 Abs. 2 NJVollzG Besuche zugelassen werden, wenn sie die Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 NJVollzG fördern oder persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die nicht von der oder dem Gefangenen schriftlich erledigt, durch Dritte wahrgenommen oder bis zur Entlassung der oder des Gefangenen aufgeschoben werden können. Gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 NJVollzG können auch mehrstündige unbeaufsichtigte Besuche (Langzeitbesuche) von Angehörigen im Sinne des Strafgesetzbuchs sowie von Personen, die einen günstigen Einfluss erwarten lassen, zugelassen werden, soweit die oder der Gefangene dafür geeignet ist. Wegen des besonderen Schutzes von Ehe und Familie in Art. 6 Abs. 1 GG werden Langzeitbesuche von Angehörigen iSd § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a und b StGB nicht an die Erwartung eines günstigen Einflusses geknüpft, entscheidend und ausreichend ist insofern allein die Eignung des Gefangenen (vgl. BeckOK Strafvollzug Nds/Reichenbach, 21. Ed. 1.7.2023, NJVollzG § 25 Rn. 13).

Zutreffend hat die Strafvollstreckungskammer darauf abgestellt, dass anders als nach der noch bis zum 1. Juli 2022 geltenden Rechtslage das Ermessen der Vollzugsbehörde bei der Bewilligung von Langezeitbesuchen nicht mehr gebunden war (vgl. zur damaligen Rechtslage OLG Celle, Beschluss vom 11. Juni 2020 – 3 Ws 103/20 (StrVollz) –, juris). Vielmehr wollte der Gesetzgeber durch die Änderung der bisherigen Soll- in eine Kann-Vorschrift eine Besuchsreduzierung bei Langzeitbesuchen erreichen (NdsLT-Drs. 18/11236, 2; BeckOK Strafvollzug Nds/Reichenbach, 21. Ed. 1.7.2023, NJVollzG § 25 Rn. 14.1).

Gemessen daran bestand zwar kein Rechtsanspruch des Gefangenen auf Zulassung zum Langzeitbesuch. Dort, wo eine Justizvollzugsanstalt – wie im vorliegenden Fall – die entsprechenden Räumlichkeiten vorhält und Langzeitbesuche grundsätzlich zulässt, steht die Entscheidung über die Bewilligung im Einzelfall im Ermessen des Anstaltsleiters. Dementsprechend steht dem Gefangenen ein Anspruch auf eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung zu (vgl. OLG Celle Beschl. v. 29.5.2008 – 1 Ws 220/08, BeckRS 2008, 20094, beck-online).

Neben der gegenwärtigen Ausgestaltung des § 25 Abs. 2 NJVollzG als Ermessensvorschrift enthält die gesetzliche Regelung einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Entscheidungsspielraum auf der Tatbestandsseite (Beurteilungsspielraum) zur Frage der grundsätzlichen Eignung des Gefangenen (vgl. Arloth/Kräh StVollzG, § 25 NJVollzG Rn. 1). Hiernach war die Prüfung darauf zu beschränken, ob die Vollzugsbehörde von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie ihrer Entscheidung einen rechtlich zutreffend ausgelegten Rechtsbegriff zugrunde gelegt und ob sie dabei die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums eingehalten hat.

2. Den vorstehenden Rechtsgrundsätzen werden die angefochtene Entscheidung der Strafvollstreckungskammer und die mündliche Ablehnung der Antragsgegnerin vom 16. März 2023 nicht gerecht. Die dort angeführten Erwägungen tragen die Ablehnung von Langzeitbesuch bereits wegen zu Unrecht festgestellter fehlender Eignung des Antragstellers nicht.

So vermag zwar ein begründeter Verdacht, dass der Besucher und der Gefangene in gemeinsame kriminelle Aktivitäten verstrickt sind oder dass sie – etwa anlässlich von Langzeitbesuchen Rauschmittel konsumieren bzw. diesen unüberwachten Besuch für das Einbringen von verbotenen Substanzen ausnutzen könnten, eine fehlende Geeignetheit zu begründen (vgl. BeckOK Strafvollzug Nds/Reichenbach, 21. Ed. 1.7.2023, NJVollzG § 25

Rn. 9; OLG Hamm NStZ 1995, 380, 381 beck-online). Voraussetzung ist aber stets, dass aufgrund konkreter Tatsachen die Gefahr besteht, dass der Langzeitbesuch zu unerlaubten Absprachen missbraucht wird (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 9. September 2004 – 3 Vollz (Ws) 47/04 –, juris).

An solchen tatsachenfundierten Erkenntnissen fehlte es im zugrundeliegenden Fall jedoch, sodass die Antragsgegnerin die Anforderungen an die Geeignetheit überspannt hat. Vielmehr stützte sich die Entscheidung der Antragsgegnerin allein auf die nicht vollständig aufgearbeitete Suchterkrankung, die mitursächlich für die bisherigen Straftaten des Antragstellers gewesen ist. Anhaltspunkte für einen aktuellen Betäubungsmittelkonsum während der Inhaftierung etwa in Form von positiven Urinkontrollen oder Kontakten zum dortigen Betäubungsmittelumfeld waren nicht zutage getreten. Auch bei den bereits mehrfach erfolgten Besuchskontakten durch die Ehefrau des Antragstellers konnten keinerlei Verstöße festgestellt werden.

Bei der Entscheidung der fehlenden Eignung hat die Antragsgegnerin mithin den straftatursächlichen Faktoren gegenüber seinem bisherigen beanstandungsfreien Verhalten im Vollzug und seiner dortigen Persönlichkeitsentwicklung bis hin zur nicht widerlegbaren Abstinenz sowie fehlenden Anzeichen für einen aktuellen Suchtdruck mit der möglichen Gefahr einer Einwirkung auf Dritte, insbesondere seine Ehefrau ein zu hohes Gewicht beigemessen. Die Versagung einer Eignung für Langzeitbesuche unter Hinweis auf die noch nicht abgeschlossene Suchtmitteltherapie erweist sich daher unter den gegebenen Umständen als rechtswidrig.“

Vollzug II: Rentner im Knast – Haftkostenbeitrag?, oder: Abgetretene Einkünfte

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Und als zweite Entscheidung dann der OLG Celle, Beschl. v. 24.08.2023 – 1 Ws 208/23 (StrVollz). Es geht um die Zahlung eines Haftkostenbeitrags.

Der Antragsteller verbüßt derzeit eine Freiheitsstrafe wegen Betruges in der JVA. Vom 22.12.2021 bis zum 24.10.2021 befand er sich zunächst im offenen und seit dem 17.11.2022 im geschlossenen Vollzug.

Der Antragsteller hat das gesetzliche Rentenalter erreicht. Bereits während des offenen Vollzugs wurde der Antragsteller auf Grund von Renteneinkünften an den Haftkosten beteiligt. Mit Bescheid vom 12.04.2023 erhob die Antragsgegnerin seit 17.11.2022 ebenfalls einen monatlichen Haftkostenbeitrag auf Grund von Renteneinkünften. Diesen setzte sie für den Zeitraum vom 17.11.2022 bis zum 31.12.2022 auf 322,60 EUR und für die Zeit vom 01.01.2023 bis zum 31.12.2023 auf monatlich 312,94 EUR fest. Als monatliche Renteneinkünfte legte sie Renteneinkünfte in Höhe von monatlich 621,01 EUR zugrunde.

Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, den die StVK zurückgewiesen hat. Die  Rechtsbeschwerde des Verurteilten hatte Erfolg:

„Die Überprüfung auf die in zulässiger Form erhobene Sachrüge führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer gemäß § 119 Abs. 4 Satz 3 StVollzG.

1. So geht die Strafvollstreckungskammer zwar zunächst zutreffend davon aus, dass Renteneinkünfte grundsätzlich zu den Einkünften im Sinne des § 52 Abs. 2 S. 2 NJVollzG zählen, welche für eine Kostenbeteiligung im Rahmen der Haftkosten nach 52 Abs. 2 in Betracht kommen (vgl. OLG Celle NStZ-RR 2008, 294). Soweit die Kammer allerdings bei ihrer Betrachtung auch solche Einkünfte berücksichtigt, die aus nicht näher festgestellten Gründen bereits abgetreten worden sind, hält dies einer rechtlichen Überprüfung im Rahmen der Rechtsbeschwerde nicht stand.

Entgegen der Rechtsauffassung der Strafvollstreckungskammer ist für die grundsätzliche Möglichkeit für eine Heranziehung zu den Haftkosten zunächst Voraussetzung, dass der Antragssteller über entsprechende Einkünfte verfügte (vgl. Feest, Lesting, Lindemann StVollzG, 7. Aufl., Teil II § 61 LandesR Rn. 6). Hierfür spricht schon der Wortlaut. Denn § 52 Abs. 2 S. 2 NJVollzG setzt für eine Kostenbeteiligung zunächst voraus, dass die oder der Gefangene Einkünfte hat, d.h. er auch darüber verfügen kann. Soweit das Gesetz die Formulierung „entfallende“ Einkünfte gebraucht, bezieht sich dies erkennbar auf die zeitliche Komponente, bei der nur solche Einkünfte zu berücksichtigen sind, die im jeweiligen Zeitraum anfallen. Auch Sinn und Zweck der Regelung gebieten eine eng am Wortlaut haftende Anwendung. Nach der gesetzlichen Grundkonzeption, die eine Angleichung der Haftsituation an die allgemeinen Lebensverhältnisse erreichen will, ist der Gefangene grundsätzlich an den Kosten seiner Haft zu beteiligen und zwar – den Aufwendungen für seinen Lebensunterhalt in Freiheit vergleichbar – nicht an sämtlichen, durch die Inhaftierung entstehenden Kosten, sondern allein an den Kosten für Unterkunft und Verpflegung (vgl. BeckOK Strafvollzug Nds/Reichenbach, 21. Ed. 1.7.2023, NJVollzG § 52 Rn. 2). Dies setzt hingegen voraus, dass der Gefangene Einkünfte erzielt, die ihm prinzipiell zunächst auch zufließen.

Im Falle einer wirksamen Abtretung der für die Berechnung einer Haftkostenbeteiligung herangezogenen Ansprüche gegen die Deutsche Rentenversicherung wäre jedoch ein Wechsel in der Gläubigerstellung eingetreten (MüKoBGB/Kieninger, 9. Aufl. 2022, BGB § 398 Rn. 92) mit der Folge, dass der Zedent die Gläubigerstellung verliert. Demnach wären spätere Abtretungen oder Verpfändungen durch ihn unwirksam, für eine Aufrechnung fehlte es an der Inhaberschaft, Pfändungen gingen ins Leere und die Forderung gehörte im später eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Zedenten nicht zur Masse (MüKoBGB/Kieninger aaO Rn. 95). Folglich könnten auch andere Gläubiger des Antragstellers nicht mehr auf die abgetretene Forderung zugreifen. Nichts anderes kann daher für die Antragsgegnerin gelten. Demnach kommt es für die Frage der Prüfung einer Kostenbeteiligung maßgeblich darauf an, ob der Antragsteller noch Inhaber der von ihm behaupteten Forderung ist.

Zu den Fragen einer Abtretung und deren Wirksamkeit insbesondere im Hinblick auf etwaige Abtretungsverbote (vgl. §§ 399, 400 BGB, § 53 SGB I) hat die Strafvollstreckungskammer dagegen keine näheren Feststellungen getroffen. Der Senat ist daher an der Prüfung gehindert, ob die Strafvollstreckungskammer letztlich zutreffend von der Erhebung von Haftkostenbeiträgen beim Antragsteller ausgegangen ist.

2. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass vorliegend maßgeblich zu prüfen sein wird, ob eine wirksame Abtretung vorgelegen hat. Dabei hat die Kammer die Behauptung des Antragstellers im Freibeweisverfahren – kritisch – zu würdigen. Zwar ist der Gefangene zu einer Auskunft – anders als im Steuerrecht – mangels Rechtsgrundlage grundsätzlich nicht verpflichtet (vgl. Arloth/Krä StVollzG § 50 Rn. 7; BeckOK Strafvollzug Bund/Kuhn, 24. Ed. 1.8.2023, StVollzG § 50). Den Antragsteller trifft im Verfahren nach dem StVollzG auch weder eine Beweislast für sein Vorbringen noch hat er das Beweisrisiko zu tragen (vgl. BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 24. Ed. 1.8.2023, StVollzG § 115 Rn. 2 m.w.N.). Der erforderliche Umfang der Aufklärung bemisst sich allerdings an dem Vorbringen der streitenden Parteien. Je eingehender, plausibler und anhand der Umstände nachvollziehbarer eine der Parteien einen Sachverhalt darstellt, die andere Partei ihm aber nur pauschal oder neben der Sache liegend entgegentritt, desto eher darf sich der Tatrichter mit dem Vorbringen der erstgenannten Partei zufriedengeben (KG BeckRS 2016, 13731 und BeckRS 2016, 13733). Behauptungen des Antragstellers, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine objektiven Anhaltspunkte gibt, sind nicht ohne weiteres als „unwiderlegbar“ hinzunehmen und den Tatsachenfeststellungen zu Grunde zu legen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 – 3 StR 154/22 –, Rn. 17, juris).

Gemessen daran ist die Strafvollstreckungskammer daher nicht gehalten, allein die bloße Behauptung des Antragstellers über eine Abtretung bei der Prüfung der Haftkostenbeteiligung zugrunde zu legen. Vielmehr sprechen bislang die weiteren Umstände eines fehlenden Tatsachenvortrags zu näheren Umständen der angeblichen Abtretung sowie der zuvor beanstandungsfreien Zahlung des Haftkostenbeitrags während des offenen Vollzugs für eine bloße Schutzbehauptung des Antragstellers. Dass auf seinen Namen ein Beitragskonto mit den zugrunde gelegten monatlichen Beträgen geführt wird ist bislang unstreitig, sodass es dem Antragsteller obliegt, die behauptete Abtretung näher darzulegen, wenn diese – wie hier weder offenkundig noch aus anderen Vorgängen bekannt ist (vgl. in diesem Sinne auch (OLG Koblenz Beschl. v. 20.10.2014 – 2 Ws 495/14 (Vollz), BeckRS 2015, 1832 Rn. 2, beck-online).“

Vollzug I: Akteneinsicht in die Maßregelvollzugsakte, oder: Anfechtung der Ablehnungsentscheidung

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Zum Start in die 37. KW bringe ich heute zwei Entscheidungen, die mit Strafvollzug usw. zu tun haben. Beide kommen vom OLG Celle.

Zunächst der OLG Celle, Beschl. v. 21.06.2023 – 1 Ws 154/23 (MVollz), ergangen in einer Maßregelvollzugsache. Der Sachverhalt ergibt sich aus dem (kurzen) Beschluss:

„Der Antragsteller befindet sich im Maßregelvollzug. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen hat mit Beschluss vom 23. März 2023 den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 3. März 2023 als unbegründet zurückgewiesen. Gegenstand seines Antragsbegehrens war eine Erhöhung des monatlich nach § 11 Nds. MVollzG i.V.m. § 27 SGB XII monatlich gewährten Taschengeldes.

Zu einem nach § 118 Abs. 3 StVollzG am 21. April 2023 anberaumten Termin zur Protokollierung seiner Rechtsbeschwerde gegen den vorbezeichneten Beschluss der Strafvollstreckungskammer erschien der Antragsteller nicht. Er beantragte vielmehr schriftlich, ihm Akteneinsicht in die gerichtlichen Strafvollzugsakten zu gewähren.

Mit Beschluss vom 8. Mai 2023 versagte die Strafvollstreckungskammer die begehrte Akteneinsicht und führte zur Begründung aus, dass die Akte im Wesentlichen nur aus Schreiben des Antragstellers sowie gerichtlichen Verfügungen bestehe und ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme durch den Antragsteller daher nicht erkennbar sei.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde vom 12. Mai 2023. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Gegen die Ablehnung der Akteneinsicht ist die einfache Beschwerde nach § 120 Abs. 1 Satz 2 StVollzG, 138 Abs. 3, § 304 Abs. 1 StPO statthaft (BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 23. Ed. 1.2.2023, StVollzG § 120 Rn. 4).

Sie hat indessen in der Sache keinen Erfolg.

Zwar steht dem anwaltlich nicht vertretenen Antragsteller im Maßregelvollzugsverfahren grundsätzlich gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2, § 138 Abs. 3 StVollzG, § 147 Abs. 4 StPO ein Recht auf Einsicht in die Gerichtsakten zu. Anders als im Strafverfahren besteht im Strafvollzugsverfahren die gerichtliche Akte hingegen für gewöhnlich ausschließlich aus den Eingaben des Antragstellers, den ihm zur Kenntnisnahme übersandten Schriftsätzen des Antragsgegners und den dem Antragsteller bekanntgemachten gerichtlichen Entscheidungen. Der Antragsteller ist zur Ausübung seiner Verfahrensrechte in Strafvollzugsverfahren mithin in aller Regel nicht auf Akteneinsicht angewiesen. Denn durch die Akteneinsicht würden ihm lediglich die Schriftstücke, deren Inhalt er bereits kennt, zur Einsicht vorgelegt oder in Kopie übermittelt werden.

Aufgrund dieser Erwägungen obliegt es einem anwaltlich nicht vertretenen Antragsteller im Strafvollzugsverfahren darzulegen, worauf sein Akteneinsichtsgesuch zielt, damit ihm die Akteneinsicht in einer dem Zweck entsprechenden Weise gewährt werden kann. (vgl. OLG Stuttgart Beschl. v. 7.2.2022 – V 4 Ws 241/20, BeckRS 2022, 20086 Rn. 3, beck-online).

Im zugrundeliegenden Fall lässt sich indessen weder dem Antragsvorbringen noch der Beschwerdeschrift entnehmen, weshalb der Antragsteller Akteneinsicht begehrt. Bei dieser Sachlage kann das mit der Sache befasste Gericht nicht beurteilen, welche Schriftstücke dem Antragsteller möglicherweise fehlen und ob und in welchem Umfang ihm gemäß § 147 Abs. 4 Satz 2 StPO, § 120 Abs. 1 Satz 2, § 138 Abs. 3 StVollzG Kopien bereitgestellt werden müssen oder ob es erforderlich ist, ihm die Akte im Original ? unter Aufsicht ? vorzulegen, was bei untergebrachten Antragstellern mit erheblichem Aufwand verbunden ist.