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Causa Middelhoff, oder: Guantanamo ist vielleicht gar nicht so weit weg

HaftraumIm Moment spielt das Thema „Schlafkontrolle“ bei Th. Middelhoff in den Blogs eine große Rolle; von „Schlafentzug“ zu sprechen, geht mir etwas weit. Der Kollege Hoenig hat in zwei Beiträgen dazu berichtet (vgl. einmal hier „Der rote Punkt an der Zellentür“ und „Es geht noch dunkelroter“), Udo Vetter hat im LawBlog einen Beitrag gepostet (vgl. hier: Faktische Folter) und auch der Beck-Blog hat sich gemeldet mit: Suizidprophylaxe oder Folter? Zum Fall Middelhoff. Wenn man das so liest, ist man schon mehr als irritiert, dass es so etwas gibt – aber siehe unten – und dass es keine anderen Kontrollmöglichkeiten gibt/geben soll.

Irritiert bin ich allerdings auch ein wenig über die Verteidigung von Th. Middelhoff. Mir leuchtet nämlich nicht ein, warum man gegen diese Art und Dauer der Überwachung nicht zur Zeit der Anordnung/Durchführung im November/Dezember 2014 gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen hat; mir ist jedenfalls dazu nichts bekannt. Aber vielleicht hatte Th. Middelhoff ja bereits zu dem Zeitpunkt sein Vertrauen – wenn er es denn jemals hatte – in LG Essen und OLG Hamm verloren, nachdem man dort seine Haftprüfungsanträge immer wieder zurückgewiesen hat (vgl. dazu jüngst Middelhoff bleibt drin – auch 900.000 € Kaution reichen nicht). Warum also jetzt? Vielleicht wirklich ein wenig Begleitmusik zu einem neuen Haftprüfungsantrag, über den u.a. LTO berichtet (vgl. dazu hier)?

Aber unabhängig davoN. Ich bin gespannt, wie es weitergeht, nachdem sich nun ja auch die Politik schon eingeschaltet hat (vgl. dazu aus der Berliner Zeitung). Allerdings: „Das NRW-Justizministerium reagiert gelassen„, so der Tagesspiegel, an einer Befragung im Rechtsausschuss des Landtages NRW wird der nordrhein-westfälische Justizminister aber dann doch wahrscheinlich nicht vorbei kommen.

Wer allerdings glaubt, dass die Schlafkontrolle von Th. Middelhoff ein Einzelfall ist, der hat sich geirrt. Ich zitiere dazu aus eine Mail, die mich heute erreicht hat. Da heißt es u.a.:

 „…..aktuell steht bekanntlich die mittels Licht durchgeführte Überwachung von Herrn Middelhoff massiv in der Kritik (http://www.faz.net/aktuell/wissen/schlafentzug-von-gefangenen-ein-anschlag-auf-die-gesundheit-13525436.html).

Dies ist indessen nichts neues bzw. in der – auch und vor allem baden-württembergischen – Vollzugspraxis völlig üblich, ja sogar noch schlimmer. Beispielsweise werden in den Justizvollzugsanstalten des Landes Baden-Württemberg Gefangene, mit denen die Justizvollzugsanstalten zeitweise überfordert sind, im Rahmen sog. „besonderer Sicherungsmaßnahmen“ in einer „Beruhigungszelle“ untergebracht – in nacktem Zustand. Dabei wird dieser spezielle Haftraum permanent (also 24h) mit grellem Licht beleuchtet und zugleich per Kamera überwacht. Obwohl an diese – rein präventive – Maßnahme angesichts der Eingriffsintensität von Gesetzes wegen strenge Anforderungen gelten, wird sie viel zu leichtfertig verhängt.

Eine – mir vorliegende und im Anhang beigefügte – Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart belegt dies. In jenem Fall war der in der JVA Ravensburg inhaftierte Gefangene wegen eines „Wortwechsels“ mit einem Bediensteten in einem solchen Haftraum untergebracht worden. Das Oberlandesgericht ging davon aus, dass die Maßnahme „unter keinem Gesichtspunkt gerechtfertigt“ (also willkürlich) gewesen sei. Ferner warf es die Frage auf, wieso die JVA dem Gefangenen zur Wahrung seiner Menschenwürde – statt ihn nackt zu unterbringen – „nicht eine Ersatzkleidung (zur Not aus Papier)“ zur Verfügung gestellt habe. Da der Gefangene infolge der permanenten Beleuchtung des Haftraums mit grellem nicht habe schlafen können, wies das Oberlandesgericht darauf hin, dass das Licht prinzipiell „so weit abgedunkelt“ werden müsse, dass der Gefangene „Schlaf finden“ könne. Schließlich kritisierte das Gericht auch die Dauer der Maßnahme. Es sei „unklar, wieso die besondere Sicherungsmaßnahme über zwei Tage hinweg aufrechterhalten“ worden sei. Bezüglich letzterem ist zu erwähnen, dass die Unterbringung in einem derartigen Haftraum (Beruhigungszelle) ab dem dritten Tag der Genehmigung des Justizministeriums bedarf, weswegen die Justizvollzugsanstalten die Maßnahme ganz bewusst vor dieser Grenze beenden, um das Ministerium nicht informieren zu müssen. Denn eine Verpflichtung der Justizvollzugsanstalten zu einer abschließenden Meldung jeder einzelnen Unterbringung existiert nicht.

Erst jüngst hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die nackte Unterbringung eines Gefangenen in einer Beruhigungszelle als Verstoß gegen das Folter-Verbot gerügt und die Bundesrepublik Deutschland zur Zahlung von 10.000 € Entschädigung verurteilt (http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/egmr-ruegt-haftbedingungen-eine-woche-nackt-in-der-beruhigungszelle/).

Angeblich ist die baden-württembergische Justiz inzwischen (teilweise) dazu übergegangen, die Beruhigungszellen dergestalt umzufunktionieren, dass das Licht gedimmt werden kann. Aber auch hierfür gibt es keine Rechtsgrundlage. Das Bundesverfassungsgericht hat dies bereits im Jahr 2008 klargestellt (http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20080124_2bvr166106.html – Randnummer 43: „unzulässige […] unabgeschirmte Beleuchtung des Haftraums“). Dabei hat das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen, dass anstelle einer Beleuchtung oder Kameraüberwachung der Einsatz von Infrarot- bzw. Wärmebildtechnik oder nur eine „lediglich akustische“ Überwachung geprüft und erörtert werden müsse.

Schlafentzug wird auch in der baden-württembergischen JVA Heimsheim praktiziert, und zwar in der Weise, dass die Beleuchtung der (normalen) Hafträume in der Transportabteilung um 5:00 Uhr (von außen zentral) eingeschaltet wird. Dies soll offenbar dazu dienen, den Schlaf der Gefangenen (zwangsweise) zu beenden, damit nicht jeder Gefangene, der später per Transport in eine andere JVA verlegt werden soll, einzeln geweckt werden muss. Die Maßnahme dient mithin der „Entlastung“ der Bediensteten. Auch für diese Maßnahme gibt es freilich keine Rechtsgrundlage.

Ich lasse das mal unkommentiert stehen. Der Absender der Mail ist übrigens nach eigenen Angaben „im Vollzug tätig“. Und den oben angesprochenen OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.11.2010 – 4 Ws 208/10 (V) – hat man gleich mitgeschickt. Wenn man das alles so liest, dann hat man schon den Eindruck: Guantanamo ist vielleicht gar nicht so weit weg.

Der Türspion im Knast, oder: Die Beobachtung des nackten männlichen Gefangenen durch die weibliche Bedienstete

© Joachim B. Albers - Fotolia.com

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In einer Vollzugsache meldet sich der 1. Strafsenat des OLG Hamm mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 27.01.2015 – 1 Vollz (Ws) 664/14 – zu Wort. Zu entscheiden war folgende Frage: Gegen den betroffenen Gefangenen war nach einem Selbstmordversuch in einer anderen Justizvollzugsanstalt die Sicherungsmaßnahme der Beobachtung in unregelmäßigen Zeitabständen von nicht mehr als 15 Minuten, auch bei Nacht, angeordnet worden. Diese Beobachtungsmaßnahmen (durch das Fenster zu seinem Haftraum) wurden teilweise auch von weiblichen Bediensteten durchgeführt. In mindestens drei Beobachtungsfällen war der Gefangene dabei nackt, nachdem er sich nach sportlicher Betätigung gewaschen hatte. Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Betroffene u.a. die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beobachtung durch weibliche Bedienstete begehrt. Er hatte insoweit Erfolg:

„Vielmehr handelt es sich bei der angeordneten Sicherungsmaßnahme um eine solche nach § 88 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG, soweit sie zur Nachtzeit durchzuführen war und eine solche nach § 4 Abs. 2 StVollzG im Übrigen (vgl. BGH NJW 1991, 2652). Hier ging es offensichtlich um eine Beobachtung nicht zur Nachtzeit, was sich aus dem Umstand ergibt, dass der Betroffene bei oder kurz nach der Körperpflege nach sportlicher Betätigung (Laufen in der Freistunde) angetroffen wurde. Maßstab der Überprüfung ist also § 4 Abs. 2 StVollzG. Danach dürfen dem Gefangenen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt unerlässlich sind. Grundsätzlich ist zwar die Beobachtung durch einen Türspion oder ein Fenster zum Haftraum – auch durch weibliche Bedienstete – eine zulässige Maßnahme zur Abwendung der Realisierung einer Selbstmordgefahr. Auch hierbei ist freilich die Intimsphäre des Gefangenen, die durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt wird, möglichst zu schonen. Dem wurde im angefochtenen Beschluss nicht vollständig Rechnung getragen. Soweit die angefochtene Entscheidung darauf abstellt, die beanstandeten Sichtkontrollen durch weibliche Bedienstete seien zu Zeiten erfolgt, in denen „grundsätzlich nicht damit zu rechnen ist, dass der Gefangene sich in seinem Haftraum nackt aufhält“, hätte es gleichwohl der Erörterung bedurft ob nicht gleichwohl auch hier die Möglichkeit bestand, sich vor der Verschaffung des Einblicks in den Haftraum des Betroffenen in irgendeiner Form anzukündigen, um ihm so die Möglichkeit zu geben, einen – wenn auch nicht zu erwartenden, jedoch gleichwohl nicht fern liegenden – etwaigen Eingriff in seine Intimsphäre abzuwenden. Insoweit gelten nach Auffassung des Senats die verfassungsgerichtlichen Anforderungen zum Sich-bemerkbar-Machen vor einem Betreten des Haftraumes (s.o.) entsprechend. Es hätte also hier der Erörterung bedurft, warum es, wenn eine weibliche Bedienstete die Beobachtung durchführt, nicht möglich gewesen sein sollte, dass diese die Sichtkontrolle zuvor (etwa durch Abgabe eines vorher mit dem Gefangenen vereinbarten Zeichens, durch Ansprache durch die Haftraumtür hindurch o.ä.) ankündigte. Ein solcher Grund könnte etwa dann vorliegen, wenn zu befürchten ist, dass der Gefangene eine Selbstmordabsicht noch zwischen Ankündigung und Sichtkontrolle verwirklicht und aufgrund dessen ein zeitlicher Vorlauf entstünde, der die Sicherungsmaßnahme leerlaufen ließe. Mit diesen Fragen setzt sich der angefochtene Beschluss indes nicht auseinander.

Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass es angesichts des Sicherungszwecks der Maßnahme freilich nicht erforderlich ist, eine Sichtkontrolle bis zu einer entsprechenden Zustimmungserklärung des Gefangenen hinauszuschieben oder sonst länger zuzuwarten, als es notwendig ist, damit der Gefangene seine etwaige Blöße bedecken kann.

So richtig etwas für einen Freitag :-).

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2015 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…

Am Monatsersten ist Zahltag – auch im Knast….

© Birgit Reitz-Hofmann - Fotolia.com

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Dieses Posting passt ganz gut zum ablaufenden Monat und zum vor der Tür stehenden Monatsersten. Denn in der Regel gibt es ja am Monatsersten Geld, ist Zahltag. Der eine bekommt sein Gehalt/seinen Lohn rückwirkend, die Beamten werden alimentiert und es wird im Voraus gezahlt. Nur, wie ist es im Knast/Strafvollzug. Wie wird bzw. muss da gezahlt werden. Zu der Frage verhält sich der OLG Koblenz, Beschl. v. 04.11.2014 – 2 Ws 499/14 (Vollz). Gegenstand des Verfahrens war ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit dem ein (bedürftiger) Strafgefangener u.a. von der JVA  verlangte, dass diese das ihm zustehende Taschengeld monatlich so frühzeitig auszuzahlen hat, dass er den am 3. Tag eines Monats in der JVA stattfindenden Einkauf wahrnehmen kann. Die StVK hatte dem entsprochen, die JVA war in die Rechtsbeschwerde gegangen und hat beim OLG „verloren“. Das OLG meint u.a.:

„b) Gemäß 67 Abs. 1 Satz 1 LJVollzG wird bedürftigen Strafgefangenen auf Antrag Taschengeld gewährt. Bedürftig sind Strafgefangene dann, soweit ihnen aus Hausgeld und Eigengeld monatlich ein Betrag bis zur Höhe des Taschengelds voraussichtlich nicht zur Verfügung steht (§ 67 Abs. 1 Satz 2 LJVollzG). Das Taschengeld beträgt 14 v.H. der Eckvergütung nach § 65 Abs. 2 LJVollzG (§ 67 Abs. 4 Satz 1 LJVollzG). Es wird zu Beginn des Monats im Voraus gewährt (§ 67 Abs. 4 Satz 2 LJVollzG).

Der Begriff „zu Beginn des Monats im Voraus“ ist weder im Landesjustizvollzugsgesetz noch in anderen Gesetzen näher bestimmt. Er findet sich auch im Landessicherungsverwahrungsvollzugsgesetz (§ 62 Abs. 3 Satz 2 LSVVollzG) und entspricht der Begrifflichkeit in den Justizvollzugs- und Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzen anderer Bundesländer (vgl. etwa § 62 Abs. 3 Satz 2 SVVollzG Bln; § 62 Abs. 3 Satz 2 BbgSVVollzG; § 68 Abs. 4 Satz 2 BbgJVollzG; § 59 Abs. 2 Satz 2 SJStVollzG; § 62 Abs. 2 Satz 2 SVVollzG M-V; § 57 Abs. 3 Satz 2 StVollzG M-V; § 63 Abs. 3 Satz 2 SichVVollzG Br; § 68 Abs. 4 Satz 2 ThürJVollzGB; § 57 Abs. 3 Satz 2 SLStVollzG). Mit Inhalt und Begründung hat sich der Gesetzgeber in § 67 Abs. 4 Satz 2 LJVollzG dem Musterentwurf zum Landesstrafvollzugsgesetz (ME-StVollzG) vom 23. August 2011 (dort § 57 Abs. 3 Satz 2 ME-StVollzG) angeschlossen.

c) 67 Abs. 4 Satz 2 LJVollzG verwendet den Begriff „Monat“ im Wort- bzw. kalendarischen Sinne, wonach der Zeitspanne von einem Kalendermonat ein bestimmter Monatsname (z.B. März) zugeordnet wird. Davon geht auch die Antragsgegnerin aus, wie sich aus den von ihr erstellten Kontoauszügen ergibt. Ein Monat im kalendarischen Sinn „beginnt“ mit dem ersten Tag, dem sog. Ersten eines Monats (z.B. dem 1. März 2014). Der Wortlaut von § 67 Abs. 4 Satz 2 LJVollzG mit der Formulierung „zu Beginn eines Monats“ spricht deshalb dafür, dass die Auszahlung des Taschengeldes zum Ersten eines Kalendermonats zu erfolgen hat, zumal die Wortwahl noch dadurch verstärkt wird, dass das Geld „im Voraus“ zu gewähren ist.
d) Diese Auslegung nach dem Wortsinn wird durch Sinn und Zweck der Regelung bestätigt. Nach den Gesetzesmaterialien erfolgt die Gewährung von Taschengeld „im Voraus“, um von Beginn der Haftzeit an ein Abgleiten des Strafgefangenen in die Subkultur zu vermeiden (vgl. Landtag Rheinland-Pfalz, Drucks. 16/1910 v. 18.12.2012, S. 141)……“

Manchmal ist man schon erstaunt, um was alles gestritten werden muss 🙂 .

Ein Blick ins Gesetz, oder: Pflichtverteidiger für Sicherungsverwahrten in Vollzugssachen ist die Regel

© Haramis Kalfar - Fotolia.com

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Manche gesetzliche Regelungen sind einem nicht präsent bzw. man registriert gesetzliche Neuregelungen nicht bzw. nicht sofort. So ist es mir mit dem § 109 Abs. 3 StVollzG ergangen, der die Beiordnung eines Pflichtverteidigers in Maßregelvollzug behandelt.; eingefügt durch „Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung“ mit Wirkung vom 01.06.2013. Auf ihn bin ich jetzt erst durch den KG, Beschl. v. 30.09.2014 2 Ws 342/14 Vollz, der sich mit der Vorschrift befasst und sehr schön die Systematik der Beiordnung erläutert, und zwra wie folgt:

„Diese Ausführungen hat sich der Gesetzgeber zu Eigen gemacht (vgl. BT-Drucks. 17/9874 S. 27) und mit § 109 Abs. 3 StVollzG eine Regelung getroffen, die es erlaubt, bestimmten Antragstellern unter privilegierten Voraussetzungen einen Rechtsanwalt beizuordnen. Nach dem Willen des Gesetzgebers stellt die Beiordnung – bei Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen sowie bei einem Streit über die dort genannten Maßnahmen dann – den Regelfall dar (vgl. BT-Drucks. 17/9874 S. 27). Sie setzt im Einzelnen Folgendes voraus:

(1) Zunächst steht das Recht auf Beiordnung aus § 109 Abs. 3 Satz 1 StVollzG, wie sich aus dem Wortlaut und insbesondere aus der Bezugnahme auf § 66c Abs. 1 StGB ergibt, nur Sicherungsverwahrten und solchen Strafgefangenen zu, bei denen Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten ist. Da gegen den Antragsteller die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet wurde und diese gegenwärtig vollzogen wird, sind die Voraussetzungen insoweit gegeben.

(2) Eine Beiordnung nach § 109 Abs. 3 Satz 1 StVollzG setzt ferner voraus, dass „die vom Antragsteller begehrte oder angefochtene Maßnahme der Umsetzung des § 66c Abs. 1 des Strafgesetzbuches“ dient. Auch das ist hier der Fall. Denn der Gegenstand des Vollzugsverfahrens betrifft die Ausgestaltung zukünftiger Ausführungen, mithin „vollzugsöffnende Maßnahmen“ im Sinne des § 66c Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a) StGB (vgl. zu diesem Begriff BT-Drucks. 17/9874 S. 17). Dass vorliegend nicht über das „Ob“, sondern allein über das „Wie“ der Ausführungen gestritten wird, ändert daran nichts.

Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist dem Antragsteller regelmäßig ein Rechtsanwalt beizuordnen. Anders als bei der Beiordnung nach den Bestimmungen über die Prozesskostenhilfe (§ 120 Abs. 2 StVollzG i.V.m. § 114 ff. ZPO) kommt es bei der Beiordnung eines Rechtsanwalts auf Grundlage des § 109 Abs. 3 Satz 1 StVollzG auch nicht auf die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung und die Bedürftigkeit des Antragstellers an (vgl. zu letzterem OLG Hamm NStZ-RR 2014, 294).

(3) Von einer Beiordnung nach § 109 Abs. 3 Satz 1 (vorletzter und letzter Halbsatz) StVollzG ist aber ausnahmsweise abzusehen, wenn

  • „wegen der Einfachheit der Sach-und Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsanwalts nicht geboten erscheint“ oder
  • „es ersichtlich ist, dass der Antragsteller seine Rechte selbst wahrnehmen kann“.

Beide Halbsätze stellen eine regelungstechnische Umkehrung des § 140 Abs. 2 Satz 1 StPO dar (vgl. BT-Drucks. 17/9874 S. 27). Die Fähigkeit, seine Rechte selbst wahrnehmen zu können, werden insbesondere juristisch vorgebildete Antragsteller besitzen. Davon wird in seltenen Fällen auch bei anderen, lediglich forensisch sehr erfahrenen Personen ausgegangen werden können, wobei zu beachten ist, dass insoweit auch ein Wechselspiel zwischen der Bedeutung der Maßnahme und dem Beiordnungsanspruch besteht. Bei bedeutsamen Maßnahmen wird einem Beiordnungsantrag grundsätzlich zu entsprechen sein.“

Tja, der berühmte Blick ins Gesetz. In der Sache ist das KG dann zwar eine Ausnahme von der Regel angenommen und einen Pflichtverteidiger nicht beigeordnet. Das kann man dann auch anders sehen….

Genug ist genug: 26 Fernsehprogramme reichen in der Unterbringung

© Martina Berg - Fotolia.com

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Im Verfahren, das zu dem OLG Hamm, Beschl. v. 07.10.2014 – 1 Vollz(Ws) 404/14 – geführt hat, war der Antragsteller im Maßregelvollzug nach § 63 StGB untergebracht. Er hatte einen Antrag gestellt, in dem er beantragt hatte, die LWL-Maßregelvollzugsklinik X zu verpflichten, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die es ihm ermöglichen würden, alle frei empfangbaren digitalen TV- und Radiosendungen zu empfangen, sowie die Zwischenschaltung eines Konvertierungsgeräts – zur Umwandlung digitaler in analoge Signale – zu unterlassen. Damit ist er gescheitert. Das OLG Hamm sagt: Du kannst 26 Programme empfangen und das reicht.

Der Betroffene kann nicht beanspruchen, dass ihm durch entsprechende technische Maßnahmen der Zugang zu weiteren Fernsehprogrammen ermöglicht wird.

1. Zunächst fehlt es auf der Ebene des einfachen (Landes-)Rechts bereits an einer Norm, aus der sich ein entsprechender Anspruch ergeben könnte, denn das Maßregelvollzugsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen enthält keine dem § 69 StVollzG vergleichbare Norm, die den Zugang zu Medien ausgestaltet. Ausdrücklich heißt es lediglich in § 10 Abs. 1 MRVG NW, den Patientinnen und Patienten solle bei der Gestaltung ihrer Freizeit durch Angebote zur Fortbildung, sportlicher und gesellschaftlicher Betätigung geholfen werden. Ein subjektiv-öffentliches Recht auf Teilhabe am Fernsehempfang wird hierdurch nicht begründet.

2. Ferner trägt auch das Grundrecht der Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) i.V.m. dem auch im Maßregelvollzugsrecht geltenden Angleichungsgrundsatz (§ 1 Abs. 1 S. 3 MRVG NW) das Begehren des Betroffenen nicht. Das Grundrecht der Informationsfreiheit schützt das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Wenngleich dabei regelmäßig der abwehrrechtliche Charakter des Grundrechts im Vordergrund stehen dürfte (siehe Bethge in: Sachs (Hrsg.], Grundgesetz, 6. Auflage, Art. 5 RN 57b), kann in Anbetracht der Bedeutung des Grundrechts für den demokratischen Meinungsbildungsprozess kein Zweifel daran bestehen, dass das Grundrecht der Informationsfreiheit im Rahmen von Anstaltsverhältnissen auch ein Recht auf Zugang zu den Rundfunkmedien umfasst, zumal Hörfunk und Fernsehen als „Ersatzkommunikationsmittel“, die auch dazu dienen, der Isolation in der Haft bzw. Unterbringung und den sich daraus ergebenden Folgen entgegenzuwirken, für den Gefangenen bzw. Untergebrachten sogar von besonderer Bedeutung sind (Boetticher, in Feest [Hrsg.], AK-StVollzG, 6. Auflage, § 69 RN 1).
Ein Anspruch auf eine bestmögliche Versorgung ergibt sich hieraus aber nicht, vielmehr ist im Rahmen einer Gesamtschau zu ermitteln, ob sich die vorhandenen Informationsquellen als ausreichend und angemessen erweisen. Eine Verletzung des Grundrechts der Informationsfreiheit wäre insoweit allenfalls dann anzunehmen, wenn die vorhandenen Informationsquellen sich als lückenhaft darstellen und der Betroffene in der Folge von wesentlichen Teilen des gesellschaftlichen Informationsflusses faktisch ausgeschlossen ist. In diesem Sinne ist beispielsweise für den Bereich des Strafvollzuges bereits entschieden worden, dass ein Anspruch auf bestimmte Sender, die über den üblichen Empfang hinausgehen, nicht besteht (vgl. KG Berlin, a.a.O.; Boetticher, in: Feest [Hrsg.], AK-StVollzG, 6. Auflage, § 69 RN 22). Auch steht es grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Anstaltsleiters, in welcher Weise er den Empfang durch eigene Fernsehgeräte der Gefangenen organisiert und ausgestaltet (KG Berlin, a.a.O.).

Ausgehend von dieser rechtlichen Maßgabe ist dem Grundrecht des Rechtsbeschwerdeführers auf Informationsfreiheit mit der Bereitstellung des vorliegend vorhandenen Programmangebots, an dessen Auswahl die Untergebrachten zudem beteiligt waren, entsprochen worden, denn in Anbetracht von (unstreitig) immerhin 26 Fernsehsendern ist ein nur lückenhaftes Informationsangebot nicht zu besorgen, zumal auch der Betroffene selbst nicht geltend gemacht hat, dass das vorhandene Angebot sich als besonders einseitig darstellt und wesentliche Belange ausgeklammert wären.

Ferner vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die vorhandene Auswahl an TV-Sendern erheblich von den Auswahlmöglichkeiten weiter Teile der Gesamtbevölkerung abweicht. Auch der Angleichungsgrundsatz gebietet deshalb keine weitergehende Versorgung innerhalb des Maßregelvollzuges. Gegenteiliges folgt auch nicht daraus, dass der der Betroffene als Untergebrachter ein Sonderopfer zugunsten der Rechtsgemeinschaft aufbringt.