Archiv der Kategorie: Strafvollzug

Sonderurlaub aus dem „Knast“?

© ogressie Fotolia.cm

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Mit der Gewährung von Sonderurlaub aus dem Strafvollzug befasst sich der LG Braunschweig, Beschl. v. 28.03.2013 – 50 StVK 212/13. Der Verurteilte hat im Wege einer einstweiligen Anordnung zu erreichen versucht, dass ihm die JVA sieben Tage Sonderurlaub gewährt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass es im Wohnhaus der Familie, in dem seine Ehefrau mit den zwei gemeinsamen minderjährigen Kindern lebe, zu einem Wasserrohrbruch gekommen sei, der aufgrund des damit verbundenen Wasseraustritts bereits zur Schimmelbildung geführt habe. Aufgrund angespannter finanzieller Verhältnisse sei es seiner Ehefrau nicht möglich, den Schaden durch eine Fachwerkstatt beheben zu lassen. Er selber sei aufgrund seiner handwerklichen Fähigkeiten allerdings in der Lage, die nötigsten Arbeiten selber durchzuführen, um eine weitere Vergrößerung des Schadens zu verhindern.

Die JVa will nur einen Tag gewähren. Die StVK sagt: Sonderurlaub grds. ja, aber im Wege der einstweiligen Anordnung gibt es nicht mehr als zwei Tage. Denn:

„Eine einstweilige Anordnung darf die Hauptsache nicht vorwegnehmen. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn dem Verurteilten durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme ein schwerer unzumutbarer, nicht anders abwendbarer Nachteil entstehen würde, der durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der von dem Verurteilten vorgelegte Arbeitsschein bestätigt das Vorliegen eines Wasserrohrbruchs im Badezimmer des Wohnhauses der Familie und führt die im Einzelnen zur Schadensbeseitigung erforderlichen Arbeiten näher auf. Die Kammer geht davon aus, dass der Verurteilte grundsätzlich in der Lage ist, die in dem Arbeitsschein aufgelisteten Arbeiten durchzuführen. Dabei ist unerheblich, ob insofern eine fachgerechte Schadensbeseitigung erreicht wird. Die Eilbedürftigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass sich der eingetretene Schaden bei weiterem Zuwarten vergrößert und der bereits vorhandene Schimmelbefall sich gerade auch für die minderjährigen Kinder des Verurteilten gesundheitsgefährdend auswirken kann. Die Gewährung von Sonderurlaub für 2 Tage ist nach Ansicht der Kammer ausreichend, um den akuten Schaden zu beseitigen. Sofern der Verurteilte darüber hinaus weiteren Sonderurlaub für eine vollständige Beseitigung des Schadens beantragen sollte, wird er mangels Eilbedürftigkeit darauf verwiesen, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.“

Was ist eine zeitweise rechtswidrige Fesselung „wert“?

© gunnar3000 - Fotolia.com

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Vielleicht erinnert sich der ein oder andere Leser noch an das das LG Marburg, Urt. v. 22.09.2015 – 7 O 112/11. In ihm ging es um die Höhe der Entschädigung für einen Strafgefangenen u.a. wegen der Verletzung seines Persönlichkeitsrechts infolge Fesselung und Beobachtung bei der Darmentleerung (vgl. Fesselung bei der Darmentleerung, oder: Habt Ihr sie denn noch alle,…..?). Mit einer ähnlichen Frage hatte jetzt auch das OLG Karlsruhe zu tun. Es ging um die Höhe des Gegenstandswertes in einer Strafvollzugssache (die werden nach Teil 3 VV RVG abgerechnet). Hintergrund des Verfahrens war die von der JVA angeordnete zeitweise Fesselung eines Gefangenen während dessen stationären Aufenthalts im Klinikum der Universität Freiburg vom 21.7.2015 bis 27.07.2015. Nachdem der Gefangene am 27.7.2015 entlassen worden war, stellte er mit Schriftsatz vom 27.10.2015 Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung. Die StVK des LG hat dann festgestellt, dass die zeitweise Fesselung des Gefangenen anlässlich einer Ausführung rechtswidrig war. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Gefangenen wurden der Staatskasse auferlegt. Der Gegenstandwert wurde auf 500 € festgesetzt. Der Rechtsanwalt des Gefangenen hat Beschwerde eingelegt, mit der er die Festsetzung eines Streitwertes nach § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000 € erstrebt hate. Das Rechtsmittel hatte – nur – einen Teilerfolg, das OLG hat ihn im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.03.2016 – 2 Ws 67/16 – auf 1.000 € festgesetzt:

„3. Bei der nach § 52 i.V.m. § 60 GKG vorzunehmenden Bemessung des Streitwertes ist die sich nach dem Antrag des Gefangenen für ihn ergebende Bedeutung der Sache nach Ermessen heranzuziehen. Dabei sind die Tragweite der Entscheidung und die Auswirkungen eines Erfolgs des Antrags zu berücksichtigen. Es besteht Einigkeit, dass der in § 52 Abs. 2 GKG genannte Betrag von 5.000,- EUR in der Regel außer Betracht zu bleiben hat, da es sich nur um einen subsidiären Ausnahmewert handelt (Senat, a.a.O.; KG Berlin, a.a.O.; Bachmann in LNNV, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl. 2015 Abschn. P Rn. 141; AK-Kamann/Spaniol, a.a.O., Rn. 9; Arloth, a.a.O., Rn. 1; BeckOK/Euler, a.a.O.). Angesichts der geringen Leistungsfähigkeit vieler Gefangener ist der Streitwert prinzipiell eher niedrig anzusetzen, da seine Bemessung aus rechtsstaatlichen Gründen nicht dazu führen darf, dass die Anrufung des Gerichts für den Betroffenen mit einem unzumutbar hohen Kostenrisiko verbunden ist; andererseits darf er nicht so niedrig sein, dass die anwaltliche Tätigkeit in wirtschaftlicher Hinsicht völlig unmöglich wird (KG Berlin, a.a.O.; AK-Kamann/Spaniol, a.a.O., Rn. 10; BeckOK/Euler, a.a.O., Rn. 8). Gänzlich außer Betracht zu bleiben hat demgegenüber der Ausgang des Verfahrens, d. h. der Streitwert darf bei einer Zurückweisung eines Antrags nicht niedriger als bei einer stattgebenden Entscheidung festgesetzt werden.

Hiervon ausgehend war zu berücksichtigen, dass die für den Krankenhausaufenthalt angeordnete Fesselung zwar einen erheblicheren Eingriff darstellte, der jedoch dadurch relativiert wurde, dass sie nur für die Zeit vorübergehender Abwesenheit der Vollzugsbeamten (z. B. Toilettengang) angeordnet worden war. Andererseits wurde die Anordnung über immerhin sieben Tage hinweg vollstreckt (21.07. bis 27.07.2015), nachdem der Antrag auf gerichtliche Entscheidung bereits am 23.07.2015 eingegangen, jedoch kein Antrag auf Aussetzung der Maßnahme (§ 114 Abs. 2 und 3 StVollzG) gestellt worden war. Ferner ist in die Bemessung einzustellen, dass die Entscheidung letztlich nicht mehr in der Hauptsache erging, sondern lediglich die Rechtswidrigkeit der zeitweisen Fesselung festgestellt wurde. Vorliegend kommt als Besonderheit, die sich erhöhend auf die Streitwertbemessung auswirkt, hinzu, dass kurze Zeit zuvor in einem früheren Verfahren wegen eines ganz ähnlichen Sachverhalts durch Beschluss des Landgerichts Freiburg – Strafvollstreckungskammer – vom 03.03.2015 – 13 StVK 53/15 – eine Fesselungsanordnung aufgehoben worden war und die Antragsgegnerin jene Vorgaben der Strafvollstreckungskammer betreffend der Anordnung einer Fesselung während eines stationären Krankenhausaufenthalts bei der erneuten Anordnung ersichtlich nicht beachtet hat. Vor diesem Hintergrund lag für den Antragsteller eine besondere – zusätzliche – Bedeutung der Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung vor.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände erachtet der Senat einen Streitwert in Höhe von 1.000,- EUR als angemessen. Dies lässt sich in Übereinstimmung damit bringen, dass für eine Woche Arrest ein Streitwert von 500,- EUR als angemessen erachtet wird (AK-Kamann/Spaniol, a.a.O., Rn. 11) und das vorherige Verfahren sich erhöhend auswirkt.“

Sicherlich nicht „weltbewegend“, aber besser als die 500 € der StVK……

Nicht tägliches Warmduschen, aber viermal/Woche warm waschen im Strafvollzug

entnommen wikimedia.org Urheber Sterilgutassistentin

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Urheber Sterilgutassistentin

Ich hatte im Dezember 2015 über den OLG, Beschl. v. 10.11.2015 – 1 Vollz (Ws) 458/15 berichtet (vgl. Duschen im Strafvollzug? – zweimal/Woche reicht). In ihm ging es um die Frage(n) der Körperhygiene im Strafvollzug. StVK und OLG hatten die Auffassung vertreten, dass tägliches Duschen im Strafvollzug nicht notwendig sei. Inzwischen gibt es zu den Fragen eine weitere OLG Hamm-Entscheidung, nämlich den OLG Hamm, Beschl. v. 05.01.2016 – 1 Vollz (Ws) 529/15. In ihm bestätigt das OLG noch einmal seine Auffassung, dass ein Strafgefangener, der nicht körperlich arbeitet und keinen Sport treibt, grundsätzlich keinen Anspruch auf tägliches Duschen hat. Aber: Dem Angleichungsgrundsatz ist im Hinblick auf die Gewährung von Dusch- bzw. Waschgelegenheiten im Strafvollzug jedoch nur dann Genüge getan, wenn dem Gefangenen zumindest überwiegend, mithin zumindest viermal wöchentlich, die Möglichkeit eingeräumt wird, die Körperhygiene mit warmen Wasser durchzuführen:

„2. Die vollständige Ablehnung des Antrags des Betroffenen, ihm hilfsweise eine dem Duschen vergleichbare – tägliche – Möglichkeit der Körperhygiene einzuräumen, ist jedoch ermessensfehlerhaft.

In seiner Entscheidung vom 10.11.2015 hat der Senat zu dem seinerzeit zu entscheidenden Hilfsantrag auf Duschen in zweitägigem Abstand entschieden, den allgemeinen Lebensverhältnissen in dem o.g. Sinne sei „durch die Möglichkeit des täglichen Waschens in der eigenen Nasszelle, ergänzt durch die Möglichkeit des zweimal wöchentlichen Duschens hinreichend“ Genüge getan. Im Gegensatz zu den Gegebenheiten in der JVA C hatte der Senat hinsichtlich der Gegebenheiten in der JVA E insoweit aufgrund der Feststellungen des damals angefochtenen Beschlusses davon auszugehen, dass die Hafträume der JVA E mit „modernen Nasszellen“ ausgestattet sind.

Dem Angleichungsgrundsatz ist jedoch nur dann Genüge getan, wenn den Gefangenen zumindest überwiegend die Möglichkeit eingeräumt wird, die Körperhygiene mit warmen Wasser durchzuführen.

Auf den Hafträumen der JVA C befindet sich nach den Feststellungen des angefochtenen Beschlusses jedoch lediglich ein Waschbecken mit Kaltwasserzufluss. Zwar ist auch festgestellt, dass der nicht arbeitende Betroffene zwar die Sportangebote nutze, allerdings ist nicht ersichtlich, ob dies regelmäßig erfolgt bzw. an welchen Wochentagen dies der Fall ist. Soweit der Betroffene etwa an den Tagen, an welchem ihm grundsätzlich die Möglichkeit eingeräumt wird, zu duschen (montags und donnerstags) Sportangebote nutzt, wäre er an 5 Wochentagen auf eine Körperhygiene mit Kaltwasser verwiesen, was ihm im Sinne des Angleichungsgrundsatzes nicht zuzumuten ist. Die ausschließliche Möglichkeit des Waschens mit kaltem Wasser birgt insbesondere in der kälteren Jahreszeit das Risiko eines Unterlassens der Körperreinigung und damit einer Vernachlässigung der Körperhygiene.

Der Senat hat bereits anderweitig (im Zusammenhang mit der Frage einer Möglichkeit zum täglichen Wechsel der Unterwäsche, OLG Hamm, Beschluss vom 14. August 2014 – III-1 Vollz (Ws) 365/14, 1 Vollz (Ws) 365/14 –, juris) entschieden, dass eine drohende Verwahrlosung des Gefangenen dem in seinerzeit noch in § 3 Abs. 3 StVollzG  und jetzt in § 1 StVollzG NW normierten Ziel zuwider läuft, dem Gefangenen zu helfen, sich in das Leben in Freiheit, in welchem z.B. der Wiedereinstieg in das Arbeitsleben sowie auch sonstige soziale Kontakte durch eine unzureichende Körperhygiene deutlich erschwert werden können, einzugliedern. Dieser Gefahr wird nach Auffassung des Senats nur dann hinreichend begegnet, wenn dem Gefangenen zumindest an den überwiegenden Wochentagen, mithin zumindest viermal wöchentlich die Möglichkeit gegeben ist, die Körperreinigung mit warmen Wasser durchzuführen, wobei dahinstehen kann, ob diesem Erfordernis durch weitere Möglichkeiten des Duschens oder aber anderweitigen Zuganges zu Warmwasser entsprochen wird.

Mangels bereits insoweit ausreichender tatsächlicher Feststellungen liegt eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vor, so dass der angefochtene Beschluss insoweit aufzuheben und die Sache insoweit zur erneuten Behandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum zurückzuverweisen war.2

Zumindest das also….

Vollzug III: Keine „Stütze“/kein Taschengeld in der Unterbringung….

© mpanch - Fotolia.com

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Und dann noch die dritte Entscheidung mit vollzugsrechtlichem Einschlag (zum heutigen Tagesthema dann schon der KG, Beschl. v. 19.01.2016 – 2 Ws 15/16 Vollz und dazu: Vollzug I: Pflichtverteidiger/Beiordnung in (Disziplinar)Vollzugssachen? – Nein und der KG, Beschl. v. 11.01.2016 – 2 Ws 303/15 Vollz und dazu:Vollzug II: Religionsfreiheit im Strafvollzug). Den Abschluss macht jetzt der OLG Braunschweig, Beschl. v. 09.02.2016 – 1 VAs 7/15 zur Frage: Hat ein (einstweilig) Untergebrachter einen Anspruch auf die Gewährung von Sozialleistungen durch die Vollzugsbehörde im Rahmen der einstweiligen Unterbringung nach § 126 a StPO?

Es geht um folgende Problematik: Der Antragsteller ist auf der Grundlage eines Unterbringungsbefehls einstweilig gem. § 126a StPO in einem Maßregelvollzugszentrum untergebracht. Er hat die Übernahme der nicht näher bezifferten Kosten seiner Mietwohnung sowie die Zahlung eines Barbetrages (§ 11 Nds. MVollzG) beantragt. Diesen Antrag hat das Maßregelvollzugszentrum abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 23 ff. EGGVG. Das OLG hat den Antrag als unzulässig angesehen, aber auch Ausführungen zur Begründetheit gemacht:

Darüber hinaus wäre der Antrag auch unbegründet. Dem Antragsteller steht gegen den Vollzugsträger kein auf die Gewährung von Sozialleistungen gerichteter Anspruch zu. Hierzu hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 04. Januar 2016 Folgendes ausgeführt:

„Er kann die begehrten Sozialleistungen im Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB AT nur aufgrund einer gesetzlichen Regelung geltend machen, die die Antragsgegnerin zur Leistung verpflichtet hätte (vgl. OLG Stuttgart, ZfStrVo 1994, 247 (248), sowie Keck, ZfStrVo 1990, 18 (19) bei Fußn. 22). § 31 SGB AT selbst enthält keine Anspruchsgrundlage, sondern schreibt vor, dass Sozialleistungen nur gewährt werden können, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage besteht. Übertragen auf den vorliegenden Fall heißt dies, dass eine Vollzugsbehörde nicht berechtigt ist, einem einstweilig nach § 126a StPO Untergebrachten Taschengeld zu gewähren, wenn auf ein solches kein Rechtsanspruch besteht. Hierdurch wird abgesichert, dass keine Willkürentscheidungen getroffen werden und die Ansprüche haushaltsrechtlich abgesichert werden können. Die für die Gewährung von Geldleistungen erforderliche, in einem Gesetz geregelte Anspruchsgrundlage existiert jedoch nicht (vgl. hierzu die ausführliche Begründung im Beschluss des OLG Celle vom 18.03.1997, NStZ-RR 1998, 89; OLG Hamm, NStZ 1993, 608; BverwG DVBl 1994, 425).

Das Nds. MVollzG enthält keine rechtliche Grundlage, die es der Vollzugseinrichtung erlaubt, dem Antragsteller in seinem gegenwärtigen Status die von ihm beantragten Sozialleistungen zu gewähren. § 11 Nds. MVollzG sieht zwar die Gewährung von Taschengeld als Sozialleistung vor. Diese Norm gilt allerdings nur für die Personen, die von dem Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst sind. Nach § 1 Nds. MVollzG regelt das Gesetz den Vollzug der durch strafrichterliche Entscheidung angeordneten freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt (Unterbringung). Bei der Unterbringung nach § 126a StPO handelt es sich jedoch nicht um eine Maßregel der Besserung und Sicherung, sondern lediglich um eine Sicherungsmaßnahme, die dem Ziel dient, eine strafrichterliche Maßregelentscheidung in einem prozessordnungsgemäßen Verfahren erst zu ermöglichen. Eine Verweisungsnorm, die die ergänzende Heranziehung des Maßregelvollzugsgesetzes in Niedersachsen auch für einstweilig Untergebrachte vorsieht, fehlt.

Auch § 138 StVollzG trifft keine Regelung zum Vollzug der einstweiligen Unterbringung nach  § 126 a StPO, sondern setzt die rechtskräftige Anordnung einer Maßregelunterbringung voraus und bestimmt insoweit, dass sich der Vollzug nach Landesrecht richtet, soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen. Ein Landesgesetz, welches über die StPO hinaus konkrete Regelungen zum Vollzug der einstweiligen Unterbringung nach § 126 a StPO trifft, existiert in Niedersachsen bis heute nicht, sodass insoweit ausnahmslos die Regelungen der StPO gelten. Diese Regelungen befassen sich allerdings nur mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Gefangenen bzw. einstweilig Untergebrachten Beschränkungen auferlegt werden können. Einen Anspruch auf Sozialleistungen sieht die StPO für einstweilig nach § 126 a StPO Untergebrachte nicht vor. Die vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in seinem Beschluss vom 07.06.2006 – L 7 AS 423/05 ER (zitiert nach juris) vor Geltung des NJVollzG auch für Untersuchungsgefangene angesprochene Lücke ist bezogen auf einstweilig nach § 126 a StPO Untergebrachte bis heute nicht geschlossen. In jener Entscheidung vertrat das Landessozialgericht die auf das Maßregelvollzugsgesetz übertragbare Auffassung, dass § 46 StVollzG nur für rechtskräftig verurteilte Gefangene, nicht jedoch für Untersuchungsgefangene gilt und der Untersuchungsgefangene keinen Anspruch darauf hat, dass diese im Strafvollzugsrecht gegenwärtig bestehende Lücke durch ein Tätigwerden des (Landes-)Gesetzgebers geschlossen wird. Es war deshalb der Meinung, dass der Untersuchungsgefangene, der in jenem Fall einen Antrag auf Gewährung eines Taschengeldes gestellt hat, sich an den Sozialleistungsträger nach dem SGB II zu wenden hat. Die Lücke ist für Untersuchungsgefangene durch § 43 NJVollzG zwischenzeitlich geschlossen worden, besteht mangels einer vergleichbaren Regelung für einstweilig nach § 126a StPO Untergebrachte aber weiterhin fort.“

Also – ein wenig flapsig: Keine „Stütze“ in der Unterbringung….

Vollzug II: Religionsfreiheit im Strafvollzug

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Nach dem KG, Beschl. v. 19.01.2016 – 2 Ws 15/16 Vollz und dazu: Vollzug I: Pflichtverteidiger/Beiordnung in (Disziplinar)Vollzugssachen? – Nein) dann ein weiterer „Vollzugsbeschluss“ des KG, und zwar der KG, Beschl. v. 11.01.2016 – 2 Ws 303/15 Vollz. Der geht von folgendem Sachverhalt aus:

„Nach einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdeführer und einem Mitgefangenen in der Teilanstalt V im Februar 2015 und der Äußerung des Beschwerdeführers gegenüber einem Aufsicht führenden Beamten, die Bedienstete A. müsse aufpassen, wenn er – der Beschwerdeführer – herauskäme, ordnete die Justizvollzugsanstalt Tegel im März 2015 allgemeine Sicherungsmaßnahmen gegen den Beschwerdeführer an. Dieser erste Bescheid wurde durch den hier angefochtenen Bescheid vom 21. Mai 2015 aufgehoben und ersetzt. Danach wurde der Beschwerdeführer vom Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen sowie von Gemeinschaftsveranstaltungen außerhalb der Teilanstalt II ausgeschlossen. Ausdrücklich hiervon ausgenommen wurde eine seelsorgerliche Betreuung innerhalb der Teilanstalt II. Der Beschwerdeführer gibt an, einen muslimischen Hintergrund zu haben.“

Dre Beschwerdeführeh hat Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Die StVK hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde hatte beim KG Erfolg. Die Leitsätze der Entscheidung:

  1. Das Recht auf Teilnahme an religiösen Veranstaltungen steht auch denjenigen Gefangenen zu, die zwar (noch) konfessionslos sind, aber in „suchenden Kontakt“ zu einer Religionsgemeinschaft treten wollen.
  1. Für den Ausschluss nach § 54 Abs. 3 Halbsatz 1 StVollzG gilt eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung. Bei einem – nur ausnahmsweise als ultima ratio zulässigen – dauerhaften Ausschluss wird dessen Berechtigung regelmäßig zu überprüfen sein.
  1. Der Seelsorger ist vor einem Ausschluss anzuhören, wenn nicht besondere Ausnahmegründe vorliegen. Diese Anhörung erfordert mehr als eine bloß einseitige Information.