Und dann habe ich noch eine Entscheidung zum Verteidigerbesuch. Es geht zwar nicht um U-Haft, sondern um den Strafvollzug. Aber die Ausführungen passen auch bei U-Haft.
Es geht um einen Betroffenen, der sich in unbefristeter Sicherungsverwahrung befindet. Die Justizvollzugsanstalt, in der er einsitzt, hat auf ihrer Internetseite die Regelung veröffentlicht, dass Verteidigerbesuche mit mindestens einem Tag Vorlauf zu vereinbaren sind. Gleichwohl bat der in München ansässige Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen als dessen Verteidiger am 24.10.2023 um 12:29 Uhr um die Ermöglichung eines taggleichen Verteidigerbesuchs, der innerhalb der regulären Besuchszeit zwischen 13:00 Uhr und 20:30 Uhr stattfinden sollte. Geplant war die Besprechung eines gegen den Betroffenen geführten aktuellen Ermittlungsverfahrens sowie die Vorbereitung einer für den 21.11.2023 terminierten Anhörung in der Maßregelvollzugssache. Hierbei teilte der Verteidiger mit, die Regelung, wonach Verteidigerbesuche am Vortag abzusprechen sind, nicht zu kennen; zudem habe es sich im Hinblick auf anderweitige Termine und die schwankende Gesundheit des Betroffenen erst am fraglichen Tage ergeben, dass ein Besuch kurzfristig stattfinden könne und es werde — auch im Hinblick auf die weite Entfernung seines Kanzleisitzes — um eine Ausnahme gebeten. Nach mehreren Telefonaten mit verschiedenen Bediensteten wurde die taggleiche Durchführung eines Verteidigerbesuch unter Hinweis auf die nicht rechtzeitige Ankündigung abgelehnt. Diese Entscheidung wurde auch nach der um 13:08 Uhr stattgefundenen persönlichen Vorsprache des Verteidigers aufrechterhalten.
Die Strafvollstreckungskammer hat den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, die Erfolg hatte. Das OLG Hamm führt im OLG Hamm, Beschl. v. 15.10.2024 – III- 6 Vollz 42/24 – aus:
„1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne des § 116 Abs. 1 StVollZG zuzulassen und hat in der Sache – zumindest vorläufig – Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg zur neuen Behandlung und Entscheidung.
Vorliegend ist die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gefährdet und daher die Zulassung der Rechtsbeschwerde geboten, weil die Strafvollstreckungskammer im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung die Grenzen des § 115 Abs. StVollzG nicht hinreichend beachtet, nämlich die Grenzen zu eng gezogen hat. Nach dieser Bestimmung unterliegt der gerichtlichen Kontrolle auch die Prüfung, ob ihre Ablehnung — unter anderem deshalb — rechtswidrig ist, weil die Vollzugsbehörde von ihrem Ermessen nicht in einer dem Zwecke der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Demnach werden von der Prüfung auch der Ermessensnichtgebrauch und die Ermessensunterschreitung erfasst (Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 115 Rn. 13, beck-online). Derartige Fehler der Ermessensausübung liegen unter anderem vor, wenn das Ermessen überhaupt nicht ausgeübt wird oder wenn nicht alle für die /Abwägung relevanten Aspekte durch die Vollzugsbehörde einbezogen werden (Arloth/Krä/Arloth, 2021, StVollzG § 115 Rn. 15, beck-online).
Bei der Frage, ob im Einzelfall Ausnahmen von generell getroffenen Regelungen für Verteidigerbesuche zuzulassen sind, handelt es sich um Ermessensausübung der Vollzugsbehörde erfordert. Schon für allgemeine Besuche im Rahmen des regulären Strafvollzugs gilt, dass deren Modalitäten jenseits der übergreifend regelbaren Aspekte (wie Besuchszeiten, Häufigkeit und Dauer) nicht abschließend durch die Hausordnung im Sinne von § 24 Abs. 1 S. 3 StVollzG festgelegt werden können, sondern Raum für einzelfallbezogene Ermessensentscheidungen bleiben muss (vgl. etwa OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 30.01.2015, 1 Ws (RB) 6/15, Juris Rn. 10). Erst recht gilt für die nach § 28 Abs. 1 StVollzG NRW zu gestattenden Verteidigerbesuche, dass allgemeine Regelungen der näheren organisatorischen Modalitäten – auch wenn diese grundsätzlich berechtigt sein mögen – in begründeten Einzelfällen Ausnahmen zugänglich sein müssen, was jeweils eine entsprechende Ermessensausübung voraussetzt. So ist etwa der im angefochtenen Beschluss zitierten Rechtsprechung (KG, Beschl. v. 18.04.2017, 5 Ws 237/1 StraFo 2017, 212-214) zu entnehmen, dass Verteidigerbesuche in begründeten Ausnahmefällen auch außerhalb der allgemeinen Besuchszeiten zu ermöglichen sind und der Justizvollzugsanstalt für die Prüfung solcher Ausnahmen „im Regelfall“ eine 24-stündige Bearbeitungszeit zuzugestehen ist. Folglich ist nach dieser Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, die der Vollzugsbehörde zuzugestehende Vorlaufzeit nicht starr, sondern kann in begründeten Einzelfällen auch kürzer als 24 Stunden zu bemessen sein. Dies gilt erst recht, wenn keine Ausnahmen von der regulären Besuchszeit zu prüfen sind, sondern – wie hier – lediglich überlegt werden muss, ob ein Verteidigerbesuch im Rahmen der normalen Besuchszeit ausnahmsweise noch am gleichen Tage ermöglicht werden kann.
Vor diesem Hintergrund erweist sich der im angefochtenen Beschluss eingenommene rechtliche Ausgangspunkt als zu eng, wonach Ausnahmen von der Vorgabe, Verteidigerbesuche am Vortag abzusprechen, von der Justizvollzugsanstalt nur dann in Betracht zu ziehen sind, wenn eine rechtzeitige Kontaktaufnahme — etwa wegen des Ausfalls der Telefonanlage — unmöglich war. Vielmehr hat die Vollzugsbehörde auch bei einer nicht rechtzeitigen Ankündigung des Verteidigerbesuchs hinsichtlich einer nachgesuchten Ausnahme eine Ermessensentscheidung zu treffen, bei der sämtliche relevanten Gesichtspunkte in Betracht zu ziehen sind. Hierzu gehört neben der Frage, ob der Verteidiger für einen spontanen Besuchswunsch nachvollziehbare Gründe darlegen konnte, auch die Überlegung, ob und ggf. mit welchem Aufwand die Justizvolliu9sanstalt einen taggleichen Besuch hätte ermöglichen können. Zudem können je nach Lage des Einzelfalles auch Aspekte wie eine vorgetragene Eilbedürftigkeit oder der mit einer Vertagung auf Seiten des Verteidigers verursachte Aufwand sowie weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein. Da das Landgericht diese Aspekte als nicht entscheidungserheblich abgesehen hat, hat es folgerichtig, im Ergebnis aber fehlerhaft, von einer Aufklärung der Gründe abgesehen, welche die Justizvollzugsanstalt letztlich zur Versagung des Verteidigerbesuchs veranlasst haben. Der in den Beschlussgründen ergänzend enthaltene Hinweis, wonach die Justizvollzugsanstalt nach dem Ergebnis der mit dem Verteidiger geführten Gespräche eine Ausnahme geprüft habe, genügt als solcher nicht, um nachvollziehen zu können, welche Erwägungen bei der Ermessensausübung der Justizvollzugsanstalt tragend waren.
Aus den vorgenannten Gründen ist die Rechtsbeschwerde auch begründet, mit der Folge, dass die Sache zur neuen Behandlung und Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg zurückzuverweisen war (§ 119 Abs. 2 S.1, 3 StVollzG). Eine eigene Entscheidung des Senats anstelle der Strafvollstreckungskammer kam mangels Spruchreife (§ 119 Abs. 3 S. 2 StVollzG) nicht in Betracht. Dem Senat ist es als Rechtsbeschwerdegericht versagt eigene Feststellungen zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu treffen….“