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beA I: Beschwerdeschrift der Staatskasse elektronisch, oder: Gleiches Recht für alle….

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Und zum Wochenschluss dann der „Kessel Buntes“, und zwar heute mit zwei Entscheidungen des BGH zum beA.

Hier kommt zunächst der BGH, Beschl. v. 08.11.2023 – XII ZB 72/23 . Für den gilt:

Gleiches Recht für alle, also auch für die Staatskasse. Das ist nämlich das Fazit aus dem Beschluss des BGH. Der BGh hat in ihm zu den formellen Anforderungen an die Beschwerdeschrift der Staatskasse nach dem FamFG Stellung genommen und sagt: Die Einlegung der Beschwerde durch die Staatskasse erfordert im Fall der Einreichung einer Beschwerdeschrift nach §§ 64 Abs. 2 S. 1, 14b Abs. 1 FamFG die elektronische Übermittlung:

„2. Die Beschwerde der Staatskasse ist nicht formgerecht eingelegt worden.

a) Als bestimmender Schriftsatz ist die Beschwerde, wenn sie durch einen Rechtsanwalt, einen Notar, eine Behörde oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht wird, seit dem 1. Januar 2022 gemäß § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG als elektronisches Dokument zu übermitteln. Wird diese Form nicht eingehalten, ist die Erklärung unwirksam und wahrt die Rechtsmittelfrist nicht (Senatsbeschluss vom 31. Mai 2023 – XII ZB 428/22FamRZ 2023, 1577 Rn. 5; BGH Beschluss vom 31. Januar 2023 – XIII ZB 90/22FamRZ 2023, 719 Rn. 13).

Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung gilt auch in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren. Denn für die einzureichenden Anträge und Erklärungen ist § 14 b FamFG ohne Bereichsausnahme einschlägig (vgl. Senatsbeschluss vom21. September 2022 – XII ZB 264/22FamRZ 2022, 1957 Rn. 8).

Die Beschwerdeeinlegung nach § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG wird vom sachlichen Anwendungsbereich des § 14 b Abs. 1 FamFG erfasst (vgl. Senatsbeschlüsse vom 31. Mai 2023 – XII ZB 428/22FamRZ 2023, 1577 Rn. 7 f. und vom 7. Dezember 2022 – XII ZB 200/22FamRZ 2023, 461 Rn. 7 mwN). Im Vergütungsfestsetzungsverfahren gilt nichts Abweichendes (vgl. Senatsbeschlüsse vom 31. Mai 2023 – XII ZB 428/22FamRZ 2023, 1577 Rn. 8 und vom 7. Dezember 2022 – XII ZB 200/22FamRZ 2023, 461 Rn. 8).

b) Der in § 14 b Abs. 1 FamFG verwendete Begriff „juristische Person des öffentlichen Rechts“ schließt die Bundesländer und ihre Behörden ein (vgl. BGH Beschlüsse vom 6. April 2023 – I ZB 84/22WM 2023, 1271 Rn. 14 f. und vom 1. Juni 2023 – I ZB 80/22WM 2023, 1467 Rn. 17 f. zum Vollstreckungsverfahren; OLG Bamberg FamRZ 2023, 459 und JurBüro 2022, 667 f. je zu § 130 d ZPO; Sternal/Sternal FamFG 21. Aufl. § 14 b Rn. 9; BeckOK FamFG/Burschel/Perleberg-Kölbel [Stand: 1. August 2023] § 14 b Rn. 9; Fritzsche NZFam 2022, 1, 3). Erfasst werden sollen alle Behörden (vgl. BT-Drucks. 17/12634 S. 27 zu § 130 d ZPO).

c) Nach den vorstehenden Grundsätzen fehlt es an einer formwirksamen Einlegung der Beschwerde. Die Staatskasse hat die Beschwerde nicht als elektronisches Dokument übermittelt. Auch die Voraussetzungen einer zulässigen Ersatzeinreichung sind nicht gegeben. Die Staatskasse hat ebenfalls nicht von der Möglichkeit des § 64 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 FamFG Gebrauch gemacht, die Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären.

aa) Die Staatskasse fällt in den persönlichen Anwendungsbereich des § 14 b Abs. 1 FamFG. Sie ist zwar keine Behörde im Sinne des § 8 Nr. 3 FamFG, weil sie nicht in Verfahrensstandschaft für und gegen den jeweiligen Rechtsträger handelt (vgl. hierzu: Prütting/Helms/Prütting FamFG 6. Aufl. § 8 Rn. 21 mwN), aber sie vertritt den Rechtsträger als solchen (A.I.1.c. der Anordnung über die Vertretung des Landes Brandenburg im Geschäftsbereich des Ministers der Justiz – Vertretungsordnung JM Brdbg – vom 9. Juni 1992 [JMBl. S. 78], zuletzt geändert durch Allgemeine Verfügung vom 15. Juli 2019 [JMBl. S. 134]; vgl. auch OLG Bamberg FamRZ 2023, 459, 460 und JurBüro 2022, 667 f. je zu § 5 Abs. 1 Nr. 7 lit. c der Verordnung über die gerichtliche Vertretung des Freistaates Bayern vom 26. Oktober 2021 – VertV, GVBl. S. 610).

bb) Auch war nicht ausnahmsweise die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften in Schriftform oder per Telefax gemäß § 14 b Abs. 1 Satz 2 und 3 FamFG zulässig. Die Staatskasse hat nicht im Wege einer Ersatzeinreichung nach dieser Vorschrift dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich war.“

Dürfte dann wohl auch für andere Verfahrensordnungen gelten. Zur Nutzungspflicht für die Staatsanwaltschaft im Vollstreckungsverfahren LG Gera, Beschl. v. 06.10.2022 – 7 T 234/22.

beA: Zeitreserven für Synchronisation von Computern, oder: Verschulden, wenn ein Zeitpolster fehlt

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Und heute dann im „Kessel Buntes“ zwei Entscheidungen aus dem Verfahrensrecht.

Ich beginne mit einer weiteren Entscheidung zum beA. Die kommt aus einem Verwaltungsverfahren, das in Baden-Württemberg anhängig war.

Nach dem Sachverhalt hatte der Kläger an einer ihm gehörenden Villa Umbauarbeiten vorgenommen, obwohl die Villa im Denkmalbuch stand. Der Kläger hat versucht, die Villa aus dem Denkmalbuch löschen zu lassen. Außerdem hatte er in einem anderen Verfahren beantragt festzustellen, dass die Villa kein Kulturdenkmal darstelle, oder hilfsweise, dass die Umbauarbeiten im Nachhinein genehmigt werden.

Das VG hat beide Klagen am selben Tag abgewiesen. Der Kläger hat dann in beiden Verfahren beantragt, die Berufung zuzulassen. In dem Verfahren betreffend Löschung aus dem Denkmalbuch übersandte sein Prozessbevollmächtigter die Begründung seines Antrags eine halbe Stunde vor Fristablauf. Die Begründung für den zweiten Antrag ging drei Minuten nach Fristablauf beim VGH ein.

Der Kläger hat Wiedereinsetzung beantragt und dazu vorgetragen:  Der Kartenleser für den beA-Zugang habe schon am Mittag nicht funktioniert. Deshalb sei ein Gerät eines Kollegen installiert worden, um sich ins beA einloggen zu können. Der Funktionstest auf der zweiten Ebene – Citrix Workspace (eine digitale Arbeitsumgebung) – sei aber negativ ausgefallen. Die Ursache dafür habe wohl in dem Server gelegen, der außerhalb der Kanzlei arbeitete. Er habe deshalb den Schriftsatz erstellen, dann in der Cloud abspeichern und dann über beA versenden wollen. Diese „Synchronisation“ dauere an sich nur wenige Sekunden. Im Verfahren „Denkmalbuch“ habe das auch geklappt. Dann habe er sich den Wecker auf fünf vor Mitternacht gestellt, um bis dahin noch an dem Schriftsatz zu arbeiten. Als es dann zur Versendung gekommen sei, habe die Synchronisation wesentlich länger als erwartet gedauert.

Der VGH Baden-Württemberg hat den Antrag mit dem VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 14.12.2023 – 1 S 1173/23 – zurückgewiesen:

„2. Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO ist abzulehnen, weil sein Prozessbevollmächtigter nicht ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, einzuhalten.

a) Verschuldet i.S.v. § 60 Abs. 1 VwGO ist eine Fristversäumnis, wenn der Beteiligte die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.02 2021 – 2 C 11/19 – juris Rn. 6, m.w.N.). Dabei ist ihm ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zuzurechnen (§ 173 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO). Die „Beweislast“ für die Umstände, die dafür sprechen, dass die Fristversäumnis unverschuldet war, liegt bei dem Betroffenen, der die Wiedereinsetzung begehrt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.05.2010 – 7 B 18/10 – juris Rn. 4, m.w.N.). Gelingt die Glaubhaftmachung nicht oder bleibt nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offen, dass die Fristversäumung von dem Beteiligten bzw. seinem Prozessbevollmächtigten verschuldet war, so kann Wiedereinsetzung nicht gewährt werden (BVerwG, Beschl. v. 25.09.2023 – 1 C 10/23 – juris Rn. 12; BGH, Beschl. v. 01.03.2023 – XII ZB 228/22 – juris Rn. 13).

Prozessuale Fristen – wie des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO – dürfen bis zu ihrer Grenze ausgenutzt werden (st. Rspr., vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 14.02.2023 – 2 BvR 653/20 – juris Rn. 22, m.w.N.; Beschl. v. 15.01.2014 – 1 BvR 1656/09 – juris Rn. 37; BVerwG, Beschl. v. 25.09.2023, a.a.O. Rn. 15, m.w.N.). Einem Verfahrensbeteiligten kann daher nicht vorgeworfen werden, dass er bis zum letzten Tag der Frist abwartet, ehe er eine fristgebundene prozessrechtliche Erklärung abgibt. Wird eine Rechtsmittelfrist oder die Begründungsfrist bis zum letzten Tag ausgeschöpft, so treffen den Verfahrensbeteiligten allerdings erhöhte Sorgfaltspflichten. Er muss alle gebotenen und zumutbaren Maßnahmen treffen, um die Gefahr einer Fristversäumnis zu vermeiden. Ein pflichtbewusster Rechtsanwalt ist daher kurz vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist verpflichtet, jedes Risiko zu meiden, das zu einer Fristversäumung führen oder beitragen kann (BVerfG, Kammerbeschl. v. 02.07.2014 – 1 BvR 862/13 – juris Rn. 4, m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 25.05.2010, a.a.O.Rn. 6, m.w.N.; BGH, Beschl. v. 09.05.2006 – XI ZB 45/04 – juris Rn. 8 ff.).

Eine Fehlfunktion technischer Einrichtungen in der Anwaltskanzlei entlastet den Rechtsanwalt (nur) dann, wenn die Störung plötzlich und unerwartet aufgetreten ist und durch regelmäßige Wartung der Geräte nicht hätte verhindert werden können (BGH, Beschl. v. 18.02.2020 – XI ZB 8/19 – juris Rn. 12; Beschl. v. 15.12.2022 – I ZB 35/22 – juris Rn. 13). Dabei ist ein Rechtsanwalt bei Ausschöpfung einer Frist bis zum letzten Tag zwar nicht verpflichtet, die technischen Systeme stets vorsorglich auf dessen Funktionsfähigkeit zu überprüfen. Er missachtet aber dann die gebotene Sorgfalt, wenn er wegen eines Versagens des technischen Systems konkreten Anlass dafür hat, an dessen verlässlicher Funktionstauglichkeit zu zweifeln (BGH, Beschl. v. 16.11.2016 – VII ZB 35/14 – juris Rn. 13; Beschl. v. 18.02.2020, a.a.O. Rn. 12; je zum Telefax).

Bei der Übersendung von Schriftsätzen mittels Telefax muss der Versender Verzögerungen berücksichtigen, mit denen üblicherweise zu rechnen ist, wozu schwankende Übertragungsgeschwindigkeiten oder die Belegung des Telefax-empfangsgeräts bei Gericht durch andere eingehende Sendungen gehören, und daher einen über die zu erwartende Übermittlungsdauer der zu faxenden Schriftsätze samt Anlagen hinausgehenden Sicherheitszuschlag in der Größenordnung von 20 Minuten einkalkulieren (st. Rspr., BVerwG, Beschl. v. 25.09.2023, a.a.O. Rn. 17, m.w.N.).

Auch im elektronischen Rechtsverkehr muss mit einer nicht jederzeit reibungslosen Übermittlung gerechnet werden, und können z.B. Schwankungen bei der Internetverbindung oder eine hohe Belastung des Servers kurz vor Mitternacht etwa wegen einer großen Anzahl eingehender Nachrichten oder wegen der Durchführung von Software-Updates zu Verzögerungen führen, die einzukalkulieren sind (BVerwG, Beschl. v. 25.09.2023, a.a.O. Rn. 18; HessVGH, Beschl. v. 24.08.2022 – 4 A 149/22.Z – juris Rn. 10; OLG Frankfurt, Beschl. v. 03.11.2021 – 6 U 131/21 – juris Rn. 14). Dem ist durch eine zeitliche Sicherheitsreserve bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze Rechnung zu tragen (BVerwG, Beschl. v. 25.09.2023, a.a.O. Rn. 18f.).

b) Nach diesem Maßstab ist die Versäumung der Begründungsfrist nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hier verschuldet. Ein Verschulden liegt in mehrfacher Hinsicht vor. Jeder dieser Sorgfaltsverstöße führt bereits je für sich zur Ablehnung der Wiedereinsetzung nach § 60 Abs. 1 VwGO.

aa) Auch im elektronischen Rechtsverkehr muss, wie ausgeführt, durch einen pflichtgemäß handelnden Rechtsanwalt eine zeitliche Sicherheitsreserve bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze einkalkuliert werden. Dabei ist eine Zeitspanne von unter sieben Minuten für die Übermittlung über das besondere elektronische Anwaltspostfach bei einer nur ca. 280 KB umfassenden Datei zu knapp bemessen (BVerwG, Beschl. v. 25.09.2023, a.a.O. Rn. 18f.). Zu knapp kalkuliert ist daher auch – wie hier – eine Zeitspanne von weniger als fünf Minuten für eine Datei von ca. 300 KB. Das Vorsehen eines so kurzen Zeitraums für die Übermittlung ist auch angesichts des vom Prozessbevollmächtigten geltend gemachten Vertrauens auf eine vergleichbar schnelle Versendung wie im Verfahren 1 S 1126/23 ein Verschulden i.S.v. § 60 Abs. 1 VwGO. Maßgeblich ist auch bei Erfahrungswerten eines Prozessbevollmächtigten die unter normalen Umständen zu erwartende Übermittlungsdauer zuzüglich eines Sicherheitszuschlags (BGH, Beschl. v. 27.09.2018 – IX ZB 67/17 – juris Rn. 20, 21). Zudem beruft sich der Prozessbevollmächtigte hier nur auf den „Erfahrungswert“ aus einem einzigen anderen Verfahren.

Liegt mithin bereits mangels Einkalkulierens einer ausreichenden zeitlichen Sicherheitsreserve eine Sorgfaltspflichtverletzung vor, so kommt es nicht auf die Frage an, ob eine – wie hier geltend gemacht – unvorhersehbare und unvermeidbare Störung der Hard- oder Software des Computersystems in der Anwaltskanzlei vorlag (BVerwG, Beschl. v. 25.09.2023, a.a.O. Rn. 22).

bb) Ein Verschulden i.S.v. § 60 Abs. 1 VwGO ist es auch, die für das Erstellen des fristgebundenen Schriftsatzes notwendige Synchronisation zwischen dem lokalen PC des Anwalts und einem Arbeitssystem auf einem Server in einem weit entfernten Rechenzentrum erst fünf Minuten vor dem Fristende durchzuführen. Diese Synchronisation ist auf Leitungen außerhalb der Kanzlei und die Übermittlung über Internetverbindungen angewiesen. Daher müssen bei sorgfältigem Handeln – wie bei der Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht per Telefax oder im elektronischen Rechtsverkehr – ausreichende Zeitreserven eingeplant werden. Dies hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers hier pflichtwidrig unterlassen.

Der Umstand, dass diese Synchronisation im Verfahren 1 S 1126/23 um 23:28 Uhr innerhalb weniger Sekunden funktionierte und der IT-Mitarbeiter xxx dem Prozessbevollmächtigten mitgeteilt hatte, dass eine in der zweiten Ebene in OneDrive gespeicherte Datei mit der hier zu erwartenden Größe von ca. 300 KB in aller Regel sofort synchronisiert werde, d.h. innerhalb weniger Sekunden (maximal binnen einer Minute) auf der ersten Ebene zur Verfügung stehe, entlastet den Prozessbevollmächtigten nicht. Denn zwischen dem Kanzleistandort mit lokalen PCs und einem Server in einem weit entfernten, externen Rechenzentrum ist mit Übertragungsproblemen und schwankenden Internetverbindungen zu rechnen. Dieses Risiko hat der pflichtbewusste Rechtsanwalt kurz vor Fristende zu meiden.

cc) Ein weiteres Verschulden i.S.v. § 60 Abs. 1 VwGO liegt darin, dass der Prozessbevollmächtigte am 14.08.2023 für die Erstellung des Schriftsatzes mit der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung keinen anderen sichereren Weg wählte, als am Nachmittag nicht aufzuklärende technische Probleme auf der zweiten Ebene des Computersystems auftraten. Beim Funktionstest mit dem externen IT-Mitarbeiter xxx am Tag des Fristablaufs zwischen 15 und 16 Uhr fiel der Funktionstest auf der zweiten Ebene negativ aus und wurde die Karte auf der zweiten Ebene im beA-Portal nicht erkannt, während der Kartenleser auf der ersten Ebene, auf dem lokalen PC funktionierte. Der IT-Mitarbeiter xxx konnte selbst nicht nachvollziehen, warum das Kartenlesegerät nur auf der ersten, nicht aber auf der zweiten Ebene funktionierte. Das Computersystem der Kanzlei funktionierte auf der zweiten Ebene mithin nicht störungsfrei. Wenn solche Störungen auftreten, erhöhen sich die Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts und ist er verpflichtet, parallele Sicherungsmaßnahmen durchzuführen (BGH, Beschl. v. 27.01.2015 – II ZB 21/13 – juris Rn. 10 ff., zu Sicherungsmaßnahmen bei eingeschränktem Zugriff auf den Fristenkalender auf einem externen Server). Zu einer solchen Sicherungsmaßnahme hätte hier gehören können, den fristgebundenen Schriftsatz ausschließlich auf dem lokalen PC zu erstellen. Dies hat der Prozessbevollmächtigte pflichtwidrig unterlassen.“

beA II: Der Anwalt ist früh zum Termin unterwegs, oder: Die „verwaiste“ Kanzlei/das „unbeaufsichtigte“ beA

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Und als zweite Entscheidung dann das LG München I, Urt. v. 10.10.2023 – 15 O 7223/23.

In dem Verfahren ging es um Reisekostenerstattung eine Rechtsanwalts, der aus Lübeck zu einem Gütetermin vor dem ArbG München angereist war. Der Termin war für den 12.01.2022 um 15.15 Uhr angesetzt worden. Der Termin wurde am 11.01.2022 aufgehoben, weil die Klage nicht wirksam zugestellt war. Diese Terminaufhebung wurde dem Rechtsanwalt am 11.01.2022 um 10.39 Uhr in sein beA zugestellt. Telefonisch informiert worden ist er.

Gestritten worden ist dann um die Reisekosten Lübeck – München. Der Rechtsanwalt hat vorgetragen, dass er am 11.01.2022 um 9.00 Uhr mit seinem Pkw von Lübeck aus die Reise nach München angetreten habe. Sein beA habe er während Fahrt nicht kontrollieren können. In seiner Kanzlei sei niemand vor Ort gewesen. Eine Anreise am Verhandlungstag sei ihm wegen der Entfernung nicht zumutbar gewesen. Er habe daher erst nach seiner Ankunft von der Abladung erfahren.

Das LG München I hat die Klage abgewiesen. Begründung: Eigenes Verschulden des Rechtsanwalts. Denn:

„1. Nach § 839 BGB, Art. 34 GG haftet der Dienstherr eines Beamten für Schäden, die dieser durch schuldhafte Verletzung einer Amtspflicht verursacht.

An der tatbestandlich erforderlichen Verletzung einer Amtspflicht fehlt es vorliegend bereits.

Zwar ist richtig, dass grundsätzlich die Beamten der Geschäftsstelle dafür Sorge zu tragen haben, dass den Verfahrensbeteiligten die Abladungsnachricht so rechtzeitig zugeht, dass sie davon noch vor der Anreise zum Termin Kenntnis nehmen können (OLG Dresden, Urteil vom 18.04.2018, 1 U 1509/17; LG Stuttgart, NJW-RR 1989, 190; LG Hannover, NdsRpfl 1993, 192). Das ist vorliegend aber geschehen.

a) Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die Terminsaufhebung ohne Verzögerungen beschlossen wurde. Die Information, dass der Termin mangels wirksamer Zustellung nicht wahrgenommen werden kann, stammte vom 10.01.2022, 15.30 Uhr. Der richterliche Beschluss stammt vom 11.01.2022 und wurde dem Klägervertreter unstreitig um 10.39 Uhr zugestellt.

Dass eine frühere Beschlussfassung bzw. ein früherer Versand möglich gewesen wäre und pflichtwidrig (und überdies schuldhaft) unterlassen wurde, ist klägerseits weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Demnach war eine frühere Information des Klägervertreters nicht möglich.

b) Eine Amtspflichtverletzung der Beamten des Beklagten ergibt sich auch nicht daraus, dass der Klägervertreter nicht telefonisch über die Terminsaufhebung informiert wurde. Denn dies war nicht geboten.

Vielmehr konnten die Beschäftigten der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts ohne weiteres darauf vertrauen, dass den Klägervertreter die Nachricht von der Aufhebung des Termins unverzüglich, jedenfalls aber rechtzeitig erreicht.

Wie der Beklagte richtig ausführt, handelt es sich bei dem Versand mittels beA um die schnellstmögliche Übermittlungsmethode und zwar sogar unabhängig davon, ob der Klägervertreter in der Kanzlei weilt oder nicht. Denn beA ist auch mobil abrufbar und über eingehende Nachrichten kann beA bei Aktivierung dieser Funktion unmittelbar einen beliebigen E-Mail-Adressaten informieren.

Das blieb unstreitig.

Die Beschäftigten des Beklagten mussten nicht damit rechnen, dass

– der Klägervertreter für einen Termin am 12.01.2022 um 15.15 Uhr bereits am Vortag       um 9.00 Uhr morgens abreist und außerdem

– die gesamte Kanzlei ab diesem Zeitpunkt verwaist ist und überdies

–  der Klägervertreter für den Empfang einer mittels beA übermittelten Nachricht nicht gesorgt hatte.

Auch wenn die Distanz Lübeck – München nahezu durch die gesamte Republik führt, war es bereits fernliegend anzunehmen, der Klägervertreter würde für einen Termin um 15.15 Uhr bereits am Vortrag um 9.00 Uhr abreisen. Naheliegend wäre gewesen, dass der Klägervertreter eine Flugverbindung vom nahegelegenen Hamburg nach München am Terminstag wählt. Alternativ wäre zu erwarten gewesen, dass er eine Zugverbindung von Lübeck nach München wählt, die für ihn eine Abfahrt gegen 7.00 Uhr am Terminstag bedeutet hätte (hierauf hatte das Gericht hingewiesen). Selbst im Falle der Nutzung des eigenen Pkw wäre nicht zu erwarten gewesen, dass der Klägervertreter am Morgen des Vortages aufbricht. Ebenso wenig war für die Geschäftsstelle absehbar, dass die Kanzlei des Klägervertreters in dieser Zeit gänzlich verwaist war und weder eine Kanzleikraft noch er selbst (über einen mobilen Zugang) von eingehenden beA-Nachrichten Kenntnis erhält.

Die vom Kläger bemühte Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden vom 18.04.2018, Az. 1 U 1509/17, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Die Entscheidung stammt aus einer Zeit vor Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfaches. Das Gericht hat entschieden, dass bei einer drei Tage vor dem Termin auf dem Postwege versandten Abladung nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden könne, dass diese (wie notwendig) den Anwalt noch am Vorabend des Termins erreiche. Nach Auffassung des OLG Dresden wäre eine Benachrichtigung per Telefon oder per Telefax notwendig gewesen, mithin ein Kommunikationsweg, der die sofortige Kenntnisnahme ermöglicht. Einen solchen Kommunikationsweg hatte das Arbeitsgericht München hier mit beA gerade gewählt und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsgericht unter jedem denkbaren Blickwinkel davon ausgehen durfte, dass den Klägervertreter die Nachricht möglichst rechtzeitig erreicht (siehe vorstehend).“

Nun ja, kann man so sehen, kann man aber auch anders sehen. Ich bin gespannt, was das OLG München dazu sagen wird. Denn es ist Berufung eingelegt.

beA I: Dokument zunächst (nur) im Dateiformat JPG, oder: Nachreichung im PDF-Format heilt

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Und heute geht es dann in die 50 KW., und zwar mit zwei Entscheidungen zum beA.

Zunächst hier der BGH, Beschl. v. 05.10.2023 – 3 StR 227/23. Der Angeklagte hatte über seinen Verteidiger Revision gegen seine Verurteilung eingelegt. Er hat dann, weil er der Auffassung was, dass seine Revisionsbegründung nicht fristgemäß eingegangen war, Wiedereinsetzung beantragt. Der BGh hat den Antrag als unzulässig verworfen:

„1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 44 Satz 1 StPO) ist unzulässig, weil die Revisionsbegründungsfrist gewahrt ist und sich der Antrag mithin auf eine unmögliche Rechtsfolge richtet (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 26. März 2019 – 2 StR 511/18, BGHR StPO § 341 Frist 2 Rn. 2; vom 14. Juli 2021 – 3 StR 185/21, NStZ-RR 2021, 344, jeweils mwN).

a) Die Revisionsbegründung ist jedenfalls im Ergebnis rechtzeitig formwirksam gemäß § 345 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2, § 32d Satz 2, § 32a StPO bei Gericht eingegangen. Dafür ist hier letztlich nicht entscheidend, ob das zunächst im Dateiformat JPG eingereichte Dokument die Anforderungen an eine Eignung zur Bearbeitung im Sinne von § 32a Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO, § 2 Abs. 1 ERVV erfüllt (vgl. BT-Drucks. 19/28399, S. 33; BGH, Beschlüsse vom 3. Mai 2022 – 3 StR 89/22, wistra 2023, 389 Rn. 4; vom 8. September 2022 – 3 StR 251/22, NStZ 2023, 54 Rn. 10; vom 9. August 2022 – 6 StR 268/22, NJW 2022, 3588 Rn. 6; vom 19. Oktober 2022 – 1 StR 262/22, NStZ-RR 2023, 22; BAG, Urteil vom 25. August 2022 – 6 AZR 499/21, NJW 2023, 623 Rn. 44 f.; Beschluss vom 29. Juni 2023 – 3 AZB 3/23, NJW 2023, 2445 Rn. 11 ff.; Meyer-Goßner/Köhler, StPO, 66. Aufl., § 32a Rn. 3 mwN). Selbst wenn die Revisionsbegründung zunächst nicht formwirksam eingereicht worden ist, gilt sie nach § 32a Abs. 6 Satz 2 StPO als zu diesem Zeitpunkt wirksam eingegangen (s. BT-Drucks. 18/9416, S. 47 f.); denn der Verteidiger hat auf einen Hinweis des Landgerichts hin direkt die Revisionsbegründung erneut, nunmehr im Dateiformat PDF, eingereicht und mitgeteilt, dass sie inhaltlich identisch mit der bereits übersandten sei.

b) Im Übrigen besteht kein Raum für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, soweit zur Begründung einer Verfahrensrüge ein Gerichtsbeschluss nachgereicht werden soll, auf dessen Fehlen der Generalbundesanwalt im Rahmen seiner Antragsschrift aufmerksam gemacht hat. Die Frist zur Revisionsbegründung als solche ist nicht versäumt worden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung oder Nachbesserung einer Verfahrensrüge kommt, wenn die Revision sonst form- und fristgemäß begründet worden ist, grundsätzlich nicht in Betracht. Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dient nicht zur Heilung von Zulässigkeitsmängeln bei Verfahrensrügen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einer Verfahrensrüge kommt daher nur in besonderen Prozesssituationen ausnahmsweise in Betracht, wenn dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör unerlässlich erscheint (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 23. Juni 2022 – 2 StR 269/21, juris Rn. 15; vom 11. April 2019 – 1 StR 91/18, NStZ 2019, 625 Rn. 4 mwN; s. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 1995 – 2 BvR 1899/95, NJW 1996, 512, 513). Ein derartiger Ausnahmefall ist nicht gegeben.“

beA II: Glaubhaftmachung bei der Ersatzeinreichung: oder: Screenshot als Beweis für beA-Versagen geht

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Und dann als zweite Entscheidung aus dem Zivilrecht der BGH, Beschl. v. 10.10.2023 – XI ZB 1/23 – zur Frage, ob ein Screenshot als Mittel zur Glaubhaftmachung bei der Ersatzeinreichung ausreicht.

Dem OLG Braunschweig hatte der Screenshot vom PC-Bildschirm, aus dem sich eine Störung beim beA ergab, nicht ausgereicht. Die Prozessbevollmächtigte hatte damit eine technische Störung bei Übersendung eines zweiten Verlängerungsantrages für die die Berufungsbegründung glaubhaft machen wollen. Der BGH hatte ein Einsehen und hat Nachsicht geübt:

bb) Der Fristverlängerungsantrag ist auch wirksam gestellt worden.

15Eine elektronische – und damit formgerechte – Übermittlung des Verlängerungsantrags vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist ist hier zwar nicht erfolgt.

Allerdings waren entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung gemäß § ZPO § 130d Satz 2, 3 ZPO erfüllt.

Noch zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die am 24. November 2022 bestehende Störung des beA, die dazu führte, dass mehrere Stunden lang keine Verbindung zum beA aufgebaut werden konnte, eine vorübergehende technische Unmöglichkeit der Übermittlung als elektronisches Dokument im Sinne von § ZPO § 130d Satz 2 ZPO begründete und dass der Schriftsatz vom 24. November 2022 eine ausreichende Schilderung der einen Ausnahmefall nach § ZPO § 130d Satz 2 ZPO begründenden Tatsachen enthält.

Allerdings überspannt das Berufungsgericht die sich aus § ZPO § 130d Satz 3 ZPO ergebenden Anforderungen an die Glaubhaftmachung einer auf technischen Gründen beruhenden vorübergehenden Unmöglichkeit der Übermittlung als elektronisches Dokument, indem es im vorliegenden Fall eine anwaltliche Versicherung des Scheiterns der Übermittlung für zwingend erforderlich erachtet, ohne den vorgelegten Screenshot zu berücksichtigen.

18Die Vorlage dieses Screenshots, bei dem es sich um ein Augenscheinsobjekt im Sinne von § ZPO § 371 Abs. ZPO § 371 Absatz 1 ZPO handelt (OLG Jena, GRUR-RR 2019, GRUR-RR Jahr 2019 Seite 238 Rn. GRUR-RR Jahr 2019 Seite 238 Randnummer 15; BeckOK ZPO/Bach, 50. Edition, Stand: 1. September 2023, § 371 Rn. 3), war im vorliegenden Fall geeignet, die behauptete Störung glaubhaft zu machen. Denn sein Inhalt stimmt überein mit den Angaben in der beA-Störungsdokumentation auf der Internetseite der Bundesrechtsanwaltskammer (www.brak.de/fileadmin/02_fuer_anwaelte/bea/beA-Störungsdokumentation_02.pdf, Stand 14. September 2023 mit Störungen vom 7. Dezember 2018 bis zum 14. September 2023) und in dem Archiv der auf der Störungsseite des Serviceportals des beA-Anwendersupports veröffentlichten Meldungen für den Zeitraum Juli – Dezember 2022 (portal.beasupport.de/fileadmin/user_upload/pdfs/Archiv_Portalmeldungen_2HJ2022.pdf), nach denen vom 24. November 2022, 14:06 Uhr, bis zum 25. November 2022, 3:33 Uhr eine Störung des beA-Systems bestand, wodurch die beA-Webanwendung nicht zur Verfügung stand und eine Adressierung von beA-Postfächern bzw. eine Anmeldung am beA nicht möglich war. Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht die von der Prozessbevollmächtigten des Klägers geschilderte Störung angesichts der auf der Internetseite der Bundesrechtsanwaltskammer verfügbaren Informationen als offenkundig (§ ZPO § 291 ZPO) hätte behandeln können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 2023 – BGH Aktenzeichen VZR1423 V ZR 14/23, juris Rn. BGH Aktenzeichen VZR1423 2023-05-19 Randnummer 1 und vom 24. Mai 2023 – BGH Aktenzeichen VIIZB6921 VII ZB 69/21, WM 2023, WM Jahr 2023 Seite 1428 Rn. WM Jahr 2023 Seite 1428 Randnummer 17 ff.).