Archiv der Kategorie: beA/elektronisches Dokument

beA II: Kontrolle des beA-Versands durch Mitarbeiter, oder: Die (beA)Berufungsbegründung, die keine war

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Und im zweiten Posting dann zwei BGh-Entscheidungen zum BeA und/oder zur Fristversäumung aus dem Zivilverfahren, und zwar:

Der BGH, Beschl. v. 06.09.2023 – IV ZB 4/23 – hat folgenden amtlichen Leitsatz:

Zu den organisatorischen Anforderungen an die Kontrolle einer Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO.

Der BGH hat in dem Beschluss die Voraussetzungen an eine Kontrolle des beA-Versands durch Kanzleimitarbeitende konkretisiert. Danach gilt: Wer die Einhaltung von Fristen an Mitarbeitende delegiert, muss sie genau anweisen. Dazu gehört insbesondere, dass  sichergestellt ist, dass Fristen nicht gestrichen werden, obwohl noch keine Übermittlung erfolgt ist. In dem Fall hatte eine Kanzleimitarbeiterin die Berufungsbegründen zwar über eine Schnittstelle der hauseigenen Kanzleisoftware über das beA versandt. Die Übermittlung war aber aus technischen Gründen innerhalb der Schnittstelle unterblieben, was die Mitarbeitern jedoch nicht bemerkte und die Frist als „erledigt“ notiert hat. Der Fehler ist dann erst aufgefallen, als das OLG darauf hinwies, dass es beabsichtige, die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Und dann noch der BGH, Beschl. v. 31.08.2023 – VIa ZB 24/22 – ebenfalls mit einen amtlichen „Zu…-Leitsatz, nämlich:

Zu den Anforderungen an die Versendung eines bestimmenden Schriftsatzes über das besondere elektronische Anwaltspostfach.

In dem Fall war die Fristversäumung betreffend eine Berufungsbegründung darauf zurückz zu führen, dass per beA statt einer korrekt adressierten Berufungsbegründung ein völlig anderer Schriftsatz eingereicht worden war, der mit dem Verfahren in keinerlei Zusammenhang stand. Das OLG war davon ausgegangen, dass in der betroffenen Kanzlei keine hinreichende Ausgangskontrolle gewährleistet gewesen sei. Bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im elektronischen Rechtsverkehr mittels beA sei es unerlässlich den Versandvorgang zu überprüfen. Dabei sei auch eine Prüfung erforderlich, ob die richtige Datei versandt worden sei. Der Rechtsanwalt müsse durch eine Organisationsanweisung oder durch konkrete Einzelanweisung sicherstellen, dass jeder fristgebundene Schriftsatz mit einem individuellen Dateinamen versehen werde, der später anhand von Prüfprotokoll und Eingangsbestätigung die Kontrolle auf Fehlversendungen ermögliche. Dass in der Kanzlei eine solche Kontrolle angeordnet worden wäre, habe sich aus dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht entnehmen lassen. Dem ist der BGH gefolgt.

beA I: Keine Weitergabe von beA-Karte und/oder PIN, oder: Sich selbst verteidigender Rechtsanwalt

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Und auf geht es in die neue Woche. Diese woche mal wieder mit „beA-Entscheidungen“. Ich denke, die Problematik wird uns noch längere Zeit beschäftigen. Ich stelle hier zunächst zwei Entscheidungen aus dem Straf- bzw, aus dem Bußgeldverfahren vor, und zwar einmal vom BGH und die andere dann vom BayOblG.

Zunächst der BGH, Beschl. v. 20.6.2023 – 2 StR 39/23. In dem Verfahren hatte das LG den Angeklagten am 24.08.2022 freigesprochen. Dagegen hat die Nebenklägerin mit einem am 25.08.2022 per Telefax eingegangenen Schriftsatz ihres anwaltlichen Vertreters, Revision eingelegt. Das LG hat das Rechtsmittel als unzulässig verworfen, weil die Form des § 32d Satz 2 StPO in der Frist zur Einlegung der Revision gemäß § 341 StPO nicht gewahrt wurde.

Nach Zustellung des Beschlusses an den anwaltlichen Vertreter der Nebenklägerin hat dieser am gleichen Tag durch Übermittlung im beA Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Revisionseinlegung auf diesem Wege nachgeholt. Den Wiedereinsetzungsantrag hat er damit begründet, er habe am 24.08.2022 mit der Nebenklägerin die Einlegung der Rechtsmitteleinlegung besprochen, am Folgetag den Rechtsmittelschriftsatz der Kanzleiangestellten S. diktiert und ihr die Anweisung erteilt, den Schriftsatz durch Übermittlung im besonderen elektronischen Anwaltspostfach und durch Telefax an das LG zu übersenden. Sendeberichte habe diese am nächsten Tag einem ebenfalls in der Kanzlei tätigen Rechtsanwalt zur Kontrolle vorlegen sollen. Er selbst sei am 25.08.2022 zu einer Reise aufgebrochen. Erst nach Zugang des Revisionsverwerfungsbeschlusses der Strafkammer sei erkannt worden, dass die Rechtsmittelschrift nicht im beA übermittelt wurde. Da er im Home-Office arbeite und die Kanzlei nur zur Wahrnehmung von Besprechungsterminen aufsuche, habe er die Angestellte S. gebeten, seine beA-Karte und den PIN in ihrem Schreibtisch zu verwahren; diese wäre daher in der Lage gewesen, den Übermittlungsauftrag auszuführen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hatte keinen Erfolg, der BGH hat das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes verneint.

M.E. reicht der Leitsatz zu der Entscheidung, der allerdings nicht vom BGH stammt, sondern von mir 🙂 :

Die Überlassung der beA-Karte und der PIN des Rechtsanwalts an Dritte, z.B. an Kanzleimitarbeiter, ist nicht zulässig.

Insoweit verweise ich auf § 26 Abs. 1 RAVPV aber auch auf § 23 Abs. 2 und 3 RAVPV. Und wenn man dennoch überlässt, dann sollte man es zumindest nicht offen legen.

Und die zweite Entscheidung in diesem Posting ist der BayObLG, Beschl. v. 14.07.2023 – 201 ObOWi 707/23 – zur Rechtsbeschwerdebegründung eines Rechtsanwalts in eigener Sache und zu den Substantiierungsanforderungen für Wiedereinsetzungsgrund nach § 32d Satz 4 StPO. dazu folgende Leitsätze der Entscheidung:

1. Die Pflicht zur Begründung der Rechtsbeschwerde durch ein elektronisches Dokument (§ 32d Satz 2 StPO i.V.m. § 110c Satz 1 OWiG) gilt zumindest dann auch für den Rechtsanwalt, der selbst Betroffener ist, wenn dieser als Rechtsanwalt auftritt.

2. Wird die Rechtsmittelbegründung ausnahmsweise nicht in elektronischer Form übersandt, ist darzulegen und glaubhaft zu machen, dass im Zeitpunkt der Übersendung eine grundsätzlich einsatzbereite technische Infrastruktur zur elektronischen Übermittlung von anwaltlichen Schriftsätzen an die Gerichte existierte und eine nur vorübergehende technische Störung gegeben war

Dazu dann der Hinweis auf den BGH, Beschl. v. 30.08.2022 – 4 StR 104/22 und auf OLG Hamm, Beschl. v. 20.07.2023 – 4 ORs 62/23.

beA II: Owi-Antrag auf gerichtliche Entscheidung, oder: Richtige Rechtsmittelbelehrung?

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Und als zweite Entscheidung dann ein Beschluss des AG Aschersleben, und zwar der AG Aschersleben, Beschl. v. 18.07.2023 – 6 OWi 139/23, noch einmal zur richtigen Rechtsmittelbelehrung.

Es geht um einen Wiedereinsetzungsantrag. Der Betroffene hatte gegen einen Bußgeldbescheid per E-Mail Einspruch eingelegt, der von der Behörde als formwidrig verworfen worden ist. Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das AG zurückgewiesen:

„1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig, denn er ist nicht fristgerecht eingegangen. Nach Zustellung des Verwerfungsbescheides am 06.05.2023 lief die zweiwöchige Frist des § 69 Abs. 1 S. 2 OWiG am 22.05.2023 ab, weil der 20.05.2022 ein Sonnabend war. Der Betroffene stellte erst am 23.05.2023 den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, da es auf den Zeitpunkt des Ausdrucks der E-Mail ankommt (BGH NJW 2019, 2096 (2097); OLG Zweibrücken BeckRS 2020, 10324; Thüringer Oberlandesgericht Beschluss vom 10. November 2017 – 1 OLG 145 SsBs 49/16). Anders als für den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eröffnete die Behörde hier keinen zusätzlichen Übertragungsweg.

2. Dem Betroffenen war für diese Fristversäumung keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da die Rechtsmittelbelehrung unter dem Verwerfungsbescheid vom 03.05.2023 – anders als die Rechtsmittelbelehrung unter dem Bußgeldbescheid vom 21.03.2023 (AG Aschersleben Beschl. v. 2.1.2023 – 6 OWi 301/22, BeckRS 2023, 1, beck-online) – richtig ist und der Betroffene keine Gründe für eine unverschuldete Versäumung der Frist geltend gemacht hat.

Die Verwaltungsbehörde war nicht gehalten, in die Rechtsbehelfsbelehrung zusätzlich aufzunehmen, dass auch die elektronische Übersendung nach § 32a Abs. 2, Abs. 3 StPO i.V.m. § 110c OWiG möglich ist. Die Belehrung muss nur enthalten, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zur Niederschrift bei der Verwaltungsbehörde oder schriftlich eingelegt werden muss, §§ 69 Abs. 1 S. 2, 62 Abs. 2 S. 2 OWiG i.V.m. § 306 Abs. 1 StPO. Die Behörde muss nicht darüber belehren, wie diese Schriftform einzuhalten ist. Seit dem 01.01.2022 muss die Verwaltungsbehörde zwar auch den Zugang nach § 32a Abs. 2, Abs. 3 StPO i.V.m. § 110c OWiG eröffnen. Darüberhinausgehende Zugangsmöglichkeiten stehen in ihrem Belieben (BeckOK OWiG/Gertler, 31. Ed. 1.7.2021, OWiG § 67 Rn. 69). Der Wortlaut von § 32a Abs. 3 StPO gestaltet jedoch keine neue Formvorschrift, sondern definiert die Umstände, unter denen ein elektronisches Dokument schriftlich abgefasst ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, erfüllt das Dokument die Schriftform. Es wird gerade keine neue Form geschaffen (was im Einklang mit BGH NJW 2019, 2096 (2097) steht), über die dann zu belehren wäre.

Auch wenn die Arten, Dokumente „schriftlich“ bei den Gerichten und Behörden einzureichen, damit noch unübersichtlicher werden und die „Schriftlichkeit“ kaum noch etwas mit dem gemeinen Wortsinn zu tun hat, ist es Aufgabe des Rechtsbehelfsführers, sich über die konkrete Art der Schriftform selbst zu informieren (BeckOK OWiG/A. Bücherl, 38. Ed. 1.4.2023, OWiG § 50 Rn. 16.1).

Gemessen daran erfüllt die oben dargestellte Rechtsbehelfsbelehrung unter dem Verwerfungsbescheid die Anforderungen der §§ 69 Abs. 1 S. 2, 62 Abs. 2 S. 2 OWiG i.V.m. § 306 Abs. 1 StPO.

Darüberhinausgehende Gründe, die für eine unverschuldete Fristversäumung sprächen, hat der Betroffene nicht dargetan. In seinem Schreiben vom 26.06.2023 wendet er sich inhaltlich im Wesentlichen gegen den Bußgeldbescheid, wenn er ausführt, dass die Geschwindigkeitstafeln keine Geschwindigkeitsbegrenzung angezeigt hätten. Das wäre erst nach zulässigem Einspruch zu prüfen gewesen. Dem Betroffenen ist zwar zuzustimmen, dass wir im Digitalzeitalter leben. Die Grenzen der Digitalisierung werden jedoch durch die Gesetze gezogen. Bei rechtzeitigem und formwirksamen Antrag auf gerichtliche Entscheidung wäre seinem konkludenten Antrag auf Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist auch entsprochen worden, weil die Rechtsbehelfsbelehrung unter dem Bußgeldbescheid wie in AG Aschersleben Beschl. v. 2.1.2023 – 6 OWi 301/22, BeckRS 2023, 1, beck-online dargestellt irreführend ist. Da er jedoch auch gegen den Verwerfungsbescheid nicht formgerecht Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellte und die Rechtsbehelfsbelehrung hier richtig ist, musste ihm der Erfolg versagt werden.

§ 110c OWiG i.V.m. § 32a Abs. 6 StPO ist nicht anzuwenden, weil sich dieser nur auf die Möglichkeit der Bearbeitung des eingereichten Dokuments, nicht jedoch auf die Einreichungsmodalitäten bezieht.“

 

beA I: Rechtzeitige Ersatzeinreichung wegen Störung, oder: Geht das auch in einem zweitem Schriftsatz?

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So, in die 38. KW. starte ich dann mit ein wenig beA und was damit zusammenhängt.

Hier zunächst das BGH, Urt. v. 25.07.2023 – X ZR 51/23, also vom „Patentsenat“. Der hat über die Berufung einer Patentinhaberin entschieden. Die hatte Berufung gegen die teilweise Nichtigerklärung eines gewerblichen Schutzrechts eingelegt. Die Rechtsmittelschrift ihres Rechtsanwalts der Patentinhaberin ging am 20.04.2023, dem Tag des Ablaufs der Rechtsmittelfrist, um 15.15 Uhr per Telefax beim BGH ein. Am gleichen Tag um 20.09 Uhr ging ein weiteres Fax ein. Darin wurde eingehend erläutert, dass der Bevollmächtigte die Berufungsschrift aufgrund einer Störung beim elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) nicht über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) habe einreichen können.

Dem BGH hat die diese Glaubhaftmachung der Störung als Voraussetzung der Ersatzeinreichung als (noch) rechtzeitig eingestuft, auch wenn sie in zwei Schriftsätzen erfolgt sei. Eine Frist für die Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels dürfe grundsätzlich bis zum Ende des betreffenden Tags ausgenutzt werden. Beide Schriftsätze seien, so der BGH, noch innerhalb der laufenden Frist eingegangen. Die Glaubhaftmachung sei damit „gleichzeitig“ mit der Ersatzeinreichung erfolgt.

Die Entscheidung hat folgende Leitsätze:

1. Die nach § 130d Satz 3 ZPO erforderliche Darlegung und Glaubhaftmachung ist rechtzeitig, wenn sie am gleichen Tag wie die Ersatzeinreichung bei Gericht eingeht (Ergänzung zu BGH, Beschl. v. 17.11.2022 – IX ZB 17/22, NJW 2023, 456 Rn. 11; Beschl. v. 26.01.2023 – V ZB 11/22, WRP 2023, 833 Rn. 11).

2. Eine vorübergehende Unmöglichkeit im Sinne von § 130d Satz 2 ZPO liegt jedenfalls dann vor, wenn eine elektronische Übersendung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht möglich und nicht abzusehen ist, wann die Störung behoben sein wird.

 

beA II: Der als Berufsbetreuer tätige Rechtsanwalt, oder: Vergütungsantrag elektronisch, ja oder nein?

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Und als zweite „beA-Entscheidung“ dann hier noch der BGH, Beschl. v. 31.05.2023 – XII ZB 428/22. Der kommt aus dem Betreuungsrecht, und zwar mit folgendem Sachverhalt:

Für die 1960 geborene Betroffene ist eine Betreuung eingerichtet und der als Rechtsanwalt zugelassene Beteiligte zum Berufsbetreuer bestellt worden. Mit Schriftsatz vom 04.052022 hat der Betreuer beantragt, für seine Tätigkeit im Zeitraum vom 28.012022 bis zum 27.04.2022 eine Vergütung in Höhe von 513 EUR gegen die Staatskasse festzusetzen. Das AG hat den Vergütungsantrag nach vorangegangenem Hinweis als unzulässig zurückgewiesen, weil er nicht als elektronisches Dokument eingereicht worden sei. Dagegen hat sich der Betreuer mit seiner vom AG zugelassenen und in schriftlicher Form eingelegten Beschwerde gewendet, die das LG verworfen hat. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Betreuers, die keinen Erfolg hatte:

„Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht ist von der Unzulässigkeit der Erstbeschwerde ausgegangen, weil die Beschwerdeschrift von einem Rechtsanwalt eingelegt, aber entgegen § 14 b Abs. 1 FamFG nicht als elektronisches Dokument übermittelt worden sei.

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.

Gemäß § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG sind durch einen Rechtsanwalt, durch einen Notar, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts bei Gericht schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln. Wird diese Form nicht eingehalten, ist die Erklärung unwirksam und wahrt die Rechtsmittelfrist nicht.

a) § 14 b FamFG wurde ursprünglich durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 ( I S. 3786) in das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingefügt. Die Vorschrift orientierte sich in ihrer damaligen Fassung inhaltlich an dem gleichzeitig eingeführten und weitgehend wortgleichen § 130 d ZPO. Noch vor dem Inkrafttreten von § 14 b FamFG zum 1. Januar 2022 erfolgte durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 5. Oktober 2021 (BGBl. I S. 4607) zur Klarstellung eine inhaltliche Änderung der Vorschrift, wonach die Pflicht zur elektronischen Übermittlung ausdrücklich auf schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen beschränkt (§ 14 b Abs. 1 FamFG) wurde. Für sämtliche anderen Anträge und Erklärungen, die keinem Schriftformerfordernis unterliegen, ist die elektronische Einreichung nach § 14 b Abs. 2 FamFG nur eine Sollvorschrift. Damit sollte den Besonderheiten des Familienverfahrensrechts Rechnung getragen werden, in dem der Schriftformzwang die Ausnahme bildet (vgl. BT-Drucks. 19/28399 S. 39 f.).

b) Der sachliche Anwendungsbereich des § 14 b 1 Satz 1 FamFG ist bei der Einlegung einer Beschwerdeschrift durch einen Rechtsanwalt eröffnet.

Zwar sieht § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG vor, dass die Beschwerde – außer in Ehe- und Familienstreitsachen (§ 64 Abs. 2 Satz 2 FamFG) sowie in Folgesachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 215, 1 = FamRZ 2017, 1151 Rn. 19) – nicht nur durch Einreichung einer Beschwerdeschrift, sondern auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt werden kann. Diese Möglichkeit soll einen erleichterten Zugang zu den Rechtsmittelgerichten gewähren, um damit insbesondere den Rechtsschutz für rechtsunkundige oder schreibungewandte Beteiligte zu wahren. § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG räumt daher dem Verfahrensbeteiligten ein Wahlrecht ein. Entscheidet er sich aber dafür, die Beschwerde schriftlich einzureichen, muss seine Beschwerdeschrift als bestimmender Schriftsatz besonderen gesetzlich vorgesehenen Formerfordernissen (§ 64 Abs. 2 Satz 3 und 4 FamFG) entsprechen. Zu diesen Formerfordernissen gehört für Rechtsanwälte seit dem 1. Januar 2022 auch § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG. Daher ist ein Rechtsanwalt seit diesem Zeitpunkt zur Übermittlung der Beschwerdeschrift als elektronisches Dokument verpflichtet, wenn er die Beschwerde – wie hier – schriftlich und nicht zur Niederschrift der Geschäftsstelle einlegt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. Dezember 2022 – XII ZB 200/22FamRZ 2023, 461 Rn. 7 f. und vom 21. September 2022 – XII ZB 264/22FamRZ 2022, 1957 Rn. 7; BGH Beschluss vom 31. Januar 2023 – XIII ZB 90/22FamRZ 2023, 719 Rn. 14). Hiervon ist ersichtlich auch der Gesetzgeber ausgegangen, denn in der Entwurfsbegründung des Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften wird § 64 Abs. 2 FamFG ausdrücklich als Beispiel für eine Vorschrift genannt, die dem Anwendungsbereich des § 14 b Abs. 1 FamFG unterfallen soll (vgl. BT-Drucks. 19/28399 S. 39).

c) Auch der persönliche Anwendungsbereich des § 14 b 1 FamFG ist eröffnet. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist mittlerweile geklärt, dass für Rechtsanwälte die Pflicht zur elektronischen Übermittlung gemäß § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG auch dann besteht, wenn sie – wie hier als anwaltlicher Berufsbetreuer – berufsmäßig im eigenen Namen auftreten (vgl. BGH Beschluss vom 31. Januar 2023 – XIII ZB 90/22FamRZ 2023, 719 Rn. 16 ff. [Verfahrenspfleger]; vgl. zu § 130 d ZPO: BGH Beschluss vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22WM 2023, 89 Rn. 13 ff. [Insolvenzverwalter]).

aa) Dem Wortlaut des § 14 b 1 FamFG lässt sich für eine Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs auf den Fall der Vertretung eines Beteiligten durch einen Rechtsanwalt nichts entnehmen.

Vielmehr deuten sowohl die auf eine „Nutzungspflicht für Rechtsanwälte“ abstellende amtliche Überschrift der Vorschrift als auch der Wortlaut von § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG, wonach „durch einen Rechtsanwalt“ bei Gericht einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln sind, auf eine generelle Nutzungspflicht für Rechtsanwälte unabhängig von ihrer Rolle im Verfahren hin (vgl. BGH Beschluss vom 31. Januar 2023 – XIII ZB 90/22FamRZ 2023, 719 Rn. 17). Dies verdeutlicht auch ein Vergleich des Wortlauts der Parallelvorschrift des § 130 d Satz 1 ZPO mit dem Wortlaut des ebenfalls durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 geschaffenen § 130 a Abs. 1 ZPO: Während nämlich in § 130 a Abs. 1 ZPO von Schriftsätzen der Parteien die Rede ist und damit womöglich ein Vertretungsverhältnis beim Handeln eines Rechtsanwalts gegenüber dem Gericht vorausgesetzt wird, wird in § 130 d Satz 1 ZPO – wie auch in § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG – statusbezogen allein darauf abgestellt, dass Schriftsätze, Anträge und Erklärungen „durch einen Rechtsanwalt“ bei Gericht eingereicht werden (vgl. BGH Beschluss vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22WM 2023, 89 Rn. 14).

bb) Der Gesetzesbegründung zu § 130 d ZPO, auf die hinsichtlich der Nutzungspflicht in den Materialien zu § 14 b FamFG inhaltlich verwiesen wird (BT-Drucks. 17/12634 S. 36), lässt sich für die Beurteilung der Frage nach einer rollen- oder statusbezogenen Nutzungspflicht des Rechtsanwalts nichts entnehmen. Einerseits spricht die Begründung zu § 130 d ZPO zwar davon, dass die Bestimmung „für alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der ZPO“ gelte, andererseits in Übereinstimmung mit dem Wortlaut der Vorschrift aber auch davon, dass für alle Rechtsanwälte eine Pflicht zur Nutzung des elektronischen Übermittlungswegs bestehe (BT-Drucks. 17/12634 S. 27). Es ist nicht auszuschließen, dass die Ausführungen an dieser Stelle im Regierungsentwurf von sprachlichen Ungenauigkeiten beeinflusst sind, denen eine besondere Bedeutung nicht beigemessen werden kann (vgl. BGH Beschlüsse vom 31. Januar 2023 – XIII ZB 90/22FamRZ 2023, 719 Rn. 19 und vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22WM 2023, 89 Rn. 16).

cc) Entscheidend für ein weites und damit statusbezogenes Verständnis der Nutzungspflicht nach § 14 b 1 FamFG ist der Zweck der Norm, der ausweislich der Begründung (vgl. BT-Drucks. 17/12634 S. 27) darin besteht, durch eine Verpflichtung für alle Rechtsanwälte und Behörden zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten den elektronischen Rechtsverkehr einzuführen. Die Rechtfertigung eines Nutzungszwangs ergibt sich für den Gesetzgeber daraus, dass selbst bei freiwilliger Mitwirkung einer Mehrheit von Rechtsanwälten an diesem Ziel die Nichtnutzung durch eine Minderheit immer noch zu erheblichem Aufwand insbesondere bei den Gerichten führen würde. Es sei nicht hinzunehmen, erhebliche Investitionen der Justiz auszulösen, wenn die für einen wirtschaftlichen Betrieb erforderliche Nutzung nicht sichergestellt sei. Dieser Gesetzeszweck lässt es nur konsequent erscheinen, anwaltliche Verfahrensbeteiligte, die ohnehin ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach für die elektronische Kommunikation vorzuhalten haben (§ 31 a BRAO), in die Nutzungspflicht einzubeziehen, auch wenn sie in dem Verfahren nicht im anwaltlichen Erstberuf tätig sind (vgl. BGH Beschlüsse vom 31. Januar 2023 – XIII ZB 90/22FamRZ 2023, 719 Rn. 20 und vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22WM 2023, 89 Rn. 19).

dd) Der Anwendbarkeit von § 14 b FamFG auf den anwaltlichen Berufsbetreuer steht auch nicht entgegen, dass dieser dadurch anders als der nichtanwaltliche Berufsbetreuer behandelt wird, der weiterhin alle Anträge und Erklärungen gegenüber dem Gericht schriftlich vornehmen kann, solange er nicht seinerseits einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung betraut. Die sachliche Rechtfertigung für diese unterschiedliche Behandlung liegt darin, dass der anwaltliche Betreuer ohnehin über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach verfügen muss und auch jenseits des Betreuungsverfahrens einem Zwang zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten unterliegt (vgl. BGH Beschlüsse vom 31. Januar 2023 – XIII ZB 90/22FamRZ 2023, 719 Rn. 20 und vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22WM 2023, 89 19). Im Übrigen lässt die jüngere Gesetzgebung deutlich das Bestreben des Gesetzgebers erkennen, den elektronischen Rechtsverkehr mit der Justiz auch auf nichtanwaltliche Berufsbetreuer und Betreuungsvereine auszuweiten. Mit der Einführung des besonderen elektronischen Bürger- und Organisationenpostfachs (§ 10 ERVV) durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 5. Oktober 2021 sollen auch sonstige Beteiligte an Gerichtsverfahren künftig die Möglichkeit erhalten, mit dem Gericht elektronisch zu kommunizieren; beispielhaft werden in der Gesetzesbegründung Betreuerinnen und Betreuer genannt (vgl. BT-Drucks. 19/28399 S. 23).

ee) Vor diesem Hintergrund spricht es ebenfalls nicht gegen eine Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs durch einen anwaltlichen Betreuer, dass er diese Tätigkeit als Zweitberuf ausübt und seine Tätigkeit – abgesehen von anwaltsspezifischen Diensten für den Betreuten – nicht nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vergütet wird. Ebenso wenig kann es darauf ankommen, dass die Höhe der nach Fallpauschalen bestimmten Betreuervergütung (§§ 7 VBVG) nicht an die Zulassung als Rechtsanwalt, sondern an die abgeschlossene juristische Hochschulausbildung des Anwaltsbetreuers anknüpft.

Im Hinblick auf die für Rechtsanwälte ohnehin bestehende Vorhaltungs- und Nutzungspflicht der elektronischen Kommunikationsmittel spricht auch nichts für die Annahme, dass der Justizgewährungsanspruch verletzt werden könnte, wenn der Rechtsanwalt diese Kommunikationsmittel bei seiner beruflichen Tätigkeit als Betreuer zu nutzen hat. Ob im Einzelfall anders zu entscheiden wäre, wenn der als Rechtsanwalt zugelassene Betreuer seine Tätigkeit bewusst als Privatperson in eigener Sache entfaltet oder sein (ehrenamtliches) Betreueramt – nach außen erkennbar – von seiner Stellung als Rechtsanwalt trennt (vgl. Prütting/Helms/Ahn-Roth FamFG 6. Aufl. § 14 b Rn. 5; Sternal/Sternal FamFG 21. Aufl. § 14 b Rn. 8; Fritzsche NZFam 2022, 1, 3), bedarf unter den hier obwaltenden Umständen keiner Entscheidung, weil der Betreuer bei der Führung des Amtes als Berufsbetreuer auftritt.

III.

Die Entscheidung des Beschwerdegerichts, die schriftlich eingelegte Beschwerde des Betreuers zu verwerfen, hat daher Bestand.

Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Vergütungsantrag des anwaltlichen Betreuers nicht als elektronisches Dokument eingereicht werden muss (insoweit zutreffend LG Hildesheim NJW-RR 2022, 1518, 1519). Der Vergütungsantrag des Betreuers nach § 292 Abs. 1 FamFG unterliegt, auch wenn mit ihm das Vergütungsfestsetzungsverfahren eingeleitet wird, vorbehaltlich (bislang nicht bestehender) abweichender landesrechtlichen Bestimmungen über die Verpflichtung zur Benutzung von Vordrucken (§ 292 Abs. 6 FamFG) keinem zwingenden Schriftformerfordernis. Nach § 25 Abs. 1 FamFG können Anträge und Erklärungen gegenüber dem zuständigen Gericht schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle abgegeben werden, soweit eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht notwendig ist. Werden verfahrenseinleitende Anträge nicht zur Niederschrift der Geschäftsstelle, sondern schriftlich abgegeben, hängt deren Wirksamkeit – anders als nach § 64 Abs. 2 Satz 3 und 4 FamFG bei bestimmenden Schriftsätzen im Beschwerdeverfahren – nicht von der Beachtung zwingender Formvorschriften ab (vgl. § 23 FamFG), zu denen § 14 b Abs. 1 FamFG für Rechtsanwälte hinzutreten könnte. Auch die Gesetzesmaterialien gehen davon aus, dass für den Großteil von Anträgen und Erklärungen in Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit kein Schriftformerfordernis besteht und diese deshalb dem § 14 b Abs. 2 FamFG unterfallen (BT-Drucks. 19/28399 S. 40). Der Betreuer darf seinen Vergütungsantrag deshalb auch dann in gewöhnlicher Schriftform stellen, wenn er als Rechtsanwalt zugelassen ist. Er ist in diesem Fall allerdings verpflichtet, auf Anforderung des Gerichts ein elektronisches Dokument nachzureichen (§ 14 b Abs. 2 Satz 2 FamFG).