StPO III: Zustellung an Zustellungbevollmächtigten, oder: Fehlen von festem Wohnsicht oder Aufenthalt

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Und im dritten Tagesposting dann noch etwas zur Wirksamkeit einer Zustellung, und zwar die Frage nach der wirksamen Zustellung einen tZustellungsbevollmächtigten (§ 132 2 StPO). dazu führt das LG Hof im LG Hof, Beschl. v. 08.10.2025 – 3 Qs 82/25 aus:

„2. Eine wirksame Zustellung des Strafbefehls vom 01.02.2023 ist bislang nicht erfolgt.

a) Die Zustellung vom 03.09.2024 gegenüber dem Zustellungsbevollmächtigten pp. ist unwirksam. Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO lagen nicht vor, was die Unwirksamkeit der vom Beschwerdeführer erteilten Zustellungsvollmacht vom 14.08.2024 nach sich zieht.

aa) Der Beschluss vom 24.04.2024 ist zu Unrecht ergangen.

Wesentliche Voraussetzung einer Anordnung nach § 132 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO ist, dass der Beschuldigte im Geltungsbereich der Strafprozessordnung keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt hat. Der Inhalt des Begriffs Wohnsitz richtet sich dabei nach den §§ 7 ff. BGB. Ein Wohnsitz ist dadurch gekennzeichnet, dass sich eine Person an einem Ort ständig niederlässt. Er wird nach § 7 Abs. 3 BGB dadurch aufgehoben, dass die Niederlassung mit dem entsprechenden Willen aufgegeben wird. Der Begriff des (gewöhnlichen) Aufenthalts wird in § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB 1 und § 9 Satz 1 AO übereinstimmend definiert als der Ort, an dem sich eine Person unter solchen Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Er beschreibt daher das rein tatsächliche Verhältnis einer Person zu ei-nem bestimmten Ort oder einer Region (vgl. MüKo-StPO/Gerhold, 2. Aufl. 2023, StPO § 132 Rn. 5, m.w.N.).

Das Fehlen eines festen Wohnsitzes oder Aufenthalts ist nach dem Ermittlungsstand positiv festzustellen. Es genügt hingegen nicht, wenn lediglich der Aufenthalt des Beschuldigten unbekannt ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.01.2020 – 1 Ws 255/19, BeckRS 2020, 9982, Rn. 11; LG Hamburg, Beschl. v. 25.04.2025 – 615 Qs 37/25, BeckRS 2025, 13183, Rn. 27; LG Dresden, Beschl. v. 23.01.2015 – 3 Qs 7/15, BeckRS 2015, 132781, Rn. 11; LG Magdeburg, Beschl. v. 30.01.2007 – 26 Qs 14/07, BeckRS 2007, 3178; Gercke/Temming/Zöller/Ahlbrecht, StPO, 7. Aufl. 2023, § 132 StPO Rn. 4; MüKoStPO/Gerhold, 2. Aufl. 2023, StPO § 132 Rn. 5; BeckOK-StPO/Niesler, 56. Ed. 1.7.2025, StPO § 132 Rn. 2).

Nach diesen Maßstäben hätte der Beschluss des Amtsgerichts Hof vom 24.04.2024 nicht ergehen dürfen. Insoweit stößt es bereits auf durchgreifende Bedenken, dass in den Gründen des Beschlusses maßgeblich darauf abgestellt wird, dass der Beschwerdeführer unbekannten Aufenthalts sei (BI. 118 d.A.). Wie oben ausgeführt, kann dies den Erlass einer Anordnung gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO gerade nicht rechtfertigen. Überdies gibt auch die Aktenlage zum damaligen Zeitpunkt keine tragfähigen Anhaltspunkte für die Annahme her, der Beschwerdeführer sei dauerhaft im Ausland ansässig oder es handle sich bei ihm um eine „durch das Staatsgebiet vagabundierende Person“ (so die Formulierung bei MüKo-StPO/Gerhold, 2. Aufl. 2023, StPO § 132 Rn. 5). Vielmehr war zum damaligen Zeitpunkt davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Zimmer in Hof, hatte (vgl. insbesondere die Mitteilung der PI Weilheim vom 24.03.2024, BI. 107 d.A.).

Auf die melderechtlichen Verhältnisse kann es dabei nicht ankommen, da – wie ausgeführt – die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich sind. Dass der Strafbefehl postalisch nicht an der Anschrift zugestellt werden konnte (BI. 113 d.A.) und der Beschwerdeführer dort durch die Polizei nicht ermittelt werden konnte (BI. 115 d.A.), mag allenfalls darauf hindeuten, dass der Beschwerdeführer sich verborgen hielt. Dann wäre indes eine (erneute) Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung (vgl. MüKo-StPO/Gerhold, 2. Aufl. 2023, StPO § 132 Rn. 5) oder gegebenenfalls der Erlass eines Haftbefehls (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO) angezeigt gewesen, nicht jedoch eine Anordnung nach § 132 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO.

Ohne dass es noch darauf ankäme, zeigt sich das Vorhandensein eines gewöhnlichen Aufenthalts des Beschwerdeführers an der vorgenannten Adresse auch darin, dass er beim Vollzug der Anordnung am 14.08.2024 an ebendieser Anschrift angetroffen wurde und ausweislich der Mitteilung der Polizei zum damaligen Zeitpunkt dort auch noch lebte (BI. 130 d.A.).

bb) Die Fehlerhaftigkeit der Anordnung führt zur Unwirksamkeit der Zustellungsvollmacht.

Dabei kann offenbleiben, ob jeglicher Fehler bei der Anordnung die Unwirksamkeit der Vollmacht herbeiführt. Jedenfalls bei besonders qualifizierten Fehlern ist dies aufgrund der für den Beschuldigten unter Umständen weitreichenden Folgen einer erteilten Zustellungsvollmacht aus rechts-staatlichen Gründen anzunehmen (vgl. zur Umgehung des Richtervorbehalts: LG Hamburg, Beschl. v. 25.04.2025 – 615 Qs 37/25, BeckRS 2025, 13183, Rn. 29; LG Dresden, Beschl. v. 23.01.2013 – 5 Qs 149/13, BeckRS 2013, 204710; KK-StPO/Glaser, 9. Aufl. 2023, StPO § 132 Rn. 7). Vorliegend handelt es sich um einen derart qualifizierten Fehler, da das Amtsgericht ausweislich der Begründung des Beschlusses vom 24.04.2024 von einem unzutreffenden Prüfungsmaßstab ausgegangen ist, indem es alleine auf den – für die Anordnung nicht maßgeblichen – unbekannten Aufenthalt des Beschwerdeführers abgestellt hat, ohne die eigentlichen gesetzlichen Voraussetzungen zu prüfen.

Anhaltspunkte dafür, dass eine freiwillige rechtsgeschäftliche Zustellungsbevollmächtigung gemäß § 37 Abs. 1 StPO i.V.m. § 171 ZPO beabsichtigt gewesen sein könnte, bestehen nicht. Insoweit dürfte zumindest zu fordern sein, dass der Beschuldigte zuvor auf die Freiwilligkeit der Vollmachtserteilung hingewiesen wurde (vgl. LG Freiburg, Beschl. v. 06.09.2021 – 16 Qs 27/21, BeckRS 2021, 29664, Rn. 8; vgl. ferner Mayer, NStZ 2016, 76, 82, m.w.N.). Hierzu lässt sich der Akte nichts entnehmen.

b) Eine Zustellung des Strafbefehls vom 01.02.2023 kann auch nicht darin erblickt werden, dass dem Verteidiger des Beschwerdeführers mit Verfügung vom 02.09.2024 Akteneinsicht gewährt wurde. Zwar können Zustellungsmängel gemäß § 37 Abs. 1 StPO i.V.m. § 189 ZPO geheilt werden. Jedoch reicht die Kenntniserlangung hinsichtlich des zuzustellenden Schriftstücks durch Akteneinsicht als Zugang i.S.v. § 189 ZPO nicht aus (vgl. BayObLG, Beschl. v. 16.06.2004 – 2Z BR 253/03, BeckRS 2004, 7235, m.w.N.). Hinzukommt, dass der Verteidiger mangels nachgewiesener Bevollmächtigung (vgl. § 145a Abs. 1 Satz 2 StPO) nicht gemäß § 145a Abs. 1 Satz 1 StPO als ermächtigt gelten konnte, Zustellungen für den Beschwerdeführer in Empfang zu nehmen.

c) Eine Zustellung ist schließlich auch nicht dadurch erfolgt, dass dem Beschwerdeführer am 31.05.2025 der Strafbefehl durch die Polizei persönlich übergeben wurde. Hier fehlte es jedenfalls am Zustellungswillen. Die Heilung eines Zustellungsmangels gemäß § 37 Abs. 1 StPO i.V.m. § 189 ZPO setzt nämlich voraus, dass eine förmliche Zustellung von dem für das Verfahren zuständigen Organ – im Fall des § 36 Abs. 1 StPO also vom Vorsitzenden – beabsichtigt war (vgl. BGH, Beschl. v. 06.03.2014 – 4 StR 553/13, BeckRS 2014, 8141, Rn. 7, m.w.N.). Dafür reicht jedoch eine formlose Übergabe durch die Polizei auf Veranlassung der für die Zustellung jenes Strafbefehls nicht zuständigen Rechtspflegerin der Staatsanwaltschaft (BI. 155 f. d.A.) nicht aus, weil das so übersandte, lediglich inhaltsgleiche Schriftstück nicht mit Zustellungswillen des Gerichtes zugeht (vgl. KG, Beschl. v. 12.10.2010 – 2 Ws 521/10, BeckRS 2010, 29601).“

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