StGB I: Betrugsmasche „falsche Polizeibeamte“, oder: Neues vom BGH zu Versuch und Rücktritt vom Versuch

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Und dann heute am „Vorfeiertagtag“ – morgen ist in Niedersachsen frei – ein paar StGB-Entscheidungen.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 14.01.2025 – 5 StR 583/24. Ich bin gestern auf diesen schon etwas ältereren Beschluss hingewiesen worden. Über die „Vorentscheidung“ der OLG Bremen im OLG Bremen, Beschl. v. 19.03.2024 – 1 Ws 28/24 , der im Eröffnungsverfahren ergangen ist, hatte ich berichtet (Betrug II: Betrugsmasche „falsche Polizeibeamte“, oder: Versuch und Rücktritt vom Versuch). Das OLG hatte in der Entscheidung die teilweise Nichteröffnung durch das LG aufgehoben. Nun also die Revisionsentscheidung.

Das LG hatte dann die Angeklagten u.a.  wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges verurteilt. Das LG hat dabei folgende Feststellungen getroffen:

„a) Die Angeklagten D. und H. vereinbarten spätestens im Oktober 2022, Personen unter einer Legende anzurufen und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Übergabe von Bargeld, Wertgegenständen und Kontokarten nebst PIN zu veranlassen. In Umsetzung des Plans rief der Angeklagte D. bei der 53-jährigen intelligenzgeminderten Zeugin T. und ihrer 74-jährigen Mutter an. Er gab sich als Mitarbeiter der Sparkasse aus und behauptete eine unautorisierte Auslandsüberweisung vom Konto der Zeugin, wobei er diese Transaktion noch stornieren könne. Hierdurch wollte er das Vertrauen der Zeugin gewinnen, was auch gelang. Tatplangemäß behauptete er weiter, die Konten der Zeugin und ihrer Mutter müssten gesperrt werden, da sonst Betrüger ungehinderten Zugriff darauf hätten. Zu diesem Zweck sollte die Zeugin die EC-Karten an einen „Bankmitarbeiter“ aushändigen und die jeweilige PIN mitteilen, was die Zeugin glaubte. Sie übergab ihre eigene und die EC-Karte ihrer Mutter dem Angeklagten H. und offenbarte die jeweilige PIN. Dieser Angeklagte hob anschließend insgesamt 5.710 Euro von den Konten der Geschädigten ab (Fall II.1).

Spätestens Ende Juni 2023 waren die Angeklagten D. und H. übereingekommen, auch weiterhin zur Deckung ihres Geldbedarfs in vergleichbarer Art und Weise von Personen Geld und Wertgegenstände zu erlangen. Die Geschädigten sollten nunmehr aus einem fahrenden Pkw heraus angerufen werden, um eine Aufdeckung der Taten durch die Ermittlungsbehörden zu erschweren. In dieses Vorhaben banden sie den nichtrevidierenden Mitangeklagten ein, der überwiegend als Anrufer (Fälle II.2 bis II.4, II.6 und II.7) und in einem Fall als Mitfahrer (Fall II.5) agierte. Ab Mitte Juli 2023 (Fall II.8) übernahm der Angeklagte K. die Aufgaben des Nichtrevidenten. Der Angeklagte M. schloss sich Ende Juli 2023 vor der Tat II.12 der Gruppe an. Seine Tatbeiträge bestanden ausschließlich in Unterstützungshandlungen.

Von Juli bis August 2023 riefen die Angeklagten in unterschiedlichen Konstellationen in arbeitsteiligem Zusammenwirken zwischen 80 und 95 Jahre alte Geschädigte an. Als vermeintliche Bankmitarbeiter wollten sie die Angerufenen insbesondere davon überzeugen, dass Falschgeld an diese ausgezahlt worden sei. Dadurch sollten die Geschädigten zur Übergabe von Bargeld an einen „Abholer“ bewegt werden. Zu Beginn der Gespräche gab der jeweilige Anrufer vor, es habe eine Auslandsüberweisung vom Konto der Geschädigten gegeben, die er stoppen oder stornieren könne. Zur Verstärkung der beabsichtigten Fehlvorstellung der Angerufenen übernahm teilweise – unter anderem in den Fällen II.3 und II.17 – ein Mittäter als vermeintlicher Polizeibeamter oder Staatsanwalt zeitweise das Gespräch. Letztlich waren die Täter nur im Fall II.8 erfolgreich. Im Übrigen legten die Angerufenen auf, bevor die Angeklagten die Auszahlung von Falschgeld thematisieren konnten (Fälle II.3 und II.17) oder sie schöpften im weiteren Verlauf Verdacht, woraufhin die Telefonate beendet wurden. In wenigen Fällen verhinderte auch das Einschreiten Dritter nachteilige Vermögensverfügungen.

Im Fall II.8 erlangten die Angeklagten D. , K. und H. von der Geschädigten Bargeld in Höhe von 205 Euro sowie ihre EC-Karte nebst PIN. Während der Übergabe der Gegenstände setzte der Angeklagte K. das Telefonat mit der Geschädigten fort. Er beabsichtigte, sie am nächsten Tag erneut zu kontaktieren, um unter Ausnutzung des gewonnenen Vertrauens die Aushändigung weiteren Bargeldes zu erreichen. Am Folgetag veranlasste er die Geschädigte, 7.500 Euro von ihrem Sparkonto abzuheben. Zu einer Übergabe kam es nicht, weil sie zwischenzeitlich durch die Polizei gewarnt worden und nur zum Schein auf die Forderung eingegangen war (Fall II.9). Der Angeklagte H. hob mit der zuvor erbeuteten EC-Karte 2.000 Euro vom Konto der Geschädigten ab.

Die dagegen gerichteten Revisionen hatten nur geringen Erfolg. Der BGH macht zunächst allgemeine Ausführungen zum Versuch und zum „Ansetzen zur Tat“ – insoweit „Selbstleseverfahren – und führt dann zu den konkreten Feststellungen aus:

„bb) Das Landgericht hat nach diesem Maßstab rechtsfehlerfrei angenommen, dass in den vorgenannten Fällen die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschritten war, weil die jeweils vorgenommenen Täuschungshandlungen die angestrebten Vermögensverschiebungen nicht lediglich vorbereiten, sondern unmittelbar ohne wesentliche Zwischenschritte in sie einmünden sollten.

(1) Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe – insbesondere aus dem festgestellten Gleichlauf der Anrufe sowie den Erwägungen des Landgerichts im Rahmen der rechtlichen Würdigung zum Versuchsbeginn – ergibt sich, dass der gemeinsame Tatplan in allen Fällen vorsah, vorwiegend ältere Menschen anzurufen und sich als Bankmitarbeiter auszugeben. Der anrufende Täter sollte zu Beginn des jeweiligen Gesprächs eine nicht autorisierte Auslandsüberweisung vom Konto der Angerufenen behaupten, die er noch stoppen oder stornieren könne, um hierdurch deren Vertrauen zu gewinnen. Anschließend sollten die Angerufenen davon überzeugt werden, dass ihnen durch einen unlauteren Bankmitarbeiter Falschgeld ausgezahlt worden sei. Dieses müsse umgetauscht und Kontokarten müssten nach ihrer Aushändigung gesperrt werden. Durch die aus mehreren ineinander übergreifenden Abschnitten aufgebaute Gesamttäuschung sollten die Geschädigten zur Übergabe von Bargeld und Wertgegenständen an einen „Abholer“ bewegt werden. Erforderlichenfalls sollten sich Mittäter als Polizeibeamter oder Staatsanwalt ausgeben, um etwaiges Misstrauen der Angerufenen zu zerstreuen.

(2) Daraus folgt, dass die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ aus Tätersicht spätestens mit der Behauptung des angeblichen Bankmitarbeiters über eine unautorisierte Auslandüberweisung vom Konto des Angerufenen überschritten war. Denn nach dem Tatplan sollte diese Täuschung über ein erhebliches Übel für die Angerufenen in Kombination mit der vorgeblichen Abwendungsmöglichkeit des anrufenden Täters das Vertrauen der Opfer erwecken, um es so für die unmittelbar folgenden, von vornherein geplanten weiteren Täuschungen und die ihm schließlich abverlangten Mitwirkungshandlungen zu instrumentalisieren. Das Telefonat – nötigenfalls auch mehrere unmittelbar hintereinander geführte Telefonate – mit sämtlichen angedachten kommunikativen Einwirkungen auf das Opfer bildete nach Tätervorstellung eine Einheit, in der mehrere unwahre Behauptungen ineinandergreifen sollten, um schließlich das Vorstellungsbild zu erzeugen, der Angerufene habe an der Überführung eines unlauteren Bankmitarbeiters mitzuwirken, indem er Falschgeld oder Kontokarten nebst PIN herausgebe oder Bargeld abhebe und übergebe. Hierfür sollte die Täuschung über die Identität des Anrufers (besorgter Bankmitarbeiter), verbunden mit der Information über eine angeblich unbefugte Auslandsüberweisung, die Grundlage sein. Auf diese aufbauend sollten die Telefonate ohne zeitliche Zäsur solange fortgesetzt werden, bis sie (unmittelbar) in die schädigende Vermögensverfügung einmündeten.

Neben der zeitlich engen Verknüpfung waren sämtliche Täuschungshandlungen bis zur erstrebten Tatbestandsverwirklichung nach den Urteilsgründen auch inhaltlich untrennbar miteinander verbunden. Insbesondere war die ständige Befassung der Angerufenen geeignet, sie davon abzuhalten, ihre Lage zu reflektieren oder Dritte um Rat zu fragen oder um Hilfe zu bitten. Dies wird belegt durch die Feststellungen zu den Fällen II.6, II.11 bis II.15, II.20, bei denen die Angeklagten eine Umsetzung des Plans als gescheitert betrachteten, wenn aus ihrer Sicht die Angerufenen Kontakt zu Nachbarn, Angehörigen oder der Polizei aufgenommen haben könnten oder dies bevorstand. Nur durch das im Urteil beschriebene Vorgehen konnte nach Vorstellung der Täter die erstrebte – objektiv unvernünftige – Vermögensverfügung der Geschädigten erreicht werden. Zäsuren oder Vorbehalte sah der Tatplan nicht vor. Er verknüpfte sämtliche Handlungen zu einem einheitlichen Geschehen. Sobald sich der jeweilige Geschädigte dem Anrufer anvertraute, war aus Tätersicht sein Vermögen konkret gefährdet.

(3) Danach ist das Landgericht in den vorgenannten Fällen zutreffend vom Versuchsbeginn ausgegangen. Denn jeweils wurden jedenfalls die vermeintliche Auslandsüberweisung und die Möglichkeit der Stornierung thematisiert, was ausreichend war. Daher hat das Landgericht auch richtigerweise angenommen, dass das unmittelbare Ansetzen nicht voraussetze, dass die Angerufenen schon zur Übergabe von Bargeld an einen Abholer aufgefordert wurden.

Soweit das Landgericht indes in den Fällen II.3 und II.17 ein unmittelbares Ansetzen zur Begehung eines Betruges abgelehnt hat, weil „der jeweilige Anrufer nicht einmal dazu gekommen [sei], der angerufenen Person zu berichten, dass an sie angeblich Falschgeld ausgezahlt worden sein könne“, so erweist sich dieser (späte) Anknüpfungspunkt für den Versuchsbeginn vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen als unzutreffend. Sollte sich das Landgericht an der Annahme eines früheren Versuchsbeginns mit Blick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung gehindert gesehen haben, wonach zeitlich abgesetzte, nur dem Erschleichen des allgemeinen Vertrauens des Opfers dienende Handlungen beim Betrug in aller Regel noch keinen Versuchsbeginn bedeuten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Mai 2022 – 1 StR 3/21 Rn. 42 mwN, BGHSt 67, 55 ; vom 28. April 2022 – 2 StR 117/20 Rn. 7,wistra 2022, 419jeweils mwN), hat es nicht bedacht, dass den Entscheidungen jeweils mehraktige Geschehen zugrunde lagen. Bei derartigen „gestreckten Täuschungen“ (vgl. zum Begriff LK/Kubiciel/Tiedemann, StGB, 13. Aufl., § 263 Rn. 276) sollen nach der Tätervorstellung die einzelnen Täuschungshandlungen mit zeitlichen Zäsuren an verschiedenen Tagen – teils über Wochen oder Monate hinweg – ausgeführt werden. Vorliegend bildeten die Taten demgegenüber jeweils eine „zusammenhängende telefonische Kommunikation an einem einzigen Tag“, worauf das Oberlandesgericht im Eröffnungsbeschluss zutreffend hingewiesen hat (HansOLG Bremen, Beschluss vom 19. März 2024 – 1 Ws 28/24 , OLGSt StGB § 263 Nr. 33 Rn. 15). Dieser Rechtsfehler beschwert die insoweit nur wegen (Beihilfe zur) Amtsanmaßung verurteilten Angeklagten aber nicht.

….“

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