StPO I: Beschleunigungsgrundsatz bei U-Haft ??, oder: Kindeswohl versus Freiheitsrecht des Beschuldigten

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Und dann geht es in die 26. KW., und zwar mit zwei StPO-Entscheidungen. Die eine kommt vom OLG Schleswig, die andere vom LG Dresden.

Ich beginne mit dem OLG Schleswig, Beschl. v. 16.06.2025 – 1 Ws 5/25 H –, der sich zum Beschleunigungsgrundsatz äußert, und zwar bei der Durchführung einer vernehmungsersetzenden richterlichen Videovernehmung.

Ergangen ist der Beschluss im Haftprüfungsverfahren nach den §§ 120, 121 StPO, also Sechs-Monats-Haftprüfung. Vorgeworfen wird dem Angeklagten u.a. sexzeller Missbrauch. Das OLG hat Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Das OLG führt zur Beschleunigung aus:

Das Verfahren ist durch Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht mit der in Haftsachen erforderlichen Beschleunigung geführt worden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass von dem Verfahren drei Kinder — nämlich auch noch der ältere Bruder der beiden Geschädigten — betroffen sind und die Ermittlungen entsprechend behutsam zu führen waren und sind.

Die den Umständen des jeweiligen Einzelfalls nach angemessene Dauer der Durchführung der vernehmungsersetzenden richterlichen Videovernehmung unter Wahrung der gesetzlich vorgesehenen Beteiligungsrechte (§§ 58a Abs. 1 Satz 3, 255a Abs. 2 StPO) — die hier im Übrigen nicht zu beanstanden ist — hat der Angeklagte regelmäßig hinzunehmen.

Dem verfassungsrechtlich geschützten Interesse des Beschuldigten an einer besonders beschleunigten Bearbeitung des Verfahrens steht nämlich das Wohl der geschädigten Kinder keinesfalls nach. Schließlich wurzelt das Rechtsgut Kindeswohl und die Pflicht des Staates, dieses zu schützen und fördern, in den Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 6 GG. Dem Freiheitsrecht des Beschuldigten ist demgegenüber keinesfalls ein Vorrang auf Kosten des Kindeswohls einzuräumen (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 14. November 1994, NJW 1995, 1689, beck-online).

Die Kammer befindet sich derzeit in der Terminsabstimmung für den Beginn der Hauptverhandlung ab dem 19. August 2025. Die hierin liegende Überschreitung der Sechs-Monats-Frist von rund zwei Monaten erklärt sich nachvollziehbar aus einer aktuellen — nicht strukturellen — Auslastung der Kammer mit weiteren eilbedürftigen Haftsachen.

Im Hinblick auf die mögliche Straferwartung ist der weitere Vollzug der Untersuchungshaft auch nicht unverhältnismäßig.“

Na ja, kommt sicherlich auf die Umstände des Einzelfalls an. Und wenn ich schon lese „keinesfalls“

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